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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 9 U 215/05
Rechtsgebiete: AWB 87, HRB, ZPO, VGG, VVG


Vorschriften:

AWB 87 § 1 Nr. 2 a
AWB 87 § 1 Nr. 3 b
AWB 87 § 1 Nr. 5 Abs. 2
AWB 87 § 1 Nr. 5 d
AWB 87 § 7 Nr. 1 e
AWB 87 § 1 Nr. 5 f
HRB Nr. 7.1.1
HRB Nr. 7.3.2
HRB Nr. 7.3.4
ZPO § 529 Abs. Nr. 1
ZPO § 543
VGG § 6 Abs. 1
VVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16.11. 2005 - 20 O 30/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

(abgekürzt nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

1. Der Klägerin steht wegen des Schadensereignisses vom 8.6.2003 auf Grund der Leitungswasserversicherung im Rahmen der "Universalpolice für den Handel" und der Hausratversicherung ein Entschädigungsanspruch in Höhe von insgesamt 8.344,30 € gegen die Beklagte zu.

a) Es handelt sich um einen Leitungswasserschaden im Sinne der vereinbarten § 1 Nr. 2 a AWB 87 bzw. Nr. 7.1.1 HRB.

Wasser ist aus den Ableitungsrohren der Wasserversorgung bestimmungswidrig ausgetreten.

Dass die Schäden durch ausgetretenes Fäkalienabwasser, also Leitungswasser, und nicht durch reine Witterungsniederschläge im Sinne von § 1 Nr. 5 d) AWB 87, Nr. 7.3. 2. HRB entstanden sind, hat die Beweisaufnahme vor dem Landgericht ergeben.

Nach § 529 Abs. Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Zweifel sind nicht ersichtlich.

Der Nachweis, dass Fäkalienwasser in den Keller eingedrungen ist, ist durch die Angaben der Zeugen Q., X. und F. sowie die Ausführungen des Sachverständigen L. erbracht. Der Zeuge Q. hat glaubhaft ausgesagt, dass er im Rahmen der Überprüfung des Schadens starke Wurzeleinwüchse und Undichtigkeiten an den Steinzeugrohren festgestellt habe. Durch dieses Rohr sei auch Fäkalienwasser geflossen. Das Fäkalwasser habe man eindeutig an Papierresten und Fäkalien erkennen können. Der Zeuge X. hat in Übereinstimmung damit bekundet, dass er auf dem Monitor Dreck gesehen habe. Auf seine Frage habe der Zeuge Q. erklärt, dass es sich um Fäkalien handele. Die Kamerauntersuchung habe dann ergeben, dass das Rohr gerissen sei, Fäkalienwasser ausgelaufen und in die Wand eingetreten sei. Der Zeuge F. hat bei seiner Vernehmung vom 19.10.2005 angegeben, dass alle Rohrleitungen, die saniert worden seien, fäkalienhaltige Abwässer aus dem Haupthaus und von der auf der Garage aufgebauten Anliegerwohnung beinhalteten. Er sei sich zu 99 % sicher, dass das an dem Kellerfenster vorbei laufende Rohr auch Fäkalienwasser entwässere.

Zu den Ursachen der Schäden hat der Zeuge in beiden Vernehmungen im einzelnen geschildert, dass im Bereich des Übergangs des Steinzeugrohres zum Zinkfallrohr ein Spalt geklafft habe. Der Boden habe sich mit Wasser vollgesogen. Unter dem Rohr habe sich eine etwa 10 cm dicke Betonplatte befunden. Es habe sich ein Kontergefälle in Richtung Garage herausgebildet, so dass Wasser nicht mehr in Richtung Kanal abgelaufen sei. Dieses Abwasser sei dann durch die Lücke in das Erdreich gelangt und sei in Richtung Kellerfenster gelaufen. Die Zeugen P. und S. K. sowie R. v. V. haben bestätigt, dass das Wasser durch die Wand in den Souterrainbereich gelaufen sei und nicht durch das Kellerfenster.

b) Aus den Bestimmungen über den Rohrbruch, § 1 Nr. 3 b) AWB 87, ergibt sich keine andere Beurteilung.

Nur Bruchschäden an den Ableitungsrohren selbst im Bereich außerhalb des Gebäudes sind ausgeschlossen (vgl. Kolhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 62 VGB 62, Rn 3). Schäden an versicherten Sachen durch Wasser, das durch Rohrbruch austritt, sind indes versichert, auch wenn die Austrittstelle außerhalb des Gebäudes liegt und von der Rohrbruchversicherung nicht erfasst wird (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl. E I 17).

c) Es liegt - unabhängig von den Ausführungen zu d) - vorliegend nicht der Ausschluss des Rückstaus gemäß § 1 Nr. 5 d AWB 87, Nr. 7 .3.2 HRB vor.

Ein Rückstau in diesem Sinne muss durch den hier in Betracht kommenden Witterungsniederschlag hervorgerufen sein. Hierbei muss es sich entsprechend der Systematik der Bedingung um einen durch Regenwasser verursachten Rückstau in den Leitungen handeln. Den Begriff "Rückstau" versteht ein verständiger Versicherungsnehmer dahingehend, dass sich ansammelndes Niederschlagswasser in erheblichen Mengen in die Abwasserleitungen gelangt und von dort nicht mehr in der vorgesehen Weise abgeführt werden kann. Der Grund für die Ausschlussbestimmung liegt erkennbar darin, dass Gefahrenlagen ausgeschlossen werden sollen, deren Eintritt und Ablauf unberechenbar sind und die insbesondere in ihren Folgen so unübersehbar sind, dass sie von der für normale Verhältnisse kalkulierten Prämie nicht gedeckt werden können (vgl. OLG Saarbrücken VersR 1997,1000). Vorliegend ist aber nicht erkennbar, dass ein solcher Rückstau durch drückendes Niederschlagswasser herbeigeführt worden ist. Da das Regenfallrohr, welches in das Steinzeugrohr mündete, abgerissen war, kann schon nicht festgestellt werden, dass überhaupt Regenwasser aus dem Fallrohr in das Steinzeugrohr geflossen ist. Das Fäkalienwasser ist an der Bruchstelle des Rohres ausgetreten. Soweit sich danach Regenwasser außerhalb des Rohres angesammelt hat, handelt es sich nicht um einen Rückstau im Sinne der Ausschlussklausel.

d) Wenn nicht nur Fäkalienwasser, sondern auch mitwirkend Niederschlagswasser aus dem Erdreich in die Wand geflossen ist, sei es wegen des Regens, sei es wegen des Auslaufens aus dem Regenfallrohr, führt dies vorliegend nicht zu einem Ausschluss.

Nach § 1 Nr. 5 Abs. 2 AWB 87 gelten die Ausschlüsse gemäß a bis e nicht für Schäden gemäß Nr. 3. Die Ausschlüsse gelten ferner nicht für Schäden gemäß Nr. 1, also Leitungswasserschäden, soweit sie Folgeschäden eines Schadens gemäß Nr. 3 sind. So liegt es hier. Der Leitungswasserschaden ist nämlich Folge eines Rohrbruchs im Sinne der Nr. 3. Eine entsprechende Regelung findet sich in Nr. 7.3.2 HRB. Damit findet die Ausschlussbestimmung keine Anwendung (vgl. Martin, aaO, F IV 3).

e) Dass der Schaden durch Erdrutsch im Sinne von § 1 Nr. 5 f) AWB 87 bzw. Nr. 7.3.4. HRB verursacht worden ist, ist nicht belegt. Soweit der Erdrutsch auf Leitungswasser beruht, greift die Ausschlussklausel ohnehin nicht.

f) Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften im Sinne des § 7 Nr. 1 e) AWB 87 berufen. Die nach § 6 Abs. 1 VGG erforderliche Kündigung bei einer Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall ist nicht erfolgt.

g) Eine Leistungsfreiheit besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gefahrerhöhung (§§ 7 Nr. 2 AWB 87, 23 ff VVG). Voraussetzung ist eine Erhöhung der Risikolage. Hierbei ist die Gefahrenlage bei Vertragsschluss mit derjenigen zu vergleichen, die nach einer Veränderung der für die versicherte Gefahr maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Gefahrenlage ist auf Grund einer Gesamtabwägung aller gefahrenrelevanten Umstände des Einzelfalls zu bestimmen (vgl. BGH VersR 2004, 895). Die Risikoerhöhung muss dauerhaft sein. Daran fehlt es vorliegend, weil die Lagerung der beschädigten Geräte auf dem Boden nur für kurze Zeit erfolgen sollte.

h) Die Beklagte ist auch nicht nach § 61 VVG leistungsfrei. Grundsätzlich sind § 61 VVG und die Regelungen über die Verletzung gefahrmindernder Obliegenheiten nebeneinander anwendbar (vgl. OLG Saarbrücken, VersR 1989, 397). Verlangt wird aber, dass zum Tatbestand der Obliegenheitsverletzung noch weitere Umstände den Versicherungsfall herbeigeführt haben. Das ist im vorliegenden Fall zu verneinen, da die Lagerungspflichten im Rahmen der Sicherheitsvorschriften in Rede stehen.

Im übrigen hat die Beklagte nicht die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit bewiesen. Die Klägerin und ihr Sohn müssten die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen haben, was im gegebenen Fall jedermann hätte einleuchten müssen (vgl. Langheid in Römer/Langheid, VVG., 2 . Aufl., § 61 , Rn 43). Davon kann nicht ausgegangen werden. Die Geräte waren verpackt. Mit einem derartigen Wassereinbruch war zudem nicht zu rechnen.

i) Die Höhe der Entschädigungsberechnung wird von der Berufung nicht angegriffen. Auf die zutreffende Berechnung durch das Landgericht, der sich der Senat anschließt, wird Bezug genommen. Danach ergibt sich ein Entschädigungsanspruch in Höhe von insgesamt 8.344,30 €.

2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Bedeutung der Sache geht nicht über den Einzelfall mit seinen Besonderheiten hinaus. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 8.344,30 €

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