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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 2 Ws 22/06
Rechtsgebiete: BGB, StGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB §§ 232 ff
StGB § 266 Abs. 1 Alt. 2
VOB/B § 17
Die Verpflichtung des Auftraggebers, den zur Absicherung eventueller Gewährleistungsansprüche einbehaltenen Restwerklohn auf ein Sperrkonto einzuzahlen, stellt jedenfalls bei Geltung der VOB/Teil B eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Werkunternehmer dar. Unterlässt der Auftraggeber die Einzahlung auf ein Sperrkonto und kann er den Restwerklohn infolge eigener Insolvenz nicht mehr auszahlen, so kann dies Untreue nach dem Treubruchstatbestand sein.
Tatbestand:

Die Antragstellerin, ein Sanitärhandwerksbetrieb, bezichtigt den Beschuldigten, der Alleingeschäftsführer einer Baubetreuungs-GmbH war, die sich in Insolvenz befindet, der Untreue nach § 266 StGB. Er habe entgegen den Bestimmungen eines zwischen den beiden Firmen 2002 geschlossenen Bauvertrags, der u.a. die Geltung der VOB/Teil B einschließlich deren § 17 vorsah, den Sicherheitseinbehalt während der Gewährleistungszeit nicht auf ein Sperrkonto eingezahlt, sondern anderweitig verwandt, so dass er ihn nunmehr in Folge der eingetretenen Insolvenz nicht mehr ausbezahlen könne. Abweichend von § 17 Nr.6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B schlossen die vom Beschuldigten gestellten allgemeinen Vertragsbedingungen in § 12 die Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto aus.

Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren aus rechtlichen Gründen eingestellt, weil der Beschuldigte keine fremden Vermögensinteressen zu betreuen gehabt und auch kein fremdes Vermögen verletzt habe. Die hiergegen gerichtete Einstellungsbeschwerde der Antragstellerin verwarf der Generalstaatsanwalt mit einem Bescheid, in dem er der rechtlichen Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft beitrat. Gegen diesen Bescheid richtete sich der mit Anwaltsschriftsatz fristgerecht gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO. Darin hält die Antragstellerin ihre Rechtsauffassung aufrecht, dass der Beschuldigte durch die pflichtwidrig unterlassene Separierung der einbehaltenen Sicherheit eine Vermögensposition der Antragstellerin verletzt und sich hierdurch der Untreue schuldig gemacht habe. In der Sache hatte der Antrag keinen Erfolg.

Gründe:

Der nach § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO statthafte Klageerzwingungsantrag ist fristgerecht gestellt und entspricht auch im Übrigen den Anforderungen des § 172 Abs. 2 StPO. Er ist jedoch in der Sache im Ergebnis unbegründet, weil jedenfalls in subjektiver Hinsicht kein hinreichender Tatverdacht der Untreue nach § 266 StGB besteht.

Ein Klageerzwingungsantrag ist gemäß § 172 Abs. 1 StPO zu verwerfen, wenn kein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage vorhanden ist, worunter - sinngemäß - hinreichender Tatverdacht im Sinne von § 203 StPO zu verstehen ist (OLG Rostock NSTZ-RR 1996, 272; KK-Schmid, StPO, 5. Aufl., § 174 Rn. 2; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 174 Rn. 2). Nach der genannten Vorschrift ist ein Beschuldigter einer Straftat nur dann hinreichend verdächtig, wenn seine Verurteilung nach der Durchführung der Hauptverhandlung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dafür wird vorausgesetzt, dass nach dem Stand der Ermittlungen genügender Beweis dafür vorliegt, dass ein Beschuldigter tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat und nach einer Prognose des mutmaßlichen Ausgangs der Beweisaufnahme in einer Hauptverhandlung mehr für eine Verurteilung als für einen Freispruch spricht.

Wenn diese Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung nicht gegeben ist, darf ein Beschuldigter weder mit einer Hauptverhandlung überzogen werden, noch im Klageerzwingungsverfahren die Erhebung der öffentlichen Klage nach § 175 StPO angeordnet werden. Die dabei vorzunehmende Beweisbarkeitsprognose (BayObLG NSTZ 1983, 123), die sich auch auf den subjektiven Tatbestand, also die vorsätzliche Begehung der Tat bezieht, ergibt im vorliegenden Fall, dass eine Verurteilung des Beschuldigten unwahrscheinlich erscheint.

Allerdings geht der Senat anders als die Staatsanwaltschaft sehr wohl davon aus, dass der Beschuldigte als Geschäftsführer der Auftraggeberin hinsichtlich des Sicherheitseinbehalts eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB gegenüber der Antragstellerin als Auftragnehmerin hatte. Es ist zwar richtig, dass allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen insbesondere aus Austauschschuldverhältnissen grundsätzlich keine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht in diesem Sinne auslösen, weil es sich insoweit nicht um vertragliche Hauptpflichten handelt (vgl. Tröndle-Fischer, StGB, 53. Aufl., Rn. 29 f. zu § 266). Anders liegt der Fall jedoch, wenn bei Geltung der VOB/Teil B ein Rest des zu bezahlenden Werklohns vom Auftraggeber zur Sicherheit einbehalten wird. Der Sicherheitseinbehalt wird damit Teil einer vertraglichen Hauptpflicht. Der Werklohn wird grundsätzlich mit Stellung der Schlussrechnung fällig. Lediglich im Umfang eines vereinbarten Sicherheitseinbehalts verschiebt sich die Auszahlungsfälligkeit in der Regel um die Dauer der Gewährleistungsfrist, wodurch der Werkunternehmer dem Risiko der Insolvenz des Auftraggebers ausgesetzt wird. In dieser Situation besteht im Umfang des sofort fällig werdenden Teils des Werklohns keine Vermögensbetreuungspflicht des Auftraggebers gegenüber dem Werkunternehmer. Denn insoweit handelt es sich nur um seine gewöhnliche vertragliche Zahlungspflicht aus dem Werkvertrag als Äquivalent zur erbrachten Werkleistung. Hinsichtlich des aufgrund vertraglicher Vereinbarung berechtigten Sicherheitseinbehalts hingegen besteht aufgrund der in der Regel über Jahre aufgeschobenen Auszahlungspflicht in diesem Umfang zusätzlich eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Werkunternehmer. Diese hat ihren Grund in dem erforderlichen fairen Interessenausgleich zwischen den Vertragsparteien angesichts des wechselseitigen Insolvenzrisikos. Denn der Sicherheitseinbehalt dient zur Absicherung eventueller Gewährleistungskosten für die Dauer der Gewährleistungsfrist des Werkunternehmers und sichert damit ausschließlich den Auftraggeber vor dem Risiko der Insolvenz des Werkunternehmers, setzt aber zugleich umgekehrt - wie ausgeführt - diesen hinsichtlich des einbehaltenen Restwerklohns dem Risiko der Insolvenz des Auftraggebers aus. Dieses Risiko muss zur Herstellung eines gerechten Interessenausgleichs ebenfalls abgesichert werden. Deshalb muss der Auftraggeber jedenfalls dann, wenn - wie hier - zwischen den Vertragsparteien die Geltung der VOB/Teil B vereinbart ist, nach deren § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 den einbehaltenen Betrag dem Auftragnehmer mitteilen und binnen 18 Werktagen nach dieser Mitteilung auf ein Sperrkonto einzahlen. Diese Regelung ist dahin zu verstehen, dass der Auftraggeber nicht berechtigt ist, das einbehaltene Geld weiterhin als zu seinem eigenen Vermögen gehörend zu betrachten und damit zu arbeiten. Vielmehr gilt dieser Betrag ab dem Tag der Sicherheitsleistung als Fremdgeld (vgl. Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB/Teil B, Rn. 156 zu § 17 Nr. 6). Dieser Fremdgeldcharakter ergibt sich eindeutig daraus, dass nach der genannten Regelung der Auftraggeber den jeweiligen Betrag auch ohne gesonderte Aufforderung (OLG Dresden, IBR 1999, 580) binnen 18 Werktagen auf ein vereinbartes Sperrkonto einzuzahlen hat. Diese Regelung dient ausschließlich dem Schutz des Unternehmers vor dem Risiko einer Insolvenz des Auftraggebers vor Fälligkeit der Sicherheitsauszahlung. Aufgrund dieses ausschließlichen Schutzcharakters gegenüber dem Unternehmer stellt nach Auffassung des Senats entgegen der von der Staatsanwaltschaft herangezogenen Entscheidung des LG Bonn vom 31.3.2004 - 5 S 6/04 - (vgl. BauR 2004, 1471) bereits die Verpflichtung des Auftraggebers, den Sicherheitseinbehalt auf ein Sperrkonto einzubezahlen, eine vertragliche Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Satz 2, 2. Alternative StGB dar. Hiervon war der Beschuldigte im vorliegenden Fall auch nicht dadurch befreit, dass nach § 12 Ziffer 1 Satz 2 der von ihm gestellten Vertragsbedingungen die Einzahlung auf ein Sperrkonto ausdrücklich ausgeschlossen war. Denn diese Klausel war wegen Verstoßes gegen § 307 BGB n.F. (zuvor § 9 AGBG) eindeutig unwirksam, weil hierdurch dem Auftragnehmer unzulässiger Weise das Insolvenzrisiko des Auftraggebers aufgebürdet wird (vgl. Joussen a.a.O., Rn. 163 zu § 17 Nr. 6 VOB/B unter Berufung auf BGHZ 136, 27, 30 ff.).

Auch wenn somit eine Nachweisbarkeit einer objektiven Untreuehandlung des Beschuldigten nahe liegt, so ist jedenfalls im vorliegenden Fall der Nachweis einer vorsätzlichen Begehungsweise durch den Beschuldigten in hohem Maße unwahrscheinlich. Denn er beruft sich auf den vereinbarten Ausschluss einer Einzahlung auf ein Sperrkonto. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte deren rechtliche Unwirksamkeit kannte, sind weder vorgetragen noch erkennbar. Vor allen Dingen war jedoch bisher streitig, ob den Auftraggeber hinsichtlich des zur Sicherheit einbehaltenen Restwerklohns eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 Abs. 1, 2.Alt. StGB gegenüber dem Werkunternehmer trifft. Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass dem Beschuldigten ein vorsätzliches treuwidriges Verhalten nachzuweisen ist.

Der Klageerzwingungsantrag war daher nach § 174 Abs. 1 StPO mit der Kostenfolge aus § 177 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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