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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 09.09.2003
Aktenzeichen: 9 U 30/03
Rechtsgebiete: VHB, VVG, BGB, StGB


Vorschriften:

VHB § 21 Abs. 1 c
VHB § 21 Abs. 2 Satz 2
VHB § 22 Abs. 1
VVG § 6 Abs. 3
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 263
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 30/03

Anlage zum Protokoll vom 9.9.2003

Verkündet am 9.9.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, die Richterin am Oberlandesgericht Keller und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Januar 2003 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 436/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger schloß für die Zeit ab dem 1. April 2000 bei der Beklagten eine Hausratversicherung ab. Die zuvor bei der E bestehende Versicherung war vom Versicherer in Zusammenhang mit einem Einbruch (in die anschließend bei der Beklagten versicherte Wohnung) gekündigt worden.

Der Kläger hat behauptet, am 22. Oktober 2000 seien Unbekannte während seines Urlaubs in seine Wohnung eingebrochen. Es seien Gegenstände teils entwendet, teils verwüstet worden. Die Beklagte leistete eine Akontozahlung von 50.000 DM, die sie mit der Widerklage zuzüglich entstandener Sachverständigenkosten von 4.535,14 DM zurückfordert. Der Kläger verlangt den vom Schadensermittler der Beklagten errechneten Entschädigungsbetrag von 75.690 DM und klagt dementsprechend restliche 25.690 DM ein.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.135,09 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 23.3.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und

den Kläger zu verurteilen, an sie 27.883,37 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 9.4.2001 zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen und der Widerklage antragsgemäß entsprochen, weil der Kläger einen falschen Beleg vorgelegt habe (§ 22 VHB 95). Mit der Berufung wird weiter bestritten, daß der Beleg falsch sei und unter anderem geltend gemacht, ein Beleg über 2.900 DM rechtfertige es nicht, dem Kläger jeglichen Anspruch zu versagen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.135,09 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.3.2001 zu zahlen,

2. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil und den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Juli 2003 Bezug genommen. Die Akten der Staatsanwaltschaft Bremen 280 Js 37793/01 sind - wie in der Sitzungsniederschrift festgehalten - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Die Beklagte ist nach § 22 Abs. 1 VHB leistungsfrei. Das Landgericht ist nach der Vernehmung von Zeugen zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger die Beklagte durch Vorlage des von ihm selbst ausgefüllten "Sammelbelegs" und der ergänzend abgegebenen Erklärungen arglistig getäuscht hat. Die Ausführungen des Landgerichts sind hierzu überzeugend. Es besteht kein Anlaß, die Beweisaufnahme zu wiederholen oder auf den Inhalt des Gesprächs vom 20. November 2000 auszudehnen. Die Ausführungen des Klägers zu seinen bei diesem ersten Gespräch abgegebenen Erklärungen können als zutreffend unterstellt werden. Sie haben keinen Einfluß auf die Würdigung des Beweisergebnisses. Der Charakter der Quittung als "Sammelbeleg" ergab sich aus ihrem Inhalt und bedurfte keiner besonderen Erläuterung. Zur Herkunft der Quittung und zu den Umständen der Entstehung hat der Kläger auch am 20. November 2000 keine "richtigeren" Angaben gemacht als am 30. Januar 2001. Er hat insbesondere nicht erwähnt, daß er persönlich die Quittung ausgefüllt hat und nur die Unterschrift nicht von seiner Hand stammt.

Soweit der Kläger meint, die von ihm verübte arglistige Täuschung könne nicht zur völligen Leistungsfreiheit führen, verkennt er die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der in Ausnahmefällen eine völlige Leistungsfreiheit bei einem Sachverhalt der hier gegebenen Art unbillig sein kann. So kann ein vollständiger Anspruchsverlust als unbillig erscheinen, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des geltend gemachten Anspruchs betrifft, der Anspruchsverlust zu einer Existenzbedrohung beim Versicherungsnehmer führen würde und diesen nur ein geringes Verschulden trifft (BGH NJW-RR 1993, 1117). Solche zusätzlichen Umstände, die zur Bejahung der Unbilligkeit führen könnten, sind jedoch nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

Im übrigen ist die Beklagte ohnehin hinsichtlich des größten Teils der Gegenstände, für die Ersatz verlangt wird, auch deswegen gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 VHB in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei geworden, weil der Kläger gegen § 21 Abs. 1 c VHB verstoßen hat. Nach § 21 Abs. 1 c VHB (in der Fassung der vertraglich vereinbarten "VHB 95") hatte der Kläger der zuständigen Polizeidienststelle unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen, und nach § 21 Abs. 2 Satz 2 VHB führt eine Verletzung dieser Obliegenheit hinsichtlich der nicht (hier: nicht hinreichend präzise) angezeigten Sachen zur Leistungsfreiheit.

Der Verpflichtung, die gestohlenen Gegenstände gegenüber der Polizei zu bezeichnen, ist der Kläger nicht in der erforderlichen Weise nachgekommen. Die von ihm bei der Behörde eingereichte Stehlgutliste ist - auch nach einer angeforderten Ergänzung - unzureichend. Die mit Schreiben vom 31. Oktober 2000 überreichte "Auflistung der gestohlenen und zerstörten Gegenstände" enthält keine genaue Bezeichnung der entwendeten Gegenstände. So sind unter anderem eine Hifi-Anlage, ein Computer, sechs Uhren, ein Uhrenbeweger, eine Fotoausrüstung, zwei Fernseher, zwei Videorecorder und Musikboxen ohne nähere Angaben erwähnt. Lediglich das Anschaffungsjahr wurde angegeben, im übrigen erfolgte keine weitere Präzisierung mit einer Ausnahme, denn zu den Uhren wurden die Hersteller angegeben bzw. Angaben zum Design gemacht (Rolex, Breitling, Junghans, Sector-, Porsche- und Ferrari-Uhr). Der Kläger wurde anschließend von der Polizei ausdrücklich in einem Telefongespräch aufgefordert, eine Präzisierung des Diebesguts vorzunehmen. Hierauf teilte er unter dem 10. November 2000 mit, er habe versucht, "die Marken der gestohlenen Gegenstände aufzulisten". Er habe keine Gerätenummern oder sonstige Identifikationsnummern. Sämtliche Unterlagen seien beim Einbruch entwendet worden. Beigefügt war eine kurze Liste, die zu einigen Gegenständen eine Markenbezeichnung enthielt, so z. B. "Hifi-Anlage Sony", "Computer Compaq". Diese Angaben waren ersichtlich nach wie vor nicht geeignet, eine Ermittlung der Gegenstände oder der Täter zu ermöglichen. Die vom Kläger gegenüber der Polizei abgegebene Begründung, sämtliche Belege seien gestohlen, eine Präzisierung sei deshalb nicht möglich, ist - wie aktenkundig ist - falsch, denn gegenüber der Beklagten hat der Kläger für die meisten Gegenstände Rechnungen vorgelegt. Er gab etwa hinsichtlich der Stereoanlage die Gerätetypen genau an (s. Liste GA 28 ff.). Hinsichtlich der Uhren der Marken Rolex und Breitling verfügte er über die Referenz-Nummern und hatte Belege über den Erwerb. Zur Breitling Uhr konnte er sogar zusätzlich die Individualnummer angeben, die für die Rolex-Uhr noch beim Händler erfragt werden sollte.

Nach § 6 Abs. 3 VVG ist davon auszugehen, daß die dargestellte Obliegenheitsverletzung vorsätzlich erfolgte. Der Kläger hat im Prozeß versucht, sein Verhalten gegenüber der Polizei damit zu begründen, daß er keine Nummern kannte, die eine Individualisierung der Gegenstände erlaubt hätte. Dieser Vortrag steht aber - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - in Widerspruch zu der bei der Beklagten eingereichten Stehlgutliste und der großen Zahl von vorhandenen Belegen, so daß nichts dargetan ist, was der Bejahung des Vorsatzes entgegenstehen könnte.

Für folgenlose, nach dem Versicherungsfall begangene Obliegenheitsverletzungen tritt Leistungsfreiheit des Versicherers nach der Relevanzrechtsprechung des BGH (BGH VersR 1998, 447; BGH VersR 1969, 651) nur ein, wenn der Obliegenheitsverstoß objektiv - d. h. generell - geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und subjektiv von einigem Gewicht war, d. h. den Versicherungsnehmer muß ein erhebliches Verschulden treffen. Im vorliegenden Fall besteht jedoch kein Anlaß, im einzelnen darzulegen, daß diese Voraussetzungen der Leistungsfreiheit gegeben sind, denn da die Beklagte eine (nicht unerhebliche) Akontozahlung erbracht hat, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Obliegenheitsverletzung folgenlos geblieben ist.

Die Berufung hat auch keinen Erfolg, soweit die Abweisung der Widerklage beantragt ist. Das Landgericht hat den Kläger zutreffend zur Rückzahlung der erhaltenen Akontozahlung verurteilt, denn er hat das Geld erhalten, obwohl die Beklagte aus den dargelegten Gründen leistungsfrei war. Der Rückzahlungsanspruch ergibt sich in dieser Situation hinsichtlich der geleisteten Akontozahlung aus § 812 Abs. 1, Satz 1, 1. Alt. BGB und hinsichtlich der Sachverständigenkosten - wie vom Landgericht dargelegt - aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.

Weitere Ausführungen dazu, daß die Beklagte den Versicherungsvertrag nicht mit Erfolg wegen arglistiger Täuschung bei Abschluß des Vertrages angefochten hat, erübrigen sich.

Die Zinsforderung der Beklagten ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 286, 288 BGB).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Anlaß, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 41.018,46 € (Klage 13.135,09 € + Widerklage 27.883,37 €)

Ende der Entscheidung

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