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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 26.06.2007
Aktenzeichen: 25 U 5263/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Satz 2
Die bloße Möglichkeit, dass sich eine Sterilitätsursache im Körper des klagenden Versicherungsnehmers (hier: Mann) befinden kann, reicht zur Annahme des Versicherungsfalls nicht aus. Die Unaufklärbarkeit der Frage, ob eine Krankheit in der Person des Klägers (was auch eine Unfruchtbarkeit aus unbekannter Ursache sein kann) gegeben ist, geht nach den Regeln über die Beweislastverleitung zu Lasten des Klägers.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 25 U 5263/06

Verkündet am 26.06.2007

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

erlässt der 25. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Billner und die Richter am Oberlandesgericht Riín Bollmann und Dr. Brokamp aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.06.2007 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.09.2006 abgeändert und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Aufnahme der Darlegungen zu Protokoll begründet. Die Darlegungen werden dem Protokoll als Anlage beigefügt und sind dessen wesentlicher Bestandteil.

Gründe:

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die gestellten Anträge ergeben sich aus dem vorliegenden Protokoll.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage ist unbegründet.

Das Landgericht hat der Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erbringung von Leistungen aus einer privaten Krankenversicherung im Zusammenhang mit reproduktionsmedizinischen Behandlungsmaßnahmen mit der Begründung stattgegeben, der Kläger sei nachgewiesenermaßen hinsichtlich seiner Fortpflanzungfähigkeit krank, es liege eine organisch bedingte Sterilität beim Kläger vor.

Fehlende Fortpflanzungsfähigkeit - vorausgesetzt, sie beruht nicht auf Altersgründen, was im zu entscheidenden Fall aber ausscheidet - wird bei Ehepartnern als bedingungsgemäße Krankheit angesehen, wenn sie auf einer biologischen Beeinträchtigung von Körperfunktionen beruht (BGH VersR 1987, 278). Zu beachten ist, dass nicht die Kinderlosigkeit, sondern nur die organische Ursache derselben eine Krankheit im Sinne der MB/KK darstellt. Solche organischen Störungen - und damit eine bedingungsgemäße Krankheit sind beim klagenden Ehemann entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht nachgewiesen.

Der Gerichtssachverständige Prof. Dr. K hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 28.5.2006 (Bl. 113/122 d.A.) wörtlich ausgeführt: "Über organisch/körperlich bedingte Gesundheitseinschränkungen beim Kläger, die eindeutig fertilitätsrelevant waren, ist den Unterlagen nichts zu entnehmen."

Der vorliegende Fall weist folgende Besonderheit auf. Der Kläger und seine Ehefrau haben nach jahrelanger Kinderlosigkeit eine medizinische Behandlung erwogen. Noch bevor diese einsetzte, wurde die Ehefrau im Frühjahr 2004 unstreitig auf natürlichem Wege (spontan) vom Kläger schwanger. Zwischen dem Eintritt der Schwangerschaft ohne medizinische Therapie und dem Beginn der ersten Inseminationsbehandlung lagen ca. 6 Monate. Zu der letzten ICSI-Behandlung bestand ein Abstand von ca. anderthalb Jahren. Der Sachverständige bewertet den Eintritt einer spontanen Schwangerschaft einleuchtend als Nachweis dafür, dass zum damaligen Zeitpunkt keiner der beiden Ehepartner, also auch nicht der Kläger, steril war. Er hält es aber für möglich, dass in der Folgezeit diesbezüglich Veränderungen eingetreten sind. Hierzu führt es aus: "In dieser Zeitspanne kann sowohl auf männlicher, als auch auf weiblicher Seite eine fertilitätsrelevante Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten sein." Explizit hält er es bei der Ehefrau des Klägers für möglich, dass es bei dieser z.B. im Zusammenhang mit ihrer Fehlgeburt zu fertilitätsrelevanten Komplikationen gekommen ist.

Im vorliegenden Fall wurde die medizinische Behandlung offenkundig deshalb eingeleitet, um die Chancen für eine Konzeption zu erhöhen und nicht, um sie überhaupt erst zu ermöglichen.

Die bloße Möglichkeit, dass sich eine Sterilitätsursache im Körper des Klägers befinden kann, reicht zur Annahme des Versicherungsfalls nicht aus. Die Unaufklärbarkeit der Frage, ob eine Krankheit in der Person des Klägers (was auch eine Unfruchtbarkeit aus unbekannter Ursache sein kann) gegeben ist, geht nach den Regeln über die Beweislastverleitung zu Lasten des Klägers.

Das Landgericht schließt aus dem Umstand, dass bei der Ehefrau des Klägers keine fertilitätsrelevanten organisch/körperlichen Einschränkungen gefunden wurden, beim Kläger aber einige Ejakulatsanalysen nicht mit Normbereich lagen, darauf, dass beim Kläger eine organische Erkrankung vorliegen müsse. Das ist in zweierlei Hinsicht nicht überzeugend. Soweit man hier aufgrund eines Ausschlussverfahrens Rückschlüsse ziehen will, muss berücksichtigt werden, dass es wie oben ausgeführt entgegen der Annahme des Erstgerichts keineswegs als ausgeschlossen gelten kann, dass bei der Ehefrau des Klägers organische Hindernisse für eine Schwangerschaft bestehen. Dass die Ehefrau des Klägers im Frühjahr 2004 schwanger geworden ist, bedeutet, dass bei beiden Ehepartnern im damaligen Zeitraum kein organisch bedingter Ausschluss der Fertilität bestanden hat. In der Folgezeit wurde zwar bei der Ehefrau des Klägers eine organisch körperliche Einschränkung in Bezug auf die Fortpflanzungsfähigkeit auch nicht festgestellt. Dies gilt aber ebenso für den Kläger.

Dass von den mindestens 8 vom behandelnden Arzt erstellten Spermiogrammen des Klägers 5 unzureichende Werte aufwiesen, lässt nicht den Schluss zu, der Kläger sei krankheitsbedingt steril. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Angaben des Sachverständigen ist eine hohe Varianz der Ejakulatparameter - wie sie auch im vorliegenden Fall gegeben ist - ein bekanntes Phänomen, für dessen Ursache zahlreiche Faktoren diskutiert werden. So können hierfür Stress, die Jahreszeit, Alkohol- und Nikotinkonsum, Aspirineinnahme usw. Einfluss auf die männliche Zeugungsfähigkeit nehmen. In einem solchen Fall fehlt es aber an einem bedingungsgemäßen Versicherungsfall.

Zum Versicherungsfall gehört - worauf der Kläger zutreffend hinweist - zwar nicht notwendigerweise die Kenntnis über die Krankheitsursachen. Das ändert aber nichts daran, dass zunächst einmal eine Krankheit, also ein regelwidriger Zustand, feststehen muss. Daran fehlt es im vorliegenden Fall in der Person des Klägers.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1 ZPO (Kosten) und auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO besteht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, da keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung, die höchstrichterlich noch nicht entschieden wurden, vorliegen, noch durch die Entscheidung Rechtsfragen angesprochen werden, die der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen.

Ende der Entscheidung

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