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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.04.2000
Aktenzeichen: 9 U 133/99
Rechtsgebiete: VVG, VHB 84, BGB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 23
VVG § 25
VVG § 27
VVG § 28
VVG § 29 Satz 1
VVG § 34a
VVG §§ 43 ff
VHB 84 § 11 Nr. 1 S. 1
VHB 84 § 11 Nr. 3
VHB 84 § 13 Nr. 3
VHB 84 § 13 Nr. 2
BGB § 284
BGB § 288
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 108
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 133/99 7 O 161/99 LG Bonn

Anlage zum Protokoll vom 04.04.2000

Verkündet am 04.04.2000

Meinecke, JHS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach und die Richterin am Landgericht Kretzschmar

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.08.1999 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 7 O 161/99 - geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 119.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.01.1999 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 140.000,-- DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistung kann auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Grund einer mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (V.-Versicherung für den öffentlichen Dienst AG) abgeschlossenen Hausratversicherung wegen eines Brandschadens vom 27.09.1998 auf Entschädigung in Anspruch.

Ursprünglich hatte die Klägerin im Jahre 1993 für ihre Wohnung in der G.straße 27 in ... B. mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Hausratversicherung abgeschlossen. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen VHB 84 - Hs 1 -O2 zugrunde. Mitte 1996 zog die Klägerin im Zusammenhang mit der Trennung von ihrem früheren Ehemann zu ihrem damaligen Lebensgefährten und jetzigen Ehemann in das Haus I.straße 30 in .. M./M.. Dieser betrieb dort im Erdgeschoss eine Schreinerei mit Fenster- und Türenfabrikation. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Hauptgebäude und beidseitig längs angeordneten eingeschossigen Anbauten. Die Tragkonstruktion des Produktionsgebäudes besteht aus Stahlbeton - Skelettbauweise mit Bimssteinen ausgefacht und beidseitig verputzt. Das Obergeschoss ist gemauert, verputzt und zum Teil mit Fliesen und Paneelen ausgestattet. Das massive Treppenhaus verfügt über eine Treppe aus Stahlbeton mit Stufenbelag. Mit Schreiben der Bezirksregierung T. vom 28.11.1980 und der Kreisverwaltung B.-W. vom 04.08.1987 war dem Ehemann der Klägerin bestätigt worden, dass gegen das Bauvorhaben und seine Erweiterung im Jahre 1987 in brandschutztechnischer Hinsicht keine Bedenken bestehen, wenn dieses unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Behörde ausgeführt wird. Dies ist geschehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 07.10.1999 ergänzend Bezug genommen.

Die Klägerin informierte telefonisch den Mitarbeiter der Beklagten, Herrn F., von dem Umzug. Der weitere Inhalt des Telefongesprächs ist streitig. Unter dem Datum des 24.10.1996 übersandte die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen Nachtrag zur Hausratversicherung. Als Anschrift ist "I.str. 30, .. M." angegeben. Es heißt darin u.a.: " Mit Wirkung vom 02.11. 96 ist geändert: - aufgrund Wohnungswechsels: der Versicherungsort - der Beitrag".

Weiter heißt es: "Vertragsgrundlagen: unverändert ...Gefahrerhöhung durch Inhalt, Betrieb und/oder Nachbarschaft liegt nicht vor". Unter dem 03.11.1997 übersandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin einen weiteren Nachtrag zur Hausratsversicherung an die neue Anschrift. Darin heißt es: "Mit Wirkung vom 01.11.97 ist geändert - aufgrund Wohnungswechsels: die Klausel "Kein Abzug wegen Unterversicherung" entfällt". Außerdem heißt es dort: "Vertragsgrundlagen: unverändert .... Gefahrerhöhung durch Inhalt, Betrieb und/oder Nachbarschaft liegt nicht vor."

Am 27.09.1998 kam es zu einem Brand in dem Hause I.straße 30 in M. durch einen Defekt in der Staub - und Dampf- Absauganlage der Schreinerei. Das Feuer griff auf die Wohnung der Klägerin über und richtete dort erhebliche Zerstörungen an. Unstreitig entstand eine Hausratschaden von 119.000,-- DM, den die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Schreiben vom 20.01.1999 selbst errechnet und bestätigt hatte.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten kündigte das Versicherungsverhältnis durch Schreiben vom 16.10.1998 an die Klägerin mit sofortiger Wirkung unter Hinweis auf die Gefahrerhöhung durch Wohnungswechsel. Mit Schreiben vom 20.01.1999 lehnte die Beklagte eine Entschädigungsleistung ab, weil die Klägerin eine durch den Umzug nachträglich eingetretenen Gefahrerhöhung wegen des holzverarbeitenden Betriebes im Erdgeschoss nicht angezeigt habe.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den sie betreuenden Versicherungsagenten F. nach dem Umzug auch darüber unterrichtet, dass ihr damaliger Lebensgefährte eine Fenster- und Türenfabrik im Erdgeschoss des Gebäudes betreibe, in dessen Obergeschoss sie nunmehr wohne. Entgegen seiner Ankündigung habe Herr F. sie nicht mehr aufgesucht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 119.000,-- DM

nebst 4 % Zinsen seit dem 20.01.1998 (richtig wohl 20.01.1999) an sie zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Klägerin habe Wochen nach ihrem Umzug ihrem Außendienstmitarbeiter F. die neue Anschrift telefonisch mitgeteilt und lediglich darauf hingewiesen, dass ihr Lebenspartner selbständig sei. Nachdem die Beklagte die Umzugmeldung des Mitarbeiters F. erhalten habe, habe sie unter dem 08.07.1996 ein Schreiben an die Klägerin gerichtet mit dem Hinweis und der Aufforderung zu weiteren Angaben zu der neuen Wohnung sowie einen Fragebogen mit der Bitte, ihn ausgefüllt und unterschrieben an sie zurückzusenden. Nachdem die Klägerin darauf nicht reagiert habe, habe sie mit Schreiben vom 24.10.1996 darauf hingewiesen und ihr den Nachtrag vom 24.10.1996 und nachfolgend vom 03.11.1997 übersandt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei leistungsfrei, weil durch den Wohnungswechsel eine Gefahrerhöhung eingetreten sei, die die Klägerin nicht angezeigt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils erster Instanz und seine Verweisungen Bezug genommen.

Gegen das ihr am 13.08.1999 zugestellte Urteil des Landgerichts Bonn vom 12.08.1999 hat die Klägerin am 08.09.1999 Berufung eingelegt, die sie mit einem am 07.10.1998 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht insbesondere geltend, es fehle an den objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Gefahrerhöhung. Es möge sein, dass der Betrieb des Ehemanns der Klägerin bei der Risikobeurteilung der Feuerversicherung des Gebäudes einen gefahrenerhöhenden Umstand darstelle, im Rahmen der Hausratversicherung für die Wohnung spiele es für den Versicherer keine Rolle, ob eine Wohnung im reinen Wohngebiet gelegen sei oder in einem massiven Gebäude über einem Handwerksbetrieb. Die ausschließlich privat genutzte Wohnung sei hinsichtlich des Brandschutzes nicht anders geartet als die frühere Wohnung in B.. Entsprechend sei von der Beklagten im ursprünglichen Antrag zur Hausratversicherung nicht nach dem sonstigen Umfeld gefragt worden. Das Umfeld spiele auch bei der Tarifierung in der Hausratversicherung allgemein keine Rolle. In der Hausratversicherung komme es bei der Frage der Gefahrerhöhung vor allem darauf an, wie sich das Einbruchdiebstahlrisiko in einem geografischen Bereich darstelle. Im übrigen sei die Beklagte über die Lage und das Umfeld der neuen Wohnung unterrichtet gewesen. Sie habe dem sie betreuenden Versicherungsagenten F. telefonisch mitgeteilt, dass sie zu ihrem Lebensgefährten in dessen Wohnung ziehe, der in dem Haus einen holzverarbeitenden Betrieb unterhalte. Nur weil von dem Betrieb die Rede gewesen sei und Versicherungen von gewerblichen Kraftfahrzeugen gegen Feuer und Betriebsunterbrechung einen Anreiz für den Agenten F. gebildet hätten, habe dieser vorgeschlagen, die Klägerin zu besuchen. Er habe sogar später angeregt, die vom jetzigen Ehemann der Klägerin unterhaltene Hausratversicherung wegen Doppelversicherung zu kündigen, wobei er ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Klägerin den für Putzhilfen des Bundestages günstigen Tarif behielte. Auch aus der geänderten Anschrift "I.straße" sei in so einem kleinen Ort deutlich erkennbar gewesen, dass die Wohnung nicht in einem reinen Wohngebiet, sondern in einem Industrie- oder Gewerbegebiet, zumindest in einem gemischten Gebiet liege. Jedenfalls handele es sich nicht um eine relevante Gefahrerhöhung. Schließlich beruhe die Verletzung einer eventuell anzuzeigenden Obliegenheit hier auf keinem Verschulden der Klägerin. Das hätte nämlich vorausgesetzt, dass die Klägerin erkannt und schuldhaft nicht angezeigt hätte, dass mit dem Wohnungswechsel auch eine Änderung der gefahrerhöhenden Umstände verbunden gewesen sei. Die Angebote anderer Versicherer zeigten, dass Wohnungen über oder neben feuerabgeschirmten Betrieben für die Hausratversicherung allgemein überhaupt keine Rolle spielten. Hätte die Klägerin dies als Gefahrerhöhung gesehen, wäre sie mit Sicherheit mit ihrer Tochter dort nicht eingezogen und hätte anderweitig in der Nähe Wohnraum gesucht. Wenn aber die Klägerin die angeblich gefahrerhöhenden Umstände nicht erkannt habe beziehungsweise nicht habe erkennen können, habe sie diese auch nicht anzeigen müssen, schon gar nicht schriftlich.

Im übrigen hätte sie sich sonst entschieden, ihren Hausrat künftig auch bei der Versicherung ihres Lebensgefährten mit einschließen zu lassen, die bereits das Feuer- und Betriebsunterbrechungsrisiko getragen habe. Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 119.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20.01.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, der Umzug von einer Wohnung im reinen Wohngebiet in eine Wohnung, die über einer Schreinerei liege, stelle objektiv eine Gefahrerhöhung dar. In einer Schreinerei fielen bei der Bearbeitung von Holz besonders leicht brennbare Materialien an. Außerdem habe es weitere Brandgefahren in der Lackiererei gegeben. Aus diesem Grund habe der Betrieb auch erhöhten Brandschutzauflagen unterlegen. Dieser Brandschutz gelte dabei in erster Linie dem Schutz der Personen, die durch Einbau feuerhemmender Materialien Zeit und Fluchtweg im Falle eines Brandausbruchs erhalten sollen. Der Ausbruch selbst könne dadurch nicht verhindert werden. Dieses erhöhte Risiko habe sich vorliegend auch realisiert. Die Klägerin habe durch ihren Entschluss zum Umzug eine bewusste Änderung der Lage verwirklicht, durch die eine Erhöhung der Gefahr eingetreten sei. In jedem Fall habe die Klägerin der Beklagten gegenüber keine schriftliche Mitteilung gemacht, wie dies in § 13 Nr. 2 VHB 84 vorgesehen sei. Den Außendienstmitarbeiter F. habe die Klägerin nur über den Umzug selbst informiert. In dem der Klägerin mit Schreiben vom 08.07.1996 übersandten Fragebogen sei ausdrücklich nach einer Gefahrerhöhung gefragt worden. Darauf habe die Klägerin nicht reagiert.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 29.02. 2000 hat die Beklagte unter anderem ein Blankomuster des Versicherungsantrages, Tarifbestimmungen der I. - Versicherung von Oktober 1997 sowie ein Formular "Verhaltensregeln zum Spezial-Privatschutzprogramm für den öffentlichen Dienst" überreicht mit der Behauptung, dieses Formular sei der Klägerin wie damals generell gehandhabt anlässlich des Vertragsschlusses übergeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auf Grund der mit ihrer Rechtsvorgängerin abgeschlossenen Hausratversicherung wegen des Brandschadens vom 27.09.1998 ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 119.000,-- DM zu. Eine Leistungsfreiheit der Beklagten besteht nicht.

a) Durch den Umzug der Klägerin von B. in die Wohnung in M. / Mosel hat die Klägerin nicht eine Erhöhung der Gefahr in der Hausratversicherung im Sinne des § 23 VVG vorgenommen.

Ein Gefahrerhöhung ist anzunehmen bei nachträglicher Veränderung der bei Vertragsschluss tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 23, Rn 4). Es kann einmal eine willkürliche, subjektive Gefahrerhöhung im Sinne der §§ 23, 25 VVG vorliegen oder eine nicht veranlasste, objektive im Sinne der §§ 27, 28 VVG. Da vorliegend ein Wohnungswechsel durch Umzug, also ein Handeln in Rede steht, findet § 23 VVG Anwendung.

Eine nachträgliche Veränderung von gefahrerheblichen Umständen ist nicht eingetreten. Bei der Beurteilung ist der Maßstab sachgerechter vernünftiger Versicherungstechnik anzulegen. Es kommt darauf an, ob die Veränderungen allgemein nach den den Betrieb des betreffenden Versicherungszweiges beherrschenden Anschauungen dem Versicherer vernünftigerweise hätten Anlass bieten können, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen eine erhöhte Prämie fortzusetzen (vgl. Prölss in Prölss/Martin, a.a.O., § 23, Rn 14). Abzustellen ist darauf, ob der Versicherer aus vernünftiger Sicht den Vertrag nicht oder nicht zu der vereinbarten Prämie abgeschlossen hätte.

In diesem Sinne liegen gefahrerhöhende Veränderungen in Bezug auf das Feuerrisiko in der Hausratversicherung nicht vor. Die maßgeblichen Umstände sind nämlich bei vernünftiger Betrachtungsweise in beiden Wohnungen der Klägerin gleich.

Zunächst ist davon auszugehen, dass der Hausrat der Klägerin ausschließlich in die über der Schreinerei liegende abgeschlossene privat genutzte Wohnung eingebracht worden ist, die mit den Räumen des Betriebs nicht verbunden ist. Hausratgegenstände sind nicht in den Betriebsbereich eingebracht worden.

Der Handwerksbetrieb des jetzigen Ehemannes der Klägerin entsprach in brandschutztechnischer und auch sonstiger öffentlich - rechtlicher Hinsicht den behördlichen Auflagen. Die Bauausführung ist unter Berücksichtigung der brandschutztechnischen Stellungnahmen der Behörden erfolgt. Es handelt sich um ein Haus in massiver Bauweise. Das Obergeschoss ist gemauert. Das massive Treppenhaus verfügt über eine Treppe aus Stahlbeton. Der Betrieb war nach Prüfung der Einhaltung der Brandschutzbestimmungen genehmigt. Dass in der Werkstatt mit brennbarem Material gearbeitet wurde, ist demgegenüber nicht entscheidend. Der Ehemann der Klägerin betrieb damit keine Produktionsstätte, von der außergewöhnlichen Feuerrisiken ausgingen, die eine Veränderung der Gefahrenlage in Bezug auf den Hausrat in der Privatwohnung bewirken könnten.

b) Nach Ansicht des Senats handelt es sich jedenfalls nicht um eine relevante Gefahrerhöhung im Sinne von § 29 VVG.

Nach § 29 Satz 1 VVG kommt eine unerhebliche Erhöhung der Gefahr nicht in Betracht. Wie ausgeführt hat sich die Gefahrenlage der Wohnung in diesem Sinne nicht wesentlich geändert.

Eine etwaige Gefahrerhöhung ist aber gemäß Satz 2 dieser Vorschrift auch dann nicht von Bedeutung, wenn nach den Umständen als vereinbart anzusehen ist, dass das Versicherungsverhältnis durch die Gefahrerhöhung nicht berührt werden soll. Davon ist jedenfalls bei dem vorliegenden Sachverhalt auszugehen.

Nach § 11 Nr. 1 S. 1 VHB 84 geht im Fall des Wohnungswechsels des Versicherungsnehmers der Versicherungsschutz auf die neue Wohnung über. Daraus ist zu entnehmen, dass nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen der Versicherungsschutz sich unverändert auf die neue Wohnung erstreckt. § 11 Nr. 3 VHB 84 ist bei der Beurteilung insoweit nicht von Bedeutung. Hierin ist eine Prämienanpassung vorgesehen, falls die neue Wohnung in einer anderen geographischen Gefahrenklasse liegt. Dies bezieht sich nicht auf das hier allein maßgebliche Feuerrisiko in der Hausratversicherung, sondern auf das Einbruchdiebstahlrisiko (vgl. Knappmann in Prölss-Martin, a.a.O., § 11 VHB 84, Rn 5).

Hintergrund des in den Versicherungsbedingungen vereinbarten Übergangs des Versicherunsschutzes bei Wohnungswechsel auf die neue Wohnung ist die für den Versicherer voraussehbare und kalkulierbare Tatsache, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der Versicherungsnehmer im Laufe der Vertragsdauer umzieht und in einem Teil dieser Fälle die Gefahr mehr oder weniger stark erhöht wird, beziehungsweise keinen Veränderungen unterliegt oder sich sogar vermindert. Wenn der Versicherer durch die Versicherungsbedingungen (§ 11 Nr. 1 VHB 84) Versicherungsschutz in der jeweiligen Wohnung zusagt, kann er hiervon nicht auf dem Umweg über die §§ 23 ff. VVG sich in den Fällen distanzieren, in denen durch den Wohnungswechsel die Gefahrenlage verändert wird (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht (SVR), 3. Aufl., N IV, Rn 97). Der Versicherer muss danach die in den Versicherungsbedingungen vorgesehene Möglichkeit des Wohnungswechsels als gegebene Tatsache hinnehmen. Man kann von dem Versicherungsnehmer schlechterdings nicht erwarten, dass dieser nur umzieht, wenn die neue Wohnung einen mindestens gleichen Sicherheitsgrad aufweist. Der Versicherungsnehmer kann nach den Umständen erwarten, dass eine erhöhte Gefahr in der neuen Wohnung im Rahmen der festen Laufzeit zu unveränderter Prämie versichert bleibt. Nur in den Ausnahmefällen, in denen ein vernünftiger Versicherungsnehmer eine Kompensation auch dann herbeiführen würde, wenn er nicht versichert wäre, kann von einer erheblichen Gefahrerhöhung gesprochen werden, falls der Versicherungsnehmer eine notwendige und zumutbare Vorsorge unterlässt (vgl. Martin, SVR, a.a.O., N IV Rn 98). Ein solcher Ausnahmefall liegt erkennbar nicht vor.

Wenn ein Umstand in Rede steht, nach dem im Antragsformular nicht gefragt ist, zeigt der Versicherer, dass es ihm darauf nicht ankommt. Das wird auch darin deutlich, dass gemäß dem Beispielkatalog des § 13 Nr. 3 VHB 84 nach Buchstabe a) eine Gefahrerhöhung nach Antragstellung vorliegt, wenn anlässlich eines Wohnungswechsels oder aus sonstigen Gründen sich ein Umstand ändert, nach dem im Antrag gefragt worden ist.

Muss der Versicherer gemäß dem Vertragsinhalt das Risiko eines ihm unbekannten gefahrerheblichen Umstandes tragen, dann besteht kein Grund, ihn dieses Risiko nicht tragen zu lassen, wenn der Umstand zufällig nach Vertragsschluss eintritt (vgl. Prölss in Prölss/Martin, a.a.O., § 23, Rn 6; Martin, SVR, a.a.O., N I 7 ). So liegt der Fall hier. Im Antrag ist - wie sich aus dem von der Beklagten mit nachgelassenem Schriftsatz vom 29.02.2000 überreichten Exemplar (das ursprünglich mit der Klageerwiderung vorgelegte war unlesbar) ergibt, nicht nach Umständen in der Umgebung der Wohnung gefragt. Die Nachbarschaft spielt in der Fragestellung keine Rolle. In der Frage Nr. 3.1 wird darauf abgestellt, ob es sich um die ständig bewohnt Wohnung in einem massiven oder aus Steinfachwerk errichteten Gebäude unter harter Dachung "bei normalen Risikoverhältnissen, d.h. privater Haushalt ohne Gefahrerhöhung" handelt. Diese Voraussetzungen treffen sowohl für die frühere als auch für die neue Wohnung der Klägerin zu. Die Gefahrenlage des privaten Haushalts - nur auf die inneren mit der Haushaltsführung zusammenhängenden Umstände wird abgestellt - hat sich nicht geändert.

Der Inhalt der Nachträge zur Hausratversicherung vom 24.10.1996 und 03.11.1997 führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit es darin heisst, eine Gefahrerhöhung durch Inhalt, Betrieb und/oder Nachbarschaft liege nicht vor, kann durch diese einseitige Erklärung des Versicherers der Vertragsinhalt nicht geändert werden. Dies gilt insbesondere, weil in den Nachträgen ausdrücklich erwähnt ist, dass die "Vertragsgrundlagen unverändert" seien. Etwas anderes ergibt sich ebenfalls nicht aus dem Inhalt des Schreibens der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 08.07.1996. Die Beklagte hat den Zugang des Schreibens vom 08.07.1996 nicht nachgewiesen. Aber auch hierin ist konkret nach gefahrerhöhenden Umständen in Bezug auf die Nachbarschaft der Wohnung nicht gefragt.

Auch aus den mit Schriftsatz der Beklagten vom 29.02. 2000 eingereichten "Verhaltensregeln zum Spezial-Privatschutz-Programm für den öffentlichen Dienst" - die Übergabe an die Klägerin durch den Mitarbeiter F. unterstellt - ergibt sich keine andere Bewertung. In Ziffer 3.4. ist bezüglich einer nach Antragstellung eintretenden Gefahrerhöhung auf die Anzeigepflicht eines veränderten Umstandes hingewiesen, "nach dem im Antrag gefragt worden ist". Nach dem Umfeld ist aber im Versicherungsantrag wie dargelegt gerade nicht gefragt. Aus der Sicht des Versicherungsnehmers sind danach etwaige die Gefahrenlage ändernde Umstände der Nachbarschaft der Wohnung nicht mitzuteilen.

Schließlich sind die von der Beklagten nachträglich eingereichten Tarifbestimmungen der I. Versicherung von Oktober 1997 für die Entscheidung nicht von Bedeutung ebensowenig das - geänderte - Antragsformular aus September 1999, da vorliegend der Versicherungsvertrag der Rechtsvorgängerin der Beklagten von 1993 in Rede steht.

c) Nach alledem kommt es auf die Frage der Anzeige nach § 13 Nr. 2 und 3 VHB 84 und den Umfang der Mitteilung der Klägerin an den Mitarbeiter F. nicht an. Liegt eine relevante Gefahrerhöhung nicht vor, so kann sich der Versicherer auf § 13 Nr. 2 und 3 VHB 84 nicht mit Erfolg berufen, wie sich aus § 34a VVG ergibt. Es kann auch dahinstehen, ob der Mitarbeiter F. der Beklagten, für den die §§ 43 ff VVG jedenfalls entsprechend gelten (vgl. Kollhosser in Prölss- Martin, a.a.O., § 43 Rn 11) die Klägerin hätte weiter hinweisen müssen und welche Konsequenzen eine solche - möglicherweise pflichtwidrige - Unterlassung hat.

d)Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges, §§ 284, 288 BGB.

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 , 708 Nr. 10, 711 und 108 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Wert der Beschwer der Beklagten ( § 546 Abs. 2 ZPO ): 119.000,-- DM

Ende der Entscheidung

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