Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.04.2006
Aktenzeichen: 9 U 102/05
Rechtsgebiete: ZPO, VVG, VHB 92, InsO


Vorschriften:

ZPO § 313 a Abs. 1
ZPO § 540 Abs. 2
VVG § 1 Abs. 1
VVG § 49
VHB 92 § 1 Nr. 1
VHB 92 § 1 Nr. 2
VHB 92 § 3 Nr. 2
VHB 92 § 5 Nr. 1 a
VHB 92 § 22 Nr. 1
InsO § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 13.04.2005 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 316/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

- abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO -.

Die Berufung ist zulässig, sie hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 1 Abs. 1, 49 VVG, 5 Nr. 1 a, 3 Nr. 2, 1 Nr. 1 und 2 VHB 92.

Die Beklagte ist nach § 22 Nr. 1 VHB 92 leistungsfrei, denn die Kläger haben versucht, die Beklagte arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind.

1.

Zutreffend ist die Kammer davon ausgegangen, dass für die Annahme einer versuchten Täuschung ausreicht, wenn der Versicherungsnehmer falsche Angaben macht, die einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen, ohne dass hierbei eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers vorliegen muss (Senat VersR 2003, 101; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., XIII, Rz. 8, 11, 15, Knappmann in Prölss/Martin VVG, 27. Aufl., § 22 VHB 84 Rz. 1 f). Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen ist - wie ebenfalls im Urteil zutreffend ausgeführt - erforderlich aber auch ausreichend, dass der Versicherungsnehmer sich bewusst ist, dass sein Verhalten das Regulierungsverhalten des Versicherers beeinflussen kann. Dabei genügt es, wenn lediglich die Beschleunigung der Regulierung beabsichtigt ist, oder wenn Beweisschwierigkeiten umgangen oder vermieden werden sollen.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine arglistige Täuschung etwa dann gegeben ist, wenn der Versicherer Belege selbst fälscht oder - beispielsweise bezüglich des Ausstellungsdatums - verfälscht und sie dem Versicherer zur Regulierung vorlegt. Auch unrichtige Angaben über die Originalität von Rechnungen und Einkaufsbelegen oder die Vorlage von unvollständigen oder irreführenden Belegen stellen eine arglistige Täuschung dar, wenn der Versicherungsnehmer einen unrichtigen Eindruck beim Versicherer hervorrufen will (Senat NVersZ 2001, 279; VersR 2001, 893, 2003, 101; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., X III, Rz. 11, Knappmann in Prölss/Martin VVG, 27. Aufl., § 22 VHB 84 Rz. 1).

a.

Nach diesen Grundsätzen ist jedenfalls in Bezug auf die Vorlage der Rechnung der I. T. GmbH vom 03.09.2001 (Bl. 6 AH) zur Regulierung des Einbruchsschadens vom Versuch einer arglistigen Täuschung durch die Kläger auszugehen.

Mit Vorlage dieser äußerlich unauffälligen Rechnung haben die Kläger gegenüber der Beklagten den Eindruck erweckt und damit schlüssig erklärt, die hierin aufgeführten Werkzeuge unter "regulären" Umständen gekauft zu haben. Weil die Rechnung keinen Hinweis darauf enthielt, dass es sich um Gebrauchtgeräte handelte, musste die Beklagte zudem davon ausgehen, dass es sich um einen Kaufbeleg für Neu-Geräte handelte, zumal die Kläger in der Schadensmeldung vom 29.10.2002 (Bl. 9 AH) unter "Anschaffungsjahr/wert" jeweils "01" angegeben hatten. Darauf, dass sich die Preisangaben auf Neugeräte bezogen, war aus der Sicht der Beklagten zudem auch aufgrund der Höhe der in der Rechnung ausgewiesenen Einzelpreise für das - angeblich (bis auf das Abgasmessgerät) zu privaten Zwecken angeschaffte - Werkzeug auszugehen. Dies gilt insbesondere für den Akuschrauber (500,- DM), den Fliesenschneider (479,- DM), die Kapp- und Gehrungssäge (1.120,- DM) sowie die Viega-Presszange (3.200,- DM). Die Kläger haben zur Schadenshöhe zudem selbst geltend gemacht, es seien die "Neuwerte" der Gegenstände zu ersetzen. Sie haben vorgetragen, "sämtliche in der Rechnung der Firma I. T. GmbH vom 03.09.2001 aufgeführten Preise für die einzelnen Positionen entsprächen dem tatsächlichen Wiederbeschaffungswert" (Schriftsatz vom 06.09.2004, Bl. 32 ff. GA).

Dieser mit Vorlage der Rechnung der T. GmbH von den Klägern erweckte Eindruck stimmt mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht überein, so dass die Beklagte durch Vorlage der Rechnung objektiv getäuscht worden ist.

Wie die Klägerin (erstmals) im Rahmen ihrer Anhörung durch das Landgericht vom 20.102.2004 angegeben hat, und wie die Kläger sodann im einzelnen näher dargelegt haben, soll es sich bei dem der Rechnung vom 03.09.2001 zugrunde liegenden Rechtsgeschäft nicht um einen regulären Kauf von Neugeräten gehandelt haben. Vielmehr wollen die Kläger die gebrauchten Werkzeuge "anstelle des von der Fa. T. GmbH über Monate nicht mehr gezahlten Gehaltes" am Tag der Ablehnung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Absprache mit dem "Konkursverwalter" an sich genommen haben. Der "Konkursverwalter" habe noch festgestellt, welchen Wert dieses Werkzeug hatte, dem entsprechend habe der Kläger zu 2) dann über die Entnahme der Gegenstände eine Rechnung ausgestellt.

b.

Bereits die Richtigkeit dieser Darstellung ist nach den Gesamtumständen ernsthaft anzuzweifeln.

Denn ausweislich der zu Informationszwecken beigezogenen Akte des Insolvenzverfahrens betreffend die I. T. GmbH - AG Wuppertal 145 IN 275/01 - konnten die Kläger von der Ablehnung des Insolvenzantrages am 03.09.2001 noch gar nichts wissen. Die Zustellung des Beschlusses an die Schuldnerin ist erst am 04.09.2001 verfügt worden (Bl. 117 BA). Soweit der Kläger hierzu erklärt hat, er habe "zufällig" am 03.09.2001 beim Insolvenzgericht angerufen und auf diese Weise von dem Beschluss schon vor dessen Zustellung erfahren, erscheint dies wenig überzeugend.

Die Behauptung, das Werkzeug bereits am 03.09.2001 "entnommen" zu haben, dürfte zudem in Widerspruch zum Inhalt der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren - 81 Js 253/03 StA Köln - abgegebenen Einlassung des Klägers stehen. Dort hatte der Kläger vorgetragen: " ... der Antrag wurde am 03.09.2001 mangels Masse abgewiesen. Im Rahmen der nachfolgenden Firmenliquidation hat mein Mandant sodann die nämlichen Werkzeuge von der Gesellschaft gekauft und hierüber eine ordnungsgemäße Rechnung erstellt ..." (Bl. 76 der Ermittlungsakte).

Die Darstellung der Kläger zum angeblichen Kauf steht auch sonst in Widerspruch zum Inhalt der Insolvenzakte. So hatte der Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin am 26.07.2001 im Vermögensverzeichnis unter Ziffer 3. den vorhandenen Werkzeugbestand aufgeführt (Bl. 93 BA). Diese Aufstellung deckt sich jedoch nicht mit den in der Rechnung vom 03.09.2001 ausgewiesenen Werkzeugen. So sind im Vermögensverzeichnis nicht aufgeführt die beiden Winkelschleifer, zwei (weitere) Sägen, der Akuschrauber, das Fliesenschneidegerät, die Viega-Pressmaschine sowie das Abgasmessgerät. Dass diese hochwertigen Geräte nach dem 26.07.2001 von der insolventen Schuldnerin angeschafft wurden, ist auszuschließen - der Kläger hat am 30.07.2001 selbst den Insolvenzantrag gestellt.

Zudem kann es nicht stimmen, dass das Werkzeug vom "Konkursverwalter" bewertet und in Absprache mit diesem von den Klägern - in entsprechender Verrechnung mit offenen Lohnansprüchen - von der Schuldnerin "gekauft" worden ist. Denn es war in dem Insolvenzverfahren noch gar kein "Konkurs"- oder Insolvenzverwalter bestellt worden; das Insolvenzgericht hatte lediglich beschlossen, gemäß § 5 InsO ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auch wenn zu Gunsten der Kläger davon ausgegangen wird, dass sich die Angaben der Klägerin auf diesen Gutachter bezogen, spricht der Inhalt der Insolvenzakte gegen die von ihr im Rahmen ihrer Anhörung abgegebene Sachdarstellung. Denn im Gutachten des vom Insolvenzgericht beauftragten Gutachters Dr. N. vom 21.08.2001 (Bl. 101 ff. BA) findet sich kein Hinweis darauf, dass sich das angeblich kurz darauf von den Klägern erworbene Werkzeug im Besitz der Schuldnerin befunden hat. Der Gutachter hat entsprechend seinen Ausführungen unter Ziffer IV A.4. das vorhandene Werkzeug, welches bereits in der Bilanz auf den 31.12.2000 nur mit 11.901,- DM bewertet worden war (Bl. 17 BA), in Augenschein genommen und insofern einen Liquidationswert von nur 1.000,- DM angesetzt.

Gegen die Annahme, dass die in der Rechnung vom 03.09.2001 angegebenen Preise auf einer Schätzung des Gutachters beruhen, sprechen im Übrigen auch die in der Rechnung aufgeführten - zumindest teilweise - "krummen" Beträge. Dass der Gutachter beispielsweise den Wert eines gebrauchten Fliesenschneiders auf "479,- DM" schätzt, erscheint lebensfremd.

Weitere Zweifel ergeben sich aus den Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Angaben des Klägers im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren (Bl. 77 der Ermittlungsakte) zum angeblichen Weiterverkauf des Werkzeuges an den Sohn der Klägerin und zur späteren Rückabwicklung dieses Rechtsgeschäftes.

c.

Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob die Angaben der Kläger zum Hintergrund der Rechnung vom 03.09.2001 der Wahrheit entsprechen. Denn auch wenn ihre Richtigkeit unterstellt wird, stellte die Einreichung der Rechnung zur Regulierung eine arglistige Täuschung der Kläger dar.

Wie ausgeführt, haben die Kläger mit der Vorlage der Rechnung den Eindruck eines regulären Ankaufs von Neuwerkzeugen erweckt. Die Vorlage eines Kaufbeleges bietet für einen Versicherers regelmäßig eine Gewähr dafür, dass die in der Rechnung ausgewiesenen Parteien tatsächlich einen Kaufvertrag über die dort bezeichneten Gegenstände geschlossen haben und der Vertragsschluss zu dem in der Rechnung bezeichneten Zeitpunkt erfolgt ist. Der Versicherer wird ferner davon ausgehen, dass es sich bei den in einer Rechnung dargestellten Beträgen um reguläre Kaufpreise für Neuwaren handelt, für die grundsätzlich die Vermutung besteht, dass diese dem Marktwert entsprechen. Der Versicherer wird regelmäßig auf die Richtigkeit der Angaben in einer vorgelegten Rechnung vertrauen und daher keine weiteren Ermittlungen mehr anstellen.

Wenn die Angaben der Kläger stimmen, handelte es sich bei dem von ihnen kommentarlos zur Regulierung eingereichten Kaufbeleg demgegenüber um eine Rechnung, die - ohne dass dies erkennbar war - vom Kläger zu 2) selbst ausgestellt worden war und sich zu einem "Erwerbsgeschäft" verhielt, dass nicht als "regulär" bezeichnet werden kann und Gebrauchtwerkzeug betraf.

Dass ein Versicherer in Kenntnis dieser besonderen Umstände einem solchen Beleg ungleich geringeren Beweiswert beigemessen und sich zu weiteren kritischen Überprüfungen der Angaben des Versicherungsnehmers veranlasst gesehen hätte, lag für jeden juristisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer - und damit auch für die Kläger - auf der Hand. Angesichts dieser Gesamtumstände steht - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - fest, dass die Einreichung der ersichtlich irreführenden Rechnung der Fa. T. GmbH vom 03.09.2001 bei der Beklagten zur Regulierung des Einbruchsschadens zum Zwecke der arglistigen Täuschung erfolgt ist.

2.

Auch die Angaben der Kläger zum Hintergrund der Rechnung der Fa. "T. s.v. I." vom 14.10.2002 erscheinen angesichts der Gesamtumstände nicht als überzeugend. Ob auch insofern der Vorwurf der versuchten arglistigen Täuschung begründet ist, kann jedoch dahinstehen, weil bereits aufgrund der unter 1. a. und b. ausgeführten Umstände die Voraussetzungen des § 22 Nr. 1 VHB 92 erfüllt sind.

3.

Der Beklagten ist es auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Leistungsfreiheit zu berufen. Zutreffend ist zwar, dass nicht jeder Fall einer arglistigen Täuschung des Versicherungsnehmers die Rechtsfolge der vollständigen Leistungsfreiheit nach sich ziehen muss. Die dem allgemeinen Vertragsrecht eher fremde Sanktion der Leistungsfreiheit gemäß § 22 Nr. 1 VHB 92 findet ihre Rechtfertigung im Grundsatz von Treu und Glauben, der aber umgekehrt auch der Leistungsfreiheit des Versicherers Grenzen setzt. (BGH VersR 1992, 1465; 1992, 1087; 1986, 77; 1969, 411; OLG Karlsruhe NVersZ 2000, 345; Senat NVersZ 2002, 79; Knappmann, aaO., Rn. 3). Die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung des Versicherers bei Berufung auf § 22 Nr. 1 VHB 92 setzt allerdings ganz besondere Umstände voraus: Der Verlust des Versicherungsschutzes muss sich für den Versicherungsnehmer als eine übermäßige Härte darstellen. Ob dies der Fall ist, ist anhand einer wertenden Gesamtschau aller Umstände zu beurteilen, wobei insbesondere die Beweggründe für die Täuschung und das Maß des Verschuldens eine Rolle spielen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, ob sich die Täuschung nur auf einen geringen Teil des versicherten Schadens bezog, wobei dies von der Rechtsprechung bei etwa 10 % des Gesamtanspruches angenommen wird (OLG Hamm VersR 1986, 1177; Senat VersR 2001, 893), und ob dem Versicherungsnehmer bei Wegfall des Versicherungsschutzes Nachteile drohen, die ihn in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden (BGH VersR 1992, 1465, OLG Saarbrücken VersR 1997, 826).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt:

Den Klägern ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände bereits ein erheblicher Verschuldensvorwurf zu machen. Der Anspruchsverlust führt für sie auch nicht zu einer Existenzbedrohung. Zudem bezog sich ihr Täuschungsversuch auch nicht auf einen relativ geringen Teil des behaupteten Anspruches. Die Kläger hatten gestützt auf die Rechnung vom 03.09.2001 einen Betrag von 13.930,44 DM (=7.122,53 €) geltend gemacht; dies entspricht etwa der Hälfte der Gesamtforderung.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1,100 Abs. 1, 708 Nr.10,713 ZPO.

5.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht. Die Sache hat über den konkret zur Entscheidung stehenden Einzelfall mit seinen Besonderheiten hinaus keine Bedeutung.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 14.958,88 €

Ende der Entscheidung

Zurück