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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: 9 U 31/07
Rechtsgebiete: VVG, BGB, VHB 2004, ZPO


Vorschriften:

VVG § 16 Abs. 2
VVG § 21
VVG § 22
BGB § 123
VHB 2004 § 3 Nr. 1 a
VHB 2004 § 4 Nr. 1
ZPO § 529 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 29.12.2006 - 10 O 144/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Brandereignisses vom 11.09.2005 auf Zahlung von Entschädigung und Feststellung in Anspruch. Er hatte als Eigentümer eines Wohnhauses in I. G. bei der Beklagten eine Hausratversicherung abgeschlossen. Dem Versicherungsverhältnis liegen die VHB 2004 zugrunde.

Zum Abschluss des Versicherungsvertrages war es durch den Versicherungsvertreter der Beklagten, den Zeugen N., aus F. J. gekommen. Hierbei handelt es sich um den Bruder der Ehefrau des Klägers.

Der Kläger war zuvor bei der H. Versicherung gegen Hausratschäden versichert, die den Versicherungsvertrag wegen Schadenhäufigkeit gekündigt hatte. Bei dem früheren Versicherer hatte der Kläger insgesamt sechs Schäden geltend gemacht, die reguliert wurden. Es handelte sich um einen Blitzschaden vom 10.05.2000, einen Wasserschaden vom 15.05.2001, einen Brandschaden vom 17.06.2001, einen Diebstahlsschaden vom 29.01.2001, einen Brandschaden vom 25.08.2002 und einen weiteren Brandschaden vom 12.12.2005.

In dem Versicherungsantrag betreffend die Beklagte vom 23.06.2005 (Anlage K 2 in AH), welchen der Kläger unterschrieb und der Beklagten übersandte, war die Frage nach dem Vorversicherer mit "ja" angekreuzt und "H." angegeben. Bei dem Zusatz: "gekündigt durch:" war die Alternative "Versicherungsnehmer" angekreuzt. Auf die Frage "Wurden Sie oder andere Mitglieder ihres Haushalts in den letzten fünf Jahren von Hausrat- bzw. Glasschäden betroffen ?" war "ja" angekreuzt. Auf die ergänzende Frage nach "Ursache, Höhe, Tag" war eingetragen "Teppichschwelbrand (Kerze)".

Am 11.09.2005 brach in dem Anbau des Wohnhauses des Klägers ein Brand aus, bei dem auch Hausrat im Wohnbereich beschädigt wurde.

Einen Tag später besichtigte der Außendienstmitarbeiter T. das Objekt. Nachdem die Beklagte in Regulierungsverhandlungen eingetreten war und durch eine Schadensprüfungsgesellschaft Berichte erstellen ließ, zahlte sie eine Entschädigung von mindestens 15.000,00 € an den Kläger aus.

Mit Schreiben vom 16.11.2005 erklärte die Beklagte gemäß § 16 Abs. 2 VVG den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und außerdem die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (Anlage K 3 in AH).

Der Kläger hat behauptet, er habe mit seinem Schwager den Abschluss der neuen Hausratversicherung besprochen. Dieser habe das Antragsformular bereits teilweise ausgefüllt und dem Kläger zugesandt. Nach Kenntnisnahme habe er festgestellt, dass einige Angaben fehlerhaft gewesen seien. Die Wohnfläche sei mit 167 statt mit 180 qm angegeben gewesen. Im Rahmen eines Telefongesprächs habe die Zeugin A. ausdrücklich mit ihrem Bruder darüber gesprochen, dass die Angaben zur Vorversicherung zum Teil unrichtig seien. So sei es nicht richtig, dass der Versicherungsnehmer gekündigt habe. Tatsächlich habe der Kläger ihren Bruder schon im Vorfeld auf die Kündigung des Vorversicherers wegen Schadenshäufigkeit angesprochen. Durch die Zeugin A. sei ausdrücklich während eines Telefonats gefragt worden, ob es ausreiche, den letzten Vorschaden, einen Teppichschwelbrand, anzugeben. Daraufhin habe N. erklärt, es reiche aus, wenn ein Schadensfall und die Versicherungsnummer der H. angegeben werde. Die Beklagte werde sich dann dort erkundigen.

Der Kläger hat mit der Klage einen Entschädigungsbetrag von weiteren 35.591,97 € nebst Zinsen geltend gemacht sowie wegen weiterer Schäden Feststellung der Entschädigungspflicht begehrt.

Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit berufen und hat behauptet, der Zeuge N. sei nicht über sämtliche Vorschadensfälle und die Kündigung durch den Vorversicherer informiert gewesen. Er habe auch nicht im Antragsformular die Alternative der Kündigung durch den Versicherungsnehmer angekreuzt. Zudem hat die Beklagte sich auf Ziffer 22.2 VHB 2004 berufen im Hinblick auf erstmalig in einem Telefongespräch vom 16.09.2005 geltend gemachte Schäden an der Kücheneinrichtung, die schon entsorgt gewesen sei. Schließlich hat die Beklagte die Angaben zum Neuwert der einzelnen Einrichtungsgegenstände bestritten.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.10.2006 (Bl. 119 ff ) Bezug genommen.

Sodann hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte habe wirksam den Versicherungsvertrag mit der Folge angefochten, dass dieser als von Anfang an nichtig anzusehen sei. Dem Kläger sei - wie die Beweisaufnahme ergeben habe - der Vorwurf zu machen, dass er in seinem Antrag von seiner Ehefrau vervollständigten Anhang die Fragen, jedenfalls zu den Vorschäden, bewusst falsch beantwortet habe, wodurch die Beklagte zur Annahme des Antrages bewegt worden sei. Die Zeugin A. habe bewusst nur den Schaden "Teppichschwelbrand" , und zwar ohne klarstellenden Zusatz, in das Antragsformular aufgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Er vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und machen geltend, dass das Landgericht die Aussagen der Zeugen unzutreffend gewürdigt habe. Seine Ehefrau habe gegenüber dem Zeugen N., ihrem Bruder, deutlich gemacht, dass mehrere Vorschäden vorgelegen hätten. Die Zeugin habe ihn, den Vertreter der Beklagten, auch gezielt darauf angesprochen, dass nicht der Kläger, sondern der Vorversicherer gekündigt habe.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über die bereits gezahlten 15.000,00 € hinaus weitere 35.591,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.11.2005 zu zahlen,

2. des weiteren festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden aus dem Brand des Einfamilienhauses G. 33 in I. G. vom 11.09.2005 nach Maßgabe des zur Vers.-Schein-Nr. xxx/xxxxxx - L.14 mit der Beklagten geschlossenen Hausratversicherungsvertrages zu erstatten, soweit die Ansprüche nicht bereits unter Ziffer 1. des Klageantrages geltend gemacht wurden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht insbesondere geltend, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung greife bereits wegen der objektiv falschen Angabe zur Kündigung. Außerdem sei die Anfechtung auf die verschwiegenen fünf Vorschäden zu stützen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die beigezogenen Akten 9 U 1/07 OLG Köln = 9 O 184/06 LG Aachen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

1. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung von Entschädigung nach den §§ 3 Nr. 1 a, 4 Nr 1 VHB 2004 besteht nicht.

a) Dass der Versicherungsfall Brand vorgelegen hat, ist zwischen den Parteien nicht im Streit.

b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ein Rücktritt im vorliegenden Fall nicht zur Leistungsfreiheit führt, weil die Umstände der Vorversicherung keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt haben, vgl. § 21 VVG (vgl BGH, r+s 1991, 423; OLG Hamm, r+s 1989, 1; 1990, 147).

c) Die Beklagte ist aber leistungsfrei, weil mit dem Schreiben vom 16.11.2005 eine wirksame Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß den §§ 22 VVG, 123 BGB vorliegt.

Bei der Annahme einer arglistigen Täuschung muss der Versicherungsnehmer auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen wollen und sich bewusst sein, dass der Versicherer seinen Antrag bei wahrheitsgemäßen Angaben möglicherweise überhaupt nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde (vgl. OLG Hamm, r+s 1996, 199; 1998, 473; Senat, r+s 2001, 468). So liegt es hier.

Nach § 529 Abs.1 ZPO sind die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Solche Zweifel haben sich nicht ergeben. Danach geht der Senat, ohne dass es einer erneuten Beweisaufnahme bedarf, davon aus, dass der Kläger durch bewusst unzutreffende Angaben im von ihm unterzeichneten Antrag zur Hausrat- und Haushaltglasversicherung die Annahme des Versicherungsantrages durch die Beklagte herbeiführen wollte.

In dem Versicherungsantrag vom 23.06.2005 sind jedenfalls in zweifacher Hinsicht objektiv falsche Angaben des Klägers enthalten: Nicht der Kläger als Versicherungsnehmer hat die Vorversicherung gekündigt, sondern die Kündigung ist durch den Vorversicherer, die H. Versicherung, erfolgt. Außerdem sind fünf Vorschäden nicht angegeben, sondern es ist nur der Vorschaden "Teppichschwelbrand (Kerze)" eingetragen. Die Schäden vom 10.05.200, 15.05. 17.06., 29.01.2001, 25.08.2002 und 12.02.2005 wurden nicht erwähnt. Da der Kläger den Antrag selbst unterschrieben hat, liegt eine eigene Erklärung des Versicherungsnehmers vor, die nicht den wirklichen Verhältnissen entspricht.

Soweit die Zeugin A. im Einverständnis mit dem Kläger betreffend Hausrat- bzw. Glasschäden in den letzten fünf Jahren - wie eingeräumt - die Eintragung "Teppichschwelbrand (Kerze)" ohne weitere Zusätze selbst vorgenommen hat, liegt die unzutreffende Angabe auf der Hand. Dies gilt im Ergebnis aber auch für die falsche Angabe zur Kündigung der Vorversicherung wie die Beweisaufnahme vor dem Landgericht ergeben hat.

Hat der Agent es übernommen, das Antragsformular ganz oder - wie hier - teilweise auszufüllen, so lässt sich zwar allein mit dem Inhalt des ausgefüllten Antragsformulars nicht beweisen, dass der Versicherungsnehmer falsche Angaben gemacht hat. Es muss hinzukommen, dass der Agent die Fragen zutreffend gestellt und der Versicherungsnehmer die Fragen wie niedergelegt beantwortet hat (vgl. BGHZ 107, 322 = VersR 1989, 833; BGH, VersR 2004, 1297; VersR 1990, 77 u. 1002). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn der Agent das Ausfüllen nach telefonischer Absprache mit dem Versicherungsnehmer, jedenfalls zum Teil, vorab vorgenommen und der Versicherungsnehmer in Abwesenheit des Agenten den Antrag später unterschrieben hat. Danach ergibt sich hier, dass die Kündigung durch den früheren Versicherer bewusst nicht angegeben worden ist, vielmehr der Wahrheit zuwider eine Kündigung durch den Versicherungsnehmer.

Der Zeuge N. hat vor dem Landgericht bekundet, dass ihm nicht bekannt gewesen sei, dass der Vorvertrag von der H. Versicherung gekündigt worden und dies wegen Schadenshäufigkeit geschehen sei. Auf Vorhalt hat der Zeuge ausgesagt, dass wahrscheinlich das Kreuz bei "Versicherungsnehmer" von ihm gemacht worden sei, dann aber auf entsprechende Angabe von der Klägerseite hin.

Zu den Vorschäden hat der Zeuge hat die Ansicht vertreten, dass es üblich sei, dass bei Vorschäden die letzten ein oder zwei Vorschäden angegeben werden und die Versicherung dann nachfrage. Es stimme schon, dass er dazu rate, das anzugeben, was einem noch einfalle, wobei dies in der Regel die letzten Vorschäden seien und dass dann die Versicherung nachfrage. Er wisse, dass er mit seiner Schwester vor Zusendung des Antrages und nach Zusendung des Antrages telefoniert habe. Er stelle immer die Frage nach Vorschäden und wisse, dass er mit seiner Schwester am Telefon "über diesen Teppichschaden" gesprochen habe. Von einer umfassenden und zutreffenden Information des Zeugen über Vorschäden kann danach nicht ausgegangen werden.

Die Angaben der Zeugin A. zu den maßgebenden Eintragungen sind demgegenüber nicht glaubhaft. Die Erklärung der Zeugin, sie habe es "wohl einfach vergessen", das Kreuzchen an die richtige Stelle zu machen, erscheint angesichts der von der Zeugin erkannten Wichtigkeit der Beantwortung der Fragen nicht nachvollziehbar, zumal sie im übrigen umfassende Korrekturen und Ergänzungen (Wohnfläche, Prämie, Aquarien, Glaskeramikkochfeld, Versicherungsnummer, Zahlungsweise) vorgenommen hat.

Auch ist davon auszugehen, dass sie bewusst und im Einverständnis mit dem Kläger nur den Teppichschwelbrand eingetragen hat, obwohl ihr die weiteren Schäden bekannt waren. Denn nach ihrer Bekundung hat der Zeuge N. ihr sogar gesagt, sie solle eintragen, was sie wisse. Wie sie selbst eingeräumt hat, konnte sie sich jedenfalls noch an einen Schaden mit einem Adventskranz, den die Katze heruntergeschmissen hatte, und an einen Wasserschaden erinnern.

Eine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum der Kläger, der ausweislich der Bekundung der Zeugin A. bei dem Telefongespräch anwesend war und dann unterschreiben hat, bei der Unterschriftsleistung keine Änderungen vorgenommen hat, ist vom Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat nicht gegeben worden. Dass er die Angaben zur Kündigung durch den Vorversicherer "möglicherweise übersehen" hat und es im übrigen genüge, einen Vorschaden anzugeben, ist angesichts der Angaben des Zeugen N. und Gesamtumstände nicht glaubhaft und entlastet ihn nicht.

Dass durch die falschen Angaben zu der Kündigung durch den Vorversicherer die durch unvollständige und damit unrichtige Angaben zu den Vorschäden verstärkt wurden die Beklagte arglistig getäuscht wurde, liegt auf der Hand (vgl. Senat, r+s 2001, 468; OLG Hamm, r+s 1998, 473). Die Beklagte hätte bei Kenntnis der wahren Umstände den Vertrag mit dem Kläger nicht geschlossen.

Ob die Beklagte sich wegen weiterer Obliegenheitsverletzungen ganz oder teilweise auf Leistungsfreiheit berufen kann, konnte offen bleiben. Auch kam es auf die Einwendungen zum Umfang der Entschädigung nicht mehr an.

2. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. waren nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 40.000,00 €.

Ende der Entscheidung

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