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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 11.12.2001
Aktenzeichen: 21 W 2569/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 182
ZPO § 191
1. Bei einer Ersatzzustellung durch Niederlegung ist der Ort der Zustellung/der Mitteilung über die Niederlegung in verkehrsüblicher Weise auch nach Straße und Hausnummer näher zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so leidet die Zustellung unter einem erheblichen Mangel, der die Zustellung unwirksam macht.

2. Eine Berichtigung der Zustellungsurkunde nach ihrer Rücksendung ändert an diesem Ergebnis grundsätzlich nichts.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN

Aktenzeichen: 21 W 2569/01

In dem Rechtsstreit

gegen

wegen Forderung

hier: sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den

vorigen Stand und gegen die Verwerfung des Einspruchs erläßt der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die unterzeichnenden Richter ohne mündliche Verhandlung am 11.12.2001 folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Landgerichts München I, 24. Zivilkammer, vom 22. August 2001 aufgehoben.

II. Der Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts München vom 26. März 2001 ist zulässig.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 20.880,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts München vom 26.03.2001 zum Scheckmahnbescheid vom 21.02.2001 wurde der Beklagte zur Zahlung von 20.880,-- DM verurteilt. Die Urkunde über die Zustellung des Vollstreckungsbescheids durch Niederlegung vom 30.03.2001 enthält nicht die Angabe von Straße und Hausnummer der Wohnung des Beklagten. Am 27.06.2001 legte der Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch ein und beantragte gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist.

Nach Verweisung an das Landgericht wies dieses mit Beschluß vom 22. August 2001 (Bl. 41/44 d. A.) den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid. Gegen den am 10.09.2001 zugestellten Beschluß legte der Beklagte am 24.09.2001 sofortige Beschwerde mit dem Ziel der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist ein. Der Kläger hält die sofortige Beschwerde des Beklagten für unbegründet.

II.

Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde des Beklagten gegen den landgerichtlichen Beschluß vom 22.08.2001 ist zulässig (§§ 700, 339, 341 Abs. 2, 567, 569, 577 ZPO).

Das Rechtsmittel ist begründet.

Die Postzustellungsurkunde, mit der die Zustellung des Vollstreckungsbescheids vom 26.03.2001 beurkundet werden sollte, enthält einen wesentlichen Mangel. In der Urkunde ist lediglich die Gemeinde als Ort der Zustellung (§ 191 Nr. 1 ZPO), nicht aber Straße und Hausnummer genannt (vgl. Nr. 1.3 und 7.1 der Postzustellungsurkunde vom 30.03.2001, Anlage zu Bl. 2 d. A.). Bei einer (Ersatz-)Zustellung durch Niederlegung (§ 182 ZPO) ist jedoch der Ort der Zustellung/der Mitteilung über die Niederlegung in verkehrsüblicher Weise auch nach Straße und Hausnummer näher zu bezeichnen (Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 191 Rn. 2; Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 191 Rn. 2; ähnlich Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 191 Rn. 2; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 191 Anm. B I a, B II a 1).

Die Ansicht, die Räumlichkeit müsse angegeben werden, soweit dies bei der Ersatzzustellung der §§ 181 bis 184 ZPO nach § 191 Nr. 4 ZPO nötig sei (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 191 Rn. 4; MünchKomm/Wenzel, ZPO, 2. Aufl., § 191 Rn. 2), führte im Streitfall eher nicht zu einem anderen Ergebnis. Es handelt sich hier nicht um einen kleinen Ort mit einigen wenigen Anwesen.

Die Zustellung ist wirksam bei bloßen Ungenauigkeiten, wenn sich aus dem Zusammenhang die notwendigen Bestandteile des § 191 ZPO feststellen lassen (BGH LM Nr. 2 zu § 191 ZPO; Thomas/Putzo a. a. O., § 191 Rn. 8; Stein/Jonas/Roth a. a. O., § 190 Rn. 5). Dies ist hier nicht der Fall. Es handelt sich im Streitfall auch nicht um die Verletzung einer Vorschrift bloß instruktioneller Natur wie etwa der Vorschrift des § 194 Abs. 2 ZPO, falls sich der Empfänger der Zustellung bei dem Zustellungsakt über die Person, für welche die Zustellung erfolgt, im klaren war.

Unwirksam ist nach herrschender Meinung die Zustellung, wenn einer der Bestandteile des § 191 Nr. 1 bis 7 ZPO fehlt (BGH LM Nr. 2 zu § 191 ZPO; BGH NJW 1990, 176 = Rpfleger 1989, 417; Thomas/Putzo a. a. O., § 191 Rn. 7; Stein/Jonas/Roth a.a.O., § 190 Rn. 4). Die Regelung des § 190 Abs. 1 ZPO und die strengen Voraussetzungen des § 191 ZPO hätten keinen Sinn, wenn die Zustellungsurkunde lediglich auf die Funktion eines Beweismittels beschränkt wird. Ist daher eine Zustellungsurkunde formell mangelhaft aufgenommen worden, so macht das die Zustellung unwirksam (Stein/Jonas/Roth a. a. O., § 190 Rn. 1; vgl. auch VGH Kassel, NJW 1996, 1074 m. w. N.).

Durch die Postzustellungsurkunde vom 30.03.2001 ist nicht die wesentliche Förmlichkeit belegt, daß die Zustellung des Vollstreckungsbescheids unter der - in der Urkunde nicht angegebenen - Zustellanschrift, nämlich in der Wohnung des Adressaten in der Kirschwiese 2, versucht und die Benachrichtigung über die vorzunehmende Niederlegung dort in den Hausbriefkasten eingelegt worden ist. Es entspricht nicht dem Normzweck von §§ 190 f. ZPO, die Wirksamkeit der Zustellung auf die bloße, auch aus dem übrigen Zusammenhang nicht belegte Vermutung zu stützen, der (i. ü. wechselnde, vgl. Postzustellungsurkunde vom 28.02.2001 zum Mahnbescheid vom 21.02.2001, Anlage zu Bl. 1 d. A.) Zusteller habe zutreffende Kenntnis von der Wohnung des Empfängers gehabt. Es ist nicht zuverlässig auszuschließen, daß Zustellungsversuch und/oder Benachrichtigung, etwa irrtümlich, bei einer anderen Wohnung als der des Adressaten erfolgt sind (vgl. auch SchlHOLG SchlHA 1994, 287: wesentlicher Mangel bei Angabe einer falschen Hausnummer in der Urkunde; ebenso Musielak/Wolst a. a. O., § 191 Rn. 2; a. M. OLG Frankfurt/M. JurBüro 1998, 209 = OLGR 1998, 152). Die Beurkundung vorn 30.03.2001 erfüllt nicht ihren Zweck, zweifelsfrei Beweis für den Zustellungsvorgang zu erbringen. Unwirksam ist die Ersatzzustellung durch Niederlegung u. a. dann, wenn nicht ordnungsgemäß beurkundet ist, ob und auf welche Weise die schriftliche Mitteilung an den Adressaten weitergeleitet wurde (BGH NJW 1990, 176/177; Zöller/Stöber a. a. O., § 191 Rn. 10 a. E.).

Durch die nachträgliche Berichtigung und Ergänzung vom 11.07.2001 auf einer Ablichtung der Zustellungsurkunde vorn 30.03.2001 (Anlage zu Bl. 13 d. A.), also auch nicht auf dieser selbst, ist die Unwirksamkeit der Zustellung nicht beseitigt worden. Denn die Beurkundung der Zustellung muß im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Zustellungsvorgang erfolgen. Spätestens mit der Rückkehr der Zustellungsurkunde an das Amtsgericht war der Zustellungsvorgang abgeschlossen und eine nachträgliche Ergänzung der Urkunde nicht mehr zulässig (vgl. BGH NJW 1990, 176; Zöller/Stöber a. a. O., § 191 Rn. 1).

Die einzelnen Angaben in der Zustellungsurkunde muß der Zusteller ferner eigenhändig unterschreiben, damit er Gewähr für die Richtigkeit der Angaben bietet (Stein/Jonas/Roth a. a. O., § 191 Rn. 3 m. w. N.). Die Ergänzung und Berichtigung der Anschrift des Adressaten vom 11.07.2001 auf der Ablichtung der Postzustellungsurkunde hat nach dem Schriftbild aber eine andere Person als der Zusteller unterschrieben.

Der Zustellungsmangel läßt sich nicht im Wege des § 187 S. 1 ZPO heilen. Bei der Einspruchsfrist handelt es sich gemäß §§ 339 Abs. 1, 700 ZPO um eine Notfrist, für die nach Wortlaut und Sinn des § 187 S. 2 ZPO eine Heilung von Zustellungsmängeln nicht in Betracht kommt (vgl. BGH NJW 1990, 176; SchlHOLG SchlHA 1994, 287 m. w. N.).

Es ist deshalb davon auszugehen, daß der Vollstreckungsbescheid entgegen den Vorschriften der §§ 699 Abs. 4, 329 Abs. 3 ZPO nicht wirksam zugestellt wurde, die Einspruchsfrist von zwei Wochen (§§ 700, 339 Abs. 1 ZPO) nicht zu laufen begann und der Einspruch am 27.06.2001 somit rechtzeitig eingelegt wurde. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zu der Feststellung, daß der Einspruch des Beklagten rechtzeitig eingelegt wurde.

Weil somit keine Notfrist versäumt wurde, ist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Raum (§ 233 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Festsetzung des Wertes des Beschwerdegegenstands ergibt sich aus § 12 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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