Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 9 U 177/04
Rechtsgebiete: ZPO, VVG, GKA AKB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
VVG § 1
VVG § 6 Abs. 3 Satz 1
VVG § 34
VVG § 49
VVG §§ 74 ff.
GKA AKB § 7 I Abs. 4
GKA AKB § 7 IV Abs. 2
GKA AKB § 12 Abs. 1 I a
BGB § 398
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin und des Streitverkündeten gegen das am 9. September 2004 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 453/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt bis auf die Kosten des Streithelfers, die dieser selbst zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht als Leasinggeberin aufgrund eines Sicherungsscheins und einer Abtretung Ansprüche nach einem Brandschaden geltend. An dem Lastkraftwagen Mercedes Actros 418 mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XX, den die Klägerin dem Streithelfer aufgrund eines Leasingvertrages (GA 90) überlassen hatte und den dieser bei der Beklagten kaskoversichert hatte, kam zwischen dem 11. (Samstag) und dem 13. Januar 2003 im Führerhaus zu einem Schmorbrand. In der Nacht danach kam es zu einem massiven Brandgeschehen. Die Schadenanzeige des Streithelfers vom 6. Februar 2003 (GA 37 ff) spricht nur von dem 12. Januar 2003 als dem Schadenstag (maschinenschriftliche Eintragung, die wohl von der Beklagten stammt). Dem nach Eingang der telefonischen Schadenanzeige von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 23. April 2003 (GA 264 ff.) ist zu entnehmen, daß die Schadensmeldung sich auf zwei Brandfälle bezieht, deren genaue Ursache letztlich ungeklärt blieb. Bereits in den Jahren 2000 und 2001 waren an zwei vom Streithelfer geleasten anderen Lastkraftwagen vergleichbare Brandschäden entstanden, die jeweils von den Versicherern entschädigt wurden.

Den Leasingvertrag für das streitgegenständliche Fahrzeug hatte die Klägerin mit Schreiben vom 22. August 2002 (GA 63) mit sofortiger Wirkung wegen Rückstands mit sechs Leasingraten à 2.372,11 € gekündigt. Die "Kündigungsforderung" bezifferte sie auf 121.370,23 €. Ob danach noch 4.000 € an die Klägerin gezahlt und (erfolgreiche) Verhandlungen mit ihr über eine Neufinanzierung des Vertrages geführt wurden, ist streitig. Jedenfalls kam es bis zum Brandgeschehen vom 13./14. Januar 2003 nicht zum Abschluß eines schriftlichen Vertrages. Die Beklagte forderte den Streithelfer mit Schreiben vom 26. Februar 2003 auf, ihr "sämtlichen Schriftverkehr" mit der Klägerin zu überlassen. Sie erhielt die Anfrage per Faxschreiben am 10. März 2003 mit einer handschriftlichen Eintragung zurück, in der es heißt: "Schriftverkehr mit der T. gibt es nicht" (GA 41). Mit Schreiben vom 14. März 2003 (GA 42) wurde der Streithelfer dann aufgefordert, "sämtliche Unterlagen/Schriftverkehr mit der T. vorzulegen". Ferner enthält das Schreiben eine Belehrung über die Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen und vollständigen Angaben und die Frage: "Ist es richtig, daß Ihnen das in Rede stehende Fahrzeug vor dem Brandereignis durch die T. entzogen werden sollte?" Der Streithelfer wandte sich daraufhin an die Klägerin, die mit Schreiben vom 1. April 2003 (GA 7) mitteilte, die Rechtsbeziehungen zwischen ihr und dem Streithelfer spielten für die Frage, ob die Entschädigungsleistung zur Zahlung fällig sei, keine Rolle. Auf das folgende Schreiben der Beklagten vom 4. April 2003 (GA 9) übersandte die Klägerin dann mit Schreiben vom 16. April 2003 (GA 10) den Leasingvertrag und eine Leasingabrechnung. Nach dem Austausch weiterer Schreiben (GA 198 und GA 12) schrieb die Beklagte am 6. Juni 2003 (GA 14), sie sehe ihr Aufklärungsinteresse "weiterhin nicht für erfüllt an", und sie gehe davon aus, daß es "durch die Einsichtnahme in die von uns geforderte amtliche Ermittlungsakte befriedigt werden wird." Die Beklagte hatte bei einem Telefongespräch mit einem Mitarbeiter der Klägerin - wohl vor ihrem Schreiben vom 14. März 2003 - erfahren, daß der Leasingvertrag im Herbst 2002 wegen erheblicher Zahlungsrückstände gekündigt war (vgl. GA 31/32). Die Klägerin verlangt Zahlung des vom Sachverständigen ermittelten Schadens, der sich aus dem Wiederbeschaffungswertes von 88.500 € abzüglich eines Restwertes von 29.000 €.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 59.500 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2003 zu zahlen.

Der Streithelfer hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin Aufklärungsobliegenheiten verletzt habe, indem der Schriftwechsel mit dem Streitverkündeten nicht vorgelegt worden sei.

Gegen dieses Urteil, auf das im übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, haben die Klägerin und der Streithelfer Berufung eingelegt. Beide sind der Ansicht, es habe kein Aufklärungsbedürfnis bestanden. Der Versicherer habe die erforderlichen Kenntnisse gehabt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 9.9.2004, Az. 24 O 453/03, die Beklagte zu verurteilen, an sie 59.500 € nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15.3.2003 zu zahlen.

Der Streithelfer beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 9.9.2004 - Az. 24 O 453/03 - die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 59.500 € nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15.3.2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Hildesheim 16 UJs 11769/03 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Klägerin steht wegen des Brandschadens, der sich an zwei Tagen im Januar 2003 an dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug ereignete, kein Anspruch aus der Kaskoversicherung zu, §§ 1, 49 VVG, § 12 Abs. 1 I a GKA AKB in Verbindung mit dem Sicherungsschein und § 398 BGB. Die Beklagte ist nämlich gegenüber ihrem Versicherungsnehmer und damit auch gegenüber der Klägerin leistungsfrei wegen einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung, §§ 7 I Abs. 4, IV Abs. 2 GKA AKB, 6 Abs. 3 Satz 1 VVG.

Die Obliegenheitsverletzung, die dem Streithelfer vorzuwerfen ist, liegt zunächst darin, daß er auf die Anfrage vom 26. Februar 2003 wahrheitswidrig erklärte, es gebe keinen Schriftverkehr mit der Klägerin. Eine weitere Obliegenheitsverletzung ist darin zu sehen, daß er danach die Frage vom 14. März 2003, ob ihm das Fahrzeug habe "entzogen" werden sollen, nicht beantwortete. Ob die Klägerin als Versicherte im Sinne der §§ 74 ff. VVG ihrerseits in dem sich anschließenden Schriftwechsel mit der Beklagten auch eigene Obliegenheiten verletzt hat (zu den Obliegenheiten des Versicherten vgl. z.B. Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., §§ 75, 76 Rn. 9 m. Nachw.), als sie es übernahm, für den Streithelfer als dessen Wissenserklärungsvertreterin den Schriftverkehr zu führen, bedarf keiner Klärung.

Der Streithelfer war als Versicherungsnehmer gemäß § 7 I Abs. 4 GKA AKB verpflichtet, "alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes" dienlich sein konnte. Diese Regelung entspricht der Bestimmung in § 34 VVG. Zu den danach zu erteilenden Auskünften gehört auch die Offenbarung einer eventuellen Herausgabepflicht des Leasingnehmers sowie die Darlegung der vertraglichen Situation eines in Brand geratenen Leasingfahrzeugs, weil sich hieraus Hintergründe und Motive für eine eventuelle Brandstiftung oder auch Eigenbrandstiftung ergeben können. Trotz wiederholter Aufforderungen haben die Klägerin und der Streithelfer aber zu der Herausgabeforderung der Klägerin keine Auskünfte erteilt. Letztlich wurde nicht einmal im Rechtsstreit Schriftverkehr zur Herausgabeforderung nach der erfolgten Kündigung vorgelegt.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte berechtigt war - wie mit Schreiben vom 26.2.2003 (GA 40) geschehen -, "sämtlichen Schriftverkehr" mit der Klägerin anzufordern. Jedenfalls war die Antwort des Streitverkündeten, Schriftverkehr gebe es nicht, objektiv falsch. In der unrichtigen Antwort lag eine Obliegenheitsverletzung, ohne daß es insoweit darauf ankommt, ob die Beklagte die Aufforderung, Schriftstücke vorzulegen, hätte präzisieren müssen. Wenn ein Versicherungsnehmer, an den eine Aufforderung ergeht, wie dies hier der Fall war, der Ansicht ist, Teile des Schriftverkehrs seien ohne Belang für das Versicherungsverhältnis, kann er gegebenenfalls mit einem entsprechenden Bemerken eine Auswahl treffen und die aus seiner Sicht relevanten Schriftstücke vorlegen oder aber um Präzisierung bitten. Diese Präzisierung von der Klägerin zu erwarten, an die der Streitverkündete sich laut Schriftsatz vom 8. September 2005 wandte, war verfehlt. Eine zu weit formulierte Aufforderung gibt möglicherweise das Recht, sie zu übergehen, in keinem Fall aber das Recht zur unrichtigen Antwort. Es kann dahinstehen, ob die inhaltlich falschen handschriftlichen Angaben vom Streithelfer persönlich stammen, wie dies während des Rechtsstreits unstreitig war, oder ob sie - wie in dem insoweit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 8. September 2005 vorgetragen wird - von seiner Mutter stammen. Nach dem Gesamtvortrag handelte sie zumindest als Wissenserklärungsvertreterin des Streithelfers, so daß eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zur Klärung der Urheberschaft nicht erforderlich ist. Auch die Frage, ob der neue Vortrag überhaupt berücksichtigungsfähig wäre, kann offen bleiben.

Weder der Streithelfer noch die dann von ihm eingeschaltete Klägerin kamen der im Schreiben vom 14. März 2003 enthaltenen Aufforderung nach mitzuteilen, ob das in Rede stehende Fahrzeug dem Streithelfer vor dem Brandereignis "entzogen" werden sollte. Spätestens durch diese Frage war klar, daß die Beklagte wissen wollte, welche Ansprüche die Klägerin in bezug auf das Fahrzeug geltend machte, als es zum Brand kam. Jedenfalls hierzu wollte sie Schriftverkehr. Hierüber wurden aber keine Auskünfte erteilt. Die Klägerin fragte nach einer Anspruchsgrundlage für die Auskünfte und war nicht bereit, inhaltlich auf die gestellte Frage einzugehen. Das Angebot der Klägerin, der Beklagten einen Aktenauszug zu überlassen, war unzureichend. Es bezog sich auf die Ermittlungsakten, denen - wie die Beklagte schließlich feststellte - keine weiteren Einzelheiten zur Kündigung des Leasingvertrages zu entnehmen waren. Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte telefonisch präzise unterrichtet worden war und daher keinen Anlaß hatte, weitere Schriftstücke zu fordern, fehlen. Hierauf haben die Klägerin und der Streitverkündete sich im vorprozessualen Schriftwechsel auch nicht berufen.

Entgegen der mit der Berufungserwiderung vertretenen Auffassung liegen hier folgenlose Obliegenheitsverletzungen vor. Die Beklagte wurde durch die unterlassene Vorlage der Korrespondenz nicht an weitergehenden Feststellungen gehindert. Sie beruft sich für ihre insoweit abweichende Auffassung auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 7. Juli 2004, Az: IV ZR 265/03). Im dortigen Fall hatte sich nach einem gemeldeten Kfz-Diebstahl der Versicherungsnehmer geweigert, Schlüssel herauszugeben. Dies behinderte den Versicherer bei seinen weiteren Feststellungen, weil die Schlüssel nicht untersucht werden konnten. Hier aber ist nichts dafür ersichtlich, daß die Beklagte, hätte man ihr Details über die Kündigung des Leasingvertrages und den Stand der Verhandlungen über den Herausgabeanspruch mitgeteilt, weitere Aufklärungsmöglichkeiten gehabt hätte.

Dementsprechend müssen im vorliegenden Fall zur Bejahung der Leistungsfreiheit die Anforderungen der Relevanzrechtsprechung (vgl. hierzu die Nachweise bei Römer a.a.O, § 6 Rn. 54 ff.) erfüllt sein. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Streithelfer wurde wiederholt (nämlich in der Schadenanzeige und dem Schreiben vom 14. März 2003) und zutreffend belehrt. Sein Verschulden muß angesichts der beharrlichen Weigerung, auf die Fragen der Beklagten inhaltlich einzugehen und einschlägigen Schriftwechsel vorzulegen, als erheblich qualifiziert werden. Das Verhalten des Klägers und der von ihm als Wissenserklärungsvertreterin eingeschalteten Klägerin war auch generell geeignet, die Interessen des Versicherers zu schädigen.

Die Beklagte hat das Recht, sich auf diese Obliegenheitsverletzungen zu berufen, nicht verloren. Sie hat sich nicht etwa widersprüchlich verhalten oder auf irgendeine Weise zu erkennen gegeben, aus der Obliegenheitsverletzung keine Rechte herleiten zu wollen. Soweit sie in einem Schreiben vom 6. Juni 2003 (GA 14) mitgeteilt hat, sie gehe davon aus, daß ihr Aufklärungsinteresse durch die Einsichtnahme in die amtliche Ermittlungsakte befriedigt werde, wollte sie ersichtlich nur den ergebnislos gebliebenen Schriftwechsel mit der Klägerin abbrechen. Sie hat ihr Auskunftsverlangen nicht etwa als erledigt oder hinfällig bezeichnet. Im Gegenteil teilte mit, sie sehe es nicht als erfüllt an.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlaß, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 59.500 €

Ende der Entscheidung

Zurück