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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 83 Ss 126/07
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 61 Abs. 1
AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

83 Ss 126/07

In der Strafsache

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 29. Juni 2007 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO

am 11. Oktober 2007

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Köln zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Köln hat die Angeklagte mit Urteil vom 29. Juni 2007 wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in 3 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 5 € verurteilt. Zum Schuldspruch hat es folgende Feststellungen getroffen:

"Die Angeklagte verfügte vom 24.07. bis zum 27.10.2006 über eine Duldung, in der die Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG bescheinigt wurde. Ihr Aufenthalt war dabei beschränkt auf den Regierungsbezirk Köln.

Am 15.08.2006 gegen 11.30 Uhr und am 19.08.2006 gegen 12.50 Uhr hielt sich die Angeklagte im Düsseldorfer Hauptbahnhof auf. Am 31.08.2006 hielt sie sich im Duisburger Bahnhof auf.

Die Stadt Köln hatte bereits mit Bußgeldbeschied vom 24.05. und 01.06.2006 vorherige Verstöße gegen die räumliche Beschränkung geahndet." Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Sprungrevision der Angeklagten, mit der sie Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Das Rechtsmittel hat insofern (vorläufigen) Erfolg, als es gemäß §§ 353, 354 Abs. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts führt.

Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen der Straftatbestände des § 95 Abs. 1 Nr. 3 und 7 AufenthG nicht.

1.

§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG stellt die Einreise entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG unter Strafe. Soweit das Amtsgericht einen (tateinheitlich begangenen) Verstoß der Angeklagten gegen die genannte Vorschrift angenommen hat, finden sich dazu im angefochtenen Urteil keinerlei Feststellungen.

2.

Darüber hinaus tragen die Feststellungen aber auch nicht den Schuldspruch wegen Vergehens nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG.

Danach macht sich strafbar, wer wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG zuwiderhandelt.

a)

Verstöße gegen § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf das Gebiet des (Bundes-)Landes beschränkt ist, sind nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht gegeben, weil die Angeklagte in keinem der abgeurteilten Fälle Nordrhein-Westfalen verlassen hat.

b)

Das Aufenthaltsrecht der Angeklagten war vorliegend allerdings aufgrund einer - im Urteil des Amtsgerichts indes inhaltlich nicht näher geschilderten - behördlichen Anordnung weitergehend auf den Regierungsbezirk Köln beschränkt. Indem die Angeklagte sich (zum wiederholten Male) außerhalb dieses räumlichen Bereichs begeben und sich zu den festgestellten Zeiten in Düsseldorf bzw. Duisburg aufgehalten hat, könnte sie sich zwar über diese Beschränkung hinweggesetzt und insoweit gegen eine Auflage nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG verstoßen haben. Der Senat teilt indes die Auffassung des OLG Karlsruhe (StV 2007, 136), dass von der Strafvorschrift des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nur Verstöße gegen die räumliche Beschränkung aus § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erfasst werden, nicht aber solche gegen weitergehende behördliche Anordnungen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG. Diese Auslegung folgt aus der Gesetzessystematik, wonach erstmalig begangene Zuwiderhandlungen gegen die räumliche Beschränkung nach § 61 Abs 1 Satz 1 AufenthG als Ordnungswidrigkeit gemäß § 98 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG geahndet werden, solche gegen eine vollziehbare Anordnung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG hingegen von der Bußgeldvorschrift des § 98 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG erfasst werden. Insoweit wird also im Gesetz zwischen den beiden Rechtsgrundlagen einer räumlichen Beschränkung differenziert. Da nur die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG den Straftatbestand erfüllt, Verstöße gegen vollziehbare Auflagen dort aber nicht gleichermaßen genannt sind, werden die Letztgenannten von der Strafnorm nicht erfasst, so dass insoweit nur der Bußgeldtatbestand verwirklicht ist (OLG Karlsruhe a.a.O., m.w.N.). Dieses Verständnis der Strafnorm findet im Übrigen seine Entsprechung im Asylverfahrensrecht. Auch dort ist nur der Verstoß gegen gegen die im Gesetz selbst statuierte räumliche Beschränkung (§ 56 Abs. 1, 2 AsylVfG), nicht aber der Verstoß gegen eine durch die Verwaltungsbehörde erlassene weitergehende Beschränkungsanordnung unter Strafe gestellt (vgl. SenE v. 16.07.2002 - Ss 289/02 - = StV 2003, 82).

3.

Der von der Angeklagten angestrebte Freispruch scheidet aus.

Das Amtsgericht wird vielmehr das Tatgeschehen in der erneuten Hauptverhandlung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer - nicht verjährten (vgl. §§ 98 Abs. 5 AufenthG, 31 Abs. 2 Nr. 4, 33 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, 14, 32 Abs. 2 OWiG) - vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit der Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Auflage nach §§ 98 Abs. 3 Nr. 3, 61 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AufenthG zu würdigen haben. Der Senat ist an einer eigenen Sachentscheidung unter dem Voraussetzungen des § 82 OWiG gehindert, da das angefochtene Urteil Einzelheiten hinsichtlich der der Angeklagten behördlich erteilten Auflage (Vollziehbarkeit, eventuelle Ausnahmen und Kenntnis der Angeklagten von diesen Umständen) nicht enthält.

Ende der Entscheidung

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