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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 18.07.2002
Aktenzeichen: 29 U 2711/02
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 7 Abs. 1
UWG § 7 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
Befristete Rabattaktionen sind nach der Aufhebung des Rabattgesetzes der Beurteilung nach § 7 Abs. 1 UWG nicht entzogen. Ob sie Sonderveranstaltungen sind, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 2711/02

Verkündet am 18. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wörle und die Richter am Oberlandesgericht Retzer und Jackson aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgericht München I vom 05.02.2002 - 9 HKO 355/02 - wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Antragsgegnerin, die den Einzelhandel mit Sportbekleidung, Sportschuhen und Sportartikeln betreibt, hat auf der Titelseite eines Prospekts, in dem auf zwölf Seiten ein umfangreiches Warensortiment beworben wurde, in der aus der folgenden Seite dieses Urteils ersichtlichen Weise mit der Zugabe österreichischer Autobahn-Vignetten oder der Gewährung von Bar-Rabatten geworben. Die Antragstellerin, die darin eine Sonderveranstaltung im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG gesehen hat, hat eine die erwähnte Werbung untersagende einstweilige Verfügung und ein sie bestätigendes Urteil des Landgerichts erwirkt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin erweist sich als unbegründet. Die streitige Werbung verstößt gegen § 7 Abs. 1 UWG.

Nach der genannten Vorschrift kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel ankündigt oder durchführt, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfinden, der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorrufen. Daß es sich bei der von der Antragsgegnerin beworbenen Zugabe von Autobahn-Vignetten unterschiedlicher Gültigkeitsdauer oder der Gewährung eines ihrem jeweiligen Wert entsprechenden Bar-Rabattes um eine Verkaufsveranstaltung im Einzelhandel handelt, die der Beschleunigung des Warenabsatzes dient und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorruft, kann nicht zweifelhaft sein und wird von der Antragsgegnerin auch nicht in Zweifel gezogen. Der von der Antragsgegnerin für einen Einkauf von 101, 75 bis zu 204 Euro in Aussicht gestellte Zugabe- bzw. Rabattwert beträgt zwischen 7,53 und 3,7 %; der für einen Einkauf im Wert vom 204,01 bis 510,77 Euro in Aussicht gestellte Zugabe- bzw. Rabattwert beträgt 10,69 bis 4,3 %, der für einen Einkauf von mindestens 510,78 Euro in Aussicht gestellte Zugabe- bzw. Rabattwert beträgt maximal 14,23 %. Die Antragsgegnerin stellt somit in ihrer Werbung attraktive Zugaben bzw. Rabatte in Aussicht, die als besondere Kaufvorteile im Sinne von § 7 Abs. 1 UWG zu qualifizieren sind. Entscheidend ist dafür neben der erörterten Höhe des Werts der angekündigten Zugaben bzw. Rabatte die zeitliche Befristung des Angebotes auf acht Verkaufstage. Gerade diese kurze zeitliche Befristung des Angebotes ist geeignet, den Eindruck besonderer, zum Kauf und insbesondere auch zur Überschreitung der erwähnten Umsatzgrenzen motivierender Kaufvorteile zu erwecken, die kaum so schnell wiederkehren werden (vgl. hierzu Großkommentar UWG/Jestaedt, § 7 UWG, Rdnr. 50 m.w.N.).

Fraglich kann somit allein sein, ob die Antragsgegnerin eine Verkaufsveranstaltung beworben hat, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs liegt. Obwohl in der Regel "untrügliches Kennzeichen" einer Sonderveranstaltung "ihre vorübergehende Natur" ist (Großkommentar UWG, a.a.O., Rdnr. 13), wird nicht mit jeder befristete Vorteile in Aussicht stellenden Werbung eine Sonderveranstaltung beworben. Entscheidend ist, ob die Veranstaltung außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindet. Maßgeblich ist dafür, ob die Verkaufsveranstaltung durch ihre besondere Herausstellung in der Werbung und in der Durchführung aus dem normalen Geschäftsbetrieb der betreffenden Branche, des Branchenüblichen und in der Branche für angemessen gehaltenen, herausfällt. Dabei ist zu bedenken, daß Branchenübungen einem ständigen Wandel unterworfen sind; auch vernünftige, sachgerechte Fortentwicklungen sind in den Kreis branchenüblichen Verhaltens einzubeziehen. Dabei kommt es für die Berurteilung primär auf die Anschauung des angesprochenen Verkehrs an. Danach ist hier eine Überschreitung der Grenzen des regelmäßigen und üblichen Geschäftsverkehrs festzustellen. Denn die Antragsgegnerin hat für eine kurze Frist ihr gesamtes Warensortiment zu den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile erweckenden Bedingungen zum Verkauf gestellt. Die von der Antragsgegnerin beworbene "Aktion" zielte darauf ab, in den relativ verkaufsschwachen Tagen nach Weihnachten möglichst viele Kunden anzulocken und diese dazu zu bewegen, Umsätze in bestimmten Mindesthöhen zu tätigen. Derartige Aktionen sind, wie der zu den angesprochenen Verkehrskreisen zählende Senat aus eigener Anschauung beurteilen kann, in der Sportartikelbranche (und auch sonst im Einzelhandel) gänzlich unüblich. Für den angesprochenen Verkehr entsteht dadurch, daß das gesamte Warensortiment zu besonderen Bedingungen angeboten wird, der Eindruck einer Unterbrechung des normalen Geschäftsbetriebs. In der Werbung der Beklagten kann auch keine sachgerechte und vernünftige Weiterentwicklung der Branchenübung gewesen werden. Denn anders als etwa in den Fällen, in denen saisongebundene Artikel außerhalb der Saison in zulässiger Weise zu besonders günstigen Preisen beworben werden (BGH GRUR 1984, 664 "Winterpreis"; BGH GRUR 1981, 284 "Pelz-Festival"; Großkommentar UWG, a.a.O., Rdnr. 34 m.w.N.) werden hier saisongebundene Artikel innerhalb der Saison kurzfristig zur Umsatzsteigerung zu besonderen Bedingungen beworben. Die Werbung der Beklagten verstößt somit gegen § 7 Abs. 1 UWG. Daß eine Sonderangebotswerbung im Sinne von § 7 Abs. 2 vorläge, macht die Antragsgegnerin nicht geltend; ersichtlich ist dies auch nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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