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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 1 U 3940/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 139
BGB § 847 Abs. 1 a. F.
BGB § 852 Abs. 2 a. F.
1. Ein nicht ausgefülltes und nicht unterschriebenes Aufklärungsformular in der Krankenakte bildet ein Indiz nicht für, sondern gegen die Durchführung eines Aufklärungsgesprächs.

2. Wenn vor dem ärztlichen Eingriff überhaupt keine Aufklärung erfolgt, genügt für den Beginn der Verjährung eines auf eine Aufklärungspflichtverletzung gestützten Anspruchs die Kenntnis vom Eintritt schwerwiegender Komplikationen. Nicht erforderlich ist das Wissen, dass sich ein typisches Risiko des Eingriffs verwirklicht hat.


Aktenzeichen: 1 U 3940/03

Verkündet am 30.09.2004

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

erlässt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts M. durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht K. und die Richter am Oberlandesgericht R. und N. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2004 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts M. I vom 25.06.2003 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die am 10.07.1984 im Klinikum G. durchgeführte extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie und die daran anschließenden stationären Behandlungen im Klinikum G. in den Jahren 1984 und 1985 entstanden ist und künftig noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 5/13 und der Beklagte 8/13.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch den jeweiligen Gegner durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls dieser nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1936 geborene, gesetzlich bei der AOK versicherte Klägerin nimmt den Beklagten als Träger des Klinikums G. der Universität M. wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung im Jahr 1984 auf Schadenersatz in Anspruch.

Das Klinikum G. war 1984 weltweit das einzige Krankenhaus, das Nierensteinpatienten eine Behandlung mit der extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie (ESWL) anbieten konnte, bei der der Nierenstein berührungsfrei durch von einem Gerät ausgesandte, gebündelte Stoßwellen zertrümmert wird. In den Folgejahren verbreitete sich diese Methode weltweit.

Im Jahr 1983 wurde bei der Klägerin nach einer Kolik in der Urologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses A. mit einer Schlinge ein in den Harnleiter eingetretener Nierenstein entfernt und ein weiterer Kelchstein links diagnostiziert.

Der Internist Dr. W. überwies die Klägerin am 28.06.1984 zum "Ausschluss eines Hyperparathyreodismus", das heisst einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen, zur weiteren internistischen Behandlung an das Klinikum G. Am selben Tag erfolgte die stationäre Aufnahme der Klägerin in die dortige Medizinische Klinik II, wo sie sich verschiedenen Untersuchungen unterzog.

Ein konsiliarisch von den Internisten wegen einer Nephrolitihiasis (Nierensteinkrankheit) links zugezogener, namentlich nicht bekannter Urologe des Klinikums G. hielt am 06.07.1984 folgendes fest:

"Befund

IUG nicht eindeutig beurteilbar.

...

Derzeit kein Infekt

keine Beschwerden

ESWL möglich (ggf. Kompl. durch Lage (Anmerkung: schlecht leserlich, eventuell "Enge") im Kelchhals)

Indikation nur bei Beschwerden und chron Infekt. Terminsabsprache bitte mit 4741"

Der Klägerin wurde vorgeschlagen, sich einer ESWL der linken Niere zu unterziehen.

In den Krankenunterlagen des Klinikums G. befindet sich ein weder ausgefülltes noch unterschriebenes Formular einer "Einverständniserklärung" hinsichtlich einer "berührungsfreien Stoßwellensteinzertrümmerung", in dem auf "typische Gefahren wie Harnwegsinfektion, Blutung, Verletzung benachbarter Organe" hingewiesen wurde.

Am 10.07.1984 wurde bei der Klägerin die ESWL durchgeführt.

Danach kam es zum Abgang kleinerer Konkremente, nicht aber des ganzen Nierensteins.

Am 28.07.1984 erfolgte die Entlassung der Klägerin aus der stationären Behandlung.

Am 14.03.1985 wurde wiederum im Klinikum G. bei der Klägerin ein Hämatom an der linken Niere ausgeräumt, dass sich, wie in der Berufungsinstanz vom Beklagten nicht mehr bestritten wird, als Folge der ESWL gebildet hatte.

Mit Schreiben vom 28.11.1988 verzichtete die Universität M. im Namen des Beklagten auf die Einrede der Verjährung mit der Einschränkung, dass zum Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung nicht bereits Verjährung eingetreten sei.

In den Jahren 1991 und 1992 unterzog sich die Klägerin im Krankenhaus St. Joseph in Regensburg dreimal einer extrakorporalen Stoßwellen-Lithotripsie.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei vor der ESWL vom 10.07.1984 weder über Risiken und Chancen noch über Behandlungsalternativen aufgeklärt worden. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich dem Eingriff nicht, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt, unterzogen.

Die ESWL sei im Übrigen nicht indiziert gewesen und darüber hinaus nicht kunstgerecht durchgeführt worden. Abgesehen davon hätte sie wegen auftretender Komplikationen abgebrochen werden müssen. Außerdem habe die postoperative Behandlung nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprochen.

Aufgrund der fehlerhaften Behandlung habe sie sich der Operation im März 1985 unterziehen müssen. Bis dahin habe sie an erheblichen Schmerzen und Nierenkoliken gelitten. Auch später hätten die Beschwerden angedauert. Es handele sich um einen Dauerschaden, der zur Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit geführt habe. Ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000,-- DM sei angemessen.

Immaterielle Ansprüche seien nicht verjährt, da ihr am 14.03.1985 nur bekannt gewesen sei, dass das Hämatom durch die EWSL verursacht worden sei. Ihre ständige Behandlungsbedürftigkeit habe sie jedoch bis zum Einredeverzicht durch den Beklagten nicht darauf zurückgeführt. Die Klägerin hat beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die am 10.07.1984 im Klinikum G. durchgeführte extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie und im Klinikum G. in den Jahren 1984 und 1985 durchgeführten stationären Behandlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Dritte übergegangen ist.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgebracht, die Einwilligung der Klägerin in die Behandlung sei wirksam. Sie sei über die Risiken der ESWL aufgeklärt worden. Ein Entscheidungskonflikt habe nicht bestanden.

Die ESWL sei die Methode der Wahl gewesen. Sie habe für die Klägerin nicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt. Die ESWL sei das risikoärmste, aber erfolgreichste Verfahren. Es wäre grob fehlerhaft gewesen, der Klägerin zu einer Operation zu raten, bei der deutlich höhere Risiken bestanden hätten.

Die ESWL habe Erfolg gehabt, da der diagnostizierte Stein zertrümmert worden sei. Die von der Klägerin in der Folgezeit geschilderten Beeinträchtigungen seien nicht auf die ESWL-Behandlung zurückzuführen.

Der Beklagte hat zudem mit der Begründung, die Klägerin habe spätestens am 14.03.1985 Kenntnis von der angeblich nicht ordnungsgemäßen Aufklärung und dem Hämatom gehabt, die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht M. I wies die Klage mit Endurteil vom 11.12.1995 ab. Auf die Berufung der Klägerin hob der Senat am 21.11.1996 dieses Urteil auf und verwies das Verfahren an das Landgericht zurück.

Mit Urteil vom 25.06.2003 gab das Landgericht M. I der Klage nach einer umfangreichen Beweiserhebung hinsichtlich eines Schmerzensgeldbetrags von 9.000,-- EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit 14.07.1993 statt. Im Übrigen - also auch hinsichtlich der begehrten Feststellung - wies es die Klage ab.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der drei genannten Entscheidungen Bezug genommen.

Die Klägerin verfolgt im Wege der Berufung, soweit die Klage abgewiesen wurde, ihr Begehren weiter.

Die Klägerin bringt vor, der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. habe sich nicht mit den abweichenden Auffassungen der Privatgutachter Dr. A., Dr. H. und Dr. B. auseinandergesetzt. Das Landgericht habe sich formelhaft auf die Ausführungen von Prof. Dr. B. gestützt, ohne den Widersprüchen zu den Privatgutachten wirklich inhaltlich nachzugehen.

Die ESWL sei nicht die Methode der Wahl gewesen. Erforderlich wäre ein konservatives Zuwarten mit der Aussicht auf Spontanabgänge der Kelchsteine gewesen. Hierauf hätte die Klägerin insbesondere nach den Befunden des urologischen Konsils vom 06.07.1984 hingewiesen werden müssen. Eine Behandlung im Intervall im Sinne eines jahrelangen Abwartens sei nach Prof. Dr. B. möglich gewesen.

Für die erst 1982 eingeführte ESWL habe es an gesicherten Erkenntnissen über langfristige und akute Komplikationsraten gefehlt, was an die Aufklärung höchste Anforderungen stelle.

Das von der Beklagten 1984 eingesetzte Gerät habe mit der doppelten Energie gearbeitet wie das Nachfolgemodell ein Jahr später.

Die präoperative Diagnostik sei mangelhaft, da das vorliegende AUG nicht eindeutig beurteilbar gewesen sei.

Die bei der Klägerin bestehende Kelchhalsenge habe eine eindeutige Kontraindikation dargestellt.

Die ESWL sei auch deshalb kontraindiziert gewesen, weil die Klägerin beschwerde- und infektfrei gewesen sei. Dies belege das urologische Konsil vom 06.07.1984, aus dem sich ergebe, dass eine EWSL nur bei Vorliegen von Beschwerden und chronischem Infekt hätte durchgeführt werden dürfen. Die Meinung von Prof. Dr. B., eine ESWL könne nur bei Fehlen eines Harnweginfekts erfolgen, sei unhaltbar.

Es sei zumindest wahrscheinlich, dass die EWSL bei der Klägerin aus wissenschaftlichem Interesse durchgeführt worden sei.

Die ESWL habe ein intrarenales Hämatom verursacht und dadurch bedingt zu ständigen Schmerzuständen geführt.

Durch die ESWL sei es zu einer Narbenbildung der linken Niere gekommen, die mit dem Eingriff vom 14.03.1985 verstärkt worden sei.

Auch nach dem Eingriff vom 14.03.1985 leide die Klägerin unter anhaltenden Schmerzen im Nierenbereich. Dies habe zu Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit geführt. Es liege ein nephrogenes Schmerzsyndrom vor.

Die Schmerzen seien entgegen der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. B. auf die ESWL zurückzuführen, wie sich aus den Befunden verschiedener Ärzte von 1987 bis heute ergebe.

Es müssten psychologische und arbeitsmedizinische Gutachten erholt werden. Zur Behandlung dieser Fragen fehle Prof. Dr. B. die Kompetenz.

Ein Schmerzensgeld von mindestens 25.000,-- EUR sei angemessen und erforderlich.

Die Klägerin beantragt:

Unter Abänderung des am 25.06.2003 verkündeten Urteils des Landgerichts M. I - 9 O 12958/93 -

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein über den zugesprochenen Betrag von 9.000,00 EUR hinausgehendes angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen hieraus seit 14.07.1993 zu bezahlen.

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die am 10.07.1984 im Klinikum G. durchgeführte extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie und durch die daran anschließenden stationären Behandlungen im Klinikum G. in den Jahren 1984 und 1985 entstanden ist und künftig noch entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Der Beklagte bringt vor, die ESWL habe sich 1984 nicht mehr in der Erprobungsphase befunden. Es seien zum damaligen Zeitpunkt bereits mehr als 1000 Patienten mit dieser behandelt worden.

Die Klägerin verschweige im Prozess, dass sie schon vor der ESWL vom 12.07.1984 mit der Niere und Nierensteinen Probleme, darunter Koliken, gehabt habe.

Die Schmerzen der Klägerin seien nicht auf das Hämatom und dessen Entfernung zurückzuführen.

Die von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten von Dr. A. und Dr. B. seien unwissenschaftlich und polemisch.

Die von der Klägerin vorgelegten Arztbriefe enthielten hinsichtlich der Frage der Ursache ihrer Schmerzen allenfalls Vermutungen. Diese seien auf die Grunderkrankung und nicht auf eine Narbenbildung der Niere nach der ESWL zurückzuführen.

Die Klägerin sei erwerbs- und arbeitsfähig.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Beklagte:

Das Urteil des LG M. I Az: 9 O 12958/93 wird abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 139 ZPO nicht darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht der Nachweis der Aufklärung der Klägerin vor dem Eingriff am 10.07.1984 gefehlt habe. In Verbindung mit den verwendeten Standardformularen mit den darin enthaltenen Hinweisen auf Harnwegsinfektion, Blutung und Verletzung benachbarter Organe komme der Feststellung einer ständigen Aufklärungspraxis eine starke Indizwirkung für den Inhalt des stattgefundenen Aufklärungsgesprächs zu. Alle Patienten seien 1984 von den Ärzten Dr. L., Dr. B. und einer anderen Ärzten generell vollständig und sorgfältig, auch über gegebenenfalls erforderliche Folgemaßnahmen, aufgeklärt worden. Die Klägerin selbst habe das Aufklärungsgespräch im Laufe des Prozesses widersprüchlich dargestellt.

Die Klägerin habe keinen ernsthaften Entscheidungskonflikt vorgetragen. Es sei nicht plausibel, dass sie sich nicht mit ihrem Hausarzt besprochen habe, da sie hierzu mehrere Tage Zeit gehabt habe. Ein konservativer Therapieversuch habe keine echte Behandlungsalternative dargestellt. Erst recht hätte die Klägerin sich nicht auf eine Pyelolithomie eingelassen. Gegen einen Entscheidungskonflikt der Klägerin spreche auch, dass sie sich im Klinikum Regensburg dreimal einer Stoßwellenlithotripsie unterzogen habe.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Anschlussberufung.

Sie ist der Auffassung, dass das Landgericht hinsichtlich der Aufklärungsfrage seine Hinweispflicht nicht verletzt habe.

Ein Aufklärungsgespräch mit der Klägerin im eigentlichen Sinne habe niemals stattgefunden.

Wegen ihres stationären Aufenthalts in M. sei es der Klägerin unmöglich gewesen, sich mit ihrem Hausarzt zu besprechen.

Bezüglich des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen verwiesen auf die Schriftsätze der Klägerin vom 13.10.2003 (Bl. 458/470 d. A.), 27.10.2003 (Bl. 472/473 d. A.), 14.11.2003 (Bl. 500b d. A.), 17.11.2003 (Bl. 495/500 d. A.), 14.06.2004 (Bl. 545/552 d. A.), 28.06.2004 (Bl. 556/559 d. A.), 17.09.2004 (Bl. 592/596 d. A.) und 23.09.2004 (Bl. 597 d. A.) sowie des Beklagten vom 11.11.2003 (Bl. 474/494 d. A.), 15.06.2004 (Bl. 554/555 d. A.), 15.07.2004 (Bl. 560/562 d. A.) und 25.08.2004 (Bl. 590/591 d. A.).

Im Termin vom 27.11.2003 hörte der Senat die Klägerin persönlich informatorisch an (Sitzungsniederschrift (Bl. 502/505 d. A.) und wies darauf hin, dass aus seiner Sicht der auf Aufklärungspflichtverletzung gestützte deliktische Anspruch verjährt sei.

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Erholung schriftlicher Ergänzungsgutachten von Prof. Dr. B. vom 23.04.2004 (Bl. 517/539 d. A.), vom 14.07.2004 (Bl. 563/577 d. A.) und vom 19.07.2004 (Bl. 578/580 d. A.) sowie dessen mündliche Anhörung im Termin vom 22.07.2004 (Sitzungsniederschrift Bl. 583/586 d. A.), bei dem der Privatgutachter der Klägerin, Dr. B., anwesend war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Feststellungsantrags richtet. Dagegen steht ihr gegen den Beklagten kein Schmerzensgeldanspruch nach § 847 Abs. 1 BGB a. F. zu. Insoweit ist die Anschlussberufung des Beklagten begründet.

Wie das Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Beklagte eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung der Klägerin nicht hat nachweisen können. Deliktische, auf die Aufklärungspflichtverletzung gestützte Ansprüche sind indes verjährt.

Der auf den Ersatz des materiellen Schadens gerichtete Feststellungsantrag ist begründet, da wahrscheinlich ist, dass die Klägerin aufgrund der ESWL und des als Folge aufgetretenen Hämatoms eine Einkommenseinbuße in irgendeiner Höhe erlitten hat oder sonst Aufwendungen tragen musste.

Ein Behandlungsfehler kann den Ärzten des Klinikums G. nicht nachgewiesen werden, so dass es nicht darauf ankommt, ob deliktische Ansprüche auch insoweit verjährt sind. 1) Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch aus dem Behandlungsvertrag auf Ersatz des ihr durch die Durchführung der EWSL am 10.07.1984 entstandenen materiellen Schadens zu.

a) Der Beklagte konnte nicht nachweisen, dass vor dem 10.07.1984 ein Aufklärungsgespräch mit der Klägerin stattgefunden hat.

aa) Über die in der formularmäßigen Einverständniserklärung bezeichneten Risiken hätte unstreitig aufgeklärt werden müssen. Das gleiche gilt nach den Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. B. für das Risiko der Entwicklung eines Hämatoms, das bereits 1984 bekannt war, sowie für Behandlungsalternativen. Konkrete Einwendungen hat der Beklagte insoweit nicht erhoben.

bb) Der Senat hat ernsthafte Zweifel, dass die geschuldete Aufklärung erfolgt ist. Die Beweislastentscheidung des Landgerichts ist richtig.

Dass sich in der Krankenakte der Klägerin eine weder ausgefüllte noch unterschriebene "Einverständniserklärung" befindet, spricht entgegen der Auffassung des Beklagten eher gegen die Durchführung eines Aufklärungsgesprächs als dafür.

Das Formular belegt, dass standardisierte Aufklärungsgespräche über die "berührungsfreie Stoßwellensteinzertrümmerung" im Jahr 1984 im Klinikum G. üblich waren, wofür der Beklagte zudem Zeugenbeweis angeboten hat. Im Zusammenhang mit einem ausgefüllten und unterschriebenen Aufklärungsbogen reichen glaubhafte Zeugenangaben zum üblichen Inhalt eines Aufklärungsgesprächs in der Regel zum Nachweis der Aufklärung aus. Die Beweisanforderungen an die Behandlerseite dürfen nicht überspannt werden, da sich erfahrungsgemäß niemand nach Jahren noch an berufliche Routinevorgänge, die sich hundert- oder tausendfach wiederholen, konkret erinnern kann.

Der vorliegende Fall liegt jedoch A.. Die fehlende Ausfüllung des Formulars bildet ein deutliches Indiz dafür, dass es im konkreten Fall nicht verwendet wurde. Existiert aber ein derartiges, sogar auf den speziellen Eingriff zugeschnittenes Blatt, spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der aufklärende Arzt es beim Aufklärungsgespräch benützt. Damit besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass die vom Beklagten geschilderte standardisierte umfassende Aufklärung im konkreten Fall versehentlich unterblieben ist.

Die Klägerin hat seit Prozessbeginn das Fehlen der Risikoaufklärung behauptet. Ihre Angaben Termin vom 23.06.1997 vor dem Landgericht (Bl. 222/223 d. A.) über ein Gespräch mit einem Urologen über den Befund und die Vorteile der ESWL bilden entgegen der Auffassung des Beklagten kein Indiz dafür, dass eine Aufklärungsgespräch erfolgt ist. Ebenso wenig lässt sich aus Unstetigkeiten im Sachvortrag der Klägerin während des viele Jahre andauernden Prozesses darauf schließen.

b) Das Vorliegen eines Entscheidungskonfliktes bei ordnungsgemäßer Aufklärung hat das Landgericht zu Recht bejaht, auch wenn Zweifel verbleiben. Der Senat hat die Klägerin hierzu nochmals befragt.

Der Beklagte konnte keinen Beweis dafür anbieten, dass die Klägerin im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Nachweise bei Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Aufl, Randnr. 442) muss der Patient jedoch, wenn eine Ablehnung der Behandlung medizinisch unvernünftig gewesen wäre oder bei Nichtbehandlung gar gleichartige Risiken mit höherer Komplikationsdichte bestanden hätten, plausible Gründe dafür darlegen, dass er sich bei erfolgter Aufklärung in einem wirklichen Entscheidungskonflikt befunden haben würde.

Es genügt aber nicht, dass ein Eingriff vital indiziert war und ein vernünftiger Patient ihn nicht abgelehnt hätte. Der Richter darf nicht durch zu hohe oder zu stark am "verständigen" Patienten ausgerichtete Anforderungen an die Plausibilität des Entscheidungskonflikts Wesen und Zweck der Aufklärung verfehlen, individuelle Entscheidungsräume zu sichern, oder die Beweislast auf den Patienten zu schieben (Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 8. Aufl., Randnr. 441 ff unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH).

Die Erklärung der Klägerin im Termin vom 27.11.2003, sie hätte sich 1984 lieber operieren lassen, als sich einer ESWL zu unterziehen, erscheint zwar zweifelhaft. Es spricht viel dafür, dies als eine am gewünschten Prozessergebnis orientierte Aussage zu werten.

Die Operation bildete jedoch nicht die einzige (schlechte) Alternative zur ESWL. Im vorliegenden Fall war eine konservative Behandlung denkbar. Es handelte sich dabei nach Prof. Dr. B. zwar um eine therapeutisch - bezogen auf die Beseitigung des Nierensteins - zweitrangige Alternative, andererseits aber fielen die Risiken der ESWL weg. Hinzu kommt die Erwägung des Landgerichts, dass es sich bei der ESWL um ein neuartiges Verfahren handelte. Dass sich die Klägerin bei klarer Bezeichnung der Risiken, den Eingriff noch einmal ernsthaft überlegt hätte, vermag der Senat nicht auszuschließen, zumal sie in A. schon einmal erfolgreich behandelt worden war. Dabei kommt es letztlich nicht darauf an, ob und gegebenenfalls wen sie noch für die Entscheidungsfindung zu Rate gezogen hätte.

c) Es ist wahrscheinlich, dass durch die Komplikationen der ESWL materielle Schäden der Klägerin in irgendeiner Höhe entstanden sind.

Bezogen auf die Schadensentstehung genügt bei der positiven Feststellungsklage der Nachweis der Wahrscheinlichkeit (Zöller/Greger, 24. Aufl., § 256 ZPO Randnr. 18 m. w. N.) irgendeines Schadens. Dieser ergibt sich im vorliegenden Fall schon daraus, dass die Klägerin, als sie sich wegen der erforderlichen Entfernung des Hämatoms am 14.03.1985 in stationärer Behandlung befand, nicht in ihrer Landwirtschaft arbeiten konnte.

Die Begründung, mit der das Landgericht den Kausalitätsnachweis verneint hat, erscheint dem Senat demgemäß nicht tragfähig. Es trifft zwar zu, dass der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. aus urologischer Sicht die Auslösung eines Dauerschadens und ständiger Schmerzen durch die ESWL und das durch sie auch nach seiner Auffassung verursachte Hämatom als unwahrscheinlich angesehen und auf die daneben vorliegenden urologischen, orthopädischen und psychischen Probleme der Klägerin verwiesen hat. Er hat jedoch erklärt, zur Beantwortung nichturologischer Fachfragen müssten Gutachten entsprechender Fachleute erholt werden. Zudem hat er das Auftreten von Schmerzen nach einer Nierenoperation (wie am 14.03.1985) zumindest über Wochen als wahrscheinlich angesehen.

Der Erholung weiterer psychiatrischer, psychologischer und arbeitsmedizinischer Gutachten bedarf es im vorliegenden Prozess nicht. Die Klägerin hat ihren angeblichen materiellen Schaden bewusst nicht beziffert. Nur im Falle einer Leistungsklage, die eine substantiierte Darstellung der von ihr bedingt durch die Komplikationen der ESWL nicht erbrachten Arbeitsleistungen enthielte, könnten und müssten entsprechende Gutachten erholt werden.

2) Der auf eine Aufklärungspflichtverletzung gestützte Schmerzensgeldanspruch nach § 847 Abs. 1 BGB a. F. ist verjährt.

Es gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 2 BGB a. F.

Die Verjährung begann vor dem 28.11.1985, das heisst mehr als drei Jahre vor dem nur auf die Zukunft bezogenen Einredeverzicht des Beklagten vom 28.11.1988, zu laufen. Die Klägerin wusste nach ihrem eigenen Vorbringen im Termin vom 27.11.2003 schon zum Zeitpunkt der ESWL im Juli 1984, dass das zugesagte Aufklärungsgespräch überhaupt nicht erfolgt war. Zugleich waren nach ihren Angaben bis zum 28.11.1985 bereits schwerwiegende Komplikationen eingetreten.

a) Die Verjährung von Aufklärungspflichtverletzungen hängt von der Kenntnis des Patienten von der eingetretenen Komplikation ab. Hinsichtlich des konkreten Umfangs der Aufklärungspflicht muss er sich erkundigen.

Aufklärungsansprüche aus Aufklärungsversäumnissen können zu anderer Zeit verjähren als solche aus Behandlungsfehlern (Steffen/Dressler, a. a. O. Randnr. 487; Geiss/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl. D II Randnr. 11/12 m. w. N.).

In seiner Zurückverweisung vom 21.11.1986 hat der Senat die Frage der Verjährung immaterieller, auf die behauptete Aufklärungspflichtverletzung gestützter Ansprüche offengelassen. Soweit die Ausführungen auf S. 10 dieser Entscheidung von der Rechtssauffassung geprägt sein könnten, die Verjährung setze im konkreten Fall das Wissen voraus, es handele sich bei der eingetretenen Komplikation um ein typisches Risiko des Eingriffs, hält der Senat hieran nicht fest.

Die Voraussetzungen des Verjährungsbeginns sind laut Gehrlein, Leitfaden zur Arzthaftpflicht, D 9, dem sich der Senat anschließt, die Feststellung eines Schadens und die Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich die Aufklärungspflicht ergibt. Gehrlein bemerkt hierzu "Allerdings ist dem Geschädigten in solchen Fällen die Pflicht aufzubürden, sein Wissen durch einfache zumutbare Maßnahmen zu vervollständigen. A. als bei Behandlungsfehlern trifft den Patienten bei Aufklärungsmängeln also eine Erkundigungspflicht zum Umfang der der Aufklärungsbedürftigkeit. Erleidet ein Patient infolge einer Bestrahlung Folgeschäden, so hat er bei einem Fachmann entsprechende Nachfragen über die Aufklärungsbedürftigkeit zu halten. Versäumt er dies nach Auftreten der Dauerschäden, so beginnt die Verjährungsfrist zu laufen" (Gehrlein a. a. O., ähnlich Geiss/Greiner a. a. O. Randnr. 11 m. w. N.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 823). b) Im vorliegenden Fall ist nach dem Vorbringen der Klägerin nicht einmal eine Grundaufklärung erfolgt, sondern das zugesagte Aufklärungsgespräch aus welchen Gründen auch immer nicht durchgeführt worden. Der Eintritt von Komplikationen war der Klägerin von Anfang an bekannt

Die Klägerin hat vom behandelnden Internisten Dr. M. nach ihren Angaben noch am Tag der ESWL erfahren, dass es bei dieser zu lebensgefährlichen Komplikationen gekommen sei. Sie habe Schmerzen gehabt und brechen müssen. Dr. M. habe einen Spezialisten für Ultraschall verständigt, der gesagt habe, möglicherweise handele es sich um einen Bluterguss.

Am 18./24 07.84 ist laut dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klägerin der Bluterguss nachgewiesen und strenge Bettruhe verordnet worden (Schriftsatz vom 24.11.1993 Bl. 31 d. A.)

Die Klägerin hat nach ihren Angaben an starken andauernden Schmerzen gelitten.

Gemäß Schriftsatz vom 21.07.1998 (Bl. 284 d. A.) warnte Dr. B. vom Klinikum G. im Februar 1985 die Klägerin vor einem Tod durch "Platzen" des Blutergusses. Am 20.02.1985 erhielt die Klägerin, wie im Schriftsatz vom 27.03.1998 (Bl. 259 d. A.) vorgebracht wird, einen anonymen Anruf einer Frau, die erklärte: "Wir haben eben den Arztbrief erhalten. Da muss ja allerhand passiert sein. Sie haben ja einen riesigen Bluterguss an ihrer linken Niere und es geht Ihnen nicht gut. ... Das alles ist für Sie lebensbedrohlich und furchtbar. Da werden Sie ja vielleicht gar nicht mehr gesund."

Am 14.03.85 erfolgte die Entfernung des Hämatoms. Die Klägerin gibt an, danach nicht beschwerdefrei gewesen zu sein. Sie habe ständig Schmerzen und Fieber beziehungsweise erhöhte Temperatur gehabt.

Insgesamt zeigt sich nach dem Vorbringen der Klägerin das Bild massivster dauernder Beschwerden nach der Durchführung der ESWL schon vor dem 28.11.1985, über deren Bedrohlichkeit sie sogar durch einen anonymen Anruf informiert wurde.

Die Klägerin hat sich auf den Hinweis des Senats im Termin vom 27.11.2003 zur Verjährungsproblematik nicht mehr geäußert. In der ersten Instanz hat sie vorgebracht, Verjährung könne nicht eingetreten sein, weil sie von den konkreten Risiken der ESWL erst aus dem Schriftsatz des Beklagten vom 08.10.1993 erfahren habe. Dies ist nach der zitierten Auffassung von Gehrlein, die der Senat teilt, jedoch nicht entscheidend, da den Patienten eine Erkundigungspflicht trifft. Im vorliegenden Fall kommt jedoch hinzu, dass die Klägerin dieses Wissen überhaupt nicht benötigte. Nach ihrem Vortrag - von dem der Senat zu ihren Gunsten ausgeht, sonst würde auch eine vertragliche Haftung ausscheiden - war das Aufklärungsgespräch überhaupt nicht erfolgt. Wegen des Fehlens einer Grundaufklärung spielte es für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen keine Rolle, welche Komplikationen ihr konkret nicht genannt worden waren (so auch Geiss/Greiner a. a. O. Randnr. 12 m. w. N.).

Auf die Kenntnis vom genauen Umfang der Folgeschäden kommt es nicht an (Steffen/Dressler a. a. O. Randnr. 485).

3) Ein Behandlungsfehler lässt sich den behandelnden Ärzten im Klinikum G. nicht nachweisen, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat. Dies gilt auch für die Vorwürfe, die die Klägerin im Berufungsverfahren aufrechterhalten hat.

a) Die ESWL war die Methode der Wahl.

Invasive Verfahren (perkutane Litholapaxie und offene operative Maßnahmen) hatten gegenüber der ESWL deutlich höhere Komplikationsraten, wie der Sachverständige Prof. Dr. B. in seinen Gutachten mehrfach überzeugend dargestellt hat. In der Berufung hat die Klägerin nicht mehr auf die Vorzugswürdigkeit dieser Alternativen abgestellt, sondern unter Unterstützung durch ihren Privatgutachter Dr. B. und Bezugnahme auf das urologische Konsil vom 06.07.1984 zu beweisen versucht, dass bloßes Abwarten der EWSL vorzuziehen gewesen wäre (was mit gewissen Variationen auch dem Vorbringen der früheren Privatgutachter Dr. A. und Dr. H. entspricht).

Dies ist jedoch nicht der Fall.

Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat den in den achtziger Jahren eingetretenen Meinungswechsel in der Wissenschaft in seinem Ergänzungsgutachten vom 23.04.2004 dargestellt. Man verfügte damals nach der Einführung der ESWL über eine Methode, mit der sich Nierenkelchsteine deutlich weniger risikoreich als bisher behandeln ließen. Die Unwägbarkeiten bloßen Abwartens, das zuvor angesichts der Risiken invasiver Maßnahmen in Betracht gekommen wäre, wie Steinvergrößerung, Einklemmung und (Wiederaufflammen einer) Infektion, ließen sich durch eine erfolgreiche ESWL ausschalten.

Wie Prof. Dr. B. ausführte, bestand sogar - verständlicherweise - eine gewisse Euphorie aufgrund des erreichten Fortschritts, was zu einer breiteren Indikationsstellung bei asymptomatischen Kelchsteinen geführt habe, als sie heute üblich sei.

Bei der Klägerin habe jedoch kein asymptomatischer Verlauf vorgelegen, da bei ihr Koliken und ein Harnwegsinfekt aufgetreten seien und endoskopisch 1983 ein Stein entfernt werden musste. Für einen länger andauernden Infekt spreche, dass der 1984 zertrümmerte Stein Kalziumphosphat enthalten habe. Zudem habe der Verdacht auf eine Fehlfunktion der Nebenschilddrüsen auf ein fortdauerndes Steinleiden gedeutet.

Ein akuter Harnwegsinfekt ist wegen der Gefahr einer Exazerbation eine Kontraindikation für die ESWL, der chronische Infekt ohne akute Zeichen jedoch nicht. Diese Aussage von Prof. Dr. B. entspricht den aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Urologie zur extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie, wie mit den Parteien im Termin vom 22.07.2004 erörtert wurde.

Das dokumentierte urologische Konsil vom 06.07.1984 spricht nicht gegen die Durchführung der EWSL. Den medizinischen Laien irritiert zwar der scheinbare Widerspruch zwischen der darin enthaltenen Feststellung, dass derzeit kein Infekt und keine Beschwerden vorlägen, eine ESWL aber dennoch möglich sei, obwohl es zugleich heisst "Indikation nur bei Beschwerden und chron. Infekt". Prof. Dr. B. hat in seiner mündlichen Anhörung am 22.07.2004 jedoch überzeugend dargestellt, dass der Konsiliarius nicht von einer ESWL abgeraten hat. Vielmehr handelt es sich einerseits um die Feststellung des Fehlens eines akuten Infekts als Ausschluss einer Kontraindikation und andererseits die Angabe der notwendigen Indikation, Beschwerden und chronischem Infekt in Abgrenzung zum asymptomatischen Nierenstein andererseits. Die sehr kurzen Angaben im Befund sind in der Tat für den Nichtfachmann schwer verständlich, entsprechen aber, wie der Sachverständige Prof. Dr. B. ausführte, der üblichen, offenbar sehr knappen Ausdrucksweise im urologischen klinikinternen Konsiliardienst. Dr. B. hat die Interpretation des gerichtlichen Sachverständigen zwar in Zweifel gezogen. Mit seiner Meinung, die Indikation der ESWL sei verneint worden, lässt sich aber weder die Feststellung "ESWL möglich" noch der Vermerk "Terminabsprache bitte mit 4741" verbinden. Dagegen passen diese Angaben zur Deutung von Prof. Dr. B..

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der von Prof. Dr. B. verwendete Begriff der "Behandlung im Intervall" verständlich und im Sinne einer ärztlichen Maßnahme in einem Zeitraum ohne akuten Harnwegsinfekt und Schmerzen zu verstehen. Die Ausdrucksweise des Sachverständigen gleicht der Definition in Pschyrembel/ Klinisches Wörterbuch als "ruhige Zwischenzeit; z. B. das fieberfreie I. bei Malaria", worauf der Senat im Termin vom 22.07.2004 hingewiesen hat. Die Behandlung im Intervall entspricht damit der EWSL bei dem im urologischen Konsil vom 06.07.1984 beschriebenen Zustand, wie der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 14.07.2004 und seiner mündlichen Anhörung darlegte.

Die Lage des Steines sprach nicht gegen die ESWL. Prof. Dr. B. demonstrierte bei seiner Anhörung am 22.07.2004 anhand der Röntgenaufnahmen und mit einer Zeichnung anschaulich, dass bei Nierensteinen im unteren Kelchbereich der Abgang der zertrümmerten Konkremente aus physikalischen Gründen (Schwerkraft) problematisch ist, der mit einem Röntgenstrahl maschinell angezielte Stein aber im oberen/mittleren Bereich der Niere liegt.

Eine von Dr. B. angenommene Kelchhalsstenose, die den Steinabgang verhinderte, lag nicht vor. Auch bei einem schmalen Kelchhals ist, wie der Sachverständige Prof. Dr. B. in seinem Ergänzungsgutachten vom 23.04.2004 durch die Literatur belegte, bei dieser Lage des Steines die Indikation für die ESWL gegeben. Bestätigt werde dies nicht nur durch den Abgang kleinerer Konkremente, sondern auch die erfolgreiche Behandlung desselben Nierensteins in den Jahren 1991/92, was bei einem Verschluss des Kelchhalses nicht möglich gewesen wäre. Es sei unmöglich, dass sich eine bindegewebig fixierte Kelchhalsstenose nach Jahren zurückbilde, so dass wieder Passagefreiheit eintrete. Die Ausscheidungsurogramme des Klinikums G. nach der ESWL zeigten zudem keinen Aufstau oder Anhalt für eine Kelchzyste mit Stenose. Auf die Aussagekraft des dem Konsiliararzt am 06.07.1984 vorliegenden auswärtigen AUG - das dem Sachverständigen nicht zur Verfügung stand - komme es deshalb im Ergebnis nicht an. Irgendwelche konkreten Einwendungen der Klägerin beziehungsweise der von ihr beigezogenen Experten sind zu diesen einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen nicht erfolgt.

Eine generell hinreichende klinische Erfahrung der Ärzte des Klinikums G. mit der ESWL im Jahr 1984 hat der Sachverständige Prof. Dr. B., der die Entwicklung als ausgesprochener Experte für Nierensteine damals mitverfolgte, bejaht. Die Risiken der neuen Methode waren schon bekannt. Bei der Klägerin wurde bereits ein Gerät der zweiten Generation eingesetzt. Nachvollziehbares Vorbringen über eine etwa fehlende konkrete Qualifikation der Behandler der Klägerin ist nicht ersichtlich.

Für die Behauptung der Klägerin, die Nierensteinzertrümmerung sei bei ihr nur aus wissenschaftlichem Interesse erfolgt, mangelt es an jeglichem nachvollziehbaren konkreten Anhaltspunkt.

b) Bei der Durchführung der ESWL sind ebenfalls keine Behandlungsfehler nachweisbar.

Die Röntgenzielführung erfolgte korrekt auf das Konkrement in der oberen Hälfte der linken Niere, wie der Sachverständige Prof. Dr. B. darlegte. Dies wird durch den gesicherten Abgang von Steintrümmern bestätigt.

Laut Prof. Dr. B. handelte es sich bei dem bei der Klägerin eingesetzten Seriengerät HM II nicht mehr um ein Gerät der ersten Instrumentengeneration, die eine geringfügig höhere Energiemenge verwendet hätten, sondern um ein Folgemodell. Die abgegebenen 800 Impulse (Stöße) bei 18 KV stellten keine überhöhte Energiemenge dar.

Der Senat sieht wie die das Landgericht keine Notwendigkeit, einen weiteren urologischen Sachverständigen heranzuziehen. Prof. Dr. B., Ordinarius für Urologie an der Universität T., hat sich in seinen Ergänzungsgutachten und bei seiner Anhörung in der Berufungsinstanz mit dem Vorbringen der Klägerin und den Einwänden der Privatgutachter kenntnisreich und umfassend auseinandergesetzt. Seine deutlich geäußerte Meinung hinsichtlich der Qualität der Privatgutachten lässt nicht auf Voreingenommenheit gegenüber der Klägerin schließen. Die Gutachten von Prof. Dr. B. sind keineswegs durchgehend ungünstig für sie, wie seine Ausführungen zur Aufklärungspflicht und zur Kausalität der EWSL für das Hämatom zeigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 ZPO und ergibt sich aus der Bewertung von Feststellungsantrag einerseits und Schmerzensgeld andererseits.

Die Vollstreckungsentscheidung ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.

Die Auffassung des Beklagten zur grundsätzlichen Bedeutung der späteren Einwilligung in gleichwertige Folgeoperationen (Schriftsatz vom 11.11.2003 Bl. 487 d. A.) teilt der Senat nicht. Es ist eine Frage des Einzelfalls, welche Folgerungen sich aus der Zustimmung des Patienten zu einem späteren vergleichbaren Eingriff für die Frage des Entscheidungskonflikts ziehen lassen. Das gilt gerade für eine Methode wie die ESWL, die sich zwischen der Anwendung in M. 1984 und der in Regensburg 1991 rasch verbreitet hat.

Ende der Entscheidung

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