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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 18.11.1999
Aktenzeichen: 29 U 3486/99
Rechtsgebiete: AMG, ZPO, UWG


Vorschriften:

AMG § 105
AMG § 22
ZPO § 291 Abs. 1
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 540
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
UWG § 1
Für ein homöopathisches Arzneimittel darf mit Hinweisen zu Wirkungen und Wirksamkeit des Präparates jedenfalls dann geworben werden, wenn hervorgehoben wird, daß es sich um ein pflanzliches Mittel in homöopathischer Aufbereitung handelt und die Werbung die durch die arzneimittelrechtliche Zulassung gesteckten Grenzen nicht überschreitet.

OLG München Urteil 18.11.1999 - 29 U 3486/99 - 2 HKO 2840/98 LG München II


hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. November 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 13. 04. 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unbegründet abgewiesen wird.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 12.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,-- DM.

Gründe

Die Beklagte vertreibt das homöopathische Arzneimittel Cuti-Do. Das Arzneimittel ist gemäß § 105 AMG zugelassen, wobei durch den Zulassungsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte das sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ableitende Anwendungsgebiet Ekzeme vorgegeben wurde.

Die Beklagte bewarb Cuti-Do mit nachstehender Anzeige in der Bild-Zeitung vom 4. 2. 1998.

"Abbildungen hier nicht wiedergegeben"

Der Kläger, ein rechtsfähiger Verband, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Verfolgung gewerblicher Interessen seiner Mitglieder gehört, hielt verschiedene Aussagen in der Anzeige der Beklagten für irreführend. Er meinte, im Bereich des Gesundheitswesens seien nur solche Werbebehauptungen zulässig, die gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen. Nachdem lediglich der Bereich der Schulmedizin eine solche gesicherte Erkenntnis zur Folge haben könne, müsse die Beklagte die sachliche Richtigkeit ihrer Wirkungsbehauptungen beweisen.

Der Kläger hat beantragt:

I. Der Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 500.000,-- DM ersatzweise Ordnungshaft,

oder

einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer

untersagt,

im geschäftlichen Verkehr für das homöopathische Mittel Cuti-Do Tropfen, welches die Wirkstoffe Viola tricolor in der Verdünnung D6, Corallium rubrum in der Verdünnung D8 sowie Cicuta virosa in der Verdünnung D6 enthält, zu werben,

a) "gegen Juckreiz und Hautrötungen";

b) "Was tun, wenn die Haut mit Ekzemen reagiert? Diese Frage beschäftigt Tag für Tag Menschen, die unter Ekzemen mit quälendem Juckreiz, Rötungen, Bläschen- und Schuppenbildung leiden. Die neue Antwort lautet: ... Cuti-Do.";

c) "Auch der Arzt kann die neue homöopathische Arznei Cuti-Do ab sofort verordnen ...";

d) "... sehr effektiv im Anwendungsspektrum ...";

e) "Die ... Revolution bei Hautleiden"

und/oder

"... die neue homöopathische Revolution auf dem Arzneimittelmarkt...".

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hielt den Kläger nicht für klagebefugt. Im übrigen meinte sie, es sei Sache des Klägers, für die von ihm pauschal behauptete Unwirksamkeit ihres Arzneimittels konkrete Tatsachen anzugeben und diese gegebenenfalls unter Beweis zu stellen. Die vom Kläger angestellten Vermutungen seien einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. Im übrigen habe eine in ihrem Auftrag durchgeführte Anwendungsbeobachtung bei 50 Patienten bestätigt, daß das beworbene Mittel die Wirkungen habe, deren Bewerbung der Kläger beanstandet.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 13. 4. 1999 die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die Klage sei bereits unzulässig. Der Kläger habe nämlich die von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzung der Klagebefugnis nicht bewiesen. Sein Hinweis auf vorangegangene Verfahren sei in diesem Zusammenhang völlig unergiebig. Im übrigen wäre die Klage mit Ausnahme des Begriffes "Revolution" auch unbegründet. Das beworbene Mittel verfüge unstreitig über eine Nachzulassung. Damit sei ihm die Verkehrsfähigkeit attestiert. Es wäre damit allein Sache des Klägers gewesen, die behauptete Irreführung durch konkrete Tatsachenbehauptungen zu untermauern. Die von ihm erhobenen pauschalen Angriffe gegen homöopathische Arzneimittel könnten dieser Darlegungslast nicht genügen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, das Landgericht setze sich mit seinen Erwägungen zur Prozeßführungsbefugnis in Widerspruch zur absolut herrschenden und gefestigten Rechtsprechung aller deutschen Gerichte. Er habe diese Rechtsprechung umfänglich zitiert. Besonders unverständlich seien in diesem Zusammenhang die Behauptungen zu einer mangelnden finanziellen Ausstattung. Aber auch in der Sache griffen die Erwägungen des Landgerichts zu kurz. Er verfolge seine satzungsgemäßen Aufgaben, zu denen es gehöre, irreführender Arzneimittelwerbung entgegenzutreten. Lege man den Maßstand der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis an die objektive Richtigkeit der angegriffenen Behauptungen an, ergebe sich bereits allein aus dem Umstand, daß das Mittel homöopathischen Glaubenssätzen entsprechend zusammengesetzt und dosiert sei, daß die angegriffene Werbung sachlich falsch sei. Es gehe nicht um eine Abgrenzung von Schulmedizin und Homöopathie. Es gehe allein um gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis. Darauf stütze er sich.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts München II abzuändern.

Im übrigen stellt er seinen Klageantrag wie vor dem Landgericht.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie meint, ungeachtet der von Amts wegen zu prüfenden Voraussetzungen der Prozeßführungsbefugnis sei das Vorgehen des Klägers mißbräuchlich. Dies folge daraus, daß es dem Kläger darum gehe, die Vertreiber von nach homöopathischen Grundsätzen hergestellten Arzneimittel als Scharlatane zu diffamieren, auch wenn arzneimittelrechtlich eine gültige Zulassung vorliege und die Homöopathie vom Gesetzgeber ausdrücklich als besondere Therapieform anerkannt sei. Im übrigen sei ihre Werbung nicht zu beanstanden. § 22 AMG sehe ausdrücklich vor, daß anstelle der Ergebnisse einer klinischen Prüfung anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Zulassungsverfahren zu berücksichtigen sei. Für die Prüfung, ob ein Mittel therapeutisch wirksam sei, könne als Maßstab nicht allein die sogenannte Schulmedizin herangezogen werden. Es seien vielmehr die Besonderheiten der homöopathischen Arzneimittel besonders zu berücksichtigen. Mit ihrer Werbung werde der Verbraucher und Anzeigenleser an keiner Stelle im Unklaren darüber gelassen, was für eine Art von Arzneimittel beworben werde. Deshalb könne der Verbraucher nicht irregeführt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst den vorgelegten Anlagen, auf das Urteil des Landgerichts München II vom 13. 4. 1999 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 18. 11. 1999 Bezug genommen.

Die zulässige Berufung des Klägers hat im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.

1. Seine Klage ist jedoch im Gegensatz zu der nunmehr schon wiederholt vertretenen Auffassung des Landgerichts zulässig. Der Kläger ist nämlich ein rechtsfähiger Verband, der insbesondere nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen seiner Mitglieder tatsächlich wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen wurden in den vergangenen Jahren von zahlreichen Gerichten, auch vom Bundesgerichtshof, wie der Kläger umfangreich dargelegt hat, geprüft und bejaht. Auch der Senat war mit einer Vielzahl von Verfahren befasst, in denen der Kläger wettbewerbswidrige Handlungen verfolgt hat. In diesen Verfahren, die zum Teil in erster Instanz auch vor dem Landgericht München II betrieben wurden, hat der Senat den Kläger als rechtsfähigen Verband anerkannt, der nach seiner Ausstattung imstande ist, seine satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen wahrzunehmen. Diese Tatsachen sind daher, wie der Senat auch bereits in einem anderen Berufungsverfahren gegen eine Entscheidung des Landgerichts dargelegt hat, gerichtskundig und bedürfen keines Beweises (§ 291 Abs. 1 ZPO). Dem Kläger gehören zudem eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die Leistungen auf dem selben Markt anbieten, auf denen auch die Beklagte ihre Leistung anbietet. In sachlicher Hinsicht ist der maßgebliche Markt durch den Begriff der "Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art" gekennzeichnet. Dieser Begriff ist nach allgemeiner Meinung weit auszulegen (vgl. Köhler/Piper, UWG Rdnr. 13 zu § 13). Daher reicht zur Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis zwischen Mitgliedern des Klägers und der Beklagten aus. Gemeint ist damit die Möglichkeit einer unmittelbaren oder mittelbaren Behinderung, wobei die Parteien nicht der selben Wirtschaftsstufe angehören müssen. Aus der Mitgliederliste des Klägers kann entnommen werden, daß ihm 17 Hersteller bzw. Vertreiber von Naturheilmitteln, Naturkosmetik und Ökoprodukten sowie 46 Hersteller bzw. Vertreiber von pharmazeutischen Produkten angehören. Bereits diese Mitgliederstruktur des Klägers läßt den Schluß zu, daß er nicht lediglich Individualinteressen Einzelner, sondern objektiv gemeinsame gewerbliche Interessen der betroffenen Branche wahrnimmt (vgl. Köhler/Piper a.a.O Rdnr. 18 zu § 13). Er ist daher für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG klagebefugt. Seine Klagebefugnis nutzt der Kläger auch nicht mißbräuchlich aus. Der insoweit erhobene Einwand der Beklagten greift nicht durch, weil er sich im wesentlichen auf unbelegte Vermutungen gründet. So weist sie darauf hin, daß in der Branche vermutet werde, die beteiligten Anwälte kämen trotz der niedrig angesetzten Streitwerte dennoch auf ihre Kosten, weil sie direkt oder indirekt Honorare von denjenigen Unternehmen kassierten, die sich hinter dem Kläger versteckten. Auch liege die Vermutung nicht fern, daß der Kläger gegen sie in Schädigungsabsicht vorgehe. Diese Vermutungen sind nicht geeignet, den erhobenen Einwand des Rechtsmißbrauchs zu belegen.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Darüber konnte der Senat trotz der grundsätzlich gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gebotenen notwendigen Zurückverweisung entscheiden, weil angesichts der in tatsächlicher Hinsicht unstreitigen Umstände der Verlust einer zweimaligen Tatsachenprüfung die Parteien nicht ernstlich belastet (§ 540 ZPO).

2.1. Der auf § 1 UWG i.V.m. § 3 HWG gestützte Unterlassungsanspruch ist nur dann begründet, wenn die Wiederholungsgefahr als materielle Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs vorliegt. Eine solche Wiederholungsgefahr wird dann vermutet, wenn dem Beklagten eine Verletzungshandlung zur Last gelegt werden kann. Eine Verletzungshandlung und dennoch sehr effektiv im Anwendungsspektrum "sein kann". Ersichtlich behauptet die Beklagte also nicht, daß durch Anwendung ihres Präparats ein Erfolg mit Sicherheit erwartet werden kann (§ 3 Nr. 2 a HWG).

Der Hinweis in der Werbung "Wirkung haben kann" i.V.m. der Bekanntgabe der Aufbereitung des Präparats aus Stiefmütterchen, roter Koralle und Wasserschierling klärt die angesprochenen Verbraucher, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, darüber auf, daß ihnen ein rein pflanzliches Präparat (vgl. Gröning a.a.O, Rdnr. 14 vor § 3; Doepner, HWG Rdnr. 60 zu § 3) im Rahmen eines bestimmten besonderen Heilverfahrens, nämlich der Homöopathie, die seit langem bekannt ist und genutzt wird, angeboten wird. Der angesprochene Verbraucher erwartet daher mangels entsprechender Hinweise nicht, daß die Wirksamkeit dieses Präparats wie bei einem allopathischen Arzneimittel naturwissenschaftlich geklärt oder bewiesen ist. Die Homöopathie ist, was der Verbraucher verständigerweise berücksichtigt, eine Heilmethode, die sich naturwissenschaftlich exakten Nachweisen entzieht und deren behauptete Heilerfolge überwiegend auf Zufälle oder Suggestion zurückgeführt werden (vgl. Doepner a.a.O.; Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 1. 7. 1999 - 3 U 96/98, Anl. BE 5, S 10/11). Für homöopathische Mittel ist anerkannt, daß Wirkungsangaben sowohl auf wissenschaftliche Erkenntnisse als auch auf praktische Erfahrungen gestützt werden können (vgl. Gröning a.a.O. Rdnr. 12 zu § 3 HWG; Doepner a.a.O Rdnr. 61 zu § 3). Für die Werbung der Beklagten gewinnt dabei der Umstand Bedeutung, daß es sich um ein zugelassenes Arzneimittel handelt. Sein Anwendungsgebiet sind Ekzeme. In der Werbung beschreibt die Beklagte dieses Anwendungsgebiet unter Hinzufügung der mit der Erkrankung einhergehenden Symptome. Zulassung und Werbeaussage stehen daher im Einklang. Mit den zurückhaltenden Hinweisen zu Wirkungen und Wirksamkeit des Präparats unter Hervorhebung des Umstandes, daß es sich um ein pflanzliches Mittel in homöopathischer Aufbereitung handelt, darf die Beklagte werben (Gröning a.a.O. Rdnr. 15 zu § 3), wenn - wie hier - die Werbung, die durch die arzneimittelrechtliche Zulassung gesteckten Grenzen nicht überschreitet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711, § 713, § 546 Abs. 2 ZPO.



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