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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 04.02.2003
Aktenzeichen: 9 U 61/02
Rechtsgebiete: BGB, VHB 92, ZPO


Vorschriften:

BGB § 247
VHB 92 § 5
ZPO § 141
ZPO § 543 n. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 21.03.2002 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 486/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 1. zu 70 % und der Klägerin zu 2. zu 30 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I. Die Kläger unterhalten bei der Beklagten eine umfassende Gebäude- und Inhaltsversicherung, eine sogenannte "C.A." - Versicherung von Eigentum. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein (Bl. 10 ff GA ) verwiesen. Dem Versicherungsverhältnis lagen unter anderem die Allgemeinen Versicherungs-Bestimmungen zur Versicherung von Eigentum (AVB Eigentum 2000 mit den "Sicherheitsbedingungen zu den Allgemeinen Bedingungen zur Versicherung von Eigentum 2000") zugrunde (vgl. im einzelnen Bl. 22 ff.) Versicherungsschutz bestand gegen Abhandenkommen und Beschädigung, soweit nichts anderes vereinbart ist, für alle Gefahren, denen die versicherten Sachen ausgesetzt sind.

Die Hausrat- und Gebäudedeckung am Risikoort galt bis zum 26.02.2001 subidiär zur bis zu diesem Zeitpunkt gleichzeitig bestehenden Hausrat- und Gebäudeversicherung bei der Deutschen L. Versicherungs - AG.

Die Kläger haben vorgetragen der Kläger sei am 11.01.2001 Opfer eines Trickdiebstahls geworden, bei dem eine Rolexuhr, Model S., im Werte von 34.250,-- DM, eine Uhr der Marke A. P., Model R. O., im Werte von 15.000,00 DM und ein 750iger gelb/gold Brillantring mit einem Einkaräter im Werte von 22.000,00 DM abhanden gekommen seien. Der Kläger habe nach der Rückkehr aus dem Urlaub die Sachen aus seinem Schließfach bei der Deutschen Bank in D. - Hauptstelle B.strasse - abgeholt und in seine Arzttasche (Pilotenkoffer) gelegt. Gegen 18.10 Uhr habe er sich noch die Schaufensterauslage des Auktionshauses K. in D., Ecke B.strasse / B. ansehen wollen. Um die Auslagen näher betrachten zu können, habe er eine Lesebrille aufsetzen müssen, die sich in der Hemdtasche befunden habe. Hierzu habe er die von ihm ordnungsgemäß verschlossene Arzttasche unmittelbar neben sich auf den Gehweg vor der Auslage gestellt. Sowohl links als auch rechts neben ihm hätten weitere Personen gestanden. Die Person links neben ihm habe sich vorgebeugt und ihn seitlich angerempelt. Nach dem Anrempeln sei er in ein Gespräch verwickelt worden. Die Person habe die Schulter des Klägers mit beiden Händen festgehalten und zu sich gedreht. Nach dem einige Minuten dauernden Gespräch habe sich der Mann seitlich wegbewegt. Rechts vom Kläger habe zu diesem Zeitpunkt niemand mehr gestanden. Der Kläger habe die immer noch neben ihm stehende Tasche wieder aufgenommen und sei zu einem Hausbesuch gefahren. Später habe er den Verlust der drei Wertgegenstände bemerkt.

Die Beklagte hat die Schilderung der Kläger bestritten und sich auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls und auf Obliegenheitsverletzung wegen verspäteter Meldung berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Kläger hätten bereits den Nachweis des Versicherungsfalls nicht führen können. Die Darstellung des Klägers sei Spekulation, da er nicht bewusst wahrgenommen habe, wie der Diebstahl stattgefunden haben soll. Seine Erklärung für das angebliche Abhandenkommen sei nicht plausibel. Auf den Inhalt des angefochtenen Urteils wird ergänzend Bezug genommen.

Gegen das am 25.03. 2002 zugestellte Urteil haben die Kläger mit am 25.04.2002 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerungen bis 25.07.2002 mit am 22.07.2002 eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie machen geltend, angesichts des vorgetragenen Sachverhalts sei der Schluss naheliegend, dass die Wertgegenstände aus der Arzttasche gestohlen worden seien. Obwohl der Kläger Kontakt zur Tasche gehalten habe, sei er abgelenkt und in ein Gespräch verwickelt worden. Als er die Arzttasche kurz danach geöffnet habe, seien die Wertgegenstände verschwunden gewesen. Er habe das Fehlen der Gegenstände bereits bei seiner Patientin bemerkt. Die Schlösser der Tasche seien beschädigt worden. Mit nachgereichtem Schriftsatz haben die Kläger unter Beifügung eins Pilotenkoffers vorgetragen, der Kläger habe bei dem Geschehen Beinkontakt zu dem Aktenkoffer gehabt.

Der Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, 49.250,00 DM an den Kläger zu 1. und 22.000,00 DM an die Klägerin zu 2. jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 26.04.2001 nach Maßgabe des amtlichen Umrechnungskurses in Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, es sei lebensnah nicht erklärbar, wie es zu dem behaupteten Trickdiebstrahl gekommen sei. Sie weist auf widersprüchliches Vorbringen der Kläger hin und beruft sich weiterhin auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung. Wenn man schließlich unterstelle, auf den Kläger sei Gewalt ausgeübt worden, so würde ein im Rahmen der Außenversicherung versicherter Raub im Sinne von § 5 VHB 92 vorliegen, der vom Hausratversicherer zu entschädigen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Dortmund 107/111 UJs 23/01 sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Kläger ist unbegründet. Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen.

1. Ein Anspruch der Kläger auf Entschädigung nach den Bedingungen der bei der Beklagten bestehenden C.A. - Versicherung ist nicht gegeben.

Die Kläger haben den Versicherungsfall im Sinne der Versicherungsbedingungen nicht bewiesen. Grundsätzlich hat der Versicherungsnehmer, der wegen eines Versicherungsfalls Entschädigung verlangt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs zu beweisen. In Entwendungsfällen können dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen zugute kommen, weil er typischerweise in Beweisnot ist So genügt der Versicherungsnehmer seiner Beweislast schon dann, wenn er Tatsachen (voll) beweist, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme der versicherten Sache gegen den Willen des Versicherungsnehmers schließen lassen (vgl. BGH, VersR 1995, 909 = r+s 1995, 288; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 49, Rn 17; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 2 AVBSP (Valoren), Rn 2, 3; § 13 AVBR 92, Rn 2 ff; Kollhosser, NJW 1997, 969). Solche Umstände hat der Kläger nicht bewiesen. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit kann sich allerdings auch aus der schlüssigen Behauptung des Versicherungsnehmers einschließlich ergänzender Angaben bei seiner Anhörung nach § 141 ZPO ergeben (vgl. BGH, r+s 1993, 169; Römer in Römer/Langheid, a.a.O., § 49, Rn 24). Aber auch ein solcher hinreichend wahrscheinlicher

Sachverhalt ist nicht nachgewiesen.

Die Schilderung des Klägers stützt sich auf Vermutungen, ist gekennzeichnet von unterschiedlichen Darstellungen im Laufe des Rechtsstreits und enthält so viele Ungereimtheiten, dass die Mindesttatsachen, die das äußere Bild eines Diebstahls ausmachen, nicht als bewiesen angesehen werden können.

Bereits die Wegnahme der Sachen ist nach den Angaben des Klägers nicht nachzuvollziehen. Es ist noch nicht einmal bewiesen, dass die beiden Uhren und der Brillantring sich zur Zeit des behaupteten Geschehens im Besitz des Klägers befunden haben. Nach dem Vortrag müsste der Täter oder einer von mehreren Tätern unbemerkt die mit zwei Zahlenschlössern - wie vom Kläger vor dem Landgericht angegeben - gesicherte, auf dem Boden stehende Arzttasche, zu der der Kläger nach seiner Behauptung Beinkontakt hatte, aufgebrochen, die Tasche durchsucht, die Wertsachen in der Schatulle beziehungsweise in den Samtbeuteln herausgenommen und die Tasche wieder verschlossen haben. Nach den Angaben bei der Polizei müsste dies innerhalb von ein bis zwei Minuten geschehen sein. Dort gab der Kläger an, das Gespräch, welches ihn abgelenkt habe, habe circa ein bis zwei Minuten gedauert. Die Person, sei dann an dem Schaufenster weiter in Richtung Markt gegangen. Auch die Person, die rechts neben ihm gestanden habe, habe er kurz danach nicht mehr gesehen.

Widersprüchlich ist auch die Angabe zum Körperkontakt mit der Tasche. Bei der Polizei hat der Kläger unter dem frischen Eindruck des Geschehens ausgesagt, er habe die Tasche rechts neben sich auf dem Boden abgestellt, ohne Körperkontakt zu halten. Nunmehr trägt er vor, er habe damit ausdrücken wollen, dass er die Tasche nicht in der Hand gehalten habe, er habe aber Beinkontakt gehabt. Diese Erklärung erscheint nicht nachvollziehbar. Zudem hat der Kläger mit der Klage vorgebracht, an einem Schloss seien Manipulationen vorgenommen worden. In seiner Anhörung vor dem Senat hat er geschildert, beide Schlösser seien gewaltsam geöffnet worden.

Hinzu kommt folgender Gesichtspunkt: Die vom Kläger angegebenen Umstände des Entwendens der eingepackten Wertsachen aus dem Pilotenkoffer machen nur Sinn, wenn der oder die Täter den Kläger beobachtet haben. Dies ist aber nach der eigenen Schilderung des Klägers vor dem Landgericht und dem Senat ausgeschlossen. Danach war die Bank bereits im Begriff zu schließen und der Bankmitarbeiter hat ihn alleine an der Hintertür der Bank herausgelassen. Soweit der Kläger nunmehr im Anschluss an die mündliche Verhandlung vorträgt, der Vorraum in der Bank könne von außen beobachtet werden, ist dies zu allgemein und bloße Spekulation. Konkrete Anhaltspunkte für ein Abpassen des Klägers haben sich nicht ergeben.

Schließlich sind die Angaben des Klägers zur Feststellung des Verlustes der Wertsachen nicht frei von Widersprüchen. So hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht angegeben, er habe den Uhrenverlust bei der Patientin nicht bemerkt, sondern erst zu Hause. Dies steht im Gegensatz zu dem Inhalt der vom Kläger selbst unterschriebenen Strafanzeige (Bl. 3 BA) und dem Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 21.01.2001 (Bl 132 GA) . Danach hat er bei der Patientin B. die Arzttasche geöffnet und den Verlust der beiden Armbanduhren und des Brillantrings festgestellt. Vor dem Senat hat er geschildert, er habe das Fehlen der Gegenstände bereits bei seiner Patientin bemerkt. Dass er vor dem Landgericht etwas anderes gesagt habe, beruhe darauf, dass man ihn dort verwirrt habe.

Der mit nachgereichte Schriftsatz der Kläger vom 10.12.2003 beigefügte Pilotenkoffer führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Im Gegenteil: Ein unbemerktes gewaltsames Öffnen des Pilotenkoffers und eine Entnahme von Sachen ist bei Beinkontakt nahezu ausgeschlossen.

2. Die Frage, ob dem Kläger eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch leichtsinniges Verhalten beim Abstellen der Arzttasche vorzuwerfen ist, konnte danach offen bleiben. Ebenso kam es nicht darauf an, ob dem Kläger eine Obliegenheitsverletzung zur Last fällt.

Demnach konnte die Berufung der Kläger keinen Erfolg haben.

3. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n. F. lagen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO Streitwert für das Berufungsverfahren: 36.429,55 EUR (71.250,00 DM).

Ende der Entscheidung

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