Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: 9 U 215/07
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 313a
InsO § 80 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 17. Oktober 2007 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 129/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

- Abgekürzt gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO -

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Straf-Rechtsschutzversicherung in Anspruch, die von der D Personalleasing GmbH mit Wirkung ab dem 1. April 2003 bei einem Versicherer (E) bestand, der später von der A Versicherung AG übernommen wurde, für die die Beklagte als Schadenabwicklungsunternehmen tätig ist. Zum Kreis der Versicherten zählten u. a. die Geschäftsleitung und sämtliche Betriebsangehörige. Der Kläger geht davon aus, er sei Mitversicherter.

Gegen den Kläger wurden von der Staatsanwaltschaft Regensburg und vom Hauptzollamt Regensburg verschiedene Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Kläger wurde in allen Verfahren durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten.

In einem früheren Rechtsstreit (LG Köln 20 O 338/05), forderte der Kläger von der Beklagten für das unter dem Aktenzeichen 153 Js 15129/04 geführte Strafverfahren Anwaltskosten in Höhe von 17.315,14 €. Nachdem der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, mit der Beklagten im Dezember 2005 eine Einigung erzielt hatte, die auch weitere Versicherungsnehmer bzw. Mandanten und weitere Strafrechtsschutzfälle betraf, wurde die damalige Klage zurückgenommen. In der fraglichen Vereinbarung vom 14./17.12.2005, die in den Akten "Gesamtvergleich" genannt wird, ist der streitgegenständliche Versicherungsvertrag konkret unter Benennung der Versicherungsnummer aufgeführt (GA 210). Es heißt dort unter Ziffer 2: "Zur endgültigen Abwicklung aller bis zum 1.12.2005 gemeldeten und von Herrn Rechtsanwalt I bearbeiteten Versicherungsfälle im Bereich Strafrecht und Ordnungswidrigkeitsrecht zu den oben genannten Versicherungsverträgen zahlt die A Rechtsschutz-Schadenservice GmbH (die Beklagte) an Herrn Rechtsanwalt I noch EUR 270.000,00.". Unter Ziffer 4 findet sich folgende Vereinbarung: "Mit der Zahlung dieses Betrages sind alle bestehenden und abgerechneten und nicht abgerechneten sowie alle etwa künftig noch entstehenden Ansprüche auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten, Gerichtskosten auch solcher aus Deckungsklagen, unabhängig davon, in welcher Instanz sie anhängig sind, gegen die A Rechtsschutz-Schadenservice GmbH aller Versicherungsnehmer und sonstiger Versicherten aus den oben aufgeführten Versicherungsverträgen abgegolten." Der letzte Absatz lautet: "Die A Rechtsschutz-Schadenservice GmbH verzichtet auf alle eventuell bestehenden Rückzahlungsansprüche ... aus den oben genannten Schäden."

In der vorliegenden Sache geht es um die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Rahmen eines vom Hauptzollamt Regensburg betriebenen Ermittlungsverfahren (inzwischen: Amtsgericht Regensburg 23 Owi 153 Js 6363/07), in dessen Verlauf am 17. August 2004 Durchsuchungen u. a. in den Wohnungen und Geschäftsräumen des Klägers stattfanden. Der Anwalt des Klägers nahm Akteneinsicht und stellte der Beklagten für gefertigte Kopien aus 12 Leitzordnern (jeweils für sich und den Mandanten) unter Berufung auf eine Gebührenvereinbarung mit dem Kläger hierfür insgesamt 11.238,48 € in Rechnung (GA 40 f).

Der Kläger hat Freistellung von dieser Forderung und nicht anrechenbarer Honoraransprüche seines Anwalts für dessen außergerichtliche Tätigkeit beantragt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht als Mitversicherter anzusehen. Außerdem seien Ansprüche durch den Vergleich abgegolten. Wegen der getroffenen Feststellungen und aller sonstigen Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Der Kläger greift insbesondere die rechtliche Argumentation des Landgerichts an und verfolgt weiterhin die in erster Instanz geltend gemachten Ansprüche.

Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 8. Juli 2008 Bezug genommen. Die Akten des Landgerichts Köln 20 O 338/05, 20 O 448/06 und 20 O 395/06 (= Senat 9 U 170/07) sowie des Amtsgerichts Regensburg 23 Owi 153 Js 6363/07 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus der Strafrechtsschutz-Versicherung schon deshalb keinen Anspruch auf Freistellung von einer Honorarforderung seines Prozessbevollmächtigten, weil jeglicher Anspruch des Klägers aus dem Versicherungsvertrag durch den Gesamtvergleich als abgegolten anzusehen ist, also auch jeglicher Anspruch, der mit dem Ermittlungsverfahren des Hauptzollamts in Zusammenhang steht, das die Staatsanwaltschaft Regensburg unter dem Aktenzeichen 153 Js 12773/05 gegen den Kläger geführt hat.

Zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört es, dass die Vertragsauslegung in erster Linie den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen und den diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen hat (BGHZ 121, 13, 16). Ziffer 4 des oben zitierten Vergleichs kann nur dahin verstanden werden, dass die Beklagte die vereinbarte Zahlung leistete, weil mit der Vereinbarung sichergestellt war, dass sie in Zukunft keinen weiteren Ansprüchen aus den Verträgen, die nach den Versicherungsscheinnummern aufgelistet waren (nicht die Schadensnummern sind genannt), mehr ausgesetzt war. Ausdrücklich sollten mit der Zahlung alle "etwa künftig noch entstehenden" Ansprüche abgegolten sein. Soweit der Kläger meint, der Absatz könne nur dahin verstanden werden, dass eine Abgeltung "gemäß Absatz 2" der Vereinbarung gemeint sei, setzt er sich über den eindeutigen Wortlaut hinweg und verkennt den Sinn der Regelung. Die Vereinbarung unter Ziffer 4 enthält eine eigenständige Aussage gerade nur, weil sie und soweit sie über die unter Ziffer 2 formulierte Regelung hinausgeht. Die Erwähnung eines bestimmten Stichtags im Text zu Ziffer 2 steht diesem Verständnis nicht entgegen. Damit ist letztlich nur klargestellt, auf welcher tatsächlichen Grundlage (alle bis 1.1.2005 vom Klägervertreter gemeldeten und bearbeiteten Fälle) die Verhandlungen geführt wurden. Bei der Beurteilung und Auslegung ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihrerseits im letzten Absatz des Vergleichs ausdrücklich darauf verzichtet hat, Gelder nachträglich - also auch nach rechtskräftiger Verurteilung wegen einer Vorsatztat - zurückzufordern. Sie hat also ihrerseits auch einen in die Zukunft wirkenden Verzicht ausgesprochen.

Im vorliegenden Fall geht es nicht einmal um "künftige" Ansprüche des Klägers im Sinne des Gesamtvergleichs, sondern um einen Rechtsschutzfall, der bereits vor dem Vergleich, nämlich am 19. Mai 2004 eingetreten war, als das streitgegenständliche Ermittlungsverfahren gegen den Kläger eingeleitet wurde (vgl. § 31 Abs. 5 a RVB 2000). Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger von diesem Verfahren bei Abschluss des Vergleichs Kenntnis hatte, denn am 17. August 2004 fanden in dieser Sache Durchsuchungen in den Wohnungen und Geschäftsräumen des Klägers, seiner Ehefrau und der T. N. statt (vgl. Schlussbericht Hauptzollamt vom 4. Oktober 2005, S. 6 im Verfahren StA Regensburg 153 Js 6363/07). Indes kommt es auf die Kenntnis von einem gegenwärtig oder künftig laufenden Ermittlungsverfahren nach dem Inhalt der Vereinbarung ausdrücklich nicht einmal an.

Der Kläger muss sich an dem abgeschlossenen Vergleich festhalten lassen. Er hat ihn - vertreten durch seinen Anwalt - abgeschlossen, obwohl er hierzu mit Blick auf den Gesamtvertrag nicht befugt war, denn infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stand damals gemäß § 80 Abs. 1 InsO das alleinige Verfügungsrecht dem Insolvenzverwalter zu. Aus diesem Grund ist diesem gegenüber von einer Unwirksamkeit des Vergleichs auszugehen. Dies wirkt sich allerdings nicht zugunsten des Klägers aus. Soweit er Ansprüche als mitversicherter Betriebsangehöriger geltend gemacht und verglichen hat, kann er sich nicht darauf berufen, es habe ihm an einer Vollmacht des Insolvenzverwalters für den Abschluss des Vergleichs gefehlt (§ 242 BGB). Würde man dies anders sehen, so wäre auch für die Beklagte der Weg zu eventuellen Rückforderungen offen.

Der Kläger behauptet - ohne auf den entscheidenden Absatz im Text des Vergleichs näher einzugehen - eine Abfindung in bezug auf weitere als die bis zum Stichtag angemeldeten Rechtsschutzfälle habe man nicht gewollt, es sei auch nicht erkennbar geworden, dass die Gegenseite dies gewollt habe. Der hierzu angebotene Beweis ist - wie in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt - nicht zu erheben, denn auf Umstände, die innere Vorstellung geblieben und für den jeweiligen Vertragspartner nicht erkennbar geworden sind, kommt es nicht an. Eine Vertragsauslegung kann zwar auch zu einem vom Wortlaut abweichenden Ergebnis gelangen, wenn sich ein dies rechtfertigender übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen lässt (§ 133 BGB). Für einen solchen übereinstimmenden Willen der Parteien trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Ihm obliegt es, Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen (vgl. BGH NJW 2001, 144 f), aus denen sich ergibt, dass die Vertragsparteien eine so weit reichende Vereinbarung wie die niedergelegte nicht wollten. Solche Umstände sind nicht dargetan. Darauf, was auf Seiten des Klägervertreters als gewollt erkannt wurde und was für ihn das "Gewollte" war, kann es nur ankommen, soweit dies erkennbar geworden ist. Für eine Erkennbarkeit ist hier nichts ersichtlich. Es kommt hinzu, dass der endgültige Text des Vergleichs nicht mit Abschluss der Verhandlungen formuliert wurde, sondern nachträglich zu Papier gebracht, von beiden Seiten unterschrieben und damit - mit dem niedergelegten Inhalt - akzeptiert wurde. Diesem Text ist jedenfalls eindeutig zu entnehmen, dass die Beklagte eine endgültige, in die Zukunft reichende Regelung wollte. Eine Anfechtung ist nicht erfolgt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 11.238,48 €

Ende der Entscheidung

Zurück