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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 13.07.2000
Aktenzeichen: 1 U 2883/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 2250
Dem Krankenhausträger, dem Chefarzt bzw. dem Personal eines Krankenhauses obliegt nicht von Gesetzes wegen die Pflicht, gegebenenfalls als Urkundsperson bei der Errichtung eines Nottestaments aufzutreten. Entsprechende Kenntnisse über die Einzelheiten des Testamentsrechts sind nicht erforderlich.

Erklärt sich der Krankenhausbedienstete, der sich über den juristischen Vorgang selbst nicht im klaren ist, gleichwohl zur Mitwirkung bereit, darf beim Erblasser durch die Art der Mitwirkung aber nicht der Irrtum erregt werden, er errichte nunmehr mit amtlicher Hilfe ein formgültiges Testament. Es muß vielmehr alles unterlassen werden, was die Errichtung eines wirksamen Testaments gefährden oder verhindern könnte.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 1 U 2883/00

Verkündet am 13. Juli 2000

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2000 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 29.2.2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,- DM.

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen der Beurkundung eines nichtigen Nottestaments.

Am 9.6.1993 befand sich der Onkel des Klägers, Johann M (im folgenden Erblasser genannt), der als früherer Bergmann bei der Bundesknappschaft durch eine Pflichtversicherung krankenversichert war, wegen einer fortgeschrittenen Krebserkrankung im Kreiskrankenhaus W dessen Träger bis 31.12.1994 der Beklagte war. Der Vater des Klägers, Franz-Xaver M sen., suchte ihn dort auf. Franz-Xaver M sen. teilte dem Chefarzt der inneren Abteilung des Krankenhauses, Dr. M, im weiteren Verlauf mit, daß sein Bruder ein Testament machen möchte. Franz-Xaver M sen. brachte den Erblasser in einem Rollstuhl in das Zimmer des Chefarztes. In Anwesenheit von Franz-Xaver M sen. ließ der Chefarzt Dr. M durch seine Sekretärin maschinenschriftlich ein Schriftstück mit folgendem Inhalt aufsetzen:

"09.06.93

Testament

Ich, Johann M, geb., wh. in, verfüge, daß nach meinem Tod mein Besitz zu gleichen Teilen an meine Frau und an meinen Neffen, Herrn Franz-Xaver M wh. in übergeht.

Kreiskrankenhaus

Innere Abteilung

M Johann

Die oben stehende Verfügung würde von Herrn Johann M "in meinem Beisein diktiert und unterschrieben."

Dr. M/Chefarzt"

Anschließend leistete der Erblasser eine - unleserliche - Unterschrift, Dr. M unterschrieb nicht (wegen des Erscheinungsbildes des Schriftstücks im einzelnen wird auf die Kopie in der Anlage zu Blatt 18/22 d.A. hingewiesen).

Noch am Nachmittag des 9.6.1993 wurde der in der Nacht zuvor in das Krankenhaus eingelieferte Erblasser von seiner Ehefrau A M nach Hause gebracht. Auf Bitten der Ehefrau übernahmen Franz-Xaver M sen. und die Schwester V gemeinschaftlich die Pflege und Besorgung des Erblassers bis zu dessen Tod am 12.6.1993.

Das Testament wurde im Nachlaßverfahren nach dem Erblasser wegen der Zuziehung des Vaters des Klägers, Franz-Xaver M sen., als Zeugen für unwirksam erklärt.

Der Kläger erhielt daher nichts aus dem Nachlaß des Erblassers.

Alleinerbin nach dem Erblasser wurde aufgrund eines entsprechenden Testamentes vom 22.3.1992 dessen Ehefrau.

Der Kläger trägt vor, es sei ausgemachte Sache gewesen, daß er nach dem Erblasser habe erben sollen. Aus diesem Grunde habe der Erblasser, der sich in einem kritischen Zustand befunden habe, den Wunsch geäußert, ein Testament mit dem niedergelegten Inhalt zu errichten. Der Chefarzt Dr. M habe sich vom Willen des Erblassers durch Rede und Gegenrede überzeugt. Da dieser durch die fehlerhafte Hinzuziehung des Vaters des Klägers als Zeugen die Unwirksamkeit des Testaments verschuldet habe, stehe dem Kläger gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung zu. Die für ein kommunales Krankenhaus zuständigen Träger seien verpflichtet, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß Patienten, die sich in einem kritischen Zustand befänden, noch ein Testament errichten könnten. Der Chefarzt des Krankenhauses müsse die Formalien eines Nottestamentes kennen, die einfach seien.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe deshalb einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Hälfte des Nachlasses, die ihm bei einem wirksamen Testament zugefallen wäre. Deren Wert belaufe sich auf 351.000,- DM.

Der Kläger hat beim Landgericht beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 351.000,- nebst 4 % Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

Der Beklagte ist der Auffassung, ein Amtshaftungsanspruch komme bereits deswegen nicht in Betracht, weil Dr. M als Angestellter des Beklagten kein Beamter im Sinne von § 839 BGB gewesen sei und auch nicht hoheitlich gehandelt habe. Sonstige Anspruchsgrundlagen seien nicht gegeben.

Dr. M habe auch keine Pflichtverletzung begangen, für die der Beklagte haften müßte.

Der Beklagte bestreitet, daß es der Wille des Erblassers gewesen sei, den Kläger (zur Hälfte) als Erben einzusetzen. Vielmehr ergebe sich aus den Nachlaßakten, daß der Erblasser bereits am 15.9.1969 und nochmals erst 15 Monate vor seinem Tod, am 22.3.1992, wirksam dahin testierte, daß seine Ehefrau Alleinerbin sein solle. Der Beklagte bestreitet, daß der Erblasser gegenüber Franz-Xaver M sen. geäußert habe, daß er ein Testament errichten und den Kläger als Miterben einsetzen wolle.

Er behauptet, der Erblasser sei von Franz Xaver M in das Zimmer des Chefarztes Dr. M gefahren worden, wobei Franz-Xaver M sen. geäußert habe, daß sein Bruder ein Testament errichten wolle und ob Dr. M ihm dabei behilflich sein könne. Dr. M habe im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Patienten, insbesondere aber auch aufgrund der nicht mehr gegebenen Schreib- und Sprechfähigkeit erhebliche Zweifel gehabt, ob überhaupt noch die notwendigen Voraussetzungen zur Errichtung eines Testamentes gegeben gewesen seien. Er habe auch auf seine fehlenden Rechtskenntnisse verwiesen und deutlich gemacht, daß er keinerlei persönliche Verantwortung für die Folgen einer Mitwirkung bei der Abfassung dieses Testamentes übernehmen werde und daß er es für geboten halte, einen Notar hinzuzuziehen. Franz-Xaver M sen. habe jedoch auf einer Niederschrift im Beisein des Chefarztes Dr. M bestanden. Der Erblasser habe seinen Willen nicht mehr artikulieren können, vielmehr habe Franz-Xaver M sen. dem Chefarzt gesagt, daß es der Wille seines Bruders sei, daß als Erben dessen Ehefrau sowie der Kläger zu gleichen Teilen eingesetzt werden sollten. Daraufhin habe Dr. M den von Franz-Xaver M sen. gewünschten Text seiner Sekretärin In die Schreibmaschine diktiert. Sodann habe er betont, daß er die Verantwortung für die Wirksamkeit des Testamentes nicht übernehmen werde und habe infolgedessen auch keine Unterschrift geleistet. Vielmehr habe er dringend geraten, unverzüglich einen Notar beizuziehen. Sowohl der Erblasser wie auch Franz-Xaver M sen. hätten daraufhin zu verstehen gegeben, daß sie einen Notar einschalten würden. Dr. M habe damit das einzige Richtige getan, indem er den dringenden Rat erteilte, unbedingt sofort einen Notar zu konsultieren. Er habe zu keinem Zeitpunkt die Fehlvorstellung hervorgerufen, daß in dem von seiner Sekretärin aufgenommenen Schriftstück ein wirksames Testament liege. Der Erblasser habe gerade nicht Vertrauen geschöpft, daß er wirksam testiert habe. Nachdem der Erblasser erst drei Tage danach verstorben sei, wäre auch noch hinreichend Zeit gewesen, einen Notar zu konsultieren, der gegebenenfalls auch ins Krankenhaus gekommen wäre.

Ein Amtshaftungsanspruch scheide von vornherein aus, da Dr. M bei der Abfassung des Nottestaments nicht als Beamter in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt habe. Auch ein Anspruch wegen Verletzung der aus dem Krankenhausaufnahmevertrag fließenden Schutzpflichten gegenüber dem Kläger als dem durch den behandelten Erblasser im Testament zu Bedenkenden sei nicht begründet, da es an einer derartigen Pflichtverletzung des Personals, für welche der Beklagte gemäß § 278 BGB einzustehen hätte, fehle.

Der Beklagte bestreitet den behaupteten Schaden des Klägers auch der Hohe nach und erhebt zudem die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen Franz-Xaver M sen. und Dr. M Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 18.1.2000 (Bl. 31/46 d. A.) sowie auf die Anlage zu diesem Protokoll hingewiesen.

Mit Urteil vom 29.2.2000 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Das Landgericht hat dargelegt, daß nach seiner Auffassung ein Amtshaftungsanspruch nicht in Betracht komme. Auch die Voraussetzungen eines nicht weniger weit reichenden Anspruchs aus schuldhafter Verletzung einer auch dem Kläger gegenüber bestehenden Schutzpflicht aus dem Krankenhausaufnahmevertrag mit dem Erblasser seien nicht gegeben.

Das Landgericht hat hierzu im wesentlichen ausgeführt, aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und dem dabei gewonnenen persönlichen Eindruck sei es von der wahrheitsgemäßen Aussage des Zeugen Dr. M im Gegensatz zu derjenigen von Franz-Xaver M sen. überzeugt. Dr. M habe sich letztlich keiner Pflichtverletzung schuldig gemacht. Da er Bedenken gehabt habe, ob in der geschehenen Art und Weise überhaupt ein wirksames Testament errichtet werden könne, habe er als Nichtjurist, dem eine derartige Konstellation einer Testamentserrichtung noch nicht untergekommen war, nicht blindlings die Beurkundung des Testaments vornehmen dürfen. Er hätte, wie der Kläger zutreffend ausführe, entweder einen Notar oder Rechtsanwalt um Rechtsrat fragen oder aber, wenn er sich überfordert gefühlt habe, die Beurkundung des Testaments ablehnen müssen. Letzteres habe er schließlich getan, auch wenn er sich zunächst zur Beurkundung des Nottestaments bereiterklärt gehabt habe, wodurch die Gefahr, daß der letzte Wille des Erblassers nicht formgerecht verwirklicht werden konnte, zunächst eröffnet worden sei. Jedoch habe er aufgrund der während des Beurkundungsvorgangs bei ihm aufgekommenen Bedenken bezüglich der Wirksamkeit des Testaments schließlich die Unterschrift auf der Testamentsurkunde verweigert und den Erblasser und seinen Bruder eindringlich darauf hingewiesen, daß er gegen die Wirksamkeit des Testaments so erhebliche Bedenken habe, daß sie das Testament "vergessen" und stattdessen sofort einen Notar zuziehen bzw. aufsuchen sollten. Hierdurch habe er in pflichtgemäßer Weise verhindert, daß bei dem Erblasser die Fehlvorstellung entstehen habe können, nunmehr den Kläger wirksam zum Erben eingesetzt zu haben. Gerade durch die Verweigerung der Unterschrift habe Dr. M gegenüber dem Erblasser und seinem Bruder in unmißverständlicher Weise deutlich gemacht, daß er aufgrund der bei ihm vorhandenen Bedenken jegliche Verantwortung für die Wirksamkeit des Testaments ablehne. Unerheblich sei, daß Dr. M gegenüber dem Erblasser lediglich Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments äußerte, statt ihn eindeutig auf dessen Unwirksamkeit hinzuweisen. Denn dem Krankenhauspersonal obliege es grundsätzlich nicht, den Patienten Rechtsrat zu erteilen. Es reichte vielmehr, daß Dr. M den Patienten auch ohne konkrete Rechtsbelehrung auf einen Weg verwies, der nach gewöhnlichem Lauf der Dinge zum Erfolg hätte führen müssen. Dies sei vorliegend gegenüber dem Erblasser der Fall gewesen, mit dessen sofortigem Ableben nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen Dr. M und Franz-Xaver M sen. niemand gerechnet habe, der auch erst drei Tage später verstorben sei. In dieser Zeit wäre aber die Hinzuziehung eines Notars und somit die Errichtung eines formwirksamen Testaments entsprechend dem Rat von Dr. M ohne weiteres möglich gewesen. Bei dieser Sachlage könne dahinstehen, ob dem Beklagten ein Organisationsmangel derart anzulasten wäre, daß versäumt wurde, dem ärztlichen Personal die Mitwirkung an Testamentserrichtungen wegen der damit verbundenen Risiken generell zu untersagen, da ein etwaiges Organisationsverschulden insoweit aufgrund des richtigen Verhaltens des Dr. M jedenfalls nicht kausal für das Unterlassen der Errichtung eines wirksamen Testaments zugunsten des Klägers gewesen wäre. (Wegen der Einzelheiten der Begründung im übrigen wird auf das Urteil Bl. 61/78 d. A. Bezug genommen).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers, mit welcher er seinen in erster Instanz gestellten Antrag weiterverfolgt.

Der Kläger hält die Meinung des Landgerichts, § 839 BGB komme als Anspruchsgrundlage nicht in Frage, für falsch. Er ist der Auffassung, die Beweiswürdigung des Landgerichts verstoße gegen die Denkgesetze, indem Dr. M trotz der Widersprüche zur Aussage von Franz-Xaver M sen. und zu seiner eigenen Darstellung des Ablaufs in einem Schreiben vom 30.6.1993 an die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers für glaubwürdig gehalten worden sei. Die Aussage von Dr. M werde widerlegt durch den Umstand, daß er am 30.6.1993 zwei rechtswidrige Rechnungen an die Verfahrensbevollmächtigten des Klägers gesandt habe, mit welchen die Errichtung des Testaments abgerechnet worden sei. Damit erhalte die Feststellung seiner Verantwortlichkeit für die Nichtigkeit des Testaments entscheidenden Nachdruck. Soweit der Beklagte behaupte, die Rechnungen seien wegen der Beantwortung einer Anfrage der Prozeßbevollmächtigten des Klägers gestellt worden, sei dies unvereinbar mit dem Umstand, daß die Anfrage der Prozeßbevollmächtigten erst mit Schreiben vom 30.6.1993 erfolgt sei. Feststehe, daß Dr. M das Testament errichtet und nicht zum Ausdruck gebracht habe, daß er Zweifel an der Gültigkeit habe. Dr. M habe zugesichert, daß er im Bedarfsfalle die Unterschrift auf dem Testament nachholen werde. Franz-Xaver M sen. habe diese Erklärung entgegengenommen. Er und der Erblasser seien überzeugt gewesen, daß der Erblasser ein gültiges Testament errichtet habe. Wenn Dr. M Zweifel gehabt hätte, hätte er die Urkunde niemals aus der Hand geben dürfen. Falls er sich unsicher gefühlt hätte, hätte er die Krankenhausverwaltung zuziehen müssen oder das Notariat, besetzt mit zwei Notaren, Einer der Notare wäre in Minuten im Krankenhaus gewesen. Frei erfunden sei die Behauptung des Zeugen Dr. M, er habe M sen. darauf verwiesen, daß der Notar befragt werden solle. Hätte er dies wirklich gesagt, wäre M sen. stante pede zum Notar gelaufen, weil er gewußt habe, daß sein Bruder nicht mehr lange leben würde.

Der Beklagte, der Klageabweisung beantragt, trägt vor, die beiden Rechnungen vom 30.6.1993 bezögen sich ausschließlich auf das Antwortschreiben von Dr. M vom 30.6.1993 an die Prozeßbevollmächtigten des Klägers und hätten mit dem sogenannten Nottestament vom 9.6.1993 nichts zu tun. Der Beklagte hält die Aussage von Dr. M für zutreffend und etwaige Widersprüche entsprechend der Beweiswürdigung des Landgerichts nach einer sehr intensiv durchgeführten Beweisaufnahme für ausgeräumt. Der Beklagte verweist dazu auf seinen Vortrag in erster Instanz.

Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Für diese Beurteilung kann, wie in der Entscheidung des BGH vom 8.6.1989 - NJW 89, 2945 - offengelassen werden, ob Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch des Klägers die Amtshaftung nach §839 BGB i.V.m. Art. 34 GG oder die Verletzung einer zugunsten des Klägers bestehenden Schutzpflicht aus dem Krankenhausaufnahmevertrag zwischen dem Erblasser und dem Beklagten wäre. Wie der BGH dargelegt hat, würde der Krankenhausaufnahmevertrag, auch wenn eine Amtshaftung nicht besteht, dem Träger des Krankenhauses Schutz- und Fürsorgepflichten auferlegen, die nicht weniger weit reichen als eine etwaige Amtspflicht.

Eine Haftung des Beklagten nach einer der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen ist nicht gegeben.

Die Abweisung der Klage durch das Landgericht, das bei seiner Entscheidung die insoweit maßgeblichen Urteile des BGH (siehe oben sowie NJW. 58, 2107) herangezogen hat, ist daher zu Recht erfolgt.

I.

Die Urkunde vom 9.6.1993, genügt, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, weder den Erfordernissen eines eigenhändigen Testamentes gemäß § 2247 Abs. 1 BGB noch denjenigen eines Nottestamentes nach § 2250 BGB.

Unterstellt, daß der Erblasser testierfähig und testierwillig war sowie erkannte, daß er sich in der Situation eines Testierenden befand, wäre die Errichtung eines wirksamen Nottestamentes jedenfalls an der unabdingbaren Voraussetzung gescheitert, daß nicht drei unbeteiligte Zeugen mitgewirkt haben, sondern mit dem Vater des Klägers einer der drei vorhandenen Zeugen gemäß § 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 7 Ziff. 3 BeurkG ausgeschlossen war (Palandt, BGB, 59. Aufl., § 2250 RdNr. 5).

1. Abweichend von der - vielleicht nur mißverständlich ausgedrückten - Beurteilung des Landgerichts sieht der Senat allerdings eine - schuldhafte - Pflichtverletzung des Zeugen Dr. M bereits darin, daß er sich auf Ansuchen des Zeugen Franz-Xaver M sen. bereit erklärte, ein Nottestament zu beurkunden und dieses durch seine Sekretärin aufsetzen ließ, obwohl er, wie die mangelnde Zuziehung von drei als Zeugen geeigneten Personen zeigt, nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügte. Damit soll nicht postuliert werden, daß ein Chefarzt über diese Kenntnisse verfügen muß bzw. der Krankenhausträger ihn oder andere geeignet erscheinende Mitarbeiter über die Voraussetzungen und die Mindestanforderungen eines Nottestaments unterrichten muß. Dem Krankenhausträger, dem Chefarzt bzw. dem Personal eines Krankenhauses obliegt nicht von Gesetzes wegen die Pflicht, gegebenenfalls als Urkundsperson bei Errichtung eines Nottestamentes gemäß § 2250 BGB aufzutreten, wie es normierte Pflicht eines Bürgermeisters in § 2249 BGB ist, der sich deshalb insoweit rechtskundig machen muß. Auch der BGH hat in den angeführten Entscheidungen eine entsprechende Pflicht nicht gesehen und das Vorhandensein entsprechender Kenntnisse nicht verlangt. Er hat im Gegenteil dargelegt, daß es im entschiedenen Fall keine Pflichtverletzung darstellte, daß die Aufnahme eines Nottestamentes nach § 2250 Abs. 2 BGB nicht veranlaßt wurde. Zwar müsse der leitende Verwaltungsbeamte eines Krankenhauses gewisse Kenntnisse des Privat- und des Erbrechts besitzen, aber er brauche die Einzelheiten des Testamentsrechts nicht zu beherrschen und nicht fähig sein, sofort ohne Unterlagen ein Nottestament zu errichten. Die Pflichtverletzung bestehe aber darin, daß der Beamte eine Mitwirkung bei der Errichtung des Testaments gerade nicht abgelehnt, sondern im Gegenteil durch die Art seiner Mitwirkung bei der Patientin den Irrtum erregt habe, sie errichte nunmehr mit amtlicher Hilfe ein formgültiges Testament (BGH NJW 58, 2107).

Vorliegend war das Verhalten des Zeugen Dr. M zunächst geeignet, beim Erblasser einen derartigen Irrtum zu erregen, indem er sich zur Errichtung des Nottestaments bereit erklärte, obwohl er, wie er als Zeuge vor dem Landgericht aussagte, sich über den juristischen Vorgang selbst nicht im Klaren gewesen sei. Dr. M hätte sich deshalb nicht darauf einlassen dürfen, an der Errichtung des Nottestaments mitzuwirken, sondern hätte den mit entsprechender Bitte an ihn herantretenden Franz-Xaver M sen. an den hierzu - wie allgemein bekannt - berufenen Notar verweisen müssen, zumal in W wie gerichtsbekannt ist, mehrere Notare tätig sind und ein solcher, wie der Kläger selbst vorträgt, in wenigen Minuten im Krankenhaus hätte sein können.

Die Pflichtverletzung des Zeugen Dr. M ist auch nicht deshalb als unverschuldet anzusehen, weil er, wie er bei seiner Zeugeneinvernahme vor dem Landgericht angab, "ungefähr" wußte, daß es wohl Pflicht des Krankenhauses sei, bei der Abfassung eines Nottestamentes behilflich zu sein, womit er auf Frage auch erklärte, daß er sich der Angelegenheit eines gar nicht in seiner Abteilung liegenden Patienten angenommen habe. Denn wenn sich bei ihm diese Überzeugung gebildet hatte, hat er die Rechtsprechung des BGH hierzu unzulänglich aufgenommen oder sie wurde ihm vom Krankenhausträger in unvollständiger Weise vermittelt. Der Träger eines Krankenhauses ist lediglich gehalten, einem Patienten, der ein Testament zu errichten wünscht, zur Erfüllung dieses Wunsches jede mit der Anstaltsordnung zu vereinbarende und zumutbare Unterstützung zu gewähren. Dazu gehört es zwar nicht, dem Patienten Rechtsrat zu erteilen. Der Krankenhausträger muß aber in allgemeiner Form dem Personal rechtskundige Personen oder Dienststellen namhaft machen, bei denen es sich seinerseits danach erkundigen kann, was im Bedarfsfall zu veranlassen ist. Zumindest muß durch den Krankenhausträger dafür Sorge getragen werden, daß alles unterlassen wird, was die Errichtung eines wirksamen Testamentes gefährden oder verhindern könnte (BGH; NJW 89, 2945). Wenn der Zeuge Dr. M eine Pflicht sah, an der Errichtung des Nottestamentes trotz eingestandener fehlender Kenntnisse insoweit mitzuwirken, läßt dies den Schluß auf mangelnde Unterrichtung durch den Beklagten zu, so daß auch bei diesem ein Pflichtenverstoß anzunehmen sein könnte.

2. Dieser Pflichtenverstoß des Zeugen Dr. M durch Versuch der Errichtung eines Nottestamentes hat jedoch auch nach Überzeugung des Senats nicht dazu geführt, daß der Erblasser im Vertrauen darauf, ein wirksames Testament zugunsten des Klägers zur Hälfte seines Nachlasses bereits errichtet zu haben, die Errichtung eines wirksamen Testaments unterließ. Es fehlt daher an der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden.

Das Landgericht hat sich unter eingehender Würdigung der Aussagen der Zeugen Franz-Xaver M sen. und Dr. M davon überzeugt, daß der Zeuge Dr. M zutreffend den Geschehensablauf am 9.6.1993 geschildert hat. Das Landgericht ist hierbei auf alle wesentlichen Punkte und Indiztatsachen sorgfältig eingegangen. Der Senat hält die Beweiswürdigung des Landgerichts für zutreffend und überzeugend und macht sie sich in, vollem Umfange zu eigen, so daß zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Landgerichts zu Ziffer 2 b der Entscheidungsgründe Bezug genommen werden kann. Entgegen der Auffassung des Klägers stellen die beiden Rechnungen vom 30.6.1993 unter "Erbschaftsangelegenheit" kein Indiz für die Unglaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen Dr. M dar, daß er Zweifel an der Wirksamkeit des von ihm beurkundeten Nottestaments geäußert habe. Es ist nicht ersichtlich, daß sich diese Rechnungen auf seine Mitwirkung bei Errichtung des Nottestaments beziehen, wie der Kläger behauptet. Denn tatsächlich hat Dr. M am 30.6.1993 eine Anfrage der Rechtsanwälte des Klägers beantwortet, so daß naheliegt, daß die unter dem gleichen Datum verlangten Gebühren sich auf dieses Schreiben beziehen, wie der Beklagte vorträgt. Wenn die Anfrage der Rechtsanwälte selbst erst vom 30.6.1993 gewesen sein soll, wie der Kläger behauptet, ist möglicherweise das Datum falsch, nicht aber der Bezug der Rechnungen vom 30.6.1993 zum datumsgleichen Schreiben des Zeugen Dr. M vom 30.6.1993.

Mit dem Landgericht ist der Senat daher davon überzeugt, daß der Erblasser, nachdem ihn Franz-Xaver M sen. im Rollstuhl in das Zimmer des Zeugen Dr. M gebracht hatte, sich kaum mehr verständlich artikulieren, sondern nur noch lallen konnte, so daß ihm Franz-Xaver M sen. den Inhalt des beabsichtigten Testaments Wort für Wort vorgesprochen hat, wozu der Erblasser nickte. Nachdem Dr. M den Text des Testaments in seiner eigenen Formulierung seiner Sekretärin diktiert und ihn dem Erblasser vorgelesen hatte, leistete dieser eine Unterschrift. Dabei (vgl. Unterschrift auf der Anlage zu Blatt 18/22 d.A.) handelte es sich nach Meinung des Zeugen Dr. M um keine richtige Unterschrift, sondern um "Kringel". Dr. M, der auch Zweifel hatte, ob der Erblasser den Text und die Situation in vollem Umfang realisierte, äußerte nun, dies sei ihm alles zu ominös, er sei sich nicht im Klaren über die Rechtsgültigkeit dieses Testaments. Unter anderem äußerte er gegenüber dem Erblasser und dem Zeugen Franz-Xaver M sen., daß sie das Nottestament "vergessen" und umgehend einen Notar hinzuziehen oder noch besser das ganze Testament durch einen Notar machen lassen sollten. Ein Vertrauen darauf, daß er ein wirksames Testament errichtet hatte, konnte beim Erblasser aufgrund des Verhaltens des Zeugen Dr. M durch Nichtunterschreiben der Urkunde und seinen Äußerungen, wegen Zweifeln an der Rechtsgültigkeit dieses Testaments solle er einen Notar hinzuziehen bzw. das Testament durch einen Notar machen lassen, nicht entstehen. Wenn der Erblasser entsprechend dem Vorbringen des Klägers testierfähig war, den Willen hatte, ihn zur Hälfte als Erben einzusetzen und erkannt und gewollt hat, daß dies mit Hilfe des Zeugen Dr. M in dessen Zimmer beurkundet würde, war er auch in der Lage, die Äußerungen des Zeugen Dr. M zu verstehen, nämlich daß dieser Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit des Testaments hatte und entgegen seiner ursprünglichen Absicht nicht, wie es zunächst im Text der Urkunde vorgesehen war, durch Seine Unterschrift bezeugen wollte, daß er an der Errichtung eines Testaments mitgewirkt hatte. Auch der Erblasser konnte unter diesen Umständen kein Vertrauen darauf entwickeln, tatsächlich ein rechtsgültiges Testament errichtet zu haben. Da er dennoch keinen Notar hinzuzog, ist davon auszugehen, daß die Hinzuziehung eines Notars nicht gewollt war, wofür ohnehin spricht, daß das Nottestament an dem einzigen Tag, an welchem sich der Erblasser im Krankenhaus befand, im Krankenhaus gemacht werden sollte.

Der Umstand, daß Dr. M das Schriftstück trotz seiner Zweifel an dessen rechtlicher Wirksamkeit ausgehändigt hat, stellt keinen zusätzlichen Pflichtenverstoß dar und steht auch der Glaubhaftigkeit seiner Aussage, er habe Bedenken an der Rechtsgültigkeit des Testaments geäußert und auf den Notar verwiesen, nicht entgegen. Gerade wenn Zweifel an der Rechtsgültigkeit des Testaments bei Dr. M aufgetaucht waren und er deshalb dringend riet, einen Notar hinzuzuziehen bzw. das Testament durch einen Notar fertigen zu lassen, war zur Überprüfung der Rechtsgültigkeit des Testaments durch einen Notar das Vorzeigen des Schriftstücks erforderlich.

3. Der Zeuge Dr. M war nach Auffassung des Senats nicht verpflichtet, selbst dafür Sorge zu tragen, daß der Notar gerufen wurde bzw. diesen selbst zu rufen. Der Krankenhausträger hat grundsätzlich lediglich die Pflicht, dem Erblasser Gelegenheit zur Testamentserrichtung zu verschaffen und etwa insoweit bestehende Hindernisse auszuräumen. Bei einer durch Errichtung eines unwirksamen Testaments geschaffenen Gefahrenlage besteht die weitergehende Schutzpflicht, diese durch geeignete Gegenmaßnahmen zu beseitigen (BGH NJW 89, 2946).

Vorliegend hatte Dr. M ausreichend deutlich gemacht, daß er Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments hege und die Hinzuziehung eines Notars für erforderlich halte. Er hat dadurch und durch die Nichtleistung seiner auf der Testamentsurkunde vorgesehenen Unterschrift ein etwa veranlaßtes Vertrauen, er könne ein wirksames Nottestament errichten helfen, wieder beseitigt. Er durfte nach Sachlage davon ausgehen, daß der Erblasser, falls ihm an der Errichtung eines wirksamen Testaments gelegen war, den Notar holen lassen würde, zumindest überprüfen lassen würde, ob das Nottestament Wirksamkeit entfalten konnte. Der Zeuge Dr. M mußte bei diesen Gegebenheiten nicht selbst für die entsprechenden Maßnahmen sorgen. Er durfte davon ausgehen, daß der Erblasser diese über seinen Bruder Franz-Xaver M sen., der auch an ihn selbst herangetreten war, veranlassen würde und auch zuverlässig bewerkstelligen könnte, ohne daß weitere Unterstützung durch das Krankenhaus geboten war. Diese Möglichkeit bestand für den Erblasser nicht nur während der restlichen Zeit seines Krankenhausaufenthaltes am 9.6.1993, sondern auch in den zwei Tagen bis zu seinem Tode. Denn wie der Kläger selbst vorträgt, war dem Erblasser der Kontakt zu Franz-Xaver M sen. nicht abgeschnitten, sondern hat ihn letzterer nach seiner Entlassung bis zu seinem Tode zusammen mit der gemeinsamen Schwester gepflegt. Daß der Zustand des Klägers die Hinzuziehung eines Notars sinnlos hatte erscheinen lassen bzw. daß ab einem bestimmten Zeitpunkt ein solcher Zustand eingetreten wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen.

4. Mangels kausaler Pflichtverletzung durch den Zeugen Dr. M kommt es auf die Frage, ob der Erblasser die übrigen Voraussetzungen für die Errichtung eines wirksamen Nottestaments erfüllt hätte, sowie, wer die Beweislast hierfür jeweils tragen würde, nicht mehr an. Weitere Aufklärung hierzu unter Aufforderung an die Parteien zur Ergänzung ihres Sachvortrags, gegebenenfalls unter Beweisantritt, war daher nicht veranlaßt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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