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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 9 U 196/07
Rechtsgebiete: BGB, TMRB, ARB 75


Vorschriften:

BGB § 626
BGB § 626 Abs. 2
TMRB § 6
TMRB § 6 Abs. 1
TMRB § 6 Abs. 2
ARB 75 § 14
ARB 75 § 14 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Klägers wird das am 12.09.2007 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 99/07 - abgeändert.

Die Klage wird vollen Umfangs abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Deckungsschutz für einen Rechtsstreit, den er wegen zweier fristloser Kündigungen gegen seine frühere Arbeitgeberin, die J GmbH, vor dem Landgericht Ulm - 10 O 43/06 KfH - geführt hat.

Die Parteien schlossen unter dem 15.09.2005 einen Vertrag über eine Anstellungsvertrags-Rechtsschutz-Versicherung, durch welche die gerichtliche und außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers in seiner Tätigkeit als Mitgeschäftsführer der J GmbH abgesichert sein sollte. Rechtsgrundlage waren die Top-Manager Rechtsschutz-Bedingungen (TMRB) Allgemeiner Teil sowie Besonderer Teil/Teil 3. Vereinbart war eine Wartezeit von 3 Monaten. Mit Schreiben vom 21.02.2006 kündigte die Alleingesellschafterin der J GmbH dem Kläger fristlos. Als Begründung führte sie an, dass sie Ende Dezember Kenntnis von einem gegen den Kläger unter dem 23.11.2005 wegen Verstoßes gegen die Diätverordnung ergangenen Strafbefehl erlangt habe. Zudem rügte sie in diesem Zusammenhang die Verletzung von Informationspflichten. Mit Schreiben vom 09.03.2006 erklärte die J GmbH dem Kläger die fristlose Kündigung, weil sie in den letzten Tagen Kenntnis davon erlangt habe, dass der Kläger während seiner Amtszeit als Geschäftsführer ihre Mitarbeiter für Privatarbeiten in seinem Privathaus beschäftigt habe. Unter dem 04.04.2006 bat der Kläger die Beklagte um Kostenzusage für das vorgerichtliche und gerichtliche Verfahren, da die Kündigungen unwirksam seien.

Mit Schreiben vom 13.04.06 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab, da die behaupteten Rechtsverstöße bereits vor Versicherungsabschluss verwirklicht worden seien. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.04.2006 erhob der Kläger Feststellungs- und Zahlungsklage vor dem Landgericht Ulm, Az. 10 O 43/06 KfH. Dieses Verfahren wurde am 18.08.2006 durch Vergleich beendet. Seine Gebühren stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers diesem unter dem 25.08.2006 mit 13.980,87 € in Rechnung. Die Beklagte leistete trotz Aufforderung keine Zahlung.

Der Kläger hat vorgetragen, dass die Rechtsverstöße nicht außerhalb des zeitlichen Rahmen des Versicherungsvertrages lägen, weil für den Eintritt des Versicherungsfalls auf die Kündigungsfrist des § 626 BGB abzustellen sei; letztlich löse erst der Ausspruch der Kündigung den Rechtsschutzfall aus; die Gebühren seines Rechtsanwaltes habe er bezahlt; die Beklagte sei daher zur Leistung verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.980,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2006 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 449,96 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie sei wegen Vorvertraglichkeit der Rechtsverstöße nicht zur Leistung verpflichtet. Entscheidend für die Festlegung des Versicherungsfalls sei der Tatsachenvortrag, mit dem die streitgegenständlichen Verstöße begründet worden seien; es komme weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten Kenntnis von dem Verstoß erlangt hätten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt worden seien.

Das Landgericht hat der Klage - unter Abweisung im übrigen - in Höhe von 4.851,56 € stattgegeben. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Heidelberg (abgedruckt in VersR 1993, 1395) könnten vor der Frist des § 626 Abs.2 BGB liegende Vorkommnisse eine fristlose Kündigung nicht begründen und seien als bloßes "Kolorit" zu betrachten, sofern es sich nicht um einen Wiederholungsfall handele. Damit bestehe für die Kündigung vom 21.02.2006 Versicherungsschutz, denn bezüglich der Kenntnis des Strafbefehls und der Verletzung der Informationspflichten sei die Zweiwochenfrist bei Ausspruch der Kündigung abgelaufen gewesen; anders verhalte es sich mit der Kündigung vom 09.03.2006, bei der die Zweiwochenfrist ab Kenntnis eingehalten sei, der Verstoß aber vor Beginn des Versicherungsschutzes liege. Da im Hinblick auf die Kündigung vom 09.03.2006 kein Versicherungsschutz bestanden habe, aber keiner der beiden Kündigungen, die mit den Feststellungsanträgen angegriffen worden seien, eine größere Bedeutung beigemessen werden könne, erscheine eine hälftige Teilung der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten sachgerecht. Diese seien auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 164.231,43 € zu berechnen, weil sich der Gegenstandswert für die Gebühren nach der rechtskräftigen Streitwertfestsetzung in dem Verfahren vor dem Landgericht Ulm richte; die Gesamtforderung des Klägervertreters betrage unter Einbeziehung der Gerichtskosten 9.703,12 €, so dass die Klage in Höhe von 4.851,56 € begründet sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie macht weiterhin geltend, dass die rechtliche Interessenwahrnehmung des Klägers betreffend die streitgegenständlichen Kündigungen wegen Vorvertraglichkeit nicht vom Versicherungsschutz umfasst sei. Die Annahme eines Rechtsschutzfalles setze nach der obergerichtlichen Rechtsprechung das Vorliegen eines Verstoßes im Sinne eines Tatsachenkerns voraus, der den Keim eines Rechtskonflikts in sich trage. Sämtliche der von der Arbeitgeberin des Klägers vorgetragenen Verstöße seien vor Abschluss des Versicherungsvertrages bzw. während der laufenden Wartezeit erfolgt. Soweit das Landgericht entsprechend einer Entscheidung des Landgerichts Heidelberg auf den nach zwei Wochen eingreifenden Ausschluss von Kündigungsgründen gemäß § 626 Abs.2 BGB und damit auf die Erfolgsaussichten einer rechtlichen Interessenwahrnehmung aus Sicht des Arbeitgebers des Klägers abstelle, würden die hinreichenden Erfolgsaussichten unzulässig mit der Frage vermischt, zu welchem Zeitpunkt ein Rechtskonflikt ausgebrochen sei. Es entspreche dem Zweck der Regelung, dass ein voraussehbarer Versicherungsfall keinen Deckungsschutz genießen solle, so dass es weder auf den Zeitpunkt der Kenntnis von dem Verstoß noch auf den Zeitpunkt der Geltendmachung von Ansprüchen ankomme. Schließlich sei die Zahlung der eingeklagten Rechtsanwaltskosten und der außergerichtlichen Kosten bestritten worden.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 12.09.07 die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 12.09.07 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.980,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2006 sowie weitere 449,96 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger begehrt im Wege der Anschlussberufung die volle Zahlung des eingeklagten Betrages, weil es entgegen der Ansicht der Beklagten auf die arbeitsrechtliche Bewertung nach § 626 Abs.2 BGB ankomme. Denn ein Sachverhalt, der den ausgebrochenen Konflikt zwischen den Parteien auslöse, könne nur innerhalb der Zweiwochenfrist angesiedelt sein. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, hätten für die Kündigung vom 21.02.2006 keine Verstöße herangezogen werden können, die vor der Wartezeit gelegen hätten. Dies gelte aber auch für die Kündigung vom 09.03.2006. Da er bereits seit 1998 die Arbeiten in seinem Privathaus habe durchführen lassen, habe er nicht damit rechnen müssen, dass diese ihm später vorgeworfene Tatsache noch zu einem Rechtsstreit führen könne; der Vorwurf des Arbeitgebers sei lediglich Kolorit für die Kündigung gewesen. Allein die Behauptung völlig substanzloser und rechtsgrundloser angeblicher Vertragsverletzungen in der Vergangenheit könne den Versicherungsschutz nicht ausschließen. Unerheblich sei, ob er Zahlung an seine damaligen Prozessbevollmächtigten geleistet habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Senats Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die von dem Kläger eingelegte Anschlussberufung ist ebenfalls zulässig, hat aber keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag vom 15.09.2005 keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von 13.980,87 €, weil von einer Vorvertraglichkeit der für den Eintritt des Versicherungsfalles maßgeblichen Rechtsverstöße des Klägers auszugehen ist.

Gemäß § 6 Abs.1, Besonderer Teil, Teil 3 der zugrunde liegenden Top-Manager-Rechtsschutz-Bedingungen (TMRB) setzt der Anspruch auf Rechtsschutz voraus, dass der Rechtsschutzfall innerhalb des versicherten Zeitraums eingetreten und die vereinbarte Wartezeit abgelaufen ist. Nach § 6 Abs.2 gilt der Rechtsschutzfall in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Versicherte oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder - vorschriften begangen hat oder begangen haben soll, der die Streitigkeit aus dem Anstellungsvertrag ausgelöst hat. Nach Abs.3 ist bei mehreren Verstößen der erste Verstoß maßgeblich, wobei jedoch Verstöße, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes zurückliegen, außer Betracht bleiben. Erstreckt sich der maßgebliche Verstoß über einen Zeitraum, soll dessen Beginn maßgeblich sein. Diese Regelung entspricht fast wörtlich der Regelung des § 14 ARB 75.

Verstoß ist das Handeln gegen eine - gesetzliche oder vertragliche - Rechtspflicht oder das Unterlassen eines rechtlich gebotenen Tuns. Für das Vorliegen eines Verstoßes genügt eine objektive Zuwiderhandlung gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften. Darauf, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst ist, kommt es nicht an; ebenso wenig auf den Zeitpunkt, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangen oder zu dem aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht werden (OLG Hamm VersR 1989, 40; OLG Düsseldorf ZfS 1981, 340).

Der Versicherungsschutz begann am 15.09.2005, wobei für den Eintritt etwaiger Rechtsschutzfälle eine Wartezeit von 3 Monaten (Ende 15.12.2005) vereinbart war.

Hinsichtlich der Kündigung vom 21.02.2006 lag der entscheidende Verstoß vor dem Beginn der Ermittlungen im März 2005, jedenfalls aber vor dem Erlass des Strafbefehls vom 23.11.2005. Hinsichtlich der Kündigung vom 09.03.2006 lag der Verstoß in der langjährigen Beschäftigung von Mitarbeitern im Privathaushalt des Klägers seit 1998.

Entgegen der Ansicht des Klägers gelten bei Aktivprozessen des Versicherungsnehmers keine Besonderheiten. Auch hier ist nicht nur auf den vom Versicherungsnehmer behaupteten Verstoß des Gegners (hier: Ausspruch der Kündigungen) abzustellen, sondern zu berücksichtigen ist auch ein vom Gegner behaupteter Verstoß des Versicherungsnehmers, der den Konflikt (angeblich) ausgelöst hat (hier: die in den Kündigungsgründen genannten Verstöße des Klägers). Dafür spricht bereits der Wortlaut der Regelung des § 6 BT/Teil 3 der TMRB: "in dem der Versicherte oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder - vorschriften begangen hat", der ausdrücklich nicht nur auf Verstöße des Versicherungsnehmers abstellt und der jede Unterscheidung hinsichtlich des Verhaltens des Versicherungsnehmers, für das er Rechtsschutz begehrt, vermeidet. Für die Bestimmung des Versicherungsfalls kann es daher nicht darauf ankommen, ob der Versicherungsnehmer angreifen oder sich verteidigen will, da erkennbar jedes denkbare Rechtsschutzziel des Versicherungsnehmers erfasst werden soll. Das hat der Bundesgerichtshof für § 14 ARB 75 ausdrücklich entschieden (BGH VersR 1984, 530 zu § 14 Abs.3 ARB; OLG Hamm VersR 1989, 1043; OLG Koblenz, NVersZ 2002, 191). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs spricht für diese Auslegung entscheidend die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Die früheren Sonderbedingungen für Vertragsrechtsschutz hätten ausdrücklich Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung unterschieden und ersterer die Verstöße des Gegners, letzterer die des Versicherungsnehmers als Versicherungsfall zugeordnet. Diese Unterscheidung sei mit Neufassung des ARB aufgegeben worden, weil sich gezeigt habe, dass auch in den Fällen einer Rechtsverfolgung durch den Versicherungsnehmer sich der Konflikt an einem von diesem angeblich begangenen Verstoß habe entzünden können. Dies entspreche auch dem Schutzbedürfnis des Versicherers. Mit der Regelung des § 14 Abs.3 ARB 75 solle erkennbar vermieden werden, dass die Rechtsschutzversicherung mit Kosten solcher Rechtskonflikte belastet werde, die bei Abschluss des Versicherungsvertrages bereits die erste Stufe der konkreten Gefahrverwirklichung erreicht hätten, also gewissermaßen "vorprogrammiert" seien (vgl. auch Harbauer, ARB, 6. Auflage, § 14, Rdnr.51). Dieser Ansicht ist mit der überwiegenden Rechtsprechung zu folgen. Die oftmals gewillkürte Parteirolle des Versicherungsnehmers ist nicht entscheidend. Kommt es folglich aufgrund eines Verstoßes zu einer Kündigung oder einem Prozess, ist nicht der Zeitpunkt der Kündigung oder des Prozessbeginns, sondern der vorangegangene Verstoß Versicherungsfall (Harbauer, § 14, Rdnr.41; LG Frankfurt ZfS 1992, 353; LG Konstanz ZfS 1990, 163; LG Hannover ZfS 1989, 313, AG Hannover RuS 2003, 17).

Für die Feststellung des Versicherungsfalls, d.h. für den Verstoß kommt es - entgegen der Ansicht des Klägers - auch nicht darauf an, ob die Darstellung der Arbeitgeberin zu den angeblichen Vorfällen zutreffend ist, also tatsächlich ein Verstoß vorgelegen hat. Entscheidend ist vielmehr, ob die Behauptung eines Verstoßes zur Grundlage des Rechtsstreits wird. Das ist der Fall, wenn eine der streitenden Parteien den angeblichen Verstoß der Gegenseite zur Stützung ihrer Position heranzieht (BGH VersR 1984, 530; VersR 1983, 125; OLG Hamm VersR 1989, 1043; Prölss/Armbrüster, VVG, 27. Auflage, § 14 ARB 75, Rdnr. 9). Eine solche Behauptung braucht nicht schlüssig, substantiiert oder entscheidungserheblich zu sein. Es genügt, wenn die Behauptung nicht reines Werturteil ist, sondern einen Tatsachenkern enthält, der die Beurteilung erlaubt, ob damit ein adäquat kausaler Vorgang für den zwischen den Beteiligten ausgebrochenen Konflikt dargetan ist. Kausalität meint dabei, dass der (behauptete) Verstoß tatsächlich ("ernsthaft") der Anlass für ein streitauslösendes Verhalten gewesen sein muss. Deshalb genügen solche Behauptungen nicht, die lediglich zur Verdeutlichung des Hintergrundes des Streites bzw. als bloßes Beiwerk (sogenanntes Kolorit) vorgebracht werden (BGH a.a.O., OLG Hamm a.a.O.). Dadurch wird der Gefahr begegnet, dass der Prozessgegner den Versicherungsschutz allein durch Berufung auf einen vorvertraglichen Verstoß blockiert (OLG Hamm, NVersZ 1999, 291). Für den Beginn des (angeblichen) Verstoßes kommt es auf die Behauptungen in dem Verfahren an, für das Rechtsschutz begehrt wird (BGH, VersR 1985, 541; Prölss/Armbrüster, § 14 ARB, Rdnr.15; Harbauer, § 14, Rdnr.43).

Der Hinweis auf den Erlass des Strafbefehls vom 23.11.2005 in dem Kündigungsschreiben vom 21.02.2006 sowie der Hinweis auf die Beschäftigung von Mitarbeitern des Unternehmens für angebliche Privatarbeiten in dem Kündigungsschreiben vom 09.03.2006 waren durch die Arbeitgeberin des Klägers nicht lediglich als Kolorit zur Verdeutlichung des Hintergrundes beigefügt worden, sondern sollten die fristlosen Kündigungen tragen. Aus den Kündigungsschreiben lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass die Arbeitgeberin des Klägers die dort angeführten Vorwürfe ernsthaft zur Grundlage ihrer Kündigungen machen wollte. Sie hat allein diese Vorgänge zur Stützung ihrer Position herangezogen; andere Gründe waren weder dargetan noch ersichtlich. Im übrigen sind die erhobenen Vorwürfe bereits derart gewichtig, dass sie schon deshalb eine Einstufung als bloßes Kolorit nicht zulassen (vgl hierzu BGH VersR 1985,540). Dass die Arbeitgeberin des Klägers die benannten Vorwürfe tatsächlich als Anlass für die Kündigungen nahm, ergibt sich auch daraus, dass es nach Erlass des Strafbefehls umfangreiche Gespräche zwischen ihr und dem Kläger über den Strafbefehl als Kündigungsgrund sowie die Möglichkeiten eines Aufhebungsvertrages gab. Entsprechend ging es in dem vor dem Landgericht Ulm geführten Kündigungsschutzprozess (nur) um die Frage, ob die in den Kündigungsschreiben genannten Gründe eine fristlose Kündigung rechtfertigen konnten. Des weiteren sind auch im vorliegenden Deckungsprozess keine Umstände vorgetragen, die dafür sprechen, dass die behaupteten Verstöße letztlich nicht zur Rechtswahrung herangezogen werden sollten. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die behaupteten Verstöße für die Kündigungen nicht mehr ursächlich waren, weil diese durch einen weiteren, nach der Versicherungszeit liegenden Verstoß ausgelöst wurden. Letztlich waren die in der Kündigung angeführten Gründe entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht substanzlos, denn der Strafbefehl wurde erlassen; ebenso fand unstreitig eine Beschäftigung der Mitarbeiter des Unternehmens im Privathaushalt des Klägers statt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann auch die Tatsache, dass die im Rahmen der Kündigung vom 21.02.2006 genannten Gründe außerhalb der Kündigungsfrist des § 626 Abs.2 BGB liegen, nicht dazu führen, dass die Gründe als bloßes Kolorit zu betrachten sind und für den Eintritt des Versicherungsfalls allein auf den Zeitpunkt des Beginns der Zweiwochenfrist abzustellen ist. Eine solche rechtliche Wertung ist mit den bereits dargestellten Grundsätzen zur Feststellung eines Versicherungsfalls nicht vereinbar. Sie hätte zur Konsequenz, dass bei fristlosen Kündigungen nach § 626 Abs.2 BGB, bei denen die Kündigungsfrist nicht eingehalten worden ist, für die Frage eines Versicherungsfalles nicht mehr auf einen konkret behaupteten Verstoß, sondern im Sinne einer erfolgsorientierten Würdigung allein auf den Beginn der Zweiwochenfrist abzustellen wäre. Diese Wertung ist nicht sachgerecht, denn sie knüpft ausschließlich an die hypothetische Überlegung an, dass der Arbeitgeber sich nicht nur auf für die fristlose Kündigung nicht relevante Verstöße berufen werde, ohne dass ein tatsächlicher Sachverhalt vorliegt, aus dem sich der Verstoß ergeben könnte. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass die Behauptung eines Pflichtverstoßes, die eine der streitenden Parteien zur Stützung ihrer Position aufstellt, unabhängig von ihrer Berechtigung oder Erweislichkeit, dazu führen soll, dass der Versicherungsfall als mit Beginn des behaupteten Verstoßes eingetreten gilt; nicht abzustellen ist darauf, welches prozessuale Schicksal die Behauptung eines Pflichtverstoßes erleidet (vgl. BGH, VersR 1984, 530; VersR 1985, 541 zu § 14 Abs.3 ARB; OLG Koblenz, NVersZ 2000, 191; OLG Hamm NVersZ 1999, 291). Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 27.01.1993 (VersR 1993,1395). Vielmehr hat das Landgericht Heidelberg in seiner Entscheidung unter Hinweis auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in VersR 1985, 541 ausgeführt, dass alleine das prozessuale Schicksal des behaupteten Verstoßes für die Beurteilung, ob eine der Parteien diesen Verstoß der Gegenseite zur Stützung ihrer Position heranziehe oder ob es sich nur um bloßes Beiwerk handele, nicht maßgeblich sei. Das Landgericht Heidelberg hatte den Fall zu entscheiden, dass der Arbeitgeber seine fristlose Kündigung auf einen Verstoß gestützt hatte, der nach Ablauf der Wartezeit lag und auf Verstöße, die in der Wartezeit, aber vor Ablauf der Zweiwochenfrist lagen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Landgericht Heidelberg ausgeführt, dass für die Entscheidung, ob die in der Wartezeit liegenden Verstöße nur Beiwerk sein sollten, auch zu berücksichtigen sei, ob sie für die fristlose Kündigung rechtlich relevant sein könnten; "das prozessuale Schicksal der behaupteten Verstöße" spiele "insoweit als ein Gesichtspunkt unter vielen für die Beurteilung der Motivation des Arbeitgebers für seine arbeitsrechtliche Maßnahme eine Rolle".

Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger damit rechnen musste, dass seine Arbeitgeberin die ihr nach seiner Darstellung längst bekannten Sachverhalte im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses heranziehen werde. Die Regelung des § 6 Besonderer Teil/Teil der TMRB dient dem Bedürfnis, Rechtskonflikte zu vermeiden, die bei Versicherungsbeginn schon "vorprogrammiert" sind, und setzt keine Arglist des Versicherungsnehmers voraus.

Nach allem liegt kein Versicherungsfall vor, der zeitlich nach Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten ist.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall hinaus. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 13.980,87 €

Ende der Entscheidung

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