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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 06.11.2001
Aktenzeichen: 28 W 2556/01
Rechtsgebiete: GKG, ZPO


Vorschriften:

GKG § 12
ZPO § 3
ZPO § 485 ff.
1) Der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers an dessen Durchführung.

2) Grundsätzlich ist dabei auf die objektive Bewertung der bei Antragstellung mitgeteilten Tatsachen abzustellen. Nachträglich auftretende Umstände sind zu berücksichtigen, soweit sie das bereits verdeckt bestehende Interesse aufhellen.

3) Bei einem nachfolgenden Hauptsacheverfahren bestimmt dessen Streitwert auch den des vorherigen Beweisverfahrens, soweit es auf dessen Ergebnis gestützt wird. Dies gilt auch dann, wenn statt der im Beweisverfahren ermittelten Mängelbeseitigungskosten im Hauptsacheverfahren der "große Schadensersatz" in Form der Rückabwicklung des bestehenden Werkvertrags verlangt wird.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN Beschluß

des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München

vom 6.11.2001

Aktenzeichen: 28 W 2556/01

In dem selbständigen Beweisverfahren

wegen Streitwertbeschwerde des Antragstellervertreters persönlich

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 16.07.2001 dahingehend abgeändert, dass der Streitwert des selbständigen Beweisverfahren auf 392.309,94 DM festgesetzt wird.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ausdrücklich aus eigenem Recht erhobene Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung, der das Landgericht durch bloße Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht konkludent nicht abgeholfen hat, ist nach § 567 ZPO, § 9 Abs. 2 BRAGO zulässig.

Sie ist auch in der Sache begründet und führt zur Abänderung des Streitwerts des selbständigen Beweisverfahrens auf den Streitwert des zwischen den selben Parteien anhängig gewesenen Hauptsachestreitverfahrens 4 O 1153/00 LG Ingolstadt.

Die Höhe des Streitwerts eines selbständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers. Dabei ist grundsätzlich auf die objektive Bewertung der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung mitgeteilten Tatsachen abzustellen. Nachträglich auftretende Umstände sind jedoch insoweit zu berücksichtigen, als sie das bereits verdeckt bestehende Interesse aufhellen. Dabei ist das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers an einer sachkundigen Begutachtung nicht zwangsläufig mit der Höhe etwa erforderlicher Mängelbeseitigungskosten gleichzusetzen. Es kann vielmehr je nach beabsichtigter Vorgehensweise (z. B. Aktivprozess zur Geltendmachung von Ersatzvornahmekosten oder Passivprozess unter Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten) variieren. Auch müssen bei der Geltendmachung von Minderungen oder Schadensersatz nicht zwingend für ein und den selben Mangel gleichermaßen die Nachbesserungskosten den Wertmaßstab bilden. So sind beispielsweise auch nach Mängelbeseitigung verbleibende verkehrsmäßige Minderwerte zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamm, Baurecht 1989, 735). Noch deutlicher fallen die erforderlichen Mängelbeseitigungskosten und das an der Begutachtung bestehende wirtschaftliche Interesse des Antragstellers auseinander, wenn dieser gestützt auf einen im selbständigen Beweisverfahren festgestellten wesentlichen Mangel die Wandlung des zugrundeliegenden Werkvertrags nach § 634 BGB oder den sogenannten "großen Schadensersatz" in Form einer Rückabwicklung des Vertrages nach § 635 BGB geltend macht. Soweit dem selbständigen Beweisverfahren ein darauf gestütztes Hauptsacheverfahren nachfolgt ist daher im Regelfall der Hauptsachewert auch für den Streitwert des Beweisverfahrens maßgebend (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 22. Auflage, Rn. 16 zu § 3, "selbständiges Beweisverfahren" m. w. N.). Dies gilt jedenfalls insoweit, als das Hauptsacheverfahren durch das selbständige Beweisverfahren bestimmt wird.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers hin auf denjenigen des Hauptsacheverfahrens 4 O 1153/00, also auf 392.309,94 DM heraufzusetzen ist. Es liegt zwar nahe, dass die erforderlichen Kosten zur Beseitigung der durch Sachverständigenbeweis im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Schallmängel an dem streitgegenständlichen Reihenhaus nicht höher gelegen hätten, als die vom Landgericht geschätzten 50.000,00 DM. Der Antragsteller hat jedoch im nachfolgenden Hauptsacheverfahren 4 O 1153/00 LG Ingolstadt nicht die Erstattung von Mängelbeseitigungskosten, sondern den sogenannten "großen Schadensersatzanspruch" in Form der Rückabwicklung des mit der Antragsgegnerin bzw. Beklagten geschlossenen Vertrages geltend gemacht. Der Streitwert dieses Verfahrens wurde zu Recht auf 392.309,94 DM festgesetzt. Er setzt sich aus dem vertraglichen Kaufpreis und den entstehenden Begleitkosten der Rückabwicklung zusammen. Die Klage, die diesem inzwischen für erledigt erklärten Hauptsachestreitverfahren zu Grunde lag, stützte der Antragsteller bzw. Kläger ausschließlich auf die im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Schallmängel. Sein wirtschaftliches Interesse war daher in beiden Verfahren deckungsgleich, so dass für beide Verfahren auch die selben Streitwerte festzusetzen sind.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG).

Ende der Entscheidung

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