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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 19.12.2003
Aktenzeichen: 10 U 2660/03
Rechtsgebiete: PflVersG, BGB, DÜG, StVG, ZPO


Vorschriften:

PflVersG § 3 Nr. 1
BGB § 397
BGB § 422
BGB § 425
BGB § 426 Abs. 1
BGB § 779
BGB § 823
BGB § 830 Abs. 1 Satz 2
BGB § 840
BGB § 847 a.F.
DÜG § 1
StVG § 7
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 10 U 2660/03

Verkündet am 19.12.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

erläßt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2003 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 24.03.2003 aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.938,44 Euro nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 01.02.2001 zu zahlen.

III. Im übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

IV. Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits; ausgenommen sind hiervon die Kosten der Nebenintervention, die der Nebenintervenient trägt.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Gegner Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, als Haftpflichtversicherer gemäß § 3 Nr. 1 PflVersG für die Folgen eines Auffahrunfalls am 03.09.1990 in ... ihres Versicherungsnehmers einzustehen. Die Klägerin war damals Beifahrerin im Pkw ihres Ehemannes, als der Versicherungsnehmer der Beklagten mit seinem Fahrzeug einen Pkw auf den stehenden klägerischen Mercedes aufschob. Am 21.01.1991 kam es zu einem erneuten Unfall. Diesmal fuhr ein bei der ... (im Folgenden zitiert als: ...) haftpflichtversicherter Schneepflug auf den von der Klägerin gesteuerten Pkw auf.

Die Klägerin behauptet, sie habe beim Unfall am 03.09.1990 eine Verletzung der Halswirbelsäule davongetragen. Die Beschwerden hätten bei dem Unfall am 21.01.1991 noch angedauert. Der neue Unfall habe zu einer erheblichen Beschwerdezunahme geführt. Die heute noch andauernden Beschwerden seien auch Folge des ersten Unfalls.

Am 31.03.1999 fand zwischen der Klägerin, vertreten durch ihren damaligen Bevollmächtigten Rechtsanwalt ... und die Zeugin ... und Vertretern der ... ein Regulierungsgespräch statt. Für den Zeitraum ab dem zweiten Unfall am 21.01.1991 ermittelten die Gesprächsteilnehmer für die Vergangenheit bis 31.12.1998 einen Schadensbetrag von 269.000,- DM (Haushaltsführungs- und Verdienstausfallschaden, Aufwendungen für Fahrtkosten und Zuzahlungen sowie Schmerzensgeld) und einen künftigen Schaden von 167.000,- DM (Haushaltsschaden und Verdienstausfall), im Hinblick auf das Risiko des Nachweises der medizinischen Kausalität des Unfalls, die nicht mögliche genaue Zuordnung des jeweiligen Schadensereignisses auf die Beschwerden der Klägerin und die Stellungnahme der HV-Ärzte boten die Vertreter der ... eine Abfindung von 250.000,- DM an. Am 03.05.1999 unterschrieb die Klägerin ein als "Vergleich und Abfindungserklärung" überschriebenes Formular der ... in der sie sich mit der Zahlung eines Betrages von 250.000,- DM zuzüglich der Übernahme der Kosten ihres ihres anwaltlichen Vertreters aus dem Schadensfall vom 21.01.1991 für abgefunden erklärte; ausgenommen wurden die auf die Krankenversicherung übergegangenen Ansprüche.

Streit besteht zwischen den Parteien, ob der Vergleich auch mit der Beklagten geschlossen wurde.

Mit Klageschrift vom 04.12.2000 hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 414.951,70 DM als Ausgleich ihres Haushaltsführungsschadens, Verdienstausfalls sowie ihrer Aufwendungen für Fahrtkosten und Zuzahlungen für Heilbehandlung in der Zeit vom 03.09.1990 bis 31.12.2000, und von Schmerzensgeld bezüglich des ersten Unfalls von mindestens 250.000,- DM verlangt. Ferner hat die Klägerin auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für "jedweden weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 03.09.1990" geklagt. Mit Schriftsatz vom 26.01.2001 hat die Klägerin die Klage auf Zahlung von 551.798,14 DM erweitert. Sie ist der Auffassung, die Vereinbarung mit der ... vom 03.05.1999 berühre nicht ihren Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten. Durch die Zahlung der 250.000,- DM sei die Schadensersatzforderung gegenüber der Beklagten nicht befriedigt worden.

Das Landgericht München I hat über die Behauptung der Beklagten, mit der Vereinbarung vom 03.05.1999 seien auch die Ansprüche ihr gegenüber abgegolten worden, Beweis durch Einvernahme von Zeugen erhoben. Nachdem ursprünglich die Beklagte eine beim ersten Unfall erlittene leichte HWS-Verletzung als unstreitig und im Zeitpunkt des zweiten Unfalls als ausgeheilt zugestanden hatte (Schriftsatz vom 20.03.2001, Bl. 90/97 d. A.) dann aber bestritten hat, dass der Erstunfall geeignet war, eine HWS-Verletzung zu verursachen, hat das Landgericht ein verkehrsanaiytisches und biomechanisches Gutachten der Sachverständigen ... vom 11.11.2002 erholt. Mit Schriftsatz vom 10.12.2001 hat die Klägerin ihrem früheren anwaltlichen Vertreter, Rechtsanwalt ..., den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 04.01.2002 ist Rechtsanwalt ... auf Seiten der Klägerin dem Streit beigetreten.

Mit Endurteil vom 24.03.2003 hat das Landgericht München I (Einzelrichterin) die Klage mit der Begründung abgewiesen, zwar seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Abgeltungserklärung vom 03.05.1999 keinerlei Ansprüche der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Unfall vom 03.09.1990 abgegolten worden, der Klägerin sei es jedoch nicht gelungen, den ihr obliegenden Beweis für ihre Behauptung zu führen, sie habe sich bei dem Unfall am 03.09.1990 ein HWS-Trauma mit schwersten Dauerschäden zugezogen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Die Berufung rügt, die Entscheidung des Landgerichts schöpfe den Sachvortrag der Klägerin nicht aus, übergehe zahlreiche Beweisantritte und nehme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zurechnung von Schadensfolgen nach HWS-Traumen nicht Bezug. Das Gutachten der Sachverständigen ... berücksichtige nicht, dass allein zehn ärztliche Befunde ein Schleudertrauma bestätigten. In einem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz trägt die Berufung des weiteren vor, die Rechtssauffassung des Senats, der mit der als weiterer Gesamtschuldnerin abgeschlossene Vergleich und die Zahlung der Vergleichssumme wirkten als Erfüllung auch gegenüber der Beklagten, und zwar unbeschadet des Ergebnisses der vom Landgericht erhobenen Beweise, sei unzutreffend und unmittelbar falsch. Die Rechtssauffassung des Senats sei nicht mit § 425 BGB vereinbar, finde keine Grundlage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung und vertrete, was als Rechtsfolge vom Gesetzgeber schlechterdings nicht normiert sein könne. Der Senat verkenne, dass Rechtsgrund der Leistung der ... der mit ihr geschlossene Vergleich sei; es gehe nicht darum, dass gemäß § 422 BGB die Erfüllung auch den anderen Gesamtschuldner erfasse, was Zweitsemesterwissen sei.

Die Klägerin beantragt unter Wiederholung der im ersten Rechtszug gestellten Schlussanträge,

1. das Endurteil des Landgerichts München I vom 24.03.2003 abzuändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld mit 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jedweden weiteren zukünftigen materiellen und zukünftigen, zur Zeit noch nicht absehbaren immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 03.09.1990 gegen 12.00 Uhr in 83224 ..., zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind,

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie 451.798,14 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Ferner beantragt die Klägerin höchst vorsorglich, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Endurteils vom 24.03.2003 (Bl. 320/328 d. A.) sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung hat zu einem geringen Teil Erfolg, soweit die Beklagte Schadensersatz für die Zeit vom ersten Unfall am 03.09.1990 bis zum zweiten Unfall am 21.01.1991 gemäß §§ 823 BGB, 7 StVG, 3 Nr. 1 PflVersG zu leisten hat.

1. (a) Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin beim ersten Unfall eine leichte HWS-Distorsion erlitten hat, als sie sich im Zeitpunkt des Heckaufpralls zu ihrem auf der Rückbank sitzenden Kind umgewandt hatte. Die Sachverständigen ... schätzen die auf die Klägerin einwirkende Geschwindigkeitsänderung im Bereich von 5 km/h, bei welcher eine biomechanisch rekonstruierbare Belastung der Klägerin nur von untergeordneter Qualität sei. Die Sachverständigen schliessen es jedoch nicht zur Ganze aus, dass es zu einer direkten Kontaktierung der linken Gesichtshälfte mit der Kopfstütze beim Anstoss gekommen ist und sich die Klägerin dadurch verletzt haben könnte. Die Gutachter berücksichtigen aber nicht, dass nach den vorprozessualen gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen ... vom 09.05.1991 und ... vom 20.07.1991 die Klägerin im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls bereits geringe bis mäßige degenerative Vorschäden an der HWS hatte und damit verletzungsanfälliger war. So ging auch die Beklagte auf der Grundlage dieser Gutachten im Schriftsatz vom 16.02.2001 und im Schriftsatz vom 20.03.2001 davon aus, dass die Klägerin eine HWS-Beschleunigungsverletzung 1. Grades erlitten hat, die spätestens nach zwei bis drei Monaten ausgeheilt gewesen wäre. Die Klägerin klagte unmittelbar nach dem Unfall über Beschwerden im Halsbereich und wurde in das Krankenhaus ... gebracht. Der die Klägerin erstbehandelnde Arzt ... stellte wenige Tage später eine äußerst schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS fest und lokalisierte paravertebrale Myogelosen. Vom Orthopäden Dr. ... wurde eine MdE von 100 % für die Zeit vom 03.09.1990 bis 20.09.1990, von 70 % für die Zeit bis 30.09.1990 und von 30 % bis 15.10.1990 bescheinigt. Der Neurologe Dr. ... attestierte am 21.09.1990 ein HWS-Schleudertrauma mit zusätzlichen Reizerscheinungen der cranialen Hirnnerven.

Die Annahme, dass die Klägerin bei dem Erstunfall eine Verletzung erlitten hat, war auch Gegenstand der streitgegenständlichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und der ...

(b) Auf der Grundlage der ärztlichen Atteste, insbesondere aufgrund des im Gutachten Prof. ... vom 09.05.1991 zitierten Attestes des Orthopäden ... (S. 3 des Gutachtens) geht der Senat gemäß § 287 ZPO von einer haushaltsspezifischen Beeinträchtigung der Klägerin für die Zeit vom 03.09. bis 20.09.1990 von rund sechs Stunden täglich, für die Zeit vom 21.09.1990 bis 30.09.1990 von rund vier Stunden täglich und für die Zeit vom 01.10.1990 bis 15.10.1990 von rund zwei Stunden täglich aus. Für diese Zeiten hätte die Klägerin eine Haushaltshilfe beanspruchen können. Bei einem nach ständiger Rechtsprechung des Senats damals für eine Haushaltshilfe anzurechnenden Betrag von DM 15,-/Std. ergibt sich damit folgender auszugleichender Haushaltsführungsschaden:

03.09.1990 - 20.09.1990: 18 Tage x 6 Stunden x DM 15,- = DM 1.620,-- 21.09.1990 - 30.09.1990: 10 Tage x 4 Stunden x DM 15,-- = DM 600,-- 01.10.1990 - 15.10.1990: 15 Tage x 2 Stunden x DM 15,-- = DM 450,-- DM 2.670,--

(c) Für die Zeit bis zum zweiten Unfall ist der Klägerin kein Verdienstausfall entstanden, weil sie von ihrem Ehemann, bei dem sie angestellt war, Lohnfortzahlung erhalten hat.

(d) Nach dem insoweit belegten Klagevortrag sind im Zeitraum bis zum zweiten Unfall Fahrtkosten zum Zwecke der ärztlichen Behandlung und für weitere Heilmaßnahmen von 145,74 DM angefallen. Die Zuzahlung für Heilbehandlungskosten betrugen nach der Aufstellung der Klägerin in dem genannten Zeitraum 975,51 DM.

Damit beläuft sich der materielle Schaden der Klägerin auf insgesamt 3.791,25 DM = 1.938,44 Euro.

(e) Im Hinblick auf die nachgewiesene leichte HWS-Distorsion erscheint dem Senat ein Schmerzensgeld von 1.000,- Euro als Ausgleich der erlittenen Beschwerden gemäß § 847 BGB a.F. als angemessen und auch ausreichend. Zu berücksichtigen ist, dass es sich um eine leichte Distorsion gehandelt hat, die alsbald ohne den zweiten Unfall ausgeheilt gewesen wäre.

2. Dieser Schaden wurde durch den Vergleich der Klägerin mit der ... vom 03.05.1999 nicht ausgeglichen. Aus der Aktennotiz der ... vom 31.03.1999 ergibt sich eindeutig, dass Gegenstand des Regulierungsgespräches und damit der Vereinbarung nur der Schadensersatz für die Zeit ab dem zweiten Unfall am 21.01.1991 war.

3. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin für die Zeit ab dem zweiten Unfall am 21.01.1991 ist durch die Zahlung von 250.000,-- DM = 127.822,97 Euro seitens der ... erfüllt. Nach dem Klagevortrag sollen die Folgen des Unfalls vom 21.01.1991 nur deshalb so schwerwiegend gewesen sein, weil im Unfallzeitpunkt die Folgen aus dem streitgegenständlichen Unfall vom 03.09.1990 noch nicht ausgeheilt gewesen seien. Die Verursachungsanteile beider Unfälle an den gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin lassen sich jedoch nicht voneinander abgrenzen, so dass die jeweiligen Schädiger und ihre Haftpflichtversicherer zur Klägerin in einem Gesamtschuldverhältnis gemäß §§ 830 Abs. 1 Satz 2, 840 BGB stehen (vgl. BGH, VersR 2002, 200). Hiervon gehen auch die Parteien aus. Diese Auffassung war sowohl nach der Gesprächsnotiz der ... vom 29.03.1995 als auch nach der Aussage der an der Besprechung beteiligten Zeugin ... die neben dem Streithelfer Rechtsanwalt ... die Interessen der Klägerin wahrgenommen hat, Gegenstand der damaligen Besprechung. Nach der Gesprächsnotiz waren die Gesprächsteilnehmer der Meinung, dass eine genaue Zuordnung der Unfallfolgen zu den jeweiligen Schadensereignissen nicht möglich sei; die Zeugin ... hat vor dem Landgericht ausgesagt, es sei davon gesprochen worden, die ... und die ... - Beklagte in diesem Verfahren - hafteten für beide Unfälle gesamtschuldnerisch. Die Zeugin ist davon ausgegangen, dass die Abfindung beide Unfälle umfasst habe, ohne dass sie dies der Klägerin mündlich mitgeteilt habe. Damit wirkt gemäß §§ 840, 422, 425 BGB die Zahlung der 250.000,- DM auch als Erfüllung gegenüber der Beklagten.

Der Erfüllungswirkung steht nicht entgegen, dass die Zahlung als Abfindung auf der Grundlage einer Vereinbarung der Klägerin mit der ... geleistet wurde und nicht nachgewiesen ist, dass die Vereinbarung auch mit der Beklagten abgeschlossen wurde. Denn die Vereinbarung hat nicht den Anspruchsgrund, die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten auch für den zweiten Unfall, beseitigt. Die Vereinbarung stellt kein vom Anspruchsgrund losgelöstes konstitutives Schuldanerkenntnis dar, sondern ist ein Vertrag gemäß § 779 BGB, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird ("Vergleich"). Der Vergleich verändert das ursprüngliche Rechtsverhältnis nur, soweit streitige oder Ungewisse Punkte geregelt werden, im übrigen läßt er das Rechtsverhältnis nach Inhalt und Rechtsnatur bestehen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 62. Auflage, § 779 Rn. 11). Gegenstand des Vergleiches zwischen der Klägerin und der ... waren beide in ihren Schadensfolgen nicht voneinander zu trennende Unfälle und der sich hieraus ergebende gesamte Schadensbetrag. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die auch von ihr als Vergleich bezeichnete Abfindungsvereinbarung nicht eigenständiger Rechtsgrund der Leistung, die nur Wirkung in der Sonderrechtsbeziehung zwischen Klägerin und Erstschuldnerin ... entfaltet hätte. Die Vereinbarung hat den aus beiden Unfällen sich ergebenden Schadensersatz der Höhe nach konkretisiert, ohne die gesamtschuldnerische Haftung zu berühren. Sie stellt keine nur die Sonderrechtsbeziehung zwischen Klägerin und der Erstschuldnerin regelnde eigenständige Schuldumschaffung dar und ist demnach nicht geeignet, die Erfüllungswirkung der Abfindung auf das im Rahmen der Gesamtschuld bestehende besondere Schuldverhältnis zu beschränken (vgl. BGH, VersR 84, 327; BGH, WM 72, 929).

Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Parteien eines Vergleiches nur mit Wirkung für das Sonderrechtsverhältnis den Umfang der Schadensersatzforderung näher bestimmen und der Schuldner diese befriedigt, ohne dass dadurch der Anspruch des Gläubigers gegen weitere Gesamtschuldner berührt wird, soweit der tatsächliche Schaden höher sein sollte. Gegen eine solche Einzelwirkung des Vergleichs spricht aber, dass sich die Erstschuldnerin ansonsten einer erneuten oder erweiterten Inanspruchnahme über § 426 Abs. 1 BGB durch die Zweitschuldnerin aussetzen würde (vgl. BGH NJW 1986, 1097/1098). Es fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass die Erstschuldnerin mit dem Vergleich den Schaden der Klägerin nur zum Teil befriedigen wollte und sollte. Gegenstand der Vereinbarung ist die endgültige Abfindung des Gesamtschadens und nicht eines Teils davon. AUS dem Regulierungsgespräch am 31.03.1999 war für die Klägerin erkennbar, dass die ... auch im Rahmen der gesamtschuidnerischen Haftung nicht bereit war, Schadensersatz von mehr als 250.000,-- DM zu leisten und insofern einen Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB mit der Zweitschuldnerin anstrebte (vgl. Gesprächsnotiz vom 31.03.1999, S. 2). Der Abfindungsvereinbarung vom 03.05.1999 kann demnach auch keine gewollte beschränkte Gesamtwirkung (vgl. dazu BGH NJW 2000, 1942) entnommen werden, wonach die Zweitschuldnerin (= Beklagte) insoweit freigestellt werden sollte, als sie für den Fall der Inanspruchnahme seitens der Klägerin einen Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB gegen die ... gehabt hätte. So macht auch die Klägerin erneut den vollen Schadensersatzanspruch gegen die Zweitschuldnerin geltend und nicht einen Teil davon, soweit sie glaubt, dass ihre Ansprüche nicht befriedigt worden seien.

Für die Annahme eines teilweisen Erlasses gemäß § 397 BGB ergibt sich gleichfalls nichts aus der Vereinbarung, auch nichts dafür, dass der im nachgereichten Schriftsatz der Klägerin behauptete Erlass ohne Rücksicht auf den Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB nur auf das Sonderrechtsverhältnis zur Erstschuldnerin beschränkt sein sollte (vgl. zur Auslegungsbedürftigkeit Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Auflage, § 423 Rn. 1). Entscheidend ist vielmehr, dass nach der Gesprächsnotiz die Erstschuldnerin erklärt hat, im Einverständnis mit der Beklagten die Schadensersatzansprüche zu regulieren und dass dem die anwaltlich vertretene Klägerin nicht widersprochen hat. Die Richtigkeit der Gesprächsnotiz wird von der Klägerin nicht bestritten. Der Konkretisierung der Schadensersatzforderung kommt damit Gesamtwirkung zu, ohne dass darauf abzustellen ist, ob die Beklagte in der Abfindungserklärung genannt ist oder nicht; insoweit handelt es sich jedenfalls auch um einen Vertrag zugunsten Dritter.

Eine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung wegen eines unzutreffenden rechtlichen Hinweises des Senats einzutreten, besteht demnach nicht.

4. Zinsen sind ab Rechtshängigkeit zuzusprechen. Für die Höhe der auszuurteilenden Prozeßzinsen ist noch altes Recht maßgebend, da die Schadensersatzforderung bereits mit dem Unfallereignis vor dem 01.05.1990 entstanden ist (vgl. §§ 284 Abs. 1 a.F., 288 a.F. BGB i.V.m. Art. 229 § 1 Abs. 1 EGBGB).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs.1 ZPO.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da hierfür die Voraussetzungen fehlen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht der Senat von der höchstgerichtlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung ab.

Ende der Entscheidung

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