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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.09.2001
Aktenzeichen: 1 W 2072/01
Rechtsgebiete: BGB, MarkenG


Vorschriften:

BGB § 839
MarkenG § 36
MarkenG § 37
Eine Behörde ist grundsätzlich nicht verpflichtet, massenhaft anfallende gleichgelagerte Anträge sofort bei Eingang auf offensichtliche Mängel oder fehlende Unterlagen zu überprüfen.

Es ist entsprechend dem Rechtsgedanken des § 75 VwGO in der Regel jedoch, amtspflichtwidrig, derartige Anträge nicht innerhalb von drei Monaten zu bearbeiten und den Antragsteller auf fehlende Angaben beziehungsweise Unterlagen hinzuweisen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 1 W 2072/01

In dem Rechtsstreit

wegen Prozeßkostenhilfe

erläßt der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kreitmair und die Richter am Oberlandesgericht Ramm und Nagorsen ohne mündliche Verhandlung am 28.09.2001 folgenden

Beschluß:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers vom 18.07.2001 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 04.07.2001 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller beabsichtigt, gegen die Antragsgegnerin wegen verspäteter Eintragung der Marke "Euro-Cola EC" einen auf den Vorwurf der Amtspflichtverletzung gestützten Schadenersatzanspruch geltend zu machen.

Hinsichtlich des zugrundeliegenden Sachverhalts wird auf die Darstellung im Beschluß des Landgerichts München I vom 04.07.2001 (Bl. 31 - 35 d. A.) Bezug genommen.

Zu ergänzen ist, daß die widersprechende Marke der Firma W Getränke GmbH durch Erinnerungsbeschluß vom 19.12.2000 von der Eintragung zurückgewiesen wurde. Dieser Beschluß erlangte am 23.02.2001 Rechtskraft.

Am 26.04.2001 beantragte der Beschwerdeführer beim Landgericht Prozeßkostenhilfe und legte einen Klageentwurf vor.

Am 19.06.2001 nahm die Antragsgegnerin innerhalb verlängerter Frist zum Antrag vom 26.04.2001 Stellung.

Mit Verfügung vom 25.06.2001 setzte das Landgericht dem Antragsteller eine Erwiderungsfrist von zwei Wochen.

Mit Beschluß vom 04.07.2001 wies das Landgericht den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe zurück. Eine denkbare Pflichtwidrigkeit des Deutschen Patentamts liege zwar dann, daß in einem Schreiben vom 15.04.1997 nach Überprüfung der Markenanmeldung des Antragstellers vom 03.01.1997 auf die noch ausstehende Gebühreneinzahlung, nicht aber zugleich auf das fehlende Waren- und Dienstleistungsverzeichnis hingewiesen habe. Dieses Versäumnis könne aber für einen Schaden des Klägers nicht kausal sein, da die Widerspruchsmarke EuroCola der Firma W Getränke GmbH bereits am 18.03.1997 angemeldet worden sei. In der Tatsache, daß die Überprüfung des Antrags durch das Patentamt erst Ende März/Anfang April 1997 erfolgte, liege keine Amtspflichtverletzung.

Der Antragsteller legte gegen diesen Beschluß mit Schriftsatz vom 18.07.2001 Beschwerde ein. In der Beschwerdebegründung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen sei (Bl. 44 - 48 d. A.), führt er aus, daß zur Prüfung der formalen Voraussetzungen eines Antrags eine Zeit von drei Monaten zu lang sei. Wegen der Gefahr des Prioritätsverlustes hätten die Mängel der Anmeldung telefonisch abgeklärt werden müssen. Falls beim Patentamt "generell derartig lange Bearbeitungszeiten bestünden, liege ein Organisationsfehfer der Behörde vor. Allgemeine Arbeitsüberlastung rechtfertige Verzögerungen nicht, weil die Behörde im diesem Fall für Abhilfe sorgen müsse.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluß vom 19.07.2001 nicht abgeholfen.

Die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 23.08.2001 (Bl. 59/^3 d. A.) darauf hingewiesen, daß jährlich mindestens 80.000 Anträge auf Eintragung in das Patent-/Markenregister bearbeitet würden. Alle Anträge würden der Reihe nach abgearbeitet.

Außerdem stehe dem Antragsteller nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ein anderweitige Ersatzmöglichkeit gegenüber dem zu, der seine Marke verletze. Hierzu gehöre auch ein unzulässiger Widerspruch gegen die Marke.

Schließlich trage der Antragsteller ein ganz überwiegendes Mitverschulden, wenn er als Kaufmann sich keinerlei Gedanken über Form und Inhalt der Anmeldung eines Schutzrechtes mache.

II.

Die Beschwerde ist zurückzuweisen, da die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Der Senat schließt sich der überzeugenden Begründung des Landgerichts an.

Der im Schreiben des Patentamtes vom 15.04.1997 erforderliche, aber unterlassene Hinweis auf das fehlende Waren- und Dienstleistungsverzeichnis war nicht kausal für die von der Anmeldung der Marke Euro-Cola durch die Firma W am 18.03.1997 ausgehende Gefährdung des Markenrechts des Antragstellers. Es gehörte nicht zu den Amtspflichten der Antragsgegnerin, den Antragsteller im Vorgriff auf die Prüfung seines Antrags nach den §§ 36, 37 MarkenG auf fehlende Unterlagen hinzuweisen. Eine Prüfung in einem zeitlichen Rahmen von drei Monaten sieht der Senat im nicht nach § 38 MarkenG beschleunigten Verfahren in Markenangelegenheiten auch ohne besondere Umstände als angemessen an.

Ob die übrigen Einwendungen der Antragsgegnerin zutreffen, kann offenbleiben. Die Zahlung der Anmeldegebühr nach § 32 Abs. 4 MarkenG stellt allerdings keine Voraussetzung für die Zuerkennung des Anmeldetages nach § 33 Abs. 1 MarkenG dar. § 36 Abs. 3 MarkenG regelt im einzelnen die Rechtsfolgen und das Verfahren, wenn die Zahlung der Gebühren unterbleibt (Fezer, Markenrecht, 2. Aufl. 1999 § 33 MarkenG Randnr. 6).

Eine generelle Frist, innerhalb der eine Behörde eingehende Anträge bearbeiten muß, existiert im öffentlichen Recht nicht. Laut Kopp, 12. Aufl., § 75 VwGO Randnr. 3 handelt es sich bei der Dreimonatsfrist für die Untätigkeitsklage aber um einen allgemeinen Maßstab, wann Bürger in der Regel spätestens mit einer Entscheidung der Verwaltung rechnen können. Dies setzt allerdings voraus, daß der Behörde vollständige Unterlagen vorliegen.

Anträge sind nach der Rechtsprechung gegebenenfalls mit dem Antragsteller zu erörtern, auf ihre sachgemäße Formulierung ist hinzuwirken (OVG Lüneburg BB 1960, 643). Bei Anträgen in einem behördlichen Genehmigungsverfahren besteht die Amtspflicht, das Gesuch gewissenhaft, förderlich, sachdienlich und in angemessener Frist zu bearbeiten und zu entscheiden (BGH WM 1994, 430), dabei jede vermeidbare Schädigung des Antragstellers zu unterlassen, eine sachgerechte, ermessensfehlerfreie Stellungnahme zu dem Antrag abzugeben und ihn nicht verzögerlich zu behandeln (BGH WM 1970, 1252). In den Gerichtsentscheidungen werden einzelfallbezogen teilweise kürzere Bearbeitungszeiten als drei Monate als angemessen angesehen, doch handelte es sich dabei um Fälle aus dem Baugenehmigungsrecht, bei denen die Frage der Bebaubarkeit bereits grundsätzlich geklärt war.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um die schematisierte Bearbeitung massenhaft anfallender gleichgelagerter Anträge. Geprüft werden muß unter anderem die Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen, die Entrichtung der anfallenden Gebühren (§ 36 Abs. 1 MarkenG) und das Vorliegen von Schutzhindernissen nach § 37 MarkenG. Eine Personalausstattung, die es erlaubt, jeden Eingang stets sofort zu bearbeiten, also alle Belastungsspitzen abdeckt, kann aus Sicht des Senats in einem Bereich, der nicht zu den lebenswichtigen Elementen der Daseinsvorsorge zählt, von der öffentlichen Hand nicht verlangt werden. Diese muß auch den Grundsatz sparsamer Haushaltsführung beachten. Die die Anträge bearbeitenden Beamten können nicht kurzfristig bei Bedarf eingestellt oder entlassen werden. Das Prioritätsprinzip des Markenrechts bleibt bei korrekter Anmeldung durch die Rückwirkung auf den Tag, an dem die Unterlagen mit den Angaben nach § 32 Abs. 2 MarkenG beim Patentamt eingegangen sind, gewahrt.

Eine Bearbeitung in einem Zeitraum von drei Monaten, das heißt bis in den April 1997hinein, hält der Senat vor diesem Hintergrund für hinnehmbar.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Beschwerdeführer in der Anmeldung vom 03.01.1997 selbst um die Zusendung eines Antragsformulars gebeten hatte, falls dieses vorgeschrieben sei.

Bei der ihm darauf zugegangenen Empfangsbescheinigung vom 09.01.1997 handelt es sich um einen Vordruck, der auf die offenkundigen Mängel der Anmeldung nicht eingeht. Sie entspricht jedoch der Regelung des § 22 Abs. 2 MarkenV, der eine unverzügliche Übermittlung einer Empfangsbescheinigung vorschreibt, in der die angemeldete Marke bezeichnet und das Aktenzeichen der Anmeldung sowie der Tag des Eingangs angegeben werden. Eine echte Prüfung des Antrags scheidet bei der vorgeschriebenen unverzüglichen Übermittlung, die der raschen Verständigung des Antragstellers dienen soll, naturgemäß aus. Die eigentliche Prüfung erfolgt nach der MarkenV erst danach.

Nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG prüft das Patentamt, ob die Anmeldung der Marke den Erfordernissen für die Zuerkennung eines Anmeldetages nach § 33 Abs. 1 genügt. Werden Mängel festgestellt, setzt das Patentamt eine Frist zur Mängelbeseitigung (§ 36 Abs. 2 MarkenG). Dies entspricht der in § 25 VwVfG enthaltenen Verpflichtung einer Behörde, die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Ein Verstoß hiergegen ist amtspflichtwidrig. Eine Verpflichtung, auf das Fehlen der Unterlagen zu einem Zeitpunkt hinzuweisen, der dem Antragsteller die erforderliche Ergänzung bis zum 18.03.1997 ermöglicht hätte, bestand jedoch nicht. Die vom Senat als noch angemessen angesehene Prüfungsfrist von drei Monaten war noch nicht abgelaufen.

Eine gesonderte Durchsicht der Anträge auf fehlende Unterlagen vor der weiteren Prüfung, wie sie der Antragsteiler als zwingend ansieht, wäre zwar möglich, ist jedoch entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht im Sinne einer Amtspflicht geboten. Die Funktion einer Marke besteht nach § 3 Abs. 1 MarkenG darin, Waren beziehungsweise Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Das Fehlen elementarster Kenntnisse der einschlägigen Gesetzesvorschriften bei Personen, die sich im Wirtschaftsleben betätigen, ist etwas, gegen das eine Behörde nicht vorrangig organisatorisch Vorkehrungen treffen muß. Dies ist vom Ergebnis her nicht unbillig, da es sich bei dem Kreis der Antragsteller im Markenrecht nicht etwa um eine besonders schutz- oder hilfsbedürftige Gruppe, sondern im Wettbewerb tätige Kaufleute handelt, von denen man ausgehen darf, daß sie sich in ihrem Geschäft auskennen.

Wenn dem Beschwerdeführer an einer beschleunigten Prüfung nach § 38 MarkenG gelegen gewesen wäre, hätte er diese im übrigen gegen Zahlung einer besonderen Gebühr von 420,-- DM erwirken können. Darauf wurde er in der Empfangsbescheinigung vom 09.01.1997 hingewiesen. Die beschleunigte Prüfung hat zwar bei Übersendung korrekter Anmeldeunterlagen nach § 32 Abs. 2 MarkenG keinen Einfluß auf den Anmeldetag der Marke. Im Falle des Beschwerdeführers hätte sich allerdings eine Auswirkung ergeben, da er bei einer beschleunigten Prüfung aller Voraussicht nach eher zu einer Ergänzung seiner Angaben aufgefordert worden wäre.

Auch ein eindeutiger Hinweis des Amtes auf das fehlende Verzeichnis hätte nach dem 18.03.1997 die eingetretene Gefährdung nicht beseitigt. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Beschluß des Landgerichts München I vom 04.07.2001 verwiesen. Das spätere Fehlverhalten des Patentamtes war für die davor liegenden Vorgänge nicht kausal.

Im übrigen hat die Argumentation der Antragsgegnerin viel für sich, daß eine Haftung jedenfalls wegen weit überwiegenden Mitverschuldens des Antragstellers ausscheidet. Dieser hat, obwohl Unternehmer, vor seiner Antragstellung offenbar keinen Blick in das einschlägige Gesetz geworfen und sich auch nicht beraten lassen. Die geschuldeten Gebühren blieb er über Monate schuldig.

Ende der Entscheidung

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