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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.10.2006
Aktenzeichen: 9 W 21/06
Rechtsgebiete: AHB, VVG


Vorschriften:

AHB § 1
AHB § 5 Nr. 2
AHB § 5 Nr. 2 letzter Satz
AHB § 6
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe versagende Beschluss der 20 . Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21.2.2006 - 20 O 668/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht die Erfolgsaussicht des Begehrens verneint.

Dem Antragsteller steht auf Grund der Berufshaftpflichtversicherung kein Anspruch auf Deckung nach § 1 AHB im Hinblick auf die Inanspruchnahme auf Grund seiner Tätigkeit im Rahmen des Bauvorhabens der Wohnungseigentumsanlage C.-straße 9-15 in xxxxx E.-I. gegen die Antragsgegnerin zu.

1. Die Antragsgegnerin ist gemäß den §§ 5 Nr. 2, 6 AHB, 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei, weil der Versicherungsnehmer vorsätzlich in mehrfacher Hinsicht gegen seine Anzeigepflicht verstoßen hat.

Nach § 5 Nr. 2 AHB ist jeder Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche, schriftlich anzuzeigen. Macht der Geschädigte seinen Anspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer geltend, so ist dieser zur Anzeige innerhalb einer Woche nach Erhebung des Anspruchs verpflichtet. Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, so hat er außerdem unverzüglich Anzeige zu erstatten. Das gleiche gilt ausdrücklich im Falle eines Beweissicherungsverfahrens, vgl. § 5 Nr. 2 letzter Satz AHB.

Am 21.12.2000 wurde dem Antragsteller der Antrag der B. Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH vom 30.11.2000 auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens zugestellt. Dieses Verfahren richtete sich gegen den Antragsteller, die Bauunternehmung H. M. sowie die R. GmbH. In dem Antrag wird um Einholung eines Sachverständigengutachtens gebeten, und zwar u.a. im Hinblick auf Rissbildungen in der Tiefgaragenbodenplatte mit der Fragestellung, ob Ursache der Baumängel insbesondere eine fehlerhafte Statik sei, welche der Antragsteller zu verantworten habe. Dieses Begehren hätte der Antragsteller zum Anlass nehmen müssen, seinen Haftpflichtversicherer zu informieren.

Unter dem 12.11.2003 wurde dann das Gutachten im selbständigen Beweisverfahren erstellt. Nach Übersendung des Gutachtens mit Schreiben des Landgerichts Düsseldorf 20.11.2003 meldete der Antragsteller erst Ende 2003 der Antragsgegnerin den Versicherungsfall. Dies war nicht mehr unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von § 121 Abs. 1 BGB).

Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit ist auch vorsätzlich geschehen. Der Versicherungsnehmer verletzt seine Anzeigeobliegenheit vorsätzlich, wenn er die Verhaltensnorm im Bewusstsein ihres Bestehens nicht befolgen will (vgl. Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 6, Rn 76 m.w.N.) Der Vorsatz wird, wenn der Tatbestand der Obliegenheitsverletzung feststeht, vermutet. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Versicherungsnehmer normalerweise nicht durch vorsätzliche Verzögerung der Anzeige seinen Versicherungsschutz gefährden will (vgl. BGH, VersR 1979, 117; 1981, 321; Senat, VersR 2005, 1231; r+s 1997, 355; 1992, 86; OLG Saarbrücken, VersR 2002, 51; Voith/Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 153, Rn 3; Langheid in Römer/Langheid, a.a.O, § 33, Rn 19). Sprechen indes - wie im vorliegenden Fall - die gesamten Umstände für die Annahme von Vorsatz, so ist für eine erleichterte Widerlegung der Vorsatzvermutung kein Raum mehr. Der Antragsteller hat sich vorliegend - wie die gesamten Umstände ergeben - über die Pflicht, den Versicherer zu informieren, bewusst hinweggesetzt. Wenn der Versicherungsnehmer in Kenntnis seiner Anzeigepflicht die Anzeige im Vertrauen darauf unterlässt, er sei nicht verantwortlich und könne den gegen ihn gerichteten Haftpflichtanspruch abwehren, greift die Erleichterung des Nachweises mangelnden Vorsatzes nicht (vgl. OLG Saarbrücken, a.a.O.). So liegt es hier.

Aus dem Schreiben des Antragstellers vom 26.2.2000 an die B. Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH (Bl. 83 AH) ist zu entnehmen, dass er den Grund seiner Inanspruchnahme genau erkennt, aber seine Verantwortung in Abrede stellen will. Im übrigen stand der Antragsteller zum Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift im selbständigen Beweisverfahren wegen einer anderen Haftpflichtsache in ständiger Korrespondenz mit der Antragsgegnerin, wie sie unwidersprochen vorgetragen hat. Die Anzeigeverpflichtung war dem Antragsteller danach bewusst. Zeigt der Versicherungsnehmer den Haftpflichtfall nur deswegen nicht an, weil er die Berechtigung eines Anspruchs in Zweifel zieht, ist jedenfalls von bedingtem Vorsatz auszugehen (vgl. Senat, VersR 2005, 1231).

Da der Antragsgegnerin durch die verspätete Information ein Feststellungsnachteil entstanden ist, ist die Obliegenheitsverletzung nicht folgenlos geblieben, so dass es auf die Grundsätze der Relevanzrechtsprechung nicht ankommt (vgl. BGH, r+s 2004, 368). Durch die verspätete Anzeige wurde der Antragsgegnerin die Möglichkeit genommen, rechzeitig auf die Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers zu reagieren.

Im übrigen wäre die Verletzung der Obliegenheit auch im Sinne der Rechtsprechung relevant. Die verspätete Anzeige der Inanspruchnahme ist generell geeignet die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, weil sie typischerweise dazu führt, dass Ursachen des Schadens schwerer aufzuklären sind, als dies zeitnah möglich ist. Einer Belehrung bedarf es vor einer erstmaligen Anzeige nicht.

2. Ob der Anspruch aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag nach § 12 Abs. 1 VVG verjährt ist (vgl. BGH VersR 2003, 900; 2004, 1043), kann dahinstehen.

Danach sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht gegeben.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO). Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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