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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 9 U 60/04
Rechtsgebiete: AKB, VVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AKB § 12 Nr. 1 I b
VVG § 6 Abs. 3 Satz 1
VVG §§ 74 ff.
VVG § 79 Abs. 1
BGB § 166 Abs. 1
BGB § 823
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 8. März 2004 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 0 359/02 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger macht aus der für den PKW Mercedes Cabriolet, amtliches Kennzeichen X-XX 17, bei der Beklagten abgeschlossenen Kaskoversicherung Entschädigungsansprüche wegen Entwendung des Fahrzeugs am 08./09.06.2001 geltend.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage wegen Falschangaben im Rahmen der Schadenregulierung abgewiesen. Auf das Urteil des Landgerichts vom 08.03.2004 und seine tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.

Mit der Berufung beantragt der Kläger,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.694,82 € nebst 5 % Zinsen über dem Basis-Zinssatz aus 11.401,34 € seit dem 31.01.2002 und 5 % über dem Basis-Zinssatz aus 293,48 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1.

Entschädigungsansprüche aus § 12 Nr. 1 I b AKB wegen Entwendung des Fahrzeugs stehen dem Kläger nicht zu. Die Beklagte ist wegen dem Kläger zuzurechnender Verletzung der Aufklärungsobliegenheit von der Verpflichtung zur Leistung frei (§§ 7 I Abs. 2, V Abs. 4 AKB, 6 Abs. 3 Satz 1 VVG).

Ebenso wie das Landgericht ist der Senat überzeugt, dass der Sohn des Klägers, der Zeuge F. E., im Rahmen der Regulierungsverhandlungen falsche Angaben über die Räder (Reifen/Felgen) des Fahrzeugs gemacht hat, indem er in Zusammenhang mit der Schadenanzeige die Rechnung der Fa. H. vom 15.06.2001 eingereicht hat (Bl. 32, 49 f. GA). Danach soll das Fahrzeug im Zeitpunkt des Diebstahls mit hochwertigen BBS-Rädern und Reifen der Marke Dunlop SP 9000, Größe 235/35 ZR 19 ausgerüstet gewesen sein, die am 31.05.2001 montiert worden sein sollen. Der Senat folgt der ausführlichen Begründung des Landgerichts, wonach diese Angaben falsch sind, und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Die Beweiswürdigung des Landgerichts lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers nicht erkennen.

Zu der behaupteten Montage der oben angegebenen Räder wären umfangreiche Umbauarbeiten am Fahrzeug erforderlich gewesen, u.a. die Ausweitung der Kotflügel. Eine solche Verbreiterung ist auf den in den Akten befindlichen Fotos, die mit den Prozessbeteiligten in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen und erörtert worden sind, nicht zu erkennen (Bl. 103 ff. GA). Das in England nach dem behaupteten Diebstahl wiederaufgefundene Fahrzeug ist dort mit Reifen der Marke Uni Royal Größe 215/45 ZR 17 bestückt. Einen nachträglichen Rückbau der Kotflügel auf die ursprüngliche Breite schließt der Senat ebenso wie das Landgericht aus.

Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG ist von einem vorsätzlichen Verhalten des Zeugen F. E. auszugehen. Die gesetzliche Vorsatzvermutung ist nicht widerlegt.

Die Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VersR 84, 228 und ständig, zuletzt R + S 04, 368 = VersR 04, 1117) bei vorsätzlicher folgenloser Verletzung der Aufklärungsobliegenheit sind im Streitfall erfüllt. Der Verstoß muss generell geeignet sein, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Weiter muss den Versicherungsnehmer schweres Verschulden treffen, das nur dann nicht vorliegt, wenn der Verstoß unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auch einem sonst ordentlichen Versicherungsnehmer unterlaufen kann und ein einsichtiger Versicherer dafür Verständnis aufzubringen vermag.

Dass im Streitfall keine Interessengefährdung des Versicherers vorliegt und kein schweres Verschulden, hat der Versicherungsnehmer zu beweisen (BGH R + S 93, 308 ff. = VersR 93, 830). Solches hat der Kläger jedoch nicht nachgewiesen.

Schließlich führt eine vorsätzliche folgenlose Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmen erst dann zur Leistungsfreiheit des Versicherers, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer ausdrücklich darüber belehrt hat, dass eine solche Obliegenheitsverletzung auch dann zum Verlust des Versicherungsschutzes führt, wenn dem Versicherer durch die Falschangaben kein Nachteil entsteht. Die Belehrung am Schluss der Schadenanzeige (Bl. 49 GA) ist ordnungsgemäß. Sie entspricht der Anforderungen der Rechtsprechung.

2.

Dass nicht der Kläger als Versicherungsnehmer selbst, sondern sein Sohn die Falschangaben gemacht hat, hindert im Streitfall die Leistungsfreiheit der Beklagten nicht. Die Falschangaben des Zeugen E. sind dem Kläger nach versicherungsrechtlichen Grundsätzen zuzurechnen, so als habe er die Obliegenheitsverletzung selbst begangen.

a)

Falls der Zeuge F. E. entsprechend der Annahme des Landgerichts Eigentümer des Fahrzeugs gewesen sein sollte, ergibt sich die Zurechnung zu Lasten des Klägers schon nach dem Gesetz, ohne dass die vom Landgericht bemühte Figur des Repräsentanten hinzugenommen werden muss.

In diesem Falle hätte der Kläger durch den Abschluss der Kaskoversicherung für den Mercedes eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinne der §§ 74 ff. VVG zugunsten des Eigentümers des PKW abgeschlossen. Nach § 79 Abs. 1 VVG kommt bei der Versicherung für fremde Rechnung, soweit Kenntnis und Verhalten des Versicherungsnehmers von rechtlicher Bedeutung ist, auch die Kenntnis und das Verhalten des Versicherten in Betracht. Versicherter im Sinne des § 79 Abs. 1 VVG wäre in diesem Falle aber der Zeuge F. E. selbst, der persönlich die Falschangaben gemacht hat, so dass sie dem Kläger zuzurechnen sind.

Die Annahme, dass der Zeuge F. E. Eigentümer des Fahrzeugs war, liegt aber eher fern, da das Fahrzeug bedingungsgemäß der Audi Bank zur Sicherheit übereignet werden musste, und der Kredit im Juni 2001 wegen der vereinbarten Laufzeit von 42 Monaten nicht abgelöst gewesen sein durfte.

b)

Die Falschangaben des Zeugen E. sind dem Kläger jedoch in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB über die Figur des Wissenserklärungsvertreters zuzurechnen. Wissenserklärungsvertreter ist, wer vom Versicherungsnehmer mit der Erfüllung von dessen Obliegenheiten und zur Abgabe von Erklärungen anstelle des Versicherungsnehmers betraut worden ist (BGH R + S 93, 281 = VersR 93, 960).

Diese Voraussetzungen sind in der Person des Zeugen F. E. gegeben, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist. Der Zeuge E. hat die Schadenanzeige Bl. 49 f. GA ausgefüllt und unterschrieben und im Zusammenhang damit auch die Rechnung der Fa. H. bei der Beklagten eingereicht. Als Halter und Nutzer des PKW waren ihm die Einzelheiten betreffend das Fahrzeug und den Schadenfall bekannt und war er vom Kläger mit der Abwicklung der ihn betreffenden Schadenangelegenheit mit der Versicherung betraut.

3.

Soweit erstmals mit der Berufungsbegründung vom 20.04.2004 ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 823 BGB gegen die Beklagte wegen der Veräußerung des in England wieder aufgefundenen Fahrzeugs in den Rechtsstreit eingeführt wird, vermag dies den Berufungsantrag entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis ebenfalls nicht zu stützen.

Es handelt sich um einen anderen Streitgegenstand und um neues Vorbringen, das gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen ist. Ergänzend ist auszuführen, dass dem Kläger als Nichteigentümer die Aktivlegitimation zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus Eigentumsverletzung fehlt, wobei die mit der Klageschrift behauptete Abtretung der "Ansprüche aufgrund der Fahrzeugentwendung" durch den Zeugen F. E. an den Kläger ins Leere gehen dürfte, wenn der Zeuge wie dargestellt nicht Eigentümer des Fahrzeugs war.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Eine Zulassung der Revision kommt mangels der Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht.

IV.

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist auf Grund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes des Klägers vom 20.12.2004 nicht veranlasst.

Der Umstand, die Audi Bank habe den Kfz-Brief Ende Juni 2001 an die Beklagte übersandt und der Kredit sei in voller Höhe (wann?) abgelöst worden, berührt weder die Feststellung des Landgerichts, der Zeuge F. E. sei Eigentümer des Pkw gewesen (dann Zurechnung gemäß § 79 Abs. 1 VVG, vgl. II,2 a), noch die Alternativbegründung des Senatsurteils, der Zeuge sei jedenfalls Wissenserklärungsvertreter des Klägers gewesen (Zurechnung gemäß § 166 Abs. 1 BGB anal., II, 2 b).

Streitwert für das Berufungsverfahren: 11.694,82 €

Ende der Entscheidung

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