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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.06.2001
Aktenzeichen: 1 W 1307/01
Rechtsgebiete: GVG, BGB, VwGO


Vorschriften:

GVG § 17 a
BGB § 426
BGB § 839
BGB § 840
VwGO § 40
Erstreben öffentlich-rechtliche Körperschaften nach einem zu Schadensersatz verpflichtenden Ereignis untereinander Ausgleich, ist hierfür der ordentliche Rechtsweg eröffnet, wenn die Körperschaften für denselben, auf Amtspflichtverletzung beruhenden Schaden gesamtschuldnerisch haften, nicht jedoch, wenn im Außenverhältnis nur eine der Körperschaften einzustehen hat.

Die Anstellungskörperschaft eines Beamten haftet dem geschädigten Dritten gegenüber dann nicht, wenn der Beamte - wie im Fall der Abordnung - bei Durchführung der ihm anvertrauten Aufgaben voll in die Tätigkeit einer anderen, ersuchenden und weisunggebenden Körperschaft eingebunden ist.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 1 W 1307/01

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung hier: Zulässigkeit des Rechtswegs

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 7.6.2001

folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 21.3.2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 900.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten zu 1) und 2), gestützt auf die Vorschrift zum Gesamtschuldnerausgleich (§ 426 BGB) die samtverbindliche Zahlung von 2.746.462,41 DM.

Diesen Betrag hat der Kläger zur Beseitigung der Schäden aufgewendet, die daraus entstanden, dass bei einer auf dem Gelände der V GmbH am 19.10.1996 durch das Landratsamt M als unterer Katastrophenschutzbehörde durchgeführten Katastrophenschutzübung infolge eines hierbei zu simulierenden, jedoch dann ausgebrochenen und außer Kontrolle geratenen Brandes eine Halle vernichtet wurde. Bei der Übung hatte der Beklagte zu 2), damals Brandoberinspektor bei der Beklagten zu 1), als "Schiedsrichter" mitgewirkt und auch, wobei die näheren Umstände hierzu streitig sind, mittels vom Landratsamt zur Verfügung gestellter Rauchpulver und bengalischer Flammen den Brand simuliert. Die Beklagte zu 1) hatte den Beklagten zu 2) sowie einen weiteren Beamten auf ein Schreiben des Landratsamts M vom 8.8.1996 (Anl. B1), in dem um Prüfung gebeten wurde, ob die Einrichtung des bei der Übung benötigten Schiedsrichterdienstes mit zwei Kollegen der Branddirektion der Beklagten zu 1) unterstützt werden könnte, zur Verfügung gestellt.

Der Beklagte zu 2) wurde im Zusammenhang mit dem Brandgeschehen wegen fahrlässiger Brandstiftung rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt.

Der Kläger ist der Auffassung, er hatte der V GmbH gegenüber im Außenverhältnis aufgrund enteignungsgleichen Eingriffs.

Ebenfalls im Außenverhältnis würden jedoch beide Beklagte samtverbindlich aufgrund schuldhafter Amtspflichtverletzung gemäß §§ 839, 840 BGB, Art. 34 GG haften.

Im Innenverhältnis gegenüber dem Kläger hätten die beiden Beklagten allein den Schaden zu tragen und seien dem Kläger für dessen Aufwendungen zu 100 % ausgleichspflichtig.

Das Landgericht hält hinsichtlich der Beklagten zu 1) den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für nicht eröffnet und hat auf Hilfsantrag des Klägers deshalb mit Beschluss vom 21.3.2001 das Verfahren gegen die Beklagte zu 1) abgetrennt, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten hinsichtlich dieser Beklagten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit insoweit an das Verwaltungsgericht München verwiesen (Bl. 50 d. A.).

Hiergegen richtet sich die am 4.4.2001 eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers, die er mit Schriftsatz vom 2.5.2001 (Bl. 55/60 d.A.) näher begründet hat.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG) und in wirksamer Weise eingelegt (§ 577 Abs. 2 ZPO).

Sie ist jedoch nicht begründet.

Hätte die durch die hoheitlichen Maßnahmen geschädigte V GmbH ihre Ansprüche gerichtlich verfolgen müssen, wäre unzweifelhaft der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet gewesen. Dies würde, soweit das Verhalten der beteiligten Behörden und deren Bediensteter als Amtspflichtverletzung zu bewerten ist, aus § 40 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz VWGO i.V.m. Art. 34 Satz 3 GG, soweit es unter dem Gesichtspunkt des enteignungsgleichen Eingriffs zu würdigen ist, aus § 40 Abs. 2 Satz 1 VWGO folgen.

Vorliegend erstreben jedoch öffentlich-rechtliche Körperschaften untereinander einen Ausgleich.

Gemäß Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 9, 65 ff.) ist zwar auch für solche Ausgleichsansprüche der ordentliche Rechtsweg gegeben, dann nämlich, wenn diese Körperschaften für denselben auf Amtspflichtverletzung beruhenden Schaden gesamtschuldnerisch haften.

Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben, da im Außenverhältnis zur geschädigten V GmbH nur der klagende Freistaat haftet.

Für eine daneben im Außenverhältnis bestehende Haftung der Beklagten zu 1) gemäß § 840 BGB und damit für einen Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 BGB ist kein Raum.

Dies hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt.

Hierzu ist zu ergänzen:

Auch wenn der den Schaden (zumindest mit-) verursachende Beklagte zu 2) bei der Landeshauptstadt angestellt war, haftet dem Geschädigten gegenüber diese gleichwohl nicht als Anstellungskörperschaft des Beamten. Zwar könnte eine entsprechende Haftung der Beklagten zu 1) grundsätzlich auch dann in Betracht kommen, wenn ihr Beamter im Einzelfall kein eigenes Hoheitsrecht der Landeshauptstadt sondern ein von einem anderen Gemeinwesen übertragenes ausübt (vgl. Palandt, BGB, 60. Aufl., RdNr. 22 zu § 839 BGB). Dies setzt jedoch eine gewisse Selbständigkeit in der Ausführung voraus, die hier nicht gegeben ist. Entscheidendes Kriterium für die Haftungszuweisung im Außenverhältnis ist vorliegend die Direktionsbefugnis des Landratsamts als der ersuchenden Behörde, mit der die Weisungsunterworfenheit des Beklagten zu 2) als ausführendem Beamten korrespondiert.

Der bei der Beklagten zu 1) angestellte Beklagte zu 2) war - wie im Falle einer Abordnung - bei Durchführung der ihm vom Landratsamt anvertrauten Aufgaben voll und ganz in die gegenüber Dritten in ihrer Gesamtheit allein von der staatlichen Behörde zu verantwortende Katastrophenschutzübung und in die Weisungen der allein von der staatlichen Behörde ausgeübten Einsatzleitung eingebunden. Das Landratsamt konnte uneingeschränkt über die Dienste des Beklagten zu 2) verfügen. Im Außenverhältnis zur geschädigten Firma wurde hier auch nicht im eigenen Namen und in eigener Entscheidungskompetenz der Beklagten zu 1) gehandelt.

Der Bürger hat jedoch Rechte nur gegenüber dem Rechtsträger, dessen Behörde ihm gegenüber gehandelt hat (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, RdNr. 11 zu § 7 VwVfG). Erleidet der Betroffene durch rechtswidrige Maßnahmen einen Schaden, haftet im Außenverhältnis der Rechtsträger derjenigen Behörde, die dem Betroffenen gegenüber mit Außenwirkung gehandelt hat (vgl. Knack, VwVfG, 7. Aufl. 2000, RdNr. 12 zu § 7 VwVfG). Bei Schäden des Betroffenen/die durch eine rechtswidrige Hauptmaßnahme als Ergebnis der Hilfeleistung verursacht wurden, haftet im Außenverhältnis die ersuchende Behörde als Herrin des Verfahrens (vgl. Knack, a.a.O., m.w.N.). Dies ist hier der Freistaat Bayern.

Danach ergibt sich im Außenverhältnis eine alleinige Haftung des Klägers.

Für Ausgleichsansprüche zwischen den beteiligten öffentlich-rechtlichen Körperschaften ist danach, da die Streitigkeit auch nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist, gemäß § 40 Abs. 1 VWGO ausschließlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (so auch Kopp/Ramsauer, a.a.O., RdNr. 16 zu § 7 VwVfG).

Hierbei kann dahinstehen, ob die aufgrund einer Amtspflichtverletzung vom Träger der ausgleichsberechtigten Behörde, hier dem Freistaat, erbrachten Leistungen diesem in entsprechender Anwendung der §§ 662, 276, 278 BGB zu ersetzen sind (so Kopp, a.a.O., RdNr. 15), oder ob sich dieser Ausgleichsanspruch unmittelbar nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen (§ 7 Abs. 2 VwVfG, § 7 Abs. 2 BayVwVfG) richtet (so Knack, a.a.O., RdNrn. 15, 17).

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen (§ 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG), da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§ 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG) nicht vorliegen.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlaßt (§ 2 GKG).

Den Gegenstandswert der Beschwerde setzt der Senat mit etwa 1/3 des Hauptsachestreitwerts an (§ 3 ZPO, vgl. Zöller, ZPO, 22. Aufl., RdNr. 20 zu § 17 a GVG m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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