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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 24.10.2000
Aktenzeichen: 9 U 27/00
Rechtsgebiete: AKB, VVG, ZPO


Vorschriften:

AKB § 7 V Abs. 4
AKB § 6 Abs. 3 Satz 1
AKB § 7 I Nr. 2 Satz 3
VVG § 6 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 91
ZPO § 97 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 27/00 24 O 238/98 Landgericht Köln

Anlage zum Protokoll vom 24.10.2000

Verkündet am 24.10.2000

Meinecke, JHS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, die Richterin am Oberlandesgericht Keller und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten gegen das am 31. Januar 2000 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 237/97 - wird das angefochtene Urteil teilweise geändert und wie folgt neu gefaßt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges hat der Kläger zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Klage ist aufgrund neuen Sachvortrags der Beklagten in der Berufungsinstanz abzuweisen. Dem Kläger steht wegen der behaupteten Entwendung des Fahrzeuges Fiat Ulysse 2,0 mit dem amtlichen Kennzeichen .... am 11./12.10.96 in Neapel kein Anspruch aus der Kaskoversicherung zu. Die Beklagte ist wegen Obliegenheitsverletzung von der Verpflichtung zur Leistung frei, §§ 7 I Nr. 2 Satz 3, V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 Satz 1 VVG.

Im "Fragebogen zur Fahrzeugentwendung", der vom Kläger am 25.11.1996 unterschrieben wurde, ist hinter der Frage, ob eine Person dabei war, als er den Pkw abstellte, ein "Nein" eingetragen. Diese Antwort war falsch. Mit seiner Unterschrift hat der Kläger die Erklärung zu seiner eigenen gemacht, auch wenn er das Formular nicht selbst ausgefüllt hat. Er hat im übrigen nicht - auch nicht im nachgelassenen Schriftsatz - geltend gemacht, der Zeugin B. entgegen der Eintragung mitgeteilt zu haben, daß es Zeugen gebe. Es erscheint auch als sehr fernliegend, daß die Zeugin in diesem Punkt eine Erklärung aufgenommen haben könnte, die nicht den Angaben des Klägers entsprach, denn hätte er die Frage nach Zeugen bejaht, so wäre zwangsläufig die sich daran anschließende Frage nach den Namen dieser Zeugen gestellt worden. Soweit der Kläger sich in allgemeiner Form auf Sprachschwierigkeiten beruft, kann dies zu keiner anderen Beurteilung der falschen Erklärung führen. Der Kläger mußte dafür Sorge tragen, daß er die Fragen der Beklagten zutreffend beantworten konnte. Er hatte seine Ehefrau mitgenommen, die die deutsche Sprache beherrscht, so daß es letztlich nicht nachvollziehbar ist, daß Sprachschwierigkeiten ursächlich geworden sein können. Es handelte sich im übrigen um eine sehr einfache Frage, die der seit vielen Jahren in Deutschland lebende Kläger im Zweifel sogar ohne fremde Hilfe verstanden haben wird.

In der unrichtigen Angabe liegt eine Obliegenheitsverletzung, § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB. Steht der Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung wie hier fest, wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG vermutet, daß die Falschangabe vorsätzlich erfolgt ist. Der Kläger hat die gesetzliche Vorsatzvermutung zu widerlegen, was ihm im Streitfall nicht gelungen ist. Die Sprachschwierigkeiten stehen der Bejahung des Vorsatzes nicht entgegen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Kläger dafür sorgen mußte, trotz der unzureichenden eigenen Kenntnisse der deutschen Sprache zutreffende Angaben machen zu können.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Aufklärungspflichtverletzung liegen vor. Nach der sogenannten Relevanzrechtsprechung (BGH VersR 1984, 228 und ständig) tritt Leistungsfreiheit bei vorsätzlichen folgenlosen Obliegenheitsverletzungen nur ein, wenn diese geeignet sind, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, den Versicherungsnehmer schweres Verschulden trifft und er außerdem ausdrücklich über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung belehrt worden ist.

Falsche Angaben über das Vorhandensein von Zeugen sind im Fall der Geltendmachung von Versicherungsleistungen wegen eines Autodiebstahls geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Bei der Überprüfung der Einstandspflicht ist es für die Beklagte wichtig zu wissen, welche Beweismittel dem Versicherungsnehmer zur Verfügung stehen, damit sie diese gegebenenfalls überprüfen kann. Hinzu kommt, daß der Versicherer auch ein Interesse daran hat, daß der Versicherungsnehmer möglichst zeitnah nach dem Geschehen, aus dem er Ansprüche herleitet, korrekte und vollständige Angaben macht, damit die Möglichkeit nachträglicher - möglicherweise unrichtiger - Ergänzungen und Korrekturen möglichst ausgeschaltet wird.

Erhebliches Verschulden des Klägers ist ebenfalls gegeben. Er trägt die Beweislast, daß ihn kein erhebliches Verschulden an der Obliegenheitsverletzung trifft. Kein erhebliches Verschulden wird angenommen, wenn es sich um einen Verstoß handelt, der auch einem sonst ordentlichen Versicherungsnehmer angesichts der Umstände des Falles leicht unterlaufen kann und für den ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (vgl. schon BGH VersR 1976, 383 und VersR 1977, 1021). Dies kann vorliegend jedoch nicht bejaht werden. Daß der Kläger die Frage nach Zeugen wahrheitswidrig verneinte, obwohl es zwei Zeugen gab, rechtfertigt vielmehr den Vorwurf erheblichen Verschuldens.

Die erforderliche Belehrung über die möglichen Folgen unrichtiger Angaben befindet sich im Fragebogen unmittelbar über der Unterschrift des Klägers.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 97 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hat sich erstmals in zweiter Instanz auf Leistungsfreiheit wegen der falschen Angaben zum Vorhandensein von Zeugen berufen. Da sie imstande war, dies bereits in erster Instanz geltend zu machen, sind ihr die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Urteilsbeschwer für den Kläger: 32.700,00 DM



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