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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.02.2003
Aktenzeichen: 9 U 119/02
Rechtsgebiete: VVG, AKB


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 49
AKB § 7 I Nr. 2 Satz 3
AKB § 7 V Nr. 4
AKB § 12 Abs. 1 Nr. I b)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15.03.2002 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 434/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Kaskoversicherer wegen der Entwendung seines Oldtimerfahrzeugs U am 02.07.2001 in T in Anspruch. Die Beklagte lehnte außergerichtlich eine Entschädigung ab, weil die Angaben des Klägers im Diebstahlsfragebogen bezüglich der Betriebsleistung des Fahrzeugs nicht mit den ihr vorliegenden Unterlagen übereinstimmten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte sei wegen einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei geworden, weil der Kläger die Laufleistung des Fahrzeugs unrichtig angegeben habe.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, bei einem Oldtimer sei die Laufleistung nicht entscheidend, sondern der Zustand. Aus diesem Grund könne eine unrichtige Angabe zu den gefahrenen Kilometern mangels Relevanz nicht zur Leistungsfreiheit führen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Aachen nach dem zuletzt erstinstanzlich gestellten Antrag zu erkennen und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 17.199,86 (= DM 33.640,00) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 16.01.2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch aus §§ 1, 49 VVG, § 12 Abs. 1 Nr. I b) AKB nicht zu.

Der Ersatzanspruch des Klägers entfällt, weil die Beklagte wegen schuldhafter Verletzung der dem Versicherungsnehmer nach § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB obliegenden Aufklärungspflicht gemäß § 7 V Nr. 4 AKB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG von ihrer etwaigen Leistungspflicht frei geworden ist.

Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sein kann. Dazu gehört auch die Pflicht, den Versicherer wahrheitsgemäß und vollständig über solche Umstände zu unterrichten, die für die Feststellung des Hergangs des Schadenereignisses und die Höhe des Schadens von Bedeutung sind. Die Auskünfte des Versicherungsnehmers müssen es dem Versicherer insbesondere ermöglichen, sachgemäße Feststellungen zu treffen, um den Schaden regulieren zu können. Die Verpflichtung des Versicherungsnehmers besteht auch im Hinblick auf die Laufleistung (vgl. Senat, r+s 1998, 320; r+s 2001, 278). Diese Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls hat der Kläger verletzt.

Der Kläger hat im Verhandlungstermin vor dem Landgereicht Aachen selbst eingeräumt, dass er in dem "Schadenformular" - das Original liegt nicht vor - einen Kilometerstand von circa 21.000 Meilen angegeben habe. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass in dem Formular nach dem letzten Kilometerstand im Sinne der tatsächlichen Betriebsleistung des Fahrzeugs vor dem Diebstahl gefragt war. Rechnet man den Wert von 21.000 Meilen mit dem Faktor 1,6093 in Kilometer um, so ergeben sich 33.795 Kilometer. Selbst wenn man wegen der "circa-Angabe" nach dem objektiven Erklärungswert zugunsten des Versicherungsnehmers von aufgerundet 29.000 Meilen ausgeht (vgl. Senat, r+s 1998, 320; r+s 1994, 401), so entspricht dies 46.669 Kilometern. Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 11.07.2001 gab der Kläger auf die Frage nach dem letzten Kilometerstand "ca. 20.000 " Meilen an (vgl. Bl. 18 GA).

Im Versicherungsantrag von 1997 hatte der Kläger auf die Frage "Kilometerstand (abgelesen)" handschriftlich eingetragen "ca. 74.000 " (Bl. 24 GA) . Es folgt dann vorgedruckt "km". In einem von dem Sachverständigen N unter dem 08.04.1992 erstatteten Gutachten ist der "Tachometerstand abgelesen" mit " 63.579 km " (Bl. 21 GA). Diese Angabe hat der Sachverständige mit Schreiben vom 19.12.2001 (Bl.46 GA) korrigiert, dass wegen des Tachometers mit Meilenanzeige Meilen gemeint gewesen seien und der Kilometerstand nach Umrechnung 102.318 Kilometer betragen habe. Damit ist auf jeden Fall von einer Aufklärungspflichtverletzung auszugehen.

Soweit der Kläger im Laufe des Rechtstreits mit Schriftsatz vom 31.01.2002 seine Angaben richtig gestellt hat, ist dies nicht mehr freiwillig erfolgt und ändert an der Annahme einer Obliegenheitsverletzung nichts (vgl. Senat, r+s 1996, 298).

Dass die Beklagte auf Grund des ihr bekannten Gutachtens des Sachverständigen N davon ausgegangen ist, die Angaben des Klägers hätten sich nur auf die von ihm gefahrenen Kilometer bezogen, ist nicht erkennbar.

Im Gegenteil: Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige S legte in seiner Bewertung vom 26.07.2001 die Laufleistung von 21000 Meilen zugrunde (Bl. 20 GA).

Aus den objektiv unzutreffenden Angaben des Klägers folgt Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 7 I Nr. 2 Satz 3, V Nr. 4 AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG. Die gegen ihn sprechende Vorsatzvermutung (§ 6 Abs. 3 S. 1 VVG) hat der Kläger nicht widerlegt.

Nach den Grundsätzen der sog. Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, VersR 1984, 228), tritt bei vorsätzlichen, aber für den Versicherer folgenlos gebliebenen Verletzungen der Aufklärungspflicht Leistungsfreiheit allerdings nur ein, wenn die Verletzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und wenn dem Versicherungsnehmer ein schweres Verschulden zur Last fällt. Ferner muss er über den Eintritt der Leistungsfreiheit des Versicherers bei derartigen Obliegenheitsverletzungen zutreffend belehrt worden sein. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Die Obliegenheitsverletzung war generell geeignet, die Interessen der Beklagten als Versicherer ernsthaft zu gefährden. Es liegt auf der Hand, dass der Kaskoversicherer für seine Regulierungsentscheidung darüber informiert sein muss, welche Laufleistung das Fahrzeug zurückgelegt hat.

Dass es sich vorliegend um einen Oldtimer und Liebhaberfahrzeug handelt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Nicht entscheidend ist, ob dem Kläger die Laufleistung des Wagens nur von nachrangiger Bedeutung war.

Bei Oldtimern orientiert sich der Wiederbeschaffungswert (§ 13 Nr. 1 AKB) am Marktwert (vgl. BGH, NJW 1994, 1290; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 17. Aufl., § 13 AKB, Rn 15). Dieser wird in der Regel durch Angebot und Nachfrage interessierter Kreise, dokumentiert zum Beispiel in Inseraten in Spezialzeitschriften, gebildet. Es mag sein, dass bei der Wertermittlung von Liebhaberfahrzeugen der Pflege- und Erhaltungszustand von besonderer Bedeutung ist. Aber auch bei solchen Fahrzeugen ist das Alter des Wagens und seine Laufleistung ein Bewertungskriterium. So haben die Sachverständigen N, S und L jeweils die Laufleistung in ihre Bewertungen miteinbezogen. Damit ist klar, dass auch bei Oldtimerfahrzeugen die Falschangabe der gefahrenen Kilometer generell geeignet ist, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden.

Die Belehrung in dem von den Beklagten eingereichten "Fragebogen zum Diebstallhergang" ist inhaltlich zutreffend und entspricht den Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. BGH VersR 1998, 447; r+s 1993, 321 ). Dem Versicherungsnehmer ist klar und deutlich gesagt, dass bewusst unwahre oder unvollständige Angaben zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, auch wenn dem Versicherer hierdurch kein Schaden entsteht. Es liegen keine Umstände vor, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten. Es handelt sich insgesamt betrachtet nicht um ein Fehlverhalten, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. waren nicht gegeben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren EUR 17.199,86

Ende der Entscheidung

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