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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.12.2008
Aktenzeichen: 83 Ss-Owi 112/08
Rechtsgebiete: StVO, StVG, StPO, OWiG


Vorschriften:

StVO § 41 Abs. 2
StVO § 49
StVG § 24
StPO § 341
OWiG § 77 b Abs. 2
OWiG § 79 Abs. 3 S. 1
OWiG § 80 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Dem Betroffenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beantragung der Zulassung der Rechtsbeschwerde gewährt.

Gründe:

I.

Gegen den Betroffenen ist durch das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil vom 09.10.2008 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 15,00 Euro verhängt worden. Mit einem als "Rechtsbeschwerde" überschriebenen Telefax-Schreiben vom 29.10.2008, das bei Gericht am 30.10.2008 eingegangen ist, hat er die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und dazu ausgeführt, er sei in der mündlichen Rechtsmittelbelehrung nicht über die Fristen informiert worden.

II.

Die Rechtsmittelschrift des Betroffenen vom 30.10.2008 ist (auch) als Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der Fristversäumnis zur Rechtsmitteleinlegung zu verstehen. Dieser Antrag ist begründet. Dem Betroffenen ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.

a)

Der Antrag, über den vorrangig zu entscheiden ist, begegnet hinsichtlich seiner Zulässigkeit keinen Bedenken. Er ist insbesondere rechtzeitig gestellt worden. Dem Vorbringen des Betroffenen kann entnommen werden, dass ihm selbst zum Zeitpunkt der Antragstellung die Fristbestimmung der §§ 341 StPO, 79 Abs. 3 S. 1, 80 Abs. 3 S. 1 OWiG noch nicht bekannt war.

b)

Der Antrag ist auch begründet.

Zwar ist aufgrund des im Hauptverhandlungsprotokoll enthaltenen Vermerks über die Rechtsmittelbelehrung und des Vermerks der Richterin vom 13.11.2008 davon auszugehen, dass das Amtsgericht den Betroffenen über das zulässige Rechtsmittel und die einzuhaltenden Formerfordernisse richtig und vollständig belehrt hat (vgl. Wendisch, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 35 a Rdnr. 23; OLG Köln, 2. Strafsenat, OLGSt § 35 a StPO Nr. 1).

Gleichwohl kann dem Betroffenen eine verschuldete Fristversäumung nicht vorgeworfen werden, weil ihm entgegen Nr. 142 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Nr. 285 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) ein Merkblatt über die einem Betroffenen im Bußgeldverfahren zur Verfügung stehenden Rechtsmittel nicht ausgehändigt worden ist.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass sich aus dieser Regelung jedenfalls für schwierige und umfangreiche Rechtsmittelbelehrungen die richterliche Fürsorgepflicht ergibt, einem Rechtsunkundigen, der zudem nicht durch einen Verteidiger beraten ist, neben der mündlichen Belehrung auch ein Merkblatt über die Voraussetzungen des Rechtsmittels auszuhändigen (vgl. BVerfG NJW 1996, 1811; SenE v. 04.04.1997 - Ss 16/97 - (Z) = VRS 93, 428 = NStZ 1997, 404; SenE v. 21.05.1997 - Ss 254/97 Z -; SenE v. 21.05.1997 - Ss 260/97 B -; SenE v. 28.12.2007 - 82 Ss 188/07 -; OLG Köln 2. StrS a. a. O.; OLG Hamm VRS 59, 347; KG NZV 1992, 123, Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 79 Rdnr. 3O b; Senge, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 71 Rdnr. 98; Maul, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Auflage, § 35 a Rdnr. 1O, KMR-Paulus § 35 a Rdnr. 12). Ebenso wie im Strafverfahren (vgl. dazu OLG Zweibrücken OLGSt § 44 StPO Nr. 2; OLG Düsseldorf NStE § 44 StPO Nr. 26) steht auch der Betroffene im Bußgeldverfahren zum Zeitpunkt der Rechtsmittelbelehrung oft noch ganz unter dem Eindruck der vorausgegangenen Urteilsverkündung (vgl. Senat a.a.O.; OLG Hamm VRS 59, 347). Auch einem intelligenten und gutwilligen Betroffenen wird vielfach die Konzentration fehlen, die Einzelheiten der Rechtsmittelbelehrung voll zu erfassen und zu behalten. Um ihm die Gelegenheit zu geben, diese Einzelheiten in Ruhe nochmals nachzulesen, ist in Nr. 142 RiStBV die Aushändigung eines entsprechenden Merkblattes ausdrücklich vorgesehen. Unterlässt der Amtsrichter - wie hier - die Aushändigung einer solchen schriftlichen Belehrung, kann dem Betroffenen ein darauf zurückzuführender Irrtum nicht zum Verschuldensvorwurf gereichen. Dementsprechend war dem Betroffenen auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da ohne weiteres glaubhaft erscheint, dass die Fristversäumung auf mangelnder Kenntnis der Einlegungsfrist beruht.

Das Amtsgericht wird nunmehr gemäß § 77 b Abs. 2 OWiG die Urteilsgründe zu den Akten zu bringen haben. Die dabei einzuhaltende Frist beginnt mit dem Eingang der Akten bei dem Amtsgericht (BGH NJW 2008, 3509).

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