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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 9 W 59/08
Rechtsgebiete: VVG, RVG


Vorschriften:

VVG § 158 n Satz 3 a. F.
RVG § 9
RVG § 10
RVG § 15 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 21.07.2008 gegen den Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 25.6.2008 - 20 O 146/08 - wird die angefochtene Entscheidung nebst der Nichtabhilfeentscheidung vom 23.7.2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 3 ZPO) und hat - vorläufig - Erfolg mit der Maßgabe, dass eine Zurückverweisung an das Landgericht erfolgt.

In welchem Umfang der Antragstellerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, lässt sich nach derzeitiger Aktenlage nicht entscheiden. Das Landgericht hat tatsächliche Umstände übersehen oder jedenfalls anders bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt als dies der Aktenlage entspricht.

Die Beklagte hat nicht erstmalig mit der Klageerwiderung eine Deckungsablehnung ausgesprochen. Vielmehr ist dies bereits mit dem von der Klägerin als Anlage K 11 (AH Bl. 24) vorgelegten Schreiben geschehen. Es heißt dort nämlich ausdrücklich, eine Rechtsschutzzusage "könne nicht erteilt werden". Der Umstand, dass die Beklagte gleichzeitig die Bereitschaft erkennen lässt, nach Anrufung einer Schlichtungsstelle und nach Vorlage weiterer Unterlagen erneut in eine Prüfung einzutreten, ist bei dieser Auslegung berücksichtigt und ändert an dem aufgezeigten Verständnis des Schreibens nichts. Weiter ist vom Landgericht nicht berücksichtigt worden, dass Gegenstand der vorgerichtlichen Deckungsanfrage (und damit auch der Deckungsablehnung) nur die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen war (vgl. Schreiben vom 11.10.2007, Anlage K 8, AH Bl.13). Und es ist auch übersehen worden, dass die vom Vertreter der Klägerin stammenden Honorarrechnungen nicht an die Klägerin, sondern an die Beklagte gerichtet sind. Ferner hat das Landgericht die Parteien nicht veranlasst, die für das Versicherungsverhältnis maßgeblichen Bedingungen vorzulegen. Ob die vereinbarten ARB 2000 (vgl. Versicherungsschein AH 47) mit denjenigen übereinstimmen, die etwa bei Harbauer (Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl.) abgedruckt sind, ist nicht ersichtlich.

Unklar ist die Äußerung der Beklagten in ihrer Klageerwiderung, wonach "parallel" eine Deckungsablehnung erteilt werde. Soweit damit auf - nicht vorgelegte außergerichtliche - Korrespondenz verwiesen wird, fehlt Sachvortrag, der eine rechtliche Einordnung ermöglichen könnte.

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten tatsächlichen Unzulänglichkeiten im Parteivortrag bzw. in der Aufklärung ihres Sachvortrags, zu denen die Parteien überwiegend noch nicht Stellung genommen haben, kann der Senat die Erfolgsaussicht der Klage derzeit nicht abschließend beurteilen.

Bei der erforderlichen erneuten Entscheidung des Landgerichts wird folgendes zu berücksichtigen sein:

1. Leistungsfreiheit wegen unzulänglicher Auskünfte wird nach den Grundsätzen der Relevanzrechtsprechung, auf die hier nicht näher eingegangen werden muss, schon deswegen nicht bejaht werden können, weil die Beklagte es versäumt hat, die Klägerin auf entsprechende Folgen hinzuweisen (vgl. im Übrigen zur Beurteilung einer solchen Obliegenheitsverletzung OLG Celle VersR 2007, 1122).

2. Die Deckungsablehnung der Beklagten muss dahin verstanden werden, dass sie sich aufgrund der ihr mitgeteilten Umstände nicht in der Lage sah, die Erfolgsaussicht des von der Klägerin beabsichtigten Vorbringens zu prüfen. Dies hätte sie bei ihrer Deckungsablehnung klar zum Ausdruck bringen müssen, sie hätte die Erfolgsaussicht in der gegebenen Situation ausdrücklich verneinen und die Klägerin gleichzeitig darüber belehren müssen, dass sie diese Beurteilung - entsprechend den dem Senat derzeit nicht bekannten vertraglichen Bedingungen - angreifen könne, § 158 n Satz 3 VVG a. F.. Dies ist nicht geschehen. Der Versicherer verliert das Recht, Deckung wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit einer beabsichtigten Klage zu verweigern, wenn er dies dem Versicherungsnehmer nicht unverzüglich mitteilt (BGH Urteil vom 19. März 2003, Az: IV ZR 139/01, r + s 2003, 263 = VersR 2003, 638). Die Versagung des Deckungsschutzes wegen fehlender Erfolgsaussicht muss mit einer zutreffenden und eindeutigen Belehrung über den vom Versicherungsnehmer anschließend zu beschreitenden Weg verbunden werden. Geschieht dies nicht, so ist eine spätere Berufung auf Mutwilligkeit oder fehlende Erfolgsaussicht nicht mehr möglich, vgl. § 158 n Satz 3 VVG a.F. Hier fehlt es an der erforderlichen Belehrung, so dass die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Inanspruchnahme des Arztes und des Krankenhauses nicht mehr zu prüfen ist. Dies gilt auch für die Höhe der beabsichtigten Inanspruchnahme (vgl. Senat, Urteil vom 16.04.2002, 9 U 129/01, r+s 2002, 289).

Soweit die Beklagte meint, noch keine Deckungsablehnung erklärt zu haben, ist dies aus den dargelegten Gründen nicht richtig. Soweit sie der Ansicht ist, zu einer solchen Ablehnung auch nicht veranlasst zu sein, kann dem nicht gefolgt werden. Ein Rechtsschutzversicherer kann seine Entscheidung nicht mit der Begründung aufschieben, die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung lasse sich nach wie vor nicht prüfen. Zumeist sehen die Bedingungen sogar ausdrücklich eine Pflicht des Versicherers zur unverzüglichen Entscheidung vor (vgl. § 18 Abs. 1 ARB 94/2000, abgedruckt bei Harbauer a.a.O. S. 929; Urteil des Senats vom 11.10.2007, 9 U 187/04, ZMGR 2006, 76 ff.). Das Verhalten der Beklagten entspricht dem nicht. Wenn der Versicherer sich auf fehlende Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Klage berufen will, kann er die Deckungsentscheidung in der Rechtsschutzversicherung nicht nach Belieben aufschieben. Er ist vielmehr gehalten, sich zu entscheiden und gegebenenfalls Deckung zu verweigern. Nur so wird das Ziel erreicht, den Versicherungsnehmer alsbald in die Situation zu versetzen, eine Klärung gegebenenfalls durch die vertraglich vorgesehenen weiteren Schritte zu erreichen und auf Kosten des Rechtsschutzversicherers (entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen) z. B. einen Stichentscheid des für ihn tätigen Rechtsanwalts herbeizuführen. Erfolgen die Prüfung und die schriftliche Ablehnung nicht unverzüglich, so verliert der Versicherer das Recht, sich später auf fehlende Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit berufen zu können (BGH a.a.O. unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung im Urteil vom 16. Oktober 1985 - IVa ZR 49/84, VersR 1986, 132).

3. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass ein Versicherungsnehmer nicht erstmals in einem Rechtsstreit vom Versicherer Deckung für die Führung eines Rechtsstreits fordern kann, wenn er - wie dies hier der Fall war - vorprozessual ausdrücklich nur für ein außergerichtliches Vorgehen Deckungsschutz gefordert hat. Insoweit muss der Versicherer die Möglichkeit erhalten, gegebenenfalls eine ordnungsgemäße Deckungsablehnung mit Hinweis nach § 158 n Satz 3 VVG a. F. (entsprechend den Vertragsbedingungen z. B. auf die Möglichkeit eines Stichentscheids) auszusprechen. Der Versicherer darf seinerseits nicht, ohne diese Prüfungsmöglichkeiten gehabt zu haben, mit einer Deckungsklage überzogen werden. Die Fälligkeit des unter Umständen gegebenen Anspruchs könnte hier allerdings durch den Antrag auf Klageabweisung eingetreten sein. Insoweit kann von Belang sein, was mit der "parallel" erteilten Deckungsablehnung gemeint ist, von der in der Klageerwiderung die Rede ist.

4. Das Landgericht wird bei einer erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag die Tenorierung zu überprüfen haben. Statt einer in der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Feststellung der Verpflichtung zur Übernahme von Kosten, liegt es unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs näher, etwa eine Feststellung vorzusehen, "dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zur außergerichtlichen Verfolgung ihrer Ansprüche in einer Gesamthöhe von bis zu 52.000 € gegen Herrn Prof. Dr. T wegen unterlassener Bestimmung des Calcitonin-Wertes in der Zeit von Juni 2004 bis April 2007 und gegen die D Berlin wegen fehlerhafter Vorgehensweise bei der ersten Operation der Klägerin im Jahr 2007 Rechtsschutz entsprechend dem Versicherungsvertrag (Versicherungsschein-Nr. 91225/00) zu gewähren."

Diese Tenorierung bringt auch zum Ausdruck, dass die Klägerin einen einzigen Schadensersatzanspruch verfolgen will, der mit unterschiedlicher Begründung gegenüber zwei (Gesamt-) Schuldnern geltend gemacht werden soll. So sind jedenfalls die außergerichtlichen Schreiben an die Beklagte zu verstehen und nur so lässt sich die gleiche Höhe der Forderung gegenüber beiden Schuldnern erklären.

5. Soweit die Klägerin Freistellung von einem Vorschussanspruch ihrer Anwälte begehrt, ist - wie oben schon angedeutet - klarzustellen, dass bisher nichts dafür ersichtlich ist, dass ihr gegenüber eine Vorschussforderung fällig ist. Für eine entsprechende (an sie gerichtete) Honorarrechnung ist nichts ersichtlich, vgl. §§ 9, 10 RVG. Im Übrigen würde sich eine Verpflichtung zur Leistung von Vorschuss letztlich ohnehin und ohne gesonderten Ausspruch aus einer Tenorierung wie der oben als möglich genannten ergeben. Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin fälschlich annehmen, es seien "zwei Mandate" abzurechnen und dies führe dazu, dass zwei Forderungen berechtigt seien. Der Umstand, dass der Schadensersatzanspruch sich gegen zwei verschiedene Schuldner richtet, bedeutet nicht, dass zwei verschiedene Angelegenheiten (hierauf kommt es an) im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG gegeben sind. Dies gilt jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt einer eventuellen Klage. Derzeit ist nicht eindeutig klargestellt, ob die Klägerin bei gerichtlicher Inanspruchnahme getrennt gegen beide Schuldner vorgehen will und wenn ja aus welchen Gründen. Schließlich ist klarzustellen, dass der Klageantrag zu 3) (ein Zahlungsantrag) schon deshalb keinen Erfolg haben kann, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass die Klägerin die Beträge an ihre Anwälte gezahlt hat, deren Erstattung sie verlangt.

Eine Kostenentscheidung und eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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