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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.03.2003
Aktenzeichen: 9 U 128/02
Rechtsgebiete: VVG, AKB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 6 Abs. 3 Satz 1
VVG § 49
VVG § 76 Abs. 1
AKB § 12 Abs. 1 I b
AKB § 7 I Abs. 2 Satz 3
AKB § 7 V Abs. 4
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 525
ZPO § 398
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 13. Juni 2002 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 216/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger erwarb im März 2000 einen neuen Audi A 6, wobei als (im Brief eingetragener) Käufer der Inhaber einer Fahrschule, ein Herr L. auftrat, weil er einen höheren Rabatt erhielt. Der Kläger versicherte das Fahrzeug bei der Beklagten und fuhr Ende Juli/Anfang August 2000 mit einer Bekannten, die früher in Ungarn gelebt hatte, nach Budapest. Am 4.8.2000 besuchten beide das Bad eines größeren Hotels. In dieser Zeit wurde nach der Behauptung des Klägers der Wagen gestohlen. Er hat die Beklagte auf Ersatz von 64.124,55 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugin O. und Anhörung des Klägers) die Klage abgewiesen, weil das äußere Bild des Diebstahls nicht bewiesen sei. Außerdem habe der Kläger durch falsche Angaben über den zur angegebenen Diebstahlszeit im Auto verbliebenen Schlüssel grob fahrlässig gegen eine Obliegenheit verstoßen.

Der Kläger vertritt mit der Berufung die Ansicht, das Landgericht habe den Umfang des zu führenden Beweises verkannt.

Er beantragt (sinngemäß),

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 64.124,55 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, 64.124,55 DM (32.786,36 EUR) nebst Zins in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an Herrn W. H. L., E.weg xx, xxxxx B. , zu zahlen,

weiter hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger wegen des Diebstahlschadens vom 4.8.2000 an dem Pkw Audi 6, amtliches Kennzeichen XX-XX-XX, bedingungsgemäß zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Februar 2003 und die zur Information beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Köln 71 Js 219/01 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist vom Landgericht im Ergebnis mit Recht abgewiesen worden.

Dem Kläger steht wegen der behaupteten Entwendung des Fahrzeuges Audi A 6 Avant TDI, amtliches Kennzeichen XX-XX-XX, kein Anspruch aus der Kaskoversicherung zu, §§ 1, 49 VVG in Verb. mit § 12 Abs. 1 I b AKB. Der Versicherungsfall ist nicht bewiesen, und darüber hinaus liegen die Voraussetzungen für Leistungsfreiheit wegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Klägers vor, §§ 7 I Abs. 2 Satz 3, V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 Satz 1 VVG. Bedenken gegen die Aktivlegitimation des Klägers bestehen allerdings schon deswegen nicht, weil er Versicherungsnehmer ist, vgl. § 76 Abs. 1 VVG.

Das Landgericht hat mit in sich geschlossener, überzeugender und nachvollziehbarer Begründung ausgeführt, daß es der Zeugin O. und dem Kläger nicht glaube. In der Darstellung der Zeugin und des Klägers wurden Brüche festgestellt, die diese Würdigung plausibel erscheinen lassen. Gründe für eine Wiederholung der Beweisaufnahme liegen nicht vor, §§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 525, 398 ZPO. Es sind insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.

Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung hat das Landgericht insbesondere den Umfang des vom Kläger zu führenden Beweises nicht verkannt. Hinsichtlich der Tatsachen, aus denen sich das äußere Bild des Diebstahls ergibt, muß ein Vollbeweis geführt werden (BGH r+s 1993, 169 = VersR 93, 571 und r+s 1992, 221 = VersR 92, 867; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 49 Rn. 23). Entgegen der mit der Berufung offenbar vertretenen Ansicht genügt es nicht, daß der Kläger und die Zeugin inhaltlich Aussagen gemacht haben, aus denen sich das äußere Bild eines Diebstahls ergibt. Hinzu kommen muß - wie bei jeder Beweisführung - daß das Gericht von der Richtigkeit der fraglichen Angaben überzeugt ist. Dies war hier nicht der Fall.

Leistungsfreiheit ist darüber hinaus nach den §§ 7 I Abs. 2 Satz 3, V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 Satz 1 VVG eingetreten. Der Kläger hat in dem von ihm am 17. August 2000 unterzeichneten Fragebogen auf die Frage "Wie viele Schlüssel haben Sie zum Fahrzeug erhalten?" als Antwort eingetragen "3" und die darauf folgende Frage nach abhanden gekommenen Schlüsseln verneint. Tatsächlich hatte er aber einen vierten Schlüssel, einen sogenannten Portemonnaieschlüssel aus Plastik, zum Fahrzeug erhalten.

In der unrichtigen Angabe über die Anzahl der erhaltenen Schlüssel liegt eine Obliegenheitsverletzung, nämlich ein Verstoß gegen § 7 I Abs. 2 Satz 3 AKB. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG wird vermutet, daß die Falschangabe vorsätzlich erfolgt ist. Der Versicherungsnehmer hat die gesetzliche Vorsatzvermutung zu widerlegen, was dem Kläger nicht gelungen ist. Er räumt ein, daß die von ihm unterzeichnete Angabe unzutreffend war.

Nach der sogenannten Relevanzrechtsprechung (BGH r+s 1984, 178 = VersR 1984, 228 und ständig) tritt Leistungsfreiheit bei einer vorsätzlichen, folgenlosen Obliegenheitsverletzung ein, wenn diese generell geeignet ist, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, den Versicherungsnehmer schweres Verschulden trifft und er außerdem ausdrücklich über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung belehrt worden ist. Auch diese Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit des Versicherers liegen vor.

Falsche Angaben über die Zahl der erhaltenen Schlüssel sind im Entwendungsfall generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Bei der Überprüfung der Einstandspflicht ist es für ihn wichtig zu wissen, wie viele Fahrzeugschlüssel der Versicherungsnehmer in Besitz hatte und ob Schlüssel abhanden gekommen sind. Der Versicherer hat darüber hinaus auch ein Interesse daran, daß der Versicherungsnehmer möglichst zeitnah nach dem Geschehen, aus dem er Ansprüche herleitet, korrekte und vollständige Angaben macht, damit die Möglichkeit nachträglicher - möglicherweise unrichtiger - Ergänzungen und Korrekturen ausgeschaltet wird (Senat r + s 2001, 14).

Erhebliches Verschulden des Klägers ist ebenfalls gegeben. Nur dann, wenn ein Verstoß vorliegt, der auch einem sonst ordentlichen Versicherungsnehmer angesichts der Umstände des Falles leicht unterlaufen kann und für den ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (vgl. schon BGH VersR 1976, 383 und VersR 1977, 1021), ist erhebliches Verschulden zu verneinen. Eine solche Situation ist hier nicht gegeben. Der Kläger hat eingeräumt, den "vergessenen" Plastikschlüssel wiederholt zum Joggen benutzt zu haben. Noch wenige Stunden vor dem behaupteten Diebstahl sei dies geschehen. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wieso der Kläger den Schlüssel, den er nach eigener Darstellung bewußt aus - nicht nachvollziehbaren - Sicherheitserwägungen im Auto zurückgelassen haben will, beim Ausfüllen der Schadensanzeige "vergessen" konnte. Hinzu kommt, daß auch gegenüber der Polizei in Deutschland im Rahmen einer ausführlichen Vernehmung die Zahl der erhaltenen Schlüssel fälschlich nur mit drei angegeben wurde. Im Ergebnis hat der Kläger nichts vorgetragen, was seine Falschangabe in mildem Licht erscheinen lassen könnte.

Er wurde in der von ihm ausgefüllten Schadenanzeige auch zutreffend und deutlich auf die Folgen falscher Angaben hingewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlaß, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO n. F. die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 32.786,36 EUR

Ende der Entscheidung

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