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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.09.2001
Aktenzeichen: 9 U 18/01
Rechtsgebiete: VVG, AKB, ZPO, BZRG


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 49
AKB § 12 Abs. 1 I b
ZPO § 448
ZPO § 141
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BZRG § 51
BZRG § 52
BZRG § 32 Abs. 2 Nr. 3
BZRG § 32 Nr. 5
BZRG § 46 Abs. 1 Nr. 1 a
BZRG § 46 Abs. 1 Nr. 2 a
BZRG § 46 Abs. 1 Nr. 1 d
BZRG § 36 Abs. 2 Nr. 1
BZRG § 47 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 18/01

Anlage zum Protokoll vom 4.9.2001

Verkündet am 4.9.2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, die Richterin am Oberlandesgericht Keller und die Richterin am Landgericht Mähr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. November 2000 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 9 O 277/00 - geändert und neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat wegen der behaupteten Entwendung des Motorrads der Marke Y. R6 mit dem amtlichen Kennzeichen ..-.. 26 keinen Anspruch aus der Kaskoversicherung, §§ 1, 49 VVG in Verb. mit § 12 Abs. 1 I b AKB. Einen Diebstahl des Zweirades vermag der Kläger nicht zu beweisen. Die vom Landgericht vorgenommene Anhörung darf nicht berücksichtigt werden, und eine erneute Anhörung ist nicht angezeigt, weil der Kläger unglaubwürdig ist.

Die Rechtsprechung gewährt dem Versicherungsnehmer, der grundsätzlich die tatbestandlichen Voraussetzungen seines Anspruchs beweisen muß (BGH VersR 1987, 1007), in Entwendungsfällen Beweiserleichterungen. Diese gelten insbesondere im Bereich der Kfz-Versicherung, weil in der Regel keine Zeugen zur Verfügung stehen, die einen behaupteten Diebstahl bestätigen könnten (ausführlich: Römer NJW 1996, 2329 ff m. Nachw. zur Rechtsprechung). Es ist als genügend anzusehen, daß der Versicherungsnehmer Tatsachen vorträgt und gegebenenfalls beweist, aus denen sich das äußere Bild eines versicherten Diebstahls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ergibt. Erforderlich ist insoweit, daß der Versicherungsnehmer beweist, das Fahrzeug an bestimmter Stelle abgestellt und später nicht wieder aufgefunden zu haben (BGH NJW VersR 1993, 571 = r+s 1993, 169; BGH VersR 1991, 1047 = r+s 1991, 294). Hinsichtlich dieser Minimaltatsachen ist der Vollbeweis zu erbringen. Beweiserleichterungen gibt es insoweit nicht.

Stehen dem Versicherungsnehmer - so wie dies hier der Fall ist - keine Zeugen zur Verfügung, um die genannten Mindesttatsachen zu beweisen, so kann eine Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen, wenn also ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, die die Behauptungen des Versicherungsnehmers in gewissem Maße wahrscheinlich machen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Nachbarn, die der Kläger dazu benennt, daß er nach Entdeckung des Diebstahls "aufgelöst" gewesen sei, sind nicht zu vernehmen, weil die von ihnen zu bestätigenden Beobachtungen als Indiztatsachen nicht ausreichen, den Schluß auf einen Diebstahl zuzulassen. Abgesehen hiervon, kommt eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO auch deshalb nicht in Betracht, weil Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers bestehen (BGH VersR 1992, 867 = r+s 1992, 221 und BGH VersR 1991, 917 = r+s 1991, 221), wie noch auszuführen ist.

Letztlich kommt bei der hier gegebenen Sachlage zum Nachweis des äußeren Bildes nur eine Anhörung des Klägers gemäß § 141 ZPO in Betracht(dazu BGH r+s 1993, 169 = VersR 1993, 571; BGH r+s 1992, 221 = VersR 1992, 867), so wie sie vom Landgericht vorgenommen wurde. Der Senat ist jedoch gehindert, das Ergebnis der Anhörung zu verwerten und ergänzend eine eigene Anhörung des Klägers vorzunehmen (zur ergänzenden Anhörung bestünde angesichts des Inhalts der Akten, insbesondere der Strafakten Anlaß). Eine Anhörung des Klägers zum Diebstahl hat jedoch zu unterbleiben, sie kann hier nicht zu einer Verurteilung der Beklagten führen, denn es bestehen schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Diese Zweifel ergeben sich in erster Linie aus den unstreitigen Vorstrafen des Klägers.

Bei der Entwicklung der oben dargestellten Rechtsprechung zu den Beweiserleichterungen ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, daß nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist (so schon BGH VersR 1984, 29). Dieser Ausgangspunkt deckt sich mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Vom Regelfall des redlichen Versicherungsnehmers, dessen Angaben als Grundlage für eine Verurteilung des Versicherers genügen, kann aber dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen oder Anlaß zu schwerwiegenden Zweifeln an seiner Glaubwürdigkeit geben und an der Richtigkeit seiner Behauptungen zur Entwendung (BGH r+s 1996, 125 = VersR 1996, 575; BGH r+s 1997, 277 = VersR 1997, 733; Senat r+s 1998, 11 und 56; Senat r+s 2000, 320 und 277). Hier ist der Kläger wegen eines 1986 begangenen "Einbruchsdiebstahls und Geldbombenraubes" zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Danach wurde er 1991 oder 1992 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug zu einer Geldstrafe verurteilt, die nach seiner Darstellung bei 30 bis 40 Tagessätzen lag. Insbesondere die Verurteilung wegen eines Betrugsdelikts weist auf charakterliche Mängel hin, die der Glaubwürdigkeit des Klägers entgegenstehen. Dies gilt hier, obwohl die Taten in beiden Fällen lange zurückliegen (vgl. dazu BGH NJW 1996, 1348). Der Umstand einer Verurteilung wird in der Regel erst dann keine Rolle mehr spielen dürfen, wenn die Tilgungsfristen nach dem Bundeszentralregistergesetz abgelaufen sind, denn erst danach greift das in den §§ 51, 52 BZRG normierte Verwertungsverbot.

Im vorliegenden Fall kann nicht festgestellt werden, daß hinsichtlich der gegen den Kläger verhängten Strafen ein Verwertungsverbot gilt. Der Kläger hat zwar in der mündlichen Verhandlung ein von ihm eingeholtes Führungszeugnis vorgelegt, wonach keine Eintragungen vermerkt sind. Indes ist dies nicht aussagekräftig. Für die Frage, ob Eintragungen zu verwerten sind, kommt es grundsätzlich nicht auf den Inhalt eines Führungszeugnisses und die Offenbarungspflicht einer Vorstrafe (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) an, sondern allein darauf, ob vorhanden gewesene Eintragungen inzwischen getilgt sind oder nicht. Das vorgelegte Führungszeugnis ist nicht geeignet, eine erfolgte Tilgung nachzuweisen, denn die Verurteilungen des Klägers werden auch dann, wenn sie noch eingetragen sind, in ein von ihm eingeholtes Führungszeugnis nicht aufgenommen. Für die Jugendstrafe ergibt sich die zu unterbleibende Aufnahme aus § 32 Abs. 2 Nr. 3 BZRG und für die Geldstrafe aus § 32 Nr. 5 BZRG.

Eine Tilgung der Strafen läßt sich nach dem sonstigen Akteninhalt nicht feststellen. Die Beklagte hat die Verurteilungen des Klägers substantiiert dargelegt. Sie hat die Straftaten bezeichnet, die ausgeurteilte Strafe hinreichend präzisiert und sogar die Aktenzeichen beider Verfahren angegeben. Der Kläger hat die Richtigkeit der Darstellung eingeräumt. Aus den danach bekannten unstreitigen Umständen läßt sich nicht schließen, daß hinsichtlich der Straftaten das Verwertungsverbot des § 51 BZRG gilt. Nur dann, wenn die Straftat(en), die Gegenstand des Verfahrens aus dem Jahr 1991 war(en), 10 Jahre vor der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgeurteilt wurden, waren die Eintragungen nach dem BZRG in der Vergangenheit zu tilgen. Erfolgte die Verurteilung hingegen nach Juli 1991, so lagen die Voraussetzungen für eine Tilgung bisher noch nicht vor. Der Kläger hat den Zeitpunkt der Verurteilung nur vage mit "Mitte 1991" angegeben. Die Beklagte beruft sich darauf, daß die Verurteilung wahrscheinlich deutlich später erfolgte, was nach dem Aktenzeichen (AG Köln 521 Ds 21 Js 404/91) naheliegt.

Da der Kläger nicht substantiiert dargelegt hat, wann die zweite Verurteilung erfolgte, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen für eine Beweisführung mit eigenen Angaben (§ 141 ZPO) gegeben sind. Zur Tilgung der Strafe, die für das Verfahren aus 1991 verhängt wurde, gilt nämlich folgendes: Nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 a) BZRG beträgt die Tilgungsfrist bei Geldstrafen von nicht mehr als 90 Tagessätzen zwar nur 5 Jahre, allerdings verlängerte sich die Frist gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2 a) BZRG auf 10 Jahre, wenn eine Jugendstrafe eingetragen ist. War die Jugendstrafe bereits getilgt, als die Geldstrafe einzutragen war, so würde allerdings die fünfjährige Frist gelten. Indes kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Jugendstrafe bereits getilgt war, als die zweite Verurteilung einzutragen war. Bei einer 1987 erfolgten Verurteilung endete die Frist, die mit dem Urteil beginnt (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 BZRG) und die nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 d 5 Jahre beträgt, erst im Jahr 1992, sie war also nach der eigenen Darstellung des Klägers noch nicht abgelaufen, wenn er "Mitte 1991" zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Gemäß § 47 Abs. 3 BZRG wurde die Jugendstrafe nach Ablauf der fünfjährigen Frist im Jahr 1992 nicht getilgt, weil inzwischen eine weitere Verurteilung eingetragen wurde, die gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2a BZRG erst nach weiteren 10 Jahren tilgungsreif werden konnte.

Der Kläger ist ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß er die Daten der zweiten Verurteilung präzise vortragen müsse, damit seine Auffassung, nach der die Voraussetzungen des § 51 BZRG vorliegen, überprüfbar ist. Der Senat hat davon abgesehen, die Strafakten von Amts wegen zur Klärung der Daten beizuziehen, da der Kläger ausdrücklich erklärt hat, die Begleitumstände der Tat aus dem Jahr 1991 seien ihm unangenehm. Der Kläger hätte seinerseits, wenn er über keine Unterlagen mehr verfügt, ohne weiteres die genauen Daten seiner Verurteilung durch Akteneinsicht feststellen und dann vortragen können. Die Beklagte hat mit ihrem Sachvortrag genügend Tatsachen vorgetragen, die einer Anhörung des Klägers entgegenstehen. Es war Sache des Klägers seinerseits Umstände vorzutragen, die einer Verwertbarkeit dieser Tatsachen entgegenstehen.

Der Senat verkennt nicht, daß hier möglicherweise in Kürze beide Eintragungen zu tilgen sind, so daß daran zu denken ist, angesichts der Gesamtumstände nicht strikt auf die Regelungen im BZRG abzustellen. Indes sprechen im vorliegenden Fall weitere Umstände gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers, so daß es auch bei einer Gesamtschau nicht angezeigt ist, ihn anzuhören.

Weitere Umstände, die gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers sprechen, ergeben sich aus den beigezogenen Strafakten zum hier streitgegenständlichen Diebstahl (StA Bonn 10 Js 15/00): Der Kläger hat, nachdem die Polizei Zweifel an der Richtigkeit der Strafanzeige hegte, bei einer ersten Vernehmung angegeben, er habe das entwendete Motorrad normalerweise in einer Garage in der P. Straße 137 abgestellt, dort habe er auch erstmals einen der Motorradschlüssel vermißt. Nachdem die Beamten festgestellt hatten (Vermerk BA 57), daß es unter dieser Anschrift keine Garage gab, gab der Kläger "W.straße 137" als Anschrift an. Dies mag noch auf einem Irrtum über den Straßennamen beruhen. Jedoch machte der Kläger auch im übrigen unterschiedliche Angaben zum Verlust des Schlüssels. Mit Schriftsatz vom 11. September 2000 wurde zum Ort des Verlustes die Angabe wiederholt, die im Strafverfahren erfolgte (vermutlicher Verlustort: Garage). In seiner Anhörung vor dem Landgericht brachte der Kläger den Verlust des Schlüssels jedoch mit einem bestimmten Geschehen in Zusammenhang, bei dem er über einen Rasen gelaufen sei, dabei habe er den Schlüssel wohl verloren. Den Widerspruch vermochte er auch auf Vorhalt nicht auszuräumen.

Nach alldem ist die Glaubwürdigkeit des Klägers zu verneinen. Er ist nicht anzuhören, um den Nachweis des Versicherungsfalles führen zu können.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Wert der Beschwer für den Kläger: 13.700,00 DM

Ende der Entscheidung

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