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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 25.11.2003
Aktenzeichen: 9 U 73/03
Rechtsgebiete: AKB, ZPO, VVG


Vorschriften:

AKB § 12 Nr. 1 I b
ZPO § 141
VVG § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 73/03

Anlage zum Protokoll vom 25.11.2003

Verkündet am 25.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 07. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Münstermann, die Richterin am Oberlandesgericht Keller und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Halbach

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 21. März 2003 - 9 O 436/02 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten für ihren Pkw M eine Vollkasko- und Teilkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung von 332,00 € bzw. 153,00 €. Das Fahrzeug hatte sie im Februar 2001 bei der Fa. K in T gebraucht gekauft. Das Fahrzeug hatte mehrere Vorbesitzer, u.a. drei Kraftfahrzeughändler.

Nach Angaben der Klägerin ist das Fahrzeug am 09./10.04.2002 in T entwendet und nach Feststellungen der niederländischen Polizei am 10.04.2002 in der Nähe von W ausgebrannt aufgefunden worden. Es fehlten die Räder, Trittbretter und der Frontschutzbügel.

Die Beklagte hat die Entschädigung abgelehnt und sich auf Vortäuschung der Entwendung berufen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 15.305,98 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 14.457,00 € seit dem 31.08.2002 und aus weiteren 795,98 € seit dem 30.10.2002 zu verurteilen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Landgericht hat die Klägerin angehört und die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagte hat der Klägerin wegen des Schadenfalles vom 09./10.04.2002 aus der abgeschlossenen Teilkaskoversicherung gemäß § 12 Nr. 1 I b AKB entsprechend dem von ihr eingeholten Sachverständigengutachten zuzüglich der aufgelaufenen Standkosten eine Gesamtentschädigung in Höhe von 15.305,98 € zu leisten.

Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung den Nachweis der Fahrzeugentwendung als geführt angesehen.

Im Rahmen der von der Rechtsprechung (vgl. nur BGH VersR 84, 29 und ständig) in der Diebstahlversicherung eingeräumten Beweiserleichterungen reicht es aus, dass der Versicherungsnehmer das äußere Bild einer Fahrzeugentwendung nachweist, d. h. das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort abgestellt und dort nicht wiederaufgefunden zu haben (BGH r+s 95, 288 = VersR 95, 909 und ständig). Diesen Nachweis hat das Landgericht aufgrund der Anhörung der Klägerin gemäß § 141 ZPO in Verbindung mit den unstreitigen Tatsachen als erbracht angesehen. Rechtsfehler zu Lasten der Beklagten sind nicht ersichtlich.

Ebenso zutreffend hat das Landgericht die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung des Versicherungsfalles durch die Klägerin verneint. Es sind keine Tatsachen festgestellt worden, die die erhebliche Wahrscheinlichkeit nahelegen, dass die Fahrzeugentwendung durch die Klägerin selbst oder durch ein ihr zuzurechnendes Verhalten eines Dritten vorgetäuscht ist.

Aus den Schlüsselverhältnissen lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung der Fahrzeugentwendung durch die Klägerin nicht herleiten. Allein die Tatsache, dass irgendwann und unbekannt von wem und mit wessen Billigung ein Nachschlüssel angefertigt worden ist, reicht nach der Rechtsprechung nicht aus, um die Vortäuschung einer Fahrzeugentwendung mittels Nachschlüssels in erleichterter Form zu beweisen. Diese Tatsache kann erst dann ausschlaggebendes Gewicht erhalten, wenn außerdem konkrete Anhaltspunkte zumindest für die Unredlichkeit des Versicherungsnehmers bewiesen worden sind (BGH r+s 91, 294 = VersR 91, 1047).

Die hierzu notwendigen Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Berufungsbegründung (Seite 5) führt unter anderem ins Feld, dass "also der Ehemann der Klägerin oder die Klägerin selbst in den Tagen vor dem 09./10.04.2002 einen weiteren Schlüssel angefertigt haben, der der Beklagten nicht vorgelegt wurde."

Dass die Klägerin selbst oder in ihrem Auftrag ein Dritter im Sinne der Ausführungen der Berufungsbegründung gehandelt hat, ist jedoch durch nichts bewiesen. Auch wenn das Vorbringen der Berufungsbegründung bezüglich des Ehemannes der Klägerin zutreffen sollte, spricht dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen die Redlichkeit der Klägerin selbst, da die Möglichkeit nicht ausgeräumt ist, dass der Ehemann Zugriff auch auf den von der Klägerin benutzten Fahrzeugschlüssel hatte und jener ohne Kenntnis der Klägerin gehandelt hat.

Für eine Repräsentantenstellung des Ehemannes der Klägerin entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH r+s 93, 321 = VersR 93, 828) fehlt es an einem entsprechenden Vorbringen der Beklagten, sodass auch insoweit eine Zurechnung des Verhaltens des Ehemannes zu Lasten der Klägerin nicht in Betracht kommt.

Soweit die Berufungsbegründung (Seite 6) im übrigen die Demontage wertvoller Fahrzeugteile vor dem Abbrennen des Fahrzeugs als ein Indiz für einen lediglich vorgetäuschten Diebstahl ansieht, bleibt offen, was daraus gegen die Klägerin hergeleitet werden kann. Es ist jedoch nicht vorgetragen geschweige denn bewiesen, dass die Klägerin mit der Demontage in Verbindung zu bringen ist.

Schließlich ist das Vorbringen der Beklagten zu den zwei angeblichen Vorentwendungen in den Jahren 1998 bzw. 2002 ebensowenig zum Nachweis der erheblichen Wahrscheinlichkeit einer Vortäuschung der Fahrzeugentwendung durch die Klägerin geeignet.

Nach der Rechtsprechung des BGH kommen zwar nicht nur Unredlichkeiten des Versicherungsnehmers im Zusammenhang mit dem aktuellen Versicherungsfall, sondern auch frühere Vorfälle in Betracht. Solche Tatsachen müssen jedoch feststehen, also unstreitig oder bewiesen sein. Bloße Verdachtsmomente reichen nicht aus (BGH r+s 97, 100).

Vorliegend müsste feststehen, dass es sich bei den zwei Vorentwendungen tatsächlich um vorgetäuschte Versicherungsfälle gehandelt hat. Dafür fehlt schon ein entsprechender Vortrag der Beklagten. Der Versicherungsfall aus dem Jahre 1998 ist nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung sogar von ihr reguliert worden.

Endlich lässt sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung einer Fahrzeugentwendung durch die Klägerin nicht allein darauf stützen, dass sie im Fragebogen zur Wertermittlung ohne Datum die Frage 20 nach Vorentwendungen weder mit ja noch mit nein beantwortet hat und in einem Telefonat lediglich eine Vorentwendung vor ca. 8 Jahren erwähnt haben soll, wie die Beklagte in der Klageerwiderung vorbringt.

Auf eine eventuelle Obliegenheitsverletzung hat die Beklagte sich im übrigen nicht berufen.

Auf die in der mündlichen Verhandlung erörterte Variante, dass die Beklagte für das ausgebrannte Fahrzeug (ohne die fehlenden Teile) ohnehin nach § 12 Nr. 1 I a AKB Entschädigung zu leisten hat, da zu den Voraussetzungen des § 61 VVG nichts ausgeführt ist, kommt es unter den vorliegenden Umständen nicht mehr an.

III.

Die Schadenhöhe ist entsprechend dem Gutachten des von der Beklagten eingeschalteten Sachverständigen N mit 14.700,00 € abzüglich der Selbstbeteiligung von 153,00 € = 14.547,00 € festgestellt.

Die geltend gemachten Standkosten in Höhe von 758,98 € greift die Berufung nicht mehr an.

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es hierfür an den gesetzlichen Voraussetzungen fehlt (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Streitwert für das Berufungsverfahren: 15.305,98 €.

Ende der Entscheidung

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