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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 05.06.2007
Aktenzeichen: 9 U 37/06
Rechtsgebiete: VVG, AKB, ZPO


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 49
AKB § 12 Abs. 1 I b
AKB § 7 V Abs. 4
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Februar 2006 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 110/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Kaskoversicherung in Anspruch wegen eines Fahrzeugdiebstahls in der Nacht vom 3./4. Mai 2004 aus einem Kraftfahrzeugbetrieb des Zeugen X.. Bei dem als entwendet gemeldeten Fahrzeug handelt es sich um einen Porsche 996 GT, der vom Vorbesitzer S. als Rennfahrzeug benutzt wurde. Der Kläger besichtigte den Wagen zunächst gemeinsam mit dem Zeugen X. beim Zeugen S.. Den Kauf tätigte der Zeuge X. bei einem späteren Termin allein - nach Darstellung der Beklagten (GA 117) zum Preis von 68.000 €. Der Verkäufer hatte schon bei der ersten Besichtigung auf einen reparierten Heckschaden im rechten Bereich hingewiesen. Nachdem der Zeuge X. durch einen Umbau die Voraussetzungen für die Straßenzulassung hergestellt hatte, kaufte der Kläger den Wagen von der "W. Service für exclusive Fahrzeuge E. X. GmbH", deren Geschäftsführer der Zeuge X. war, für 73.000 € (Rechnung vom 2.9.2003, GA 8). Der Kläger verkaufte den Wagen seinerseits an eine Leasingfirma gemäß Vertrag vom 22.9.2004 (GA 9) für denselben Preis und schloss einen Leasingvertrag für den Wagen ab.

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung des von ihm auf 84.578,60 € bezifferten Wiederbeschaffungswerts in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten und der vom Landgericht getroffenen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung macht der Kläger insbesondere geltend, Falschangaben in der Schadensanzeige könnten mangels einer hinreichend deutlichen Belehrung nicht zur Leistungsfreiheit führen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 84.578,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen aktuellen Basiszinssatz seit dem 10.09.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die überreichten Anlagen Bezug genommen. Die Akten der Staatsanwaltschaft Duisburg 184 UJs 127/04 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Die Berufungsbegründung lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass der Kläger an seinem in erster Instanz verfolgten Klageziel in vollem Umfang festhalten wollte, so dass es sich nicht weiter auswirkt, dass der eigentliche Berufungsantrag erst nach Ablauf der Begründungsfrist eingereicht worden ist (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 520 Rn. 28 m. Nachw z. Rspr.).

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht wegen der behaupteten Entwendung des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen x - xx xxx kein Anspruch aus der Kaskoversicherung zu, §§ 1, 49 VVG i.V. mit § 12 Abs. 1 I b AKB, denn die Beklagte ist nach § 7 V Abs. 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung dem Kläger gegenüber leistungsfrei.

Die Beklagte beruft sich zu Recht auf Leistungsfreiheit wegen falscher Angaben des Klägers in der Schadensanzeige vom 19. Mai 2004 (Original GA 229-234). Der Kläger hat objektiv falsche Angaben zumindest zur Laufleistung des Wagens und zu reparierten Vorschäden gemacht.

Er hat auf die Frage nach der "Gesamtfahrleistung" des Wagens eingetragen "8000 KM". Hingegen hatte das Fahrzeug tatsächlich schon bei Abschluss des Versicherungsvertrages im Dezember 2003 eine Laufleistung von 16.000 km, wie der Kläger zutreffend im Versicherungsantrag (GA 125) angegeben hatte und wie in den Versicherungsschein übernommen wurde. Es kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte durch die Falschangabe nicht getäuscht werden konnte, weil bei Vertragsschluss andere Angaben erfolgt waren. Es ist hier nicht ersichtlich und kann auch nicht als üblich angenommen werden, dass der Schadenssachbearbeiter bei Eingang und Bearbeitung einer Schadensanzeige auch die Angaben vorliegen hat, die bei Vertragsschluss gemacht werden.

Außerdem hat der Kläger die Frage "Hatte Ihr Kfz reparierte Vorschäden?" wahrheitswidrig verneint, indem er von den beiden zur Wahl stehenden Kästchen dasjenige ankreuzte, das zur Antwort "nein" gehört.

Ob darüber hinaus die Fragen nach dem Nutzer des Wagens (Antwort: "Versicherungsnehmer", während tatsächlich auch der Zeuge X. zumindest zur gelegentlichen Nutzung berechtigt war), nach dem letzten Fahrer vor dem Diebstahl (Antwort: "Versicherungsnehmer", während tatsächlich der Wagen vor dem Diebstahl zuletzt vom Zeugen X. auf einer Rennstrecke in Belgien - laut Kläger zu einer Probefahrt - genutzt wurde) und nach dem Zweck des Aufenthalts in der Fachwerkstatt (Antwort: "zu Wartungszwecken", während tatsächlich auch ein Umbau erfolgen sollte) als falsch beantwortet zu werten sind, bedarf keiner weiteren Erörterung. Jede der beiden Falschangaben zur Laufleistung und zu Vorschäden reicht für sich bereits aus, um die Leistungsfreiheit herbeizuführen.

Entsprechend der gesetzlichen Vermutung in § 6 Abs. 3 VVG ist davon auszugehen, dass die Falschangaben vorsätzlich erfolgten. Der Kläger müsste die Vorsatzvermutung widerlegen (vgl. z.B. BGH - IV ZR 265/03 - VersR 2004, 1117 f. = RuS 2004, 368 f.). Dies ist nicht geschehen. Zur Kilometerangabe meint er, es müsse zu einer Verwechslung mit einem anderen Fahrzeug gekommen sein. Bei einer Abweichung in der hier gegebenen Größenordnung ist das nicht nachvollziehbar, zumal nicht ersichtlich ist, wie es konkret zu einer Verwechslung gekommen sein soll und worin sie liegen könnte.

Die bei einer folgenlos gebliebenen Obliegenheitsverletzung nach der "Relevanzrechtsprechung" erforderlichen weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Leistungsfreiheit (vgl. z. B. BGH - IV a ZR 231/81 - r+s 1984, 178 = VersR 1984, 228 und ständig) sind gegeben. Danach kann sich der Versicherer auf die vereinbarte Leistungsfreiheit dann nicht berufen, wenn der Obliegenheitsverstoß generell ungeeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, oder den Versicherungsnehmer subjektiv kein schweres Verschulden trifft (BGH - IV 33/92 - VersR 1993, 830 unter II 3), wobei diese Grundsätze auch auf die Fahrzeugversicherung Anwendung finden (BGH - IV ZR 57/71 - VersR 1973, 174 unter VI 1; - IV ZR 10/97 - VersR 1998, 447 unter 2 b). Die Falschangaben zur Laufleistung und zu Vorschäden betrafen Fragen der Bewertung des entwendeten Wagens; falsche Antworten hierzu sind generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, wobei es in diesem Zusammenhang nicht auf den Umstand ankommt, dass der Wagen auch als Rennwagen Verwendung fand. Den Kläger trifft auch ein erhebliches Verschulden. Eine andere Wertung ist nur bei einem Fehlverhalten angezeigt, das auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufzubringen vermag (vgl. z. B. BGH - IVa ZR 243/87 - r+s 1989, 5 f). Ein Anlass, hier von einer solchen Situation auszugehen, besteht nicht. Insbesondere kann die Anzahl der gestellten Fragen und die Gestaltung des Fragebogens entgegen der Auffassung des Klägers nicht beanstandet werden. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ist in der Lage, die Fragen zu verstehen und die Zuordnung der für Antworten vorgesehenen Kästchen richtig vorzunehmen. Im Übrigen hatte auch der Kläger insoweit ersichtlich keine Schwierigkeiten. Soweit der Kläger in Bezug auf die Vorschäden meint, er habe solche wahrheitswidrig verneinen dürfen, weil sie im hier vorhandenen Umfang für einen Rennwagen üblich und daher ohne jeden Einfluss auf den Wert seien, liegt auf der Hand, dass er diese Bewertung - selbst wenn sie zutreffend sein sollte - der Beklagten zu überlassen hatte. Ihr war Gelegenheit zu geben, sich gegebenenfalls über Art und Umfang des reparierten Vorschadens weiter zu informieren. Hier kommt hinzu, dass durch die Nachfrage der Beklagten im Schreiben vom 30. Juni 2004 (GA 49) klar war, dass die Schadensanzeige dahin gelesen wurde, dass reparierte Vorschäden vom Kläger verneint waren, denn die Beklagte bat um eine zusätzliche - zunächst nicht erteilte - Antwort auf die Frage nach unreparierten Vorschäden.

Der Kläger wurde auch ausdrücklich und zutreffend über die Folgen einer möglichen Obliegenheitsverletzung durch bewusst unrichtige Angaben belehrt. Die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Inhalt einer Belehrung, die "klar und unmissverständlich" (so schon BGH IV ZR 57/71 - VersR 1973, 174) und "inhaltlich zutreffend" (BGH - IV ZR10/97 - VersR 1998, 447 f; vgl. auch den Beschluss vom 28.2.2007 - IV ZR 152/05 - VersR 2007, 683) erfolgen muss, sind von der Beklagten beachtet worden. Soweit ersichtlich, hatte der Bundesgerichtshof bislang keinen Anlass, sich mit der vom Kläger aufgeworfenen Frage zu befassen, welche Anforderungen an die drucktechnische Gestaltung der Belehrung zu stellen sind. Indes besteht in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Einigkeit darüber, dass dem Erfordernis der Deutlichkeit auch in der Gestaltung des Drucks Rechnung getragen werden muss. So wurde in Fällen, in denen die Belehrung kleiner gedruckt war als der übrige Text, bemängelt, dass es an einer hinreichenden Deutlichkeit fehle (Zusammenstellung der Rechtsprechung Römer/Langheid 2. Aufl., § 6 Rn. 64; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 34 Rn. 22). Entsprechendes gilt, wenn die Belehrung in einem Fließtext, der auch andere Inhalte umfasst, untergehen kann. Ob darüber hinaus und zusätzlich generell eine besondere Hervorhebung der Belehrung zu fordern ist (so OLG Hamm SP 1997, 112, während sich in Urteilen der Oberlandesgerichte häufig Formulierungen finden, die offen lassen, ob eine Hervorhebung gefordert wird, oder ob die Deutlichkeit der Belehrung auch deswegen bejaht wurde, weil sie tatsächlich hervorgehoben war), kann dahinstehen, denn hier ist eine Hervorhebung erfolgt.

Die ausgefüllte Schadensanzeige enthält zunächst auf der ersten Seite oben links in Fettdruck nach der Bitte um wahrheitsgemäße und vollständige Antworten den Hinweis, dass "bewusst unwahre oder unvollständige Angaben auch dann zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, wenn dem Versicherer hierdurch kein Nachteil entsteht". Die Platzierung des Hinweises ist allerdings wenig glücklich, weil er sich neben zwei Kästchen befindet, die durch den Sachbearbeiter auszufüllen sind. Ob der Hinweis an dieser Stelle ausreichen würde, kann jedoch dahinstehen, denn er wird am Ende des Formulars unmittelbar hinter der Zeile, in der die Bankverbindung des Versicherungsnehmers erfragt wird, wiederholt. Die Wörter "bewusst unwahre oder unvollständige" sind dabei grau unterlegt und zusätzlich in Fettdruck gesetzt. Da der Text diese Art der Gestaltung ansonsten nicht aufweist, kann die Druckgestaltung den Versicherungsnehmer nicht veranlassen, über diese Stelle gewissermaßen hinwegzusehen. Vielmehr wird die Aufmerksamkeit angezogen. Ob hierbei die wirklich wichtigsten Worte aus der Belehrung betont herausgestellt wurden (der Kläger bezweifelt dies), kann dahinstehen, denn es ist insoweit allein entscheidend, ob der Leser aufgrund der Gestaltung des Schriftbildes in seinem Lesefluss auf den Text der Belehrung als solcher besonders aufmerksam gemacht wird. Dies geschieht bei der hier gegebenen Gestaltung.

Die Beurteilung des Senats berücksichtigt das Erscheinungsbild des von der Beklagten vorgelegten Originals der Schadensanzeige. Im vorliegenden Fall kommt als Besonderheit hinzu, dass die Beklagte in ihrem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 30. Juni 2006 die Belehrung ausdrücklich wiederholt hat. Erst daran anschließend hat der Kläger das Original der Schadensanzeige mit seinem Schreiben vom 5. Juli 2004 abgeschickt. Er hatte also, wenn er die Belehrung zuvor nicht wahrgenommen haben sollte, aufgrund dieses Schreibens Anlass, die Angaben in der Schadensanzeige auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchzusehen und gegebenenfalls erforderliche Korrekturen vorzunehmen.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des Senats weicht von der gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ab.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 84.578,60 €

Ende der Entscheidung

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