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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 14.06.2002
Aktenzeichen: 21 U 3904/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 1004
1. Reichweite einer Einwilligung in die Aufdeckung der Anonymität und die Veröffentlichung eines Fotos nach Angriffen von Punkern auf den Betreffenden wegen dessen Vorgehen gegen einen Szenetreff.

2. Beurteilung der Schwere eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch einen Zeitungsartikel, in welchem dem Kläger vorgeworfen wird, er habe die Angriffe von Punkern provoziert.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 21 U 3904/01

Verkündet am 14. Juni 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richter am Oberlandesgericht Schmidt, Spielbauer und Dr. Klemm aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06. März 2002 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I, 9. Zivilkammer, vom 25. April 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.600 DM = 5.419,69 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den Beklagten Geldentschädigung im Zusammenhang mit der Veröffentlichung mehrerer Zeitungsartikel in der "A Allgemeinen".

I.

Der Kläger ist Jurist und arbeitet inzwischen als Rechtsanwalt; die Beklagte zu 2) ist Verlegerin der täglich erscheinenden Zeitung "A Allgemeine", für die der Beklagte zu 1) als Journalist und verantwortlicher Redakteur für "Polizei und Gericht" arbeitet. In der Silvesternacht des Jahreswechsels 1997/98 fand in der im A Stadtteil B-Nord gelegenen Diskothek "S" eine "Große Abschiedsparty" statt, nachdem der in der Nachbarschaft dieser Gaststätte lebende Kläger mit verwaltungsrechtlichen Mitteln die Schließung der Diskothek erreicht hatte, da diese nicht mit den gesetzlich vorgeschriebenen Genehmigungen betrieben wurde. Ausgehend von dieser Diskothek kam es in der Silvesternacht 1997/98 zu erheblichen Ausschreitungen gegen das Anwesen des Klägers und dessen Person.

In ihrer Ausgabe vom 02.01.1998 berichtete die "A Allgemeine" in einem Artikel (Anlage K 2) unter der Überschrift "Knalleffekte zum Jahreswechsel" unter anderem über die Ausschreitungen gegen den Kläger, der als "Nachbar Hermann G." bezeichnet wurde.

Noch am selben Tag schickte der Kläger einen als "Leserbrief und Gegendarstellung" bezeichneten Brief (Anlage B 1 = K 24) an die "A Allgemeine Zeitung". Auf Seite 2 oben unterschrieb der Kläger wie folgt:

"H M G Jurist H Str. 222 A Tel.:"

Danach enthielt das Schreiben unter der Überschrift "Anmerkung für die "AZ" u.a. folgende Passagen:

1. Ihr Redakteur Klaus U war zusammen mit einem AZ-Photographen am Donnerstag 01.01. zwischen 1.00 und 2.00 längere Zeit auf meinem Grundstück. Ihr Photograph hat ca. ein Dutzend Photos von mir und den mir durch "S"-Punker verursachten Vandalismus-Schäden gemacht. Statt eines dieser Photos veröffentlichten Sie zum zweiten mal ein geschontes, madonnenhaftes Portrait-Bild des Wirtes H. Als ich diesen am Mittwoch 31.12.1997 um 23.00 Uhr anrief und verzweifelt um Hilfe gegen die 30 Angreifer unter seinen Gästen bat, erwiderte er: "Ich und mein Personal haben für sowas jetzt keine Zeit. Dafür ist viel zu viel Betrieb."

2. Bitte verdrehen Sie nicht den Sinnzusammenhang meines Leserbriefes auf Seite 1, indem Sie ihn kürzen. Nach so viel einseitiger Desinformation zugunsten eines illegalen Disko-Betriebes, ist es die A Allgemeine den B Bürgern schuldig, auch einmal ihre Meinung ungekürzt darzustellen."

Noch am 02.01.1998 rief der Beklagte zu 1) nach Erhalt dieses Schreibens beim Kläger an und teilte ihm mit, die Beklagte zu 2) werde das Schreiben nicht veröffentlichen. Da sich der Beklagte zu 1) für den rechtlichen Hintergrund der Schließung der Diskothek "S" interessierte, übersandte der Kläger dem Beklagten zu 1) seinen Schriftwechsel mit dem Ordnungsamt" der Stadt A. Am 08.01.1998 berichtete die "A Allgemeine" unter der Überschrift "Willi R für Randale mitverantwortlich gemacht" und der kleiner gedruckten Unterüberschrift "S-Nachbar greift Ordnungsreferenten an" erneut über die Ausschreitungen in der Silvesternacht. In dem vom Beklagten zu 1) verfaßten Artikel (Anlage K 3) wurde der Kläger als "Hermann G." mit dem Zusatz "Jurist" oder "Nachbar" bezeichnet.

Einen weiteren Bericht des Beklagten zu 1) zu den Vorfällen in der Silvesternacht veröffentlichte die "A Allgemeine" in ihrer Ausgabe vom 09.01.1998 (Anlage K 4) unter der Überschrift "R: Es gab keine Hinweise auf Randale" und der Unterüberschrift "Polizei war nur über mögliche "Silvester-Streiche" von S-Besuchern informiert".

Unter der Überschrift "Razzia: Polizei fotografiert 84 Gäste im Siedlerhof", verbunden mit der Unterüberschrift - "Aktion zwei Monate nach Angriff auf Nachbarn" berichtete die "A Allgemeine" in ihrer Ausgabe vom 07.03.1998 erneut über den Vorfall in der Silvesternacht.

Am 31.03.1998 veröffentlichte die "A Allgemeine" einen vom Beklagten zu 1) verfaßten Bericht über die Ermittlung von sieben jungen Männern als Tatverdächtige.

Die "A Allgemeine" berichtete am 17. Juli 1998 in einem vom Beklagten zu 1) geschriebenen Artikel (Anlage K 10) über den ersten Verhandlungstag des Hauptverfahrens gegen 8 Angeklagte wegen der Vorfälle in der Silvesternacht unter der Überschrift "S-Randale: "Das war Bürgerkrieg"". Die Unterüberschrift lautete: "Gestern begann der Prozeß gegen junge Leute, die Nachbarn mit Flaschen angriffen." Dabei schilderte der Beklagte zu 1) auch die Zeugenaussage des Klägers, der als Nachbar des Siedlerhofs und mit "Volljurist Hermann G. (37)" bezeichnet wurde.

Über den zweiten, abschließenden Verhandlungstag berichtete die "A Allgemeine" in ihrer Ausgabe vom 18.07.1998 in einem von dem Journalisten Richard S. Schmidt verfaßten Artikel (Anlage K 11) unter der Überschrift "S-Randale als Landfriedensbruch gewertet" und der kleiner gedruckten Unterüberschrift "Jugendschöffengericht". Nachbar hatte Angriffe provoziert". Der Artikel selbst begann folgendermaßen:

"Jugendschöffengericht, Staatsanwalt und Verteidiger waren sich einig: Jurist Hermann G. habe als Nachbar der Diskothek Siedlerhof den Angriff auf sein Grundstück durch ungeschicktes Verhalten provoziert. Unbestritten für das Gericht und den Ankläger war der Vorwurf des Landfriedensbruches durch Böller, Raketen, Flaschen und Mülltonnenwürfe. Alle acht Angeklagten wurden deshalb gestern verurteilt."

Mit Schreiben vom 18.07.1998 (Anlage K 13) forderte der Kläger die "A Allgemeine Zeitung" zum Abdruck einer Gegendarstellung zu dem Artikel vom 1 8.07.1998 auf; dies lehnte die Beklagte zu 2) ab.

Im Anschluß an das Strafverfahren gegen die acht Angeklagten wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruches leitete die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage ein. Gegen den vom Amtsgericht Augsburg erlassenen Strafbefehl legte der Kläger Einspruch ein, über den am 10.02.1999 vor dem Amtsgericht Augsburg verhandelt werden sollte. Im Vorfeld des Termins zur Hauptversammlung schrieb der Kläger am 05.02.1999 einen Brief (Anlage K 1 5) an den Beklagten zu 1), in dem er unter anderem den Beklagten zu 1) und dessen Kollegen aufforderte, alle Hinweise auf seine Identität und Adresse sowie seine Mutter zu unterlassen. Insbesondere bat der Kläger darum, seinen Namen und den seiner Mutter weder in ausgeschriebener noch in abgekürzter Form zu erwähnen sowie alle Angaben wegzulassen, aus denen auf die Wohnadresse geschlossen werden könnte. Das Amtsgericht Augsburg verurteilt den Kläger wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je DM 20,-. Bezüglich zweier Aussagen (Beleidigung und Provokation; Angriff auf den Polizeibeamten P) erfolgte keine Verurteilung. Der Beklagte zu 1) berichtete über diese Verhandlung in einem Artikel, der in der Ausgabe vom 11.2.1999 mit der Überschrift "Nachbar wegen Falschaussage verurteilt" sowie der Unterüberschrift "Im Prozeß um Randale vor S in der Neujahrsnacht die Unwahrheit gesagt" veröffentlicht wurde (Anlage K 16). Eine namentliche Erwähnung des Klägers erfolgte in dem Beitrag nicht. Er wurde als (Voll) Jurist und Nachbar des S bezeichnet; zudem nannte der Beklagte zu 1) in dem Artikel das Alter des Klägers.

Nachdem das Landgericht Augsburg auf die Berufung des Klägers die Verurteilung nur noch auf einen Punkt beschränkt hatte - das Verschweigen der Bezeichnung der S-Gäste als "asoziales Pack" - und der Kläger deshalb unter Strafvorbehalt verwarnt worden war, stellte das Bayerische Oberste Landesgericht auf die Revision des Klägers mit Beschluß vom 19.01.2000 (Anlage K 17 = B 2) das Verfahren nach § 153 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 StPO ein. Der Kläger forderte die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 09.02.2000 (Anlage K 18) auf, eine von ihm verfaßte und mit der Hervorhebung "Richtigstellung des Betroffenen" versehene Mitteilung über den Ausgang des Revisionsverfahrens zu veröffentlichen. Das lehnten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 22.02.2000 (Anlage K 19) für die Beklagte zu 2) sowie den Chefredakteur ab; allerdings erklärten sie sich zu einer üblichen Folgeberichterstattung bereit. Diesen Vorschlag lehnte der Kläger ab.

II.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger im wesentlichen geltend gemacht, ihm stehe gegen die Beklagten aufgrund der ehrverletzenden Wirkung der Berichterstattung ein Entschädigungsanspruch zu. Durch die wiederholte Angabe seines Wohnortes in der Nachbarschaft der Diskothek "S", die Abkürzung des Nachnamens und die Nennung des Vornamens sowie die Hinweise auf Beruf und in späteren Artikeln auch auf sein Alter sei er identifizierbar gewesen. Die Berichterstattung über ihn stelle sich in allen Artikeln als eine unzulässige Verdachtsberichterstattung dar. Das Zitat des Polizeidirektors B im Bericht vom 09.01.1998 sei als zusätzlicher Beweis dafür herangezogen worden, daß er, der Kläger, die (Allein-) Schuld an den gegen ihn gerichteten Ausschreitungen in der Silvesternacht trage. Dies werde verstärkt durch die Berichterstattung über das Verfahren vor dem Jugendschöffengericht; das behauptete Einigsein von Jugendschöffengericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigern lasse beim Leser nicht den geringsten Zweifel an der Alleinschuld des "Juristen Hermann G." aufkommen. Vom Umstand, daß er in dem Prozeß wegen Landfriedensbruchs gegen acht Punker als Opfer des geplanten Raubüberfalls Nebenkläger und Zeuge war, werde durch die Art der Darstellung abgelenkt. Über die vom Provokationsvorwurf entlastenden tragenden Urteilsgründe enthalte der Bericht kein Wort; in der Unvollständigkeit und Unausgewogenheit der Berichterstattung liege eine Falschbehauptung.

Die Berichterstattung über das gegen ihn gerichtete Hauptverfahren stelle eine schwere Persönlichkeitsverletzung dar, weil die Art des Vorwurfs eine Berichterstattung nicht rechtfertige, die eine Identifikation des Klägers zulasse. Zum anderen sei wegen der fehlenden Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Augsburg der Grundsatz der Verdachtsberichterstattung heranzuziehen. Die Darstellung, jemand habe eine Straftat begangen, treffe den Betroffenen im Kern der Persönlichkeit, wenn das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen und nicht auf diesen Umstand hingewiesen werde. Die Beklagten hätten das Prinzip der Unschuldsvermutung außer Acht gelassen. Ebenso fehle ein Hinweis auf den teilweisen Freispruch. Die angebotene übliche Folgeberichterstattung sei für ihn unzumutbar gewesen.

Angesichts seiner Schreiben vom 02.01., 12.02. und 18.07.1998 sowie vom 05.02.1999 hätte die Beklagte gewarnt sein müssen; mit diesen Schreiben habe er versucht, die rechtswidrige und identifizierende Berichterstattung zu stoppen. Gegenüber Mitarbeitern der Beklagten zu 2) habe er sich nie mit der Veröffentlichung seiner persönlichen Daten einverstanden erklärt; danach sei er nie gefragt worden. Weder in der Silvesternacht noch sonst sei dies Thema eines Gesprächs zwischen ihm und den Mitarbeitern der Beklagten zu 2) gewesen. Auch sei er keine relative Person der Zeitgeschichte.

Die Schwere der Persönlichkeitsverletzung, die gravierende Vernachlässigung der journalistischen Sorgfaltspflichten sowie die erheblich negativen Auswirkungen der Berichterstattung im persönlichen und beruflichen Bereich würden eine Geldentschädigung in Höhe von mindestens DM 50.000,-- rechtfertigen. Hierfür hafte auch die Beklagte zu 2). Der Beklagte zu 1) sei Verrichtungsgehilfe der Verlegerin; da dieser völlig ungeeignet sei für die Aufgabe als verantwortlicher Redakteur für das Ressort "Polizei und Justiz" und auch schon vor dem gegen ihn, den Kläger, geführten Ermittlungsverfahren gegen die Grundregeln des Pressekodex verstoßen habe, treffe die Beklagte zu 2) ein Auswahlverschulden. Im übrigen habe sie geeignete organisatorische Maßnahmen unterlassen, um unberechtigte Eingriffe in fremde Rechtssphären zu vermeiden.

Die Beklagten haben sich im wesentlichen darauf berufen, die Berichterstattung über die Vorgänge in der Silvesternacht und die daraus resultierenden gerichtlichen Verfahren sei zulässig gewesen. Der Kläger habe bei den Gesprächen in der Silvesternacht vom Beklagten zu 1) ausdrücklich verlangt, über den Vorfall müsse berichtet werden. Auf die Nachfrage wegen der Namensnennung habe sich der Kläger damit einverstanden erklärt, daß sein voller Name genannt werde. Zudem habe er sich bereitwillig fotografieren lassen. Die Berichterstattung über die Vorfälle habe der Wahrheit entsprochen. Das Schreiben des Klägers vom 02.01.1998 belege dessen Wunsch nach der Kenntlichmachung seiner Person. Ein Anspruch darauf, daß sie, die Beklagten, für ihn Partei ergreifen würden, stehe dem Kläger nicht zu.

In der Berichterstattung über das Hauptverfahren im Juli 1998 seien angesichts der Erklärungen des Staatsanwalts und der Richterin nur Tatsachen geschildert oder bewertet worden.

Ebenso sei über das Hauptverfahren gegen den Kläger objektiv und wahrheitsgemäß berichtet worden. Durch den Beschluß des Revisionsgerichts werde aus einer ursprünglichen Tatsachenberichterstattung nicht rückwirkend eine Verdachtsberichterstattung.

Außerhalb des Stadtteils Bärenkeller sei der Kläger aufgrund der gewählten Darstellung nicht erkennbar. Angesichts seiner Stellung als treibende Kraft in Bezug auf das Verfahren gegen die Diskothek "S" und seiner maßgeblichen Mithilfe, die zum späteren Strafverfahren gegen die Punker geführt habe, müsse der Kläger als relative Person der Zeitgeschichte angesehen werden; dies gelte auch im Hinblick auf das eigene Strafverfahren.

Die vom Kläger begehrte Richtigstellung gehe weit über eine Folgeberichterstattung hinaus.

Das Landgericht hat mit Endurteil vom 25.04.2001 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils wird Bezug genommen (Bl. 140 ff. d.A.).

III.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Der Kläger bringt im wesentlichen vor, in den Artikeln der Beklagten vom 17. und 18.07.1998 seien wesentliche Verhandlungsergebnisse verschwiegen worden, namentlich daß die Angeklagten "in Ausführung eines bereits zuvor gemeinsam gefaßten Tatplanes am Nebenkläger G Rache nahmen". Der Angriff der Punker habe schon länger gedauert, bevor er, der Kläger, und seine Mutter das Haus verlassen hätten. Die Artikel enthielten eine fehlgewichtete und unwahre Darstellung. Der Bericht vom 18.07.1998 habe durch Überschrift und ersten Absatz den Lesern den Eindruck aufgedrängt, daß das Jugendschöffengericht ihn, den Kläger, wegen Provokation zum Landfriedensbruch abgeurteilt habe. Er werde als der eigentlich Schuldige des Landfriedensbruch dargestellt.

Durch die Aufnahme von 17 Identifizierungsmerkmalen in dem Artikel vom 11.02.1999 habe jeder Leser leicht den Bezug zu den vorangegangenen sieben "S"-Artikeln herstellen können. Der Beklagte zu 1) habe in dem Bericht den Wegfall des Hauptanklagepunktes verschwiegen, nämlich daß er, der Kläger, in seiner Aussage gegen die acht Landfriedensbrecher eine von ihm ausgehende Provokation verneint habe, obwohl dieser Vorwurf in den Artikeln der Beklagten vom 09.01. und 18.07.1998 der Schwerpunkt der Stimmungsmache gegen ihn gewesen sei. Ferner seien alle anderen ihn entlastenden Umstände, die in der mündlichen Verhandlung festgestellt worden seien, verschwiegen worden. Der Beklagte zu 1) habe es als feststehende und gerichtlich erwiesene Tatsache dargestellt, daß er, der Kläger, in mindestens drei Punkten gelogen habe. Der Beklagte zu 1) habe pflichtwidrig einen Hinweis auf die fehlende Rechtskraft weggelassen.

Im Ersturteil seien Reichweite und Bedeutung seiner, des Klägers, verfassungsrechtlich garantierten Rechte auf Anonymität und informationelle Selbstbestimmung verkannt worden. Seine Identifikation sei selbst eine schwere Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts; die Beklagten hätten in acht Artikeln über 70 mal die privaten Identifikationsmerkmale wiederholt.

Indem im Artikel vom 11.02.1999 die Zusammensetzung der Geldstrafe aufgeschlüsselt (120 Tagessätze zu 20 DM) worden sei, seien pflichtwidrig seine, des Klägers, schlechten Einkommensverhältnisse offenbart worden.

Es habe sich um eine sogenannte identifizierende Verdachtsberichterstattung gehandelt, für welche besonders strenge Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gälten. Das Landgericht habe diese ausgehebelt, indem es unterhalb der Schwelle der Person der Zeitgeschichte die "Person in zentraler Rolle" erfunden habe. Ein besonderes öffentliches Informationsinteresse habe nicht an seiner Person, nicht an seinen persönlichen Merkmalen bestanden.

Das Grundrecht der Pressefreiheit überwiege nicht in der Abwägung mit seinen, des Klägers, Persönlichkeitsrechten.

Das Landgericht habe nicht zwischen dem Ermittlungs-/Strafverfahren gegen die acht Punker wegen des geplanten Landfriedensbruchs und dem Ermittlungs-/Strafverfahren gegen ihn wegen uneidlicher Falschaussage unterschieden.

Er, der Kläger, sei nicht nach seinem Namen oder seiner Einwilligung gefragt worden. Er habe nicht, vor allem nicht "blanko", in die Aufhebung seiner Anonymität eingewilligt, auch nicht durch angebliches Fotografierenlassen. Mit seinem "Leserbrief und Gegendarstellung" vom 02.01.1998 habe er nur die aus der vorherigen unzulässigen Identifizierung drohende Gefahr einer Wiederholung von Ausschreitungen vermindern wollen. Aus Angst vor weiteren Überfällen, habe er ein besonderes Schutzinteresse an Anonymität gehabt. Das Landgericht habe die inhaltliche und zeitliche Reichweite der zu Unrecht angenommenen konkludenten Einwilligung überspannt. Die Beklagten hätten die ihn zeigenden Bilder nicht veröffentlicht. Damit sei eine konkludente Einwilligung erloschen. Das gelte entsprechend für seine "Gegendarstellung" vom 02.01,1998. Ihn, den Kläger, habe keine Hinweispflicht auf die Unzulässigkeit seiner Identifizierung getroffen.

Der Schweregrad der Persönlichkeitsrechtsverletzungen sei bei der gebotenen Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs erheblich. Sieben der insgesamt acht Artikel der Beklagten fielen in den Zeitraum, in dem er weder Verdächtiger noch Beschuldigter, sondern Opfer erheblicher Straftaten gewesen sei.

Sein Schutzbedürfnis sei ebenfalls erheblich gewesen, da er als späterer Rechtsanwalt besonders von einem untadeligen Leumund und guter Reputation abhängig sei. Gleichwohl sei er als Verursacher und Anheizer erheblicher Gewalttaten dargestellt worden. Durch Zitierung des Polizeidirektors sei das als bewiesene Tatsache hingestellt worden. Jeder unbefangene Leser habe annehmen müssen, es werde (auch) gegen ihn, den Kläger, strafrechtlich ermittelt. Schwerwiegend sei auch die Dauer der Berichterstattung wegen der besonderen Nachhaltigkeit der Ehr- und Rufschäden.

Eine von den Beklagten als Schädigern formulierte Folgeberichterstattung nur über die Verfahrenseinstellung, wie sie bei den Beklagten üblich sei, sei unzureichend und für ihn unzumutbar gewesen. Er habe begründet von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht, auf eine Klage auf Richtigstellung verzichtet und verlange statt dessen eine Geldentschädigung. Gerade bei einem erst kürzlich (März 2000) zugelassenen Rechtsanwalt würde eine Richtigstellungsveröffentlichung den mit ihr verfolgten Zweck konterkarieren.

Das Verschulden der Beklagten sei schwer. Diese hätten die Grundregeln von Pressekodex und/oder Richtlinien zur identifizierenden Verdachts- und Gerichtsberichterstattung mißachtet und ihn atypisch ungleich behandelt.

Ferner sei zu berücksichtigen, daß er sich schriftlich an die Beklagten und an den Polizeidirektor B gewandt, auf die Rechtswidrigkeit der Berichterstattung hingewiesen und Richtigstellung bzw. Gegendarstellung verlangt habe. Die jetzige Berufung der Beklagten auf die Subsidiarität des Geldentschädigungsanspruchs sei unangebracht und wegen eigenem widersprüchlichem Verhalten treuwidrig. Ein Einigsein aller Prozeßbeteiligten über seine angebliche, von den drei Haupttätern behauptete Provokation habe nicht bestanden.

Rufschäden bestünden fort.

Der Kläger beantragt zu erkennen:

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 25.04.2001 wird aufgehoben.

II. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger gesamtschuldnerisch DM 50.000,-- nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz p.a. ab 01.06.2000 zu bezahlen.

Ferner beantragt der Kläger, im Falle der Zurückweisung der Berufung die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beantragen, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, falls die Berufung Erfolg haben sollte.

Die Beklagten bringen vor, sie hätten nur objektiv über tatsächlich Vorgänge berichtet. In der Silvesternacht habe der Kläger den Beklagten zu 1) und den Fotografen K ausdrücklich um Berichterstattung gebeten und sich ausdrücklich mit der Nennung seiner Person einverstanden erklärt.

In der Hauptverhandlung wegen Landfriedensbruchs u.a. hätten Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht geäußert, der Kläger habe die Ausschreitungen provoziert bzw. unglücklich reagiert, als er sein Haus verlassen habe. Die Tatsache, daß der Hauptzeuge im Nachhinein selbst wegen falscher Zeugenaussage verfolgt worden sei, sei ein Folgeumstand, der in nicht minder großem öffentlichen Interesse gelegen habe. Der Kläger sei mehr als nur ein Zeuge gewesen. Er sei unmittelbar Betroffener und Hauptzeuge gewesen, habe eine Schlüsselrolle in dem zugrundeliegenden Geschehen gespielt und habe nach den Ausschreitungen das vermeintliche Fehlverhalten von Behörden angeklagt.

Sie, die Beklagten, hätten nicht berichten müssen, daß das Urteil vom 10.02.1999 nicht rechtskräftig sei. Die Öffentlichkeit wisse, daß ein Urteil grundsätzlich mit Rechtsmitteln angreifbar sei. Andererseits sei ein Rechtsmittel nicht angekündigt gewesen.

Für eine Geldentschädigung des Klägers bestehe kein unabwendbares Bedürfnis. Denn nach den Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2001 habe es keine negative Reaktion der Öffentlichkeit gegeben, vielmehr sei eine anerkennende Tendenz für das Verhalten des Klägers deutlich geworden. In den Artikeln sei die Person des Klägers nicht herabgesetzt worden. Außerdem habe der Kläger eine lange Zeitspanne bis zur Geltendmachung der Forderung verstreichen lassen, die er erst unmittelbar vor Verjährungseintritt erhoben habe.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Parteischriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

IV.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Beantwortung der Beweisfragen durch die Zeugen J L und Dr. Z sowie durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen K, Sch und F R. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Angaben der Zeugin J L vom 22.01.2002 (Anlage zu Bl. 335 d.A.) und des Zeugen Dr. Z vom 25.01.2002 (Anlage zu Bl. 348 a d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 06.03.2002 (Bl. 356/368 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.

Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils und nimmt auf sie Bezug. Die vom Senat ergänzend durchgeführte Beweisaufnahme führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die folgenden Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (§ 313 Abs. 3 ZPO). Die Kürze der Darstellung erklärt sich auch daraus, daß der Streit im Termin zur mündlichen Verhandlung sachlich und rechtlich eingehend erörtert wurde (vgl. hierzu Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 24. Aufl., § 313 Rn. 27). Auch ist zu berücksichtigen, daß es sich um ein Berufungsurteil handelt, das mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angefochten werden kann (vgl. BVerfG NJW 1996, 2785; 1999, 1387/1388).

Jener Anspruch besteht nur, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, daß es sich weder bei einem der Artikel, noch bei der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit um eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers handelte, welche die Zahlung einer Geldentschädigung erforderte.

I.

Die Veröffentlichung der Artikels vom 02.01.1998 und die darin enthaltene Bezeichnung des Klägers mit "Nachbar Hermann G." war schon nicht rechtswidrig.

Die Bezeichnung des Klägers ist durch dessen Einwilligung gedeckt. Die Einwilligung des Klägers hat sogar die Angabe des vollen Namens umfaßt. Hiervon haben die Beklagten nicht einmal Gebrauch gemacht.

Die Einwilligung, die auch einseitig erklärt werden kann, konnte selbst konkludent erklärt werden. Hier gilt nichts anderes als im Bereich der allgemeinen Willenserklärungen; auch sie können sich aus schlüssigem Verhalten ergeben, nämlich aus Handlungen, die mittelbar einen Schluß auf einen bestimmten Rechtsfolgewillen zulassen (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auf., Einführung 6 vor § 116).

Die Einwilligung des Klägers deckt die Aufhebung von dessen Anonymität. Zur Bestimmung der Reichweite der Einwilligung in den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sind die Grundsätze der für das Urheberrecht entwickelten Zweckübertragungslehre entsprechend anzuwenden (Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 19.465 a). Die Einwilligung reicht nur soweit, wie der mit ihrer Erteilung verfolgte Zweck.

Nach den Umständen des Streitfalls erstreckt sich die Einwilligung des Klägers auf dessen Abbildung und namentliche Nennung als betroffener Nachbar in der Berichterstattung der Beklagten über die Ausschreitungen von Gästen des "S" in der Silvesternacht 1997/1998. Ein konkreter Inhalt dieser Berichterstattung unter Beschränkung der Pressefreiheit wird damit nicht vorgeschrieben.

Der Kläger hat bereits durch schlüssiges Verhalten in die Veröffentlichung seines Bildes eingewilligt. Der Kläger hat sich in der Silvesternacht im Zusammenhang mit den damaligen Ereignissen unstreitig von einem professionellen Pressefotografen, der in Begleitung eines Zeitungsreporters am Tatort war, willentlich fotografieren lassen. Das wird namentlich durch das vorgelegte Lichtbild Anlage zu Bl. 80 d.A bestätigt. Diese Einwilligung enthält nach den Gesamtumständen die Zustimmung zu der Aufdeckung der Anonymität und umfaßt hier zumindest die Bezeichnung des Klägers mit "Nachbar Hermann G.", eben weil durch eine - vom Kläger gewollte - Veröffentlichung einer solchen Abbildung des Klägers in der konkreten Situation dessen Identität in weitgehend gleichem Umfang aufgedeckt wird. Unter den konkreten Umständen und unter Berücksichtigung der Äußerungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG bedarf es hier nicht zum Schutz der Person einer ausdrücklichen Erklärung des Betroffenen.

Darüber hinaus hat hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine ausdrückliche Einwilligungserklärung des Klägers in der Silvesternacht zur Nennung sogar von dessen vollem Namen vorgelegen.

Das folgt zunächst aus der glaubhaften Zeugenaussage des Bildjournalisten K, der bei seiner Vernehmung einen glaubwürdigen Eindruck gemacht hat. Danach wurde der Kläger wegen des Namens und der Erlaubnis zu fotografieren gefragt. Der Zeuge K hat bestätigt, daß sich der Kläger gemäß Absprache mit den Vandalismusschäden postieren und mehrfach aufnehmen ließ, und ferner, daß der Beklagte zu 1) auf die Frage des Zeugen erklärt hat, er habe den Namen des Klägers Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beklagte zu 1) in jener Nacht seinem Kollegen eine falsche Antwort gegeben habe.

Dies wird bestätigt durch das eigene Schreiben des Klägers ("Leserbrief und Gegendarstellung"; Anlage K 24), das er unmittelbar nach dem Erscheinen des Artikels vom 02.01.1998 an die Beklagte zu 2) gerichtet hat. Darin beanstandet der Kläger nicht etwa seine Benennung mit "Nachbar Hermann G.". Vielmehr beklagt er sich sogar darüber, daß ein Foto von ihm und den Schäden nicht veröffentlicht worden ist. Darin liegt ein weiteren Indiz für die bereits in der Silvesternacht erklärte Zustimmung des Klägers zur Aufdeckung seiner Anonymität. Ferner zeigt der Leserbrief, um dessen ungekürzte Veröffentlichung der Kläger - auch schon auf dem Briefumschlag - mit Nachdruck und deutlicher Begründung gebeten hat im Einklang mit dem vom Zeugen K gewonnenen Eindruck, daß der Kläger in dieser Angelegenheit geradezu an die Öffentlichkeit gedrängt hat.

Demgegenüber reicht die Aussage der Zeugin R, der Mutter des Klägers, nämlich daß nach dem Namen ihres Sohnes nicht gefragt worden sei, für eine andere Würdigung nicht aus. Der Senat erachtet es, als nicht ausgeschlossen, daß der Zeugin während des geraume Zeit dauernden Zusammentreffens des Klägers, des Beklagten zu 1) und des Zeugen K das - kurze - Gespräch darüber in jenem Tumult entgangen ist, zumal da das Ereignis nach den eigenen Worten der 69 Jahre alten Zeugin eine der schlimmsten Situationen gewesen sei, die sie je erlebt habe, und ihr Sohn und sie selbst nervlich total fertig gewesen seien. Die weitere Angabe der Zeugin, daß in der Silvesternacht nach dem Beruf ihres Sohnes nicht gefragt worden sei mag zutreffen. Auch der Zeuge K gibt eine solche Frage nicht wieder. Der Beruf des Klägers wird in dem ersten Artikel vom 02.01.1998 nicht erwähnt, sondern erst im Bericht vom 08.01.1998 ("der Jurist Hermann G."). Zwischen die beiden Berichte fällt aber das Schreiben des Klägers an< die Beklagte zu 2) ("Leserbrief und Gegendarstellung", Anlage K 24), in dem der Kläger außer der jeweils vollständigen Angabe seines Namens, seiner Adresse und seiner Telefonnummer auch seinen Beruf ("Jurist") mitteilt, verbunden mit der Bitte um ungekürzte Veröffentlichung.

II.

Die Beklagten konnten davon ausgehen, daß sich die Einwilligung des Klägers in die Kennzeichnung seiner Person wie im Bericht vom 02.01.1998 auf Folgeartikel aus Anlaß der Ausschreitungen von Silvester 1997/1998 erstreckt, somit auch auf den Prozeßbericht vom 18.07.1998. Der Kläger muß sich sein Verhalten in der Silvesternacht und in der Folgezeit als Einwilligung zu der (teilweisen) Aufhebung seiner Anonymität in dem zeitlichen und sachlichen Rahmen, wie geschehen, nach den Auslegungskriterien der §§ 157, 242 BGB zurechnen lassen (vgl. Soehring, a.a.O., Rn. 19.46 a ff.). Dies hat sich erst mit dem Schreiben des Klägers vom 05.02.1999 an den Beklagten zu 1) (Anlage K 15) geändert, in dem der Kläger für den Fall eines Artikels über den damals bevorstehenden Strafprozeß gegen ihn selbst dazu aufgefordert hat, alle Hinweise auf die Identität und die Adresse von ihm und seiner Mutter zu unterlassen. Andererseits bestätigt dieses Widerrufsschreiben aber auch, daß der Kläger gegen die Hinweise auf seine Identität und seine Adresse in den bis dahin erschienen Berichten der Beklagten nichts einzuwenden hatte.

Bereits bei dem Artikel der Beklagten vom 08.01.1998 kommt hinzu, daß der Kläger den Beklagten zu 1) vorher über den Gegenstand des Berichts umfassend informiert hat. Die Einwilligungserklärung konnte stillschweigend durch Information des Journalisten abgegeben werden. Darüber hinaus wird durch das Schreiben des Klägers vom 05.01.1998 an den Beklagten zu 1) (Anlage K 25 zu Bl. 82/119 d.A.), mit welchem der Kläger seinen bisherigen Schriftwechsel mit dem Ordnungsamt der Stadt A übersandte, geradezu dazu aufgefordert, über die Angelegenheit Diskothek "S", wenn auch im Sinne der Sicht des Klägers, zu berichten. Daß dabei zumindest die Bezeichnung des Klägers, wie im Bericht vom 02.01.1998 damals unbeanstandet geschehen, vor allem als "Nachbar" wieder verwendet würde, hat auf der Hand gelegen.

III.

In dem ebenfalls die Ereignisse der Silvesternacht betreffenden Prozeßbericht vom 18.07.1998 ist der Kläger, wie dargelegt in zulässiger Weise identifiziert worden.

Im übrigen stellt der Bericht mit der Unterüberschrift "Jugendschöffengericht: Nachbar hatte Angriffe provoziert" und dem vorangestellten, zusammenfassenden Text

"Jugendschöffengericht, Staatsanwalt und die Verteidiger waren sich einig: Jurist Hermann G. habe als Nachbar der Diskothek Siedlerhof den Angriff auf sein Grundstück durch ungeschicktes Verhalten provoziert." (Anlage K 11) keine eine Geldentschädigung erfordernde schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar.

Die Entscheidung, ob eine hinreichend schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab (BGHZ 132, 13 = AFP 1996, 144 = NJW 1996, 1131 - Der Lohnkiller; Senat AfP 1999, 71 = NJW-RR 1998, 1036 - BONNBON -; NJW-RR 2001, 629 - 140.000 DM für drei Bussis).

Ein solcher schwerer Eingriff liegt hier nicht vor.

Zunächst ist zu berücksichtigen, daß die weitere Artikelüberschrift "Jugendschöffengericht: Nachbar hatte Angriffe provoziert" hier keine rechtlich selbständig zu wertende Sachaussage ist (vgl. Soehring, a.a.O. Rn. 16.43 m.w.N.). Der Leser der Zeitung der Beklagten versteht diese Schlagzeile als die Hinlenkung auf die nachfolgende Detaildarstellung, nicht als eine in sich abgeschlossene Tatsachenbehauptung. Hier ist zudem zwischen die Schlagzeile und dem eigentlichen redaktionellen Text eine hervorgehobene Zusammenfassung gesetzt. In einem solchen Fall darf die Schlagzeile nicht ohne Berücksichtigung dieses unmittelbar nachgeordneten Texts gewertet werden (vgl. KG AfP 1999, 369; Soehring, a.a.O.). Hier wird in der unmittelbar folgenden hervorgehobenen Zusammenfassung gleich im ersten Satz der Provokationsvorwurf mit der Erläuterung "durch ungeschicktes Verhalten" klar gestellt und damit ganz erheblich angeschwächt.

Die Beweislast für die Wahrheit einer ehrenrührigen Behauptung liegt gemäß § 186 StGB bei den Beklagten, weil dessen Beweisregel auch in das Zivilrecht transformiert wird (BGH NJW 1974, 1710 - Arbeitsrealitäten; AfP 1975, 911 = NJW 1995, 1882 - Geist von Oberzell; vgl. Damm/Rehbock, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 2. Aufl., Rn. 594). Dies gilt auch für den Geldentschädigungsanspruch (BGH in BGHZ 132, 13 = AfP 1996, 144 = NJW 1996, 1131 - Der Lohnkiller; vgl. Soehring, a.a.O., Rn. 32.6).

Nach dem Ergebnis der hierzu durchgeführten Beweisaufnahme, ist die Behauptung teilweise ungenau, aber im Kernbereich nicht insgesamt unwahr. Soweit der Bericht aufgrund seiner gedrängten, vereinfachenden Darstellung und der Zusammenfassung der Meinungen der einzelnen Prozeßbeteiligten deren Nuancen nicht ausreichend wiedergibt, reicht das für eine schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers nicht aus. Der Unterschied zwischen der von der Richterin L in ihrer schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage wiedergegebenen Auffassung des Jugendschöffengerichts, zugunsten der Angeklagten habe nicht ausgeschlossen werden können, daß diese sich durch das klägerische Verhalten provoziert gefühlt hätten, und dem Inhalt des Prozeßberichts vom 18.07,1998 ist nicht so erheblich, daß die volle Einbeziehung des Jugendschöffengerichts die von Staatsanwalt und (einigen) Verteidigern geteilte Meinung eine Geldentschädigung erfordern würde (vgl. Soehring, a.a.O., Rn. 32.24). Immerhin hat das BayObLG in seinem Beschluß vom 16.04.1999 die Auffassung des Jugendschöffengerichts, allerdings anhand von dessen schriftlicher Urteilsbegründung, dahin verstanden, "daß das Jugendschöffengericht als wahr unterstellt hat, der Nebenkläger habe sich "provozierend" verhalten..." (Anlage K 12, S. 6).

Oberstaatsanwalt Dr. Z hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage bestätigt und ausgeführt, in seinem Plädoyer zu dem Schluß gekommen zu sein, daß die Angreifer zuvor von dem Kläger - tatsächlich - provoziert worden seien (also nicht nur; sich provoziert gefühlt hätten). Diese Aussage hat der Zeuge Dr. Z lediglich insoweit eingeschränkt, daß ihm nicht mehr erinnerlich sei, ob er diese Feststellung mit dem Zusatz "durch ungeschicktes Verhalten" abgeschwächt habe.

Unstreitig ist, daß jedenfalls ein Teil der Verteidiger in der Hauptverhandlung die gleiche Meinung vertreten haben.

Der Zeuge Sch, der im Juli 1998 als Lokalreporter über die Verhandlung vor dem Jugendschöffengericht Augsburg berichtet hat, hat keine Erinnerung mehr an diese Beweisfrage und hat damit aber auch nicht den Vortrag des Klägers bestätigt. Immerhin hat der Zeuge - einen glaubwürdigen Eindruck vermittelnd - bekundet, daß er den Verlauf der Verhandlung immer mitstenografiert und daß es keine Veranlassung gegeben habe, etwas Falsches in einem Bericht zu bringen. Ferner hat er seine Unterschrift unter der - zeitnahen - Hausmitteilung vom 20.07.1998 (Anlage zu Bl. 356/368 d.A.) anerkannt. Deren Inhalt stimmt aber mit den Angaben der Zeugin L und des Zeugen Dr. Z sinngemäß überein.

Die Erinnerung der Zeugin R und die von ihr erwähnten Aufzeichnungen zu diesem Punkt sind dagegen nicht ausreichend zuverlässig. Das folgt daraus, daß die Zeugin nicht nur das Plädoyer des Staatsanwalts lediglich dahin verstanden hat, schuldmindernd sei zu berücksichtigen, daß sich die Punker provoziert gefühlt hätten, sondern vor allem, daß sie davon nichts bei der Urteilsbegründung der Richterin mitbekommen hat.

Ferner spricht hier gegen eine schwere, geldentschädigungswürdige Persönlichkeitsrechtsverletzung, daß die beanstandete Aussage in dem Prozeßbericht vom 18.07.1998 zu der Einigkeit von Prozeßbeteiligten über eine Provokation des Angriffs auf das klägerische Grundstück in ihrem Gewicht wie erwähnt mit der Erläuterung "durch ungeschicktes Verhalten" stark abgeschwächt wird. Die von den Beklagten mitgeteilte übereinstimmende Äußerung der Prozeßbeteiligten über eine Provokation durch den "Juristen Hermann G.... als Nachbar" hat ihrerseits nach dem Verständnis des Lesers eben nur eine Ungeschicklichkeit und nicht etwa ein strafbares Verhalten des Klägers zum Gegenstand.

Hier kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die in einem Prozeßbericht wiedergegebene Einigkeit von Prozeßbeteiligten über Provokation und Ungeschicklichkeit eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung betrifft, ebensowenig auf die Frage der (Un-) Wahrheit oder (Nicht-) Vertretbarkeit von Provokation und Ungeschicklichkeit. Eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Beklagten wird nicht dadurch begründet, daß sich der Prozeßbericht nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob eine schon vorher von Tätern getroffene Verabredung, etwa des Inhalts, daß dem Nachbarn in der Silvesternacht noch Ärger gemacht werde (vgl. Prozeßbericht vom 17.07.1998, Anlage K 10), die Provozierung eines Angriffs durch ungeschicktes Verhalten des Nachbarn, nämlich eines Angriffs in der Art und in dem Ausmaß des dann tatsächlich ausgeführten Angriffs, wirklich ausschließt.

IV.

Zu dem Bericht der Beklagten vom 11.02.1999 fehlt eine Einwilligung des Klägers zu der Aufdeckung von dessen Identität. Denn der Kläger hat, wie erwähnt, mit Schreiben vom 05.02.1999 ausdrücklich die Aufnahme von Hinweisen auf seine Identität in einen Bericht über das gegen ihn gerichtete Strafverfahren verboten.

Gleichwohl werden durch den Bericht vom 11.02.1999 die Voraussetzungen für einen Geldentschädigungsanspruch nicht erfüllt. Auch insoweit folgt der Senat den Gründen des Ersturteils, in denen auch die fehlende Klarstellung, daß nicht sämtliche Vorwürfe nachgewiesen wurden, berücksichtigt worden ist.

Immerhin haben die Beklagten dem Widerruf des Einverständnisses durch den Kläger insoweit Rechnung getragen, als dessen Name auch nicht in abgekürzter Form genannt worden ist. Die Angabe, daß es sich bei dem Angeklagten um einen "Nachbarn des Lokals" und einen "Juristen" gehandelt hat, ist durch die Besonderheiten des Sachverhalts begründet und war zum Verständnis des Prozeßberichts nahezu unvermeidlich. Im Grunde hat nur die Alternative bestanden, auf den Bericht ganz zu verzichten. Dabei hat es sich aber um einen Strafprozeß gehandelt, der in engem Zusammenhang mit den Ereignissen an Silvester 1997/1998 gestanden hat, über die wiederum wiederholt von den Beklagten berichtet worden war. Ausmaß und Hintergrund jener "Randale" begründeten ein beträchtliches Informationsinteresse der Augsburger Öffentlichkeit. Vor diesem Hintergrund sprechen Anlaß und Beweggrund für die Berichterstattung der Beklagten sowie der Grad eines Verschuldens bei angenommener unzureichender Anonymisierung des Angeklagten eher gegen eine hinreichend schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers.

Zu dem vom Kläger beanstandeten Fehlen eines Hinweises auf die noch nicht eingetretene Rechtskraft (vgl. hierzu auch Soehring, a.a.O., Rn. 32.24) wird ergänzend darauf hingewiesen, daß in den Prozeßbericht aufzunehmende Erklärungen über eine beabsichtigte Rechtsmitteleinlegung nicht vorgetragen worden sind.

Bei der Beurteilung der Schwere der Verletzung ist nicht ohne Bedeutung, daß der Kläger im Rechtsmittelverfahren nicht rechtskräftig freigesprochen worden ist. Die Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO durch Beschluß des BayObLG ist kein Freispruch.

Ferner steht hier die Subsidiarität des Geldentschädigungsanspruchs (Soehring, a.a.O., Rn. 32.28 ff. m.w.N.) entgegen.

Bei der Entscheidung der Frage, ob ein befriedigender Ausgleich in anderer Weise möglich gewesen wäre, kommt es nach Auffassung des BGH, welcher sich der Senat anschließt, auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. auch Steffen in Löffler, Presserecht, 4. Aufl., § 6 LPG Rn. 336).

Vor allem haben hier die Beklagten dem Kläger unstreitig eine Folgeberichterstattung zu der tatsächlichen Fortentwicklung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens angeboten. Es kommt hier daher nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger einen Rechtsanspruch darauf gehabt hätte (vgl. hierzu Soehring, a.a.O., Rn. 31.16 m.w.N.). Durch einen - denselben Leserkreis erreichenden (vgl. BGHZ 132, 13/29 - Der Lohnkiller) - Bericht über die Verfahrenseinstellung in der Zeitung der Beklagten wäre ein befriedigender Ausgleich für den Artikel über die erstinstanzliche Verurteilung des Klägers möglich gewesen.

Ein Wahlrecht oder ein anzuerkennendes Interesse des Klägers daran abzulehnen, daß die Presse im Zusammenhang mit einer Folgeberichterstattung anstelle einer umfangreichen, vom Kläger vorformulierten und verlangten, nicht aber geschuldeten Erklärung wahrheitsgemäß berichtet mit dem Ergebnis, daß der Träger des Presseorgans Geldentschädigung bezahlen muß, besteht nicht.

V.

Auch zusammengenommen, im Wege der Gesamtwürdigung, rechtfertigen

die verbleibenden vergleichsweise nicht schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers bei dem gegebenen verhältnismäßig geringen Verschuldensgrad den Anspruch auf Geldentschädigung nicht. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ist nicht schwerwiegend genug, um überhaupt einen Anspruch zu begründen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben (vgl. § 543 Abs. 2 ZPO n.F.). Es handelt sich im wesentlichen um die anhand nicht zweifelhafter Voraussetzungen zu prüfende Frage, ob in einem konkreten Einzelfall ein Geldentschädigungsanspruch besteht. Es handelt sich um einen Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung, der nicht der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen kann.

Ein Wert der Beschwer gemäß § 546 ZPO a.F. ist nicht festgesetzt worden, weil auf den vorliegenden Fall das neue Revisionsrecht anzuwenden ist. Die mündliche Verhandlung vor dem Senat fand nach dem 31.1 2.2001 statt (vgl. § 26 Nr. 7 EGZPO i.d.F. ab 01.01.2002).

Ende der Entscheidung

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