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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.10.2003
Aktenzeichen: Ausl 36/03
Rechtsgebiete: EuAlÜbk


Vorschriften:

EuAlÜbk Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln Beschluss

Ausl 202/02 Ausl 36/03

verkündet am: 24.10.2003 Tenor:

Die Auslieferung des österreichischen Staatsangehörigen K. H. Z. nach Österreich zur Verfolgung der ihm im Internationalen Haftbefehl der Richterin Dr. U. K. am Landesgericht Loeben vom 15.07 2003 - 15 UR 210/03 - in Verbindung mit der Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft Loeben vom 2. Oktober 2003 zur Last gelegten Taten ist zulässig.

Der Senat hat mit Beschluss vom 8. August 2003 gegen den Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet. Dem Auslieferungshaftbefehl liegt ein Ersuchen des Bundesministeriums für Justiz der Republik Österreich vom 7. August 2003 um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung zugrunde.

Das Ersuchen nimmt Bezug auf einen Internationalen Haftbefehl des Landesgerichts Leoben der Richterin des Landesgerichtes Dr. U. K. vom 15.07.2003 ( 15 UR 210/03 ). Dem Verfolgten wird die Einfuhr von und der Handel mit Betäubungsmitteln zur Last gelegt. Ihm wird in dem Haftbefehl vorgeworfen, in den Jahren 1999 und 2000 im Auftrag des gesondert verfolgten F. J. bei verschiedenen Gelegenheiten zumindest zwei Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich insbesondere in den Raum Graz und Leoben eingeführt und dort in Verkehr gebracht und sich dadurch nach § 28 Abs. 2 des österreichischen Suchtmittelgesetztes strafbar gemacht zu haben. Ferner soll er "unter anderem im Raum Leoben etwa an den abgesondert verfolgten E. W." Kokain weitergegeben haben, strafbar nach § 27 Abs. 1 österreichisches Suchtmittelgesetz.

Bei seiner richterlichen Vernehmung am 05.08.2003 hat sich der Verfolgte mit seiner Auslieferung nach Österreich im vereinfachten Verfahren nicht einverstanden erklärt.

Auf die Vorlage der Akten durch die Generalstaatsanwaltschaft am 11.9.2003 mit dem Antrag, gemäß § 29 Abs.1 IRG die Auslieferung des Verfolgten wegen der in dem Haftbefehl des Landesgericht Leoben vom 15.07.2003 ( 15 UR 210/03 ) aufgeführten Straftaten für zulässig zu erklären, hat der Senat mit Beschluss vom 23.09.2003 die österreichischen Behörden um ergänzende Angaben zum Sachverhalt sowie zur Frage der Verjährung gebeten. Hierzu wird im Einzelnen auf den Senatsbeschluss Bezug genommen. Unter dem 2. Oktober 2003 hat das Landesgericht Leoben unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Leoben die angesprochenen Fragen beantwortet. Auf deren Inhalt wird verwiesen ( Bl. 188 d. A. ). Der Verfolgte hat sich durch Schriftsatz seines Beistandes zu diesen ergänzenden Angaben geäußert.

Die Generalstaatsanwaltschaft wiederholt ihren Antrag vom 11.09.2003, die Auslieferung für zulässig zu erklären.

II.

Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ist zu entsprechen.

Das Auslieferungsersuchen genügt den formellen Voraussetzungen des Art. 12 EuAlÜbk. Ihm sind eine Urschrift des Haftbefehls und die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des österreichischen Suchtmittelgesetzes beigefügt. Diese wurden nachträglich ergänzt durch die Suchtgift-Grenzmengenverordnung von 1997 (Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom 10.12.1997 II, Nr. 377 ). Ferner hat aufgrund des Ersuchens des Senats vom 23.09.2003 das zuständige Landesgericht unter Bezug auf die Erklärung der Staatsanwaltschaft Leoben vom 02.10.2003 den zur Last gelegten Sachverhalt ergänzt und die rechtliche Würdigung hinsichtlich der dem Verfolgten zur Last gelegten Weitergabe von Suchtmitteln korrigiert, wonach sämtliche dem Verfolgten zur Last gelegten Taten als Verbrechen unter § 28 Abs. 2 2. und 4. Fall, Abs. 3 1. Satz 1. Fall und Abs. 4 Zahl 3 österreichisches Suchtmittelgesetz fallen.

Die Ergänzung des Sachverhalts durch die staatsanwaltschaftliche Stellungnahme vom 02.10.2003 ist zulässig. Die erforderliche Sachverhaltsschilderung kann sich nach Art. 12 Abs. 2 Nr. 2 b) EuAlÜbk sowohl aus dem Haftbefehl wie auch aus sonstigen, dem Ersuchen beigefügten Urkunden ergeben, die den Sachverhalt ergänzen ( vgl. dazu OLG München vom 12.5.1987 - Ausl 14/87 = E/L/W Nr. U 148 ). Vorliegend erfolgte die Stellungnahme durch den Richter P. des Landesgerichts Leoben unter Verweis auf die Erklärung der Staatsanwaltschaft. Damit hat das den Haftbefehl erlassende Gericht auch die ergänzende Erklärung abgegeben.

Die Einbeziehung möglichen strafbaren Handelns auch im Jahre 1998, wie es diese Stellungnahme vorsieht, erweitert den durch den Haftbefehl vorgegebenen Sachverhalt nicht unzulässig, da es sich nach der Darstellung im österreichischen Haftbefehl - offensichtlich aufgrund der maßgeblichen Rechtslage im österreichischen Strafrecht - um eine Tat, nämlich ein Verbrechen der gewerbsmäßigen Einfuhr übergroßer Mengen von Suchtgift handelt. § 10 Abs. 1 S.2 IRG läßt für die Auslieferung einer weiteren Tat - neben der im Haftbefehl bezeichneten Straftat - deren Darstellung in der Urkunde einer zuständigen Stelle genügen. Somit reicht zur Erweiterung derselben, bereits im Haftbefehl umschriebenen Tat ebenfalls eine Urkunde der zuständigen Stelle des ersuchenden Staates aus. Diese liegt hier in dem richterlichen Schreiben des mit der Haftsache befassten Landesgerichts Leoben vom 02.10.2003.

Auch bei den übrigen Erläuterungen in der Stellungnahme vom 02.10.2003 handelt es sich um zulässige Ergänzungen zu demselben historischen Sachverhalt.

Durch diese Erläuterungen wird nunmehr der Sachverhalt hinreichend genau geschildert. Eine Ergänzung war zunächst erforderlich, um im Auslieferungsverfahren sämtliche materiellen Voraussetzungen überprüfen zu können. Die Sachverhaltsschilderung darf sich nämlich nicht in der bloßen Wiedergabe einer tatbestandlichen Umschreibung erschöpfen; vielmehr sind Zeit und Ort der Tatbegehung so genau wie möglich anzugeben ( vgl. OLG Düsseldorf vom 4. Februar 2003 - III -4Ausl(A) 1/03 - 49/03 III; OLG Stuttgart, NStZ -RR 2003,276; Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., § 10 Rdnr. 7 m.w.N.).

Dem Verfolgten wird in dem Haftbefehl und in der ergänzenden Stellungnahme vom 02.10.2003 vorgeworfen, gewerbsmäßig eine übergroße Menge Suchtgift eingeführt sowie eine zumindest große Menge in Verkehr gesetzt zu haben. Er soll in den Jahren 1998 bis 2000 im Auftrag des gesondert verfolgten Friedmann als Drogenkurier gegen Entgelt in ca. dreiwöchigem Abstand jeweils 100 Gramm bis 200 Gramm Kokain, insgesamt mindestens 2000 Gramm Kokain, aus den Niederlanden nach Österreich in den Raum Graz/Steiermark eingeführt haben. Ferner soll er u. a. in der Steiermark mindestens ein Kilo Kokain gewinnbringend an andere, u.a. an E. W., verkauft haben. Diese Taten sind nach § 28 Abs. 2 2. und 4. Fall, Abs. 3 1. Satz 1. Fall und Abs. 4 Zahl 3 österreichisches Suchtmittelgesetz (=SMG) in Verbindung mit der Suchtgift-Grenzmengenverordnung mit Strafe bedroht. Die in der Grenzmengenverordnung von 1997 festgesetzte Grenzmenge für eine große Menge liegt bei 15 g Kokain.

Was den Verkauf von Suchtmitteln anlangt, so wird diese Tat nunmehr in der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme vom 02.10.2003 abweichend und in Korrektur zu der rechtlichen Einordnung im Haftbefehl als das "In- den-Verkehr-Setzen" einer großen Menge Suchtgift ( § 28 Abs. 2 SMG ) bezeichnet.

Der Senat sieht keine Veranlassung, diese korrigierte rechtliche Qualifizierung nicht auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen, da eine abweichende rechtliche Qualifizierung jederzeit zulässig ist. Die Sachverhaltsergänzung geht von einem Kilo Kokain aus, mithin handelt es sich nach der österreichischen Suchtgift-Grenzmengenverordnung jedenfalls um eine "große Menge" im Sinne des § 28 Abs. 6 SMG. § 28 Abs. 2 4.Alt. SMG ist damit erfüllt. Die Auslieferungsfähigkeit der Taten, wegen derer die Auslieferung begehrt wird, ergibt sich aus Artikel 2 Absatz 1 EuAlÜbK. Danach wird wegen Handlungen ausgeliefert, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden, als auch nach dem Recht des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bedroht sind.

Nach deutschem Recht wird die Einfuhr von und das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 Betäubungsmittelgesetz mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von über einem Jahr bestraft. Bei der Gesamtmenge von zwei Kilogramm Kokain ist ohne weiteres davon auszugehen, dass - wenn nach deutschem Recht von (mindestens zehn) Einzeltaten ausgegangen wird - die aus den Niederlanden nach Österreich verbrachten Teilmengen Kokain mehr als 5 Gramm Kokain-Hydroclorid betragen haben und damit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 33,133) als nicht geringe Menge anzusehen sind. Nach der ergänzenden Stellungnahme v. 02.10.2003 ist nunmehr von der Weitergabe von mindestens einem Kilo Kokain u . a. an E. W. auszugehen, so dass sich für diesen Sachverhalt nach deutschem Recht die Strafbarkeit ebenfalls nach § 29 a Abs.1 Nr. 2 Betäubungsmittelgesetz richtet.

Nach österreichischem Recht liegt die angedrohte Höchststrafe für alle dem Verfolgten zur Last gelegten Taten über einem Jahr. § 28 Abs. 2 SMG, dem die hier vorgeworfenen Taten unterfallen, sieht eine Höchststrafe von fünf Jahren vor. Ferner besteht bei einer gewerbsmäßigen Begehungsweise, die dem Verfolgten ebenfalls zur Last gelegt wird, eine Straferwartung von einem bis fünfzehn Jahren ( § 28 Abs. 3 SMG ). Gründe, die der Zulässigkeit der Auslieferung nach Art. 3 - 10 EuAlÜbk entgegenstehen könnten, liegen auch jetzt nicht vor.

Art. 10 EuAlÜbk steht nicht entgegen, da die Straftaten nach österreichischem Recht nicht verjährt sind. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre, wenn die Straftaten mit mehr als einjähriger, aber höchstens fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, § 57 Abs. 3 3. Alt. österreichisches Strafgesetzbuch. Da für sämtliche dem Verfolgten zur Last gelegten Taten jedenfalls § 28 Abs. 2 SMG zur Anwendung kommt, sind die Taten nach österreichischem Recht noch nicht verjährt. Im Übrigen steht § 58 Abs. 2 österreichisches Strafgesetz einer Verjährung entgegen, wonach dann, wenn der Täter während der Verjährungsfrist neuerlich eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruht, die Verjährung nicht eintritt, bevor auch für diese Tat die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Entgegen der Meinung der Verteidigung findet im Auslieferungsverfahren eine Prüfung dahin, ob der Verfolgte der ihm vorgeworfenen Tat hinreichend verdächtig ist, nicht statt, § 10 Abs. 2 IRG. "Besondere Umstände" im Sinne dieser Vorschrift, die zu einer Überprüfung des Tatverdachts führen könnten, liegen hier nicht vor. Auf die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen F. kommt es in diesem Verfahren deshalb nicht an.

Ende der Entscheidung

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