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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 22.02.2001
Aktenzeichen: 29 U 4890/00
Rechtsgebiete: AMG, UWG, ZPO


Vorschriften:

AMG § 47 Abs. 1 Nr. 2 a)
AMG § 47 Abs. 1
AMG § 47 Abs. 1 Nr. 2 d)
AMG § 47
AMG § 47 Abs. 1 Nr. 2 (1)
AMG § 47 Abs. 1 Nr. 2
AMG § 47 Abs. 1 Nr. 2 c)
AMG § 47 Abs. 2
AMG § 43 Abs. 1
AMG § 43
AMG § 44
AMG § 44 Abs. 3 Nr. 1
AMG § 44 Abs. 1
AMG § 44 Abs. 2
AMG § 34
AMG § 34 Abs. 1 Nr. 2
AMG § 34 Abs. 1 Nr. 2 c)
AMG § 4 Abs. 2
AMG § 31
UWG § 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Verschreibungspflichtige Röntgenkontrastmittel zur oralen Anwendung fallen nicht unter die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 a) Arzneimittelgesetz geregelte Ausnahme von der Apothekenpflicht.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 4890/00 1 HKO 2205/00 LG Augsburg

Verkündet am 22. Februar 2001

Die Urkundsbeamtin: Barbagiannis Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch die Richter Haußmann, Jackson und Retzer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 28. Juni 2000 - 1 HKO 2205/00 - aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, das Arzneimittel Gastrolux CT direkt an Ärzte abzugeben.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Der Wert der Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt von Röntgenkontrastmitteln.

Die Klägerin vertreibt unter anderem das jodhaltige Röntgenkontrastmittel Telebrix Gastro, die Beklagte das Wettbewerbsprodukt Gastrolux CT (im folgenden: Gastrolux).

Die Klägerin geht mit der Klage dagegen vor, dass die Beklagte ihr Produkt direkt an Ärzte verkauft, während sie den nach ihrer Ansicht gesetzlich vorgesehenen Apothekenvertriebsweg einhält. Bei Gastrolux handelt es sich um ein verschreibungspflichtiges Röntgenkontrastmittel zur oralen Applikation. Die Klägerin ist deshalb der Ansicht, der Direktvertrieb von Gastrolux verstoße gegen § 43 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) und stelle damit gleichzeitig einen Verstoß gegen § 1 UWG dar. Nach § 43 Abs. 1 AMG dürften Arzneimittel im Einzelhandel nämlich grundsätzlich nur durch eine Apotheke in den Verkehr gebracht werden (Grundsatz der Apothekenpflicht). Generelle Ausnahmen von der Apothekenpflicht könnten gemäß § 44 AMG zugelasssen werden, jedoch nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 AMG nicht für solche Arzneimittel, die verschreibungspflichtig sind. Dementsprechend verbleibe es für Gastrolux bei der Apothekenpflicht.

§ 47 Abs. 1 AMG sehe vor, dass pharmazeutische Unternehmen und Großhändler apothekenpflichtige Arzneimittel außer an Apotheken unter bestimmten Voraussetzungen an Ärzte abgeben dürfen. Nach der für Röntgenkontrastmittel einschlägigen Bestimmung in § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG sei es zulässig, Zubereitungen zur Injektion oder Infusion, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder Zustände erkennen zu lassen, direkt an Ärzte abzugeben. Bei Gastrolux handle es sich zwar um eine Zubereitung, die im Sinne der vorgenannten Vorschrift dazu bestimmt sei, zur Diagnostik angewendet zu werden, allerdings nicht zur Injektion oder Infusion, sondern zur oralen Anwendung. Zweifelsfrei stelle eine orale Anwendung keine Injektion dar, sie könne aber auch nicht als Infusion angesehen werden. Unter einer Infusion werde das Einfließenlassen von Flüssigkeiten in den Körper verstanden. Bei einer oralen Applikation werde das Röntgenkontrastmittel nicht in eine Vene oder etwa den Darm hineingegossen, sondern die Aufnahme erfolge durch einen Schluckvorgang. Da § 47 AMG die orale Anwendung nicht als weitere Ausnahme vom Grundsatz der Apothekenpflicht anführe, sei die Abgabe von Gastrolux an Ärzte unzulässig.

Wenn die Beklagte im Rahmen ihrer Absatzstrategie für Gastrolux gegen die gesetzlich vorgesehene Apothekenpflicht verstoße, verschaffe sie sich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil dadurch, dass sie ihr Präparat den Ärzten billiger zur Verfügung stellen könne, weil die Ärzte die Apothekenmarge sparten. Diesen wirtschaftlichen Vorsprung durch Rechtsbruch müsse sie, die Klägerin, nicht hinnehmen. Bei den Vorschriften des AMG handle es sich um wertbezogene Normen, deren Verletzung automatisch auch einen Verstoß gegen § 1 UWG darstelle.

Soweit sich die Beklagte vorprozessual zur Stützung ihrer Argumentation, unter Infusion sei auch die orale Einnahme zu verstehen, auf ein Schreiben der Regierung von Schwaben, vom 12.08.1996 (Anl. K 6) berufe, stehe dem die ihr, der Klägerin, auf Anfrage von der zuständigen Aufsichtsbehörde, der Regierung von Darmstadt mitgeteilte Stellungnahme (Anl. K 7) entgegen, dass die orale Anwendung keine Infusion und der Direktvertrieb von Gastrolux an Ärzte deshalb unzulässig sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, das Präparat Gastrolux CT direkt an Ärzte abzugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führte aus, die Direktbelieferung von Ärzten und Krankenhäusern sei bereits in § 34 des 1. AMG von 1961 vorgesehen gewesen, und zwar aus dem alleinigen Grund der Zweckmäßigkeit. Dieser Gesichtspunkt sei auch unter der Geltung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG ausschlaggebend. Die von der Klägerin allein für zulässig gehaltene Abgabe nur über Apotheken sei dagegen nicht zweckmäßig. Bei Abgabe über den Umweg der Apotheken greife die Arzneimittelpreisverordnung vom 14.11.1980 i.d.F. vom 15.04.1998 ein, durch die die Arzneimittelpreise festgelegt würden. Die Durchsetzung eines Verbots des Direktvertriebs laufe auf eine Verteuerung der oralen Röntgenkontrastmittel hinaus. Denn die Spanne für den Zwischenhandel der Apotheken müßte auf den Arzneimittelpreis aufgeschlagen werden. Leidtragende hiervon seien zunächst Ärzte und Krankenhäuser, daneben jedoch vor allen Dingen die privaten und gesetzlichen Krankenkassen sowie die Patienten.

Über diese Erwägungen zur ratio der Vorschrift hinaus ergebe sich die Zulässigkeit des Direktvertriebes auch aus der Neufassung des Arzneimittelgesetzes, wie sich der amtlichen Begründung zum 2. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 06.08.1986 (BGBl I S. 1296) entnehmen lasse.

Die Beklagte sieht in dieser Gesetzesänderung die Klarstellung, dass ein Arzneimittel wie Gastrolux CT unter den Begriff "Zubereitungen zur Injektion oder Infusion" falle. Die orale Verabreichung eines Röntgenkontrastmittels durch Einfließenlassen über Mund, Rachen, Speiseröhre in den Magen und Darm stelle entgegen der Ansicht der Klägerin eine Infusion dar.

Für ihre Auffassung spreche auch die Marktsituation. Seit Jahren seien zahlreiche Röntgenkontrastmittel von Mitbewerbern im Markt, die im Direktvertrieb an Ärzte abgesetzt würden, nämlich Peritrastoral von der Fa. Dr. F K Chemie GmbH und Gastrografin von der Fa. Sch Deutschland GmbH. In gleicher Weise unbeanstandet sei auch das jetzt von der Klägerin vertriebene Mittel Telebrix Gastro bis vor kurzem durch die Fa. B G direkt an Ärzte vertrieben worden. Dies rechtfertige den Vorwurf der unclean hands mit der Folge, dass der Unterlassungsanspruch jedenfalls verwirkt sei. Im übrigen greife die Klägerin willkürlich das Produkt Gastrolux an und lasse die Mitbewerberprodukte unbeanstandet.

Schließlich seien auch den Stellungnahmen des Bundesfachverbandes der Arzneimittelhersteller e.V. und der Arzneimittelaufsichtsbehörde Schwaben zu entnehmen, dass dort der Direktvertrieb für zulässig angesehen werde.

Eine Verletzung der Vorschriften des AMG unterstellt, liege keinesfalls automatisch ein Verstoß gegen § 1 UWG vor. Der Bundesgerichtshof habe in der Entscheidung "Hormonpräparate" seine bis dahin geltende Rechtsprechung aufgegeben, dass ein Verstoß gegen Vorschriften, die dem Schutz der Bevölkerung dienen, per se regelmäßig zugleich als Verstoß gegen § 1 UWG zu werten sei. Um einen solchen Verstoß annehmen zu können, müsste im Rahmen der vom BGH geforderten Gesamtwürdigung eine besondere Sittenwidrigkeit infolge der Verletzung des § 47 AMG festgestellt werden. Weshalb aber der Direktvertrieb von Gastrolux an Ärzte verboten sein soll, werde an keiner Stelle - über den rein formalen Gesetzesverstoß hinaus - begründet. Allein die formale Verletzung des Vertriebswegs würde demgemäß nicht ausreichen, eine Sittenwidrigkeit i.S.d. des § 1 UWG anzunehmen. Schließlich werde in der Rechtsprechung zunehmend die Auffassung vertreten, dass ein Wettbewerbsverstoß dann nicht gegeben sei, wenn die Verwaltungspraxis ein entsprechendes, wenn auch rechtswidriges Verhalten des Herstellers oder auch Arzneimittelanbieters dulde oder hinnehme, wie dies hier durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und die Arzneimittelüberwachungsbehörden geschehe. Diese neue Rechtsprechungstendenz trage dem Umstand Rechnung, dass die pharmazeutischen Unternehmer nicht durch Wettbewerbsgerichte einerseits und Arzneimittelbehörden andererseits unterschiedlich behandelt werden sollen.

Als weiteres Argument gegen die Auffassung der Klägerin sei in Betracht zu ziehen, dass der Hersteller beim Direktvertrieb weniger erhalte, als beim Abverkauf über die Apotheken. Sie, die Beklagte, verschaffe sich deshalb auch durch den Direktvertrieb keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mitbewerbern. Zu beachten seien auch die sozialpolitischen Konsequenzen, dass nämlich beim Direktvertrieb an Ärzte die Krankenkassen und Patienten weitaus weniger belastet würden als beim Abverkauf über die Apotheken.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 28. Juni 2000 mit der Begründung abgewiesen, es liege kein Verstoß gegen § 43 Abs. 1 AMG vor, vielmehr sei die Ausnahmevorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG einschlägig. Was hier unter "Zubereitungen zur Injektion oder Infusion" zu verstehen sei, ergebe sich aus dem Sinnzusammenhang unter Berücksichtigung der Zweckmässigkeitsgesichtspunkte. Der Subsumtion der oralen Aufnahme von Röntgenkontrastmitteln unter dem Begriff Infusion stünden keine Bedenken entgegen.

Mit der Berufung tritt die Klägerin der im landgerichtlichen Urteil übernommenen Aufassung der Beklagten entgegen, Gastrolux sei unter den Tatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 2 (1) AMG zu subsumieren. Gegen diese Ansicht spreche jede mögliche Interpretation dieser Vorschrift. Auch eine Analogie helfe nicht weiter.

Auszugehen sei vom Gesetzeswortlaut. Dieser knüpfe die Zulässigkeit der Abgabe von Arzneimitteln an medizinische Begriffe an, die einen ganz eindeutigen Gehalt und eine feste Bedeutungsgrenze hätten, nämlich: "Zubereitung zur Injektion oder Infusion". Diese terminologische Anknüpfung des Gesetzgebers an bestimmte Darreichungsformen sei zu respektieren und könne nicht mit diffusen Erwägungen des Sinnzusammenhangs überspielt werden. Die Klägerin ergänzt und vertieft hierzu ihre Ausführungen, mit denen sie im ersten Rechtszug dargelegt hat, warum eine orale Applikation keine Infusion darstelle.

Nach ihrer Ansicht spricht insbesondere eine teleologische Interpretation gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung. Zweck der Regelung sei es, das in § 43 AMG festgelegte Apothekenmonopol, das grundsätzlich alle Arzneimittel erfasse, abzusichern. Die Ausnahmeregelung in § 47 Abs. 1 AMG bezwecke lediglich, solche Arzneimittel auszunehmen, von denen im einzelnen Behandlungsfall große Mengen benötigt würden, so dass - wie bei den großvolumigen Infusionslösungen - die unmittelbare Belieferung von Krankenhäusern und Ärzten durch pharmazeutische Unternehmer und Großhändler gerechtfertigt erscheine. Dieses Motiv des Gesetzgebers gehe aus der amtlichen Begründung zur Änderung des AMG hervor. Röntgenkontrastmittel zur oralen Anwendung würden jedoch regelmäßig nicht in großvolumigen Packungen abgegeben. Als Ausnahmeregelung vom generellen Apothekenmonopol sei § 47 Abs. 1 AMG eng auszulegen. Eine Interpretation, die über den klaren Wortlaut hinausgehe, sei mit dem Zweck des Gesetzes, nämlich abschließend die Ausnahmen festzulegen, nicht vereinbar. Die einschlägige Kommentarliteratur gehe dementsprechend davon aus, dass die Ausnahmen in den Nummern 1 bis 7 der Vorschrift vom Gesetzgeber enumerativ, vollständig und abschließend festgelegt wurden.

Auch eine historische Interpretation spreche gegen eine Ausdehnung der Ausnahmebestimmung auf oral einzunehmende Röntgenkontrastmittel.

Das AMG von 1961 habe in § 34 als Ausnahme einen Direktvertrieb an Ärzte und Krankenanstalten lediglich zugelassen, soweit es sich um menschliches Blut oder Gewebe handelte. Gesetzgeberisches Motiv für diese Ausnahme sei die begrenzte Haltbarkeit dieser Produkte gewesen, durch die der normale Handelsweg über den Großhandel an die Apotheke praktisch ausgeschlossen gewesen sei. Hintergrund der Änderung von 1969, dass nämlich Ärzte direkt beliefert werden konnten, soweit es sich um Injektions- oder Infusionslösungen als Kontrastmittel handelte, sei die starke Zunahme der Verwendung von Infusionslösungen in Krankenhäusern und die damit verbundenen erheblichen Schwierigkeiten gewesen, die im Falle einer Abwicklung der Lieferung von voluminösen Infusionslösungen über Apotheken aufgetreten wären. Klinikpackungen mit in der Regel 10 Flaschen hätten zu einem erheblichen Mengen- und Gewichtsproblem geführt. Solche Probleme seien naturgemäß bei Präparaten, die oral angewendet und in einer Menge von 100 ml verabreicht würden, nicht zu erwarten.

Die Änderung durch das zweite Änderungsgesetz zum Arzneimittelgesetz 1986 dahin, dass der Begriff der Injektions- und Infusionslösung durch den Begriff "Zubereitung zur Injektion oder Infusion" ausgetauscht wurde, sei wie sich Nr. 25 der Erwägungsgründe entnehmen lasse notwendig geworden, weil bestimmte Arzneimittel aus ärztlicher Sicht als Infusionslösungen angesehen würden, aus pharmazeutischer Sicht jedoch keine Lösungen, sondern Suspensionen darstellten. Die Änderung sollte somit lediglich klarstellen, dass alle Zubereitungen zur Injektion oder Infusion unmittelbar an Ärzte und Krankenhäuser abgegeben werden dürfen. Hiermit sollte die Möglichkeit eröffnet werden, dass bestimmte Zubereitungen zur rektalen Anwendung von der Bestimmung erfasst werden. Hierauf habe sich aber der gesetzgeberische Wille beschränkt. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, nunmehr auch oral zu verabreichende Zubereitungen dem Ausnahmetatbestand unterfallen zu lassen. Für die gegenteilige Auffassung finde sich in den Gesetzesmaterialien nicht der geringste Anhaltspunkt. Die Wertung des Landgerichts, orale Aufnahme und Infusion seien letztlich dasselbe, weil so oder so eine Flüssigkeit in den Körper eingebracht werde, sei nicht die Wertung des Gesetzgebers. Er habe sich durch die Auswahl zweier Darreichungsformen eindeutig und unmissverständlich festgelegt. Die "Subsumtion" des Landgerichts stelle sich somit in Wahrheit als eine Analogie aus "Zweckmäßigkeitsgründen" dar, für die alle Voraussetzungen fehlten. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Dem Gesetzgeber sei bewußt gewesen, dass es neben diagnostischen Präparaten zur Infusion und Injektion auch solche zur oralen Einnahme gibt. Unzulässig sei es auch, für die Gleichsetzung der Begriffe "orale Aufnahme" und "Infusion" Zweckmäßigkeitserwägungen ins Feld zu führen, weil sich damit nahezu ausnahmslos die Direktabgabe von Arzneimitteln an Ärzte befürworten ließe und die Ausnahmebestimmung des § 47 AMG ins Uferlose ausgedehnt würde. Zweck der Regelung in § 47 Abs. 2 AMG sei es aber nicht, aus Gründen der Zweckmäßigkeit das vom Gesetzgeber bewusst installierte Apothekenmonopol auf breiter Front aufzuweichen, sondern es durch klare und konrete Vorgaben der ausnahmsweise zulässigen Durchbrechungen abzusichern.

Die Argumentation der Beklagten, dass ein Direktvertrieb von Gastrolux - entgegen dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG - gerechtfertigt sei, weil Gastrolux nur in die Hände von Fachleuten und nicht in die Hände von Patienten gelange, sei nicht überzeugend und lasse den gesetzessystematischen Kontext ausser Acht. Das Apothekenmonopol statuiere, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht nur nicht an Patienten direkt abgegeben werden dürfen, sondern im Regelfall auch nicht an Krankenhäuser und Ärzte. Die Ausnahmeregelung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG lege fest, unter welchen Voraussetzungen verschreibungspflichtige Kontrastmittel ausnahmsweise direkt "in die Hände von Fachleuten" abgegeben werden dürfen. Dass bei einer ausnahmsweise zulässigen Abgabe von Arzneimitteln an Ärzte eine Fehlanwendung durch Patienten nicht zu befürchten sei, verstehe sich von selbst.

Eine Verletzung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG könne auch nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Arzt bei der Belieferung mit Röntgenkontrastmitteln keine Beratung durch den Apotheker benötige, weil dabei die gesetzgeberische Intention für die Festlegung des Apothekenmonopols übersehen werde. Gesetzgeberischer Zweck sei nicht nur der Verbraucherschutz, sondern namentlich auch die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage der Apotheken, die nur erreicht werden könne, wenn die Direktabgabe ausschließlich in den von § 47 AMG enumerativ genannten Ausnahmefällen erfolge.

Die Klägerin vertieft schließlich ihre Ausführungen, wonach ein Verstoß gegen § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG automatisch auch einen Verstoß gegen § 1 UWG darstelle, und weist darauf hin, dass sie von der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde ausdrücklich angewiesen sei, oral zu applizierende Kontrastmittel nicht im Direktvertrieb abzugeben. Sollte der Beklagten der Direktvertrieb gestattet werden, würde dies zu einer ungerechtfertigten Wettbewerbsverzerrung führen.

Die Klägerin beantragt daher,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, das Arzneimittel Gastrolux CT direkt an Ärzte abzugeben.

Die Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil und vertieft ihrerseits ihre Sach- und Rechtsausführungen im ersten Rechtszug. Nach ihrer Ansicht wird in der Berufungsbegründung kein materieller Grund dafür angegeben, weshalb die Direktbelieferung von Radiologen und von radiologischen Abteilungen der Krankenhäuser höherrangige Rechte verletzen könnte. Sie betont erneut, die Auslegung des § 47 AMG ergebe, dass auch oral zu applizierende Röntgenkontrastmittel nicht der Apothekenpflicht unterliegen, sondern als Ausnahme dem Direktvertrieb unterfallen.

Es sei nicht zu bestreiten, dass das Röntgenkontrastmittel Gastrolux zur oralen Applikation dann eine Infusion darstelle, wenn es beispielsweise Patienten verabreicht werde, die komatös sind, die nicht mehr in der Lage sind, das Kontrastmittel zu schlucken oder deren Schluckmuskulatur eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr funktionabel ist. Da in solchen Fällen der Direktvertrieb zulässig sei, unterläge Gastrolux folglich nur dann, wenn es vom Patienten geschluckt werden soll, der Apothekenpflicht. Dass eine solche Aufsplitterung von Röntgenkontrastmitteln nach Apothekenpflichtigkeit einerseits und Zulässigkeit des Direktvertriebs andererseits vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könne, bedürfe keiner weiteren Darlegungen.

Die Beklagte bezieht sich ferner auf ein Urteil des OLG Köln vom 13.01.1999 (PharmaRecht 2000, S. 21 ff), in dem entschieden wurde, dass ein aus menschlichem Blut hergestelltes Arzneimittel, das der Vorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG zuzuordnen war, nicht der Apothekenpflicht unterlag, sondern im Direktvertrieb abgegeben werden durfte. Sie meint, die dort vorgenommene Wertung, "Die Ausnahmevorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 a1 AMG umfasst nur einen sehr kleinen Bereich der Arzneimittel und gefährdet mit der Reichweite, wie sie der Wortlaut der Norm und ihr sich aus der historischen Auslegung ergebender Sinn und Zweck vorgeben, nicht die mit § 43 Abs. 1 AMG angestrebten Ziele, auch nicht den Zweck mit der grundsätzlichen Apothekenpflichtigkeit der Arzneimittel u.a. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Apotheke zu gewährleisten", könne auch auf die hier streitgegenständlichen Röntgenkontrastmittel übertragen werden. Durch den Direktvertrieb werde auch kein Gefährdungspotential der Kontrastmittel frei. Eine Fehlanwendung sei ausgeschlossen. Auch die Leistungsfähigkeit der Apotheke werde nicht beeinträchtigt, denn wenn Röntgenkontrastmittel als Injektionen und zur rektalen Applikation im Direktvertrieb abgegeben werden dürfen, könne auch bei oral zu applizierenden Röntgenkontrastmitteln als Folge des Direktvertriebs keine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Apotheken eintreten. Hintergrund der Apothekenpflicht sei die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Dieser Zweck sei nicht gefährdet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ferner unter Hinweis auf eine Reihe von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ihre erstinstanzlichen Ausführungen zu der von ihr verneinten Frage, ob ein Verstoß gegen die Vorschriften des AMG automatisch einen Verstoß gegen § 1 UWG nach sich ziehe.

Ergänzend wird zur Darstellung des Tatbestandes auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Soweit die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien neues tatsächliches Vorbringen enthalten, wurde dies bei der Entscheidung nicht berücksichtigt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

Die Klägerin hat gemäß § 1 UWG Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, ihr Röntgenkontrastmittel Gastrolux CT unmittelbar an Ärzte zu vertreiben, denn der Direktvertrieb dieses verschreibungspflichtigen Arzneimittels verstößt gegen die in § 43 Abs. 1 AMG statuierte Apothekenpflicht. Gastrolux fällt als Kontrastmittel zur oralen Anwendung nicht unter die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG geregelte Ausnahme von der Apothekenpflicht. Der deshalb unzulässige Direktvertrieb durch die Beklagte ist zugleich als Wettbewerbsverstoß anzusehen.

Für Arzneimittel gilt der Grundsatz der Apothekenpflicht. Arzneimittel dürfen im Einzelhandel nur in Apotheken in den Verkehr gebracht werden (§ 43 Abs. 1 AMG). Die in § 44 Abs. 1 und 2 AMG ausnahmsweise vorgesehene Freigabe für den Verkehr außerhalb der Apotheken kommt für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 AMG nicht in Betracht.

§ 47 AMG, der die Vorschriften über die Apothekenpflicht von Arzneimitteln ergänzt, regelt die Ausnahmen von der Apothekenpflicht und nennt die Fälle einer zulässigen Direktbelieferung. Insoweit hat der Gesetzgeber die zulässigen Ausnahmen enumerativ festgelegt. Nur unter den in § 47 Abs. 1 bestimmten Voraussetzungen braucht der grundsätzlich vorgeschriebene Vertriebsweg über die Apotheken nicht eingehalten zu werden. Für Kontrastmittel der hier in Rede stehenden Art einschlägig ist Nr. 2. d), wonach Zubereitungen zur Injektion oder Infusion, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen, an Ärzte abgegeben werden dürfen.

Unstreitig handelt es sich bei Gastrolux um eine Zubereitung zur Verwendung als Diagnostikum im Sinne dieser Bestimmung. Es besteht auch kein Streit darüber, dass diese Zubereitung nicht injiziert werden kann. Strittig ist allein die Frage, ob das oral zu applizierende Präparat Gastrolux - wie das Landgericht der Beklagten folgend annimmt - als Zubereitung zur Infusion angesehen und sonach unter den Tatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG subsumiert werden kann. Der Senat teilt die Auffassung der Klägerin, dass dies weder nach dem Gesetzeswortlaut noch aufgrund einer historischen oder einer teleologischen Interpretation dieser Bestimmung möglich ist.

Ausgehend vom Gesetzeswortlaut erscheint es eher fern liegend, auch ein oral anzuwendendes Mittel als von der Ausnahmebestimmung mitumfasst anzusehen, weil § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) nicht generell von den Zubereitungen spricht, die diagnostischen Zwecken dienen, vielmehr expressis verbis von "Zubereitungen zur Injektion oder Infusion". Da es sich bei der rektalen Anwendung von Diagnostika unstreitig und in Übereinstimmung mit dem allgemeinen Verständnis (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort Infusion - Anl. K 3) um eine der (selteneren) Varianten der Infusion handelt, und außer der oralen Anwendung keine weiteren Zubereitungen zur Verwendung als Diagnostika in Frage kommen, hätte es der Gesetzgeber sprachlich korrekt bei dem Begriff "Zubereitungen" bewenden lassen, wenn es seine Absicht gewesen wäre, alle Diagnostika ohne Rücksicht auf die Anwendungsart von dem Verbot des Direktvertriebs auszunehmen.

Geht man demgegenüber davon aus, dass die Begriffe Injektion und Infusion jedenfalls zur Klarstellung in den Gesetzestext aufgenommen werden mussten, dass es um Mittel geht, die in den Körper eingebracht werden, so spricht die Nichterwähnung der oralen Anwendung dafür, dass sie von der Ausnahmeregelung nicht erfasst werden soll.

Davon, dass der Gesetzestext von oral anzuwendenden Mitteln nicht spricht, weil sie nach Ansicht des Gesetzgebers unter den Begriff "Zubereitung zur Infusion" fielen, kann nicht ausgegangen werden. Dem genannten medizinischen Wörterbuch wie auch dem als Anlage K 8 vorgelegten Auszug aus dem ROCHE-LEXIKON Medizin läßt sich entnehmen, dass der Begriff Infusion das Einfließenlassen größerer Flüssigkeitsmengen meist tropfenweise intravenös, intraarteriell, rektal, subkutan oder intraossal über Injektionskanülen oder einen Katheter umfasst. Demgegenüber geht aus der Fachinformation von Gastrolux (Anl. B 1) hervor, dass Gastrolux vom Patienten bestimmungsgemäß getrunken wird, und zwar in einer Menge von 100 ml. Ein vom Patienten zu schluckendes Arzneimittel stellt im medizinischen Sprachgebrauch keine "Zubereitung zur Infusion" dar. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber dies anders gesehen haben könnte, ist nicht ersichtlich.

Es liegt auch fern, die Nichterwähnung oral anzuwendender Kontrastmittel in § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG auf Unkenntnis des Gesetzgebers von der Existenz oral zu applizierender Kontrastmittel zurückzuführen. Unstreitig hat es derartige Diagnostika lange vor der Gesetzesänderung im Jahre 1969 und der Neufassung durch das 2. Änderungsgesetz gegeben, als die bislang verwendeten Begriffe "Injektions- oder Infusionslösungen" durch die Begriffe "Zubereitungen zur Injektion oder Infusion" ersetzt wurden und der Gesetzgeber sich deshalb nochmals mit der Materie zu befassen hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre auch insoweit Anlass zur Klarstellung gewesen, wenn auch oral zu applizierende Mittel nicht apothekenpflichtig hätten sein sollen. Wenn allein schon Zweifel, ob bestimmte Zubereitungen zur rektalen Anwendung, die aus ärztlicher Sicht als Infusionslösungen angesehen werden, aus pharmazeutischer Sicht aber keine Lösungen, sondern Suspensionen darstellen, von der Bestimmung erfasst werden (vgl. Kloesel/Zyran, AMG, 2. Aufl., § 47 Anm. 18), Anlass zu einer klarstellenden Gesetzesänderung gegeben haben, wäre mit Sicherheit auch die hier Zweifel geradezu herausfordernde Frage klarstellend geregelt worden, ob oral zu applizierende Mittel als "Zubereitungen zur Injektion oder Infusion" zu gelten haben. Nur wenn dies gerade nicht beabsichtigt war, erübrigte es sich, klarzustellen, dass der Begriff "Infusion" hier nicht dem medizinischen und allgemeinen Verständnis entsprechend, sondern weitergehend zu verstehen sei.

Soweit die Beklagte ins Feld führt, die orale Applikation von Gastrolux stelle jedenfalls dann eine Infusion dar, wenn es komatösen Patienten oder solchen Personen verabreicht werde, die als Pflegepatienten nicht mehr in der Lage sind, das Kontrastmittel zu schlucken, erweisen sich solche Erwägungen als lediglich theoretisch und schon deshalb nicht überzeugend. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass Ärzte solchen Patienten, die komatös sind oder Kontrastmittel nicht schlucken können, mit Sicherheit keine Infusionsmittel zur oralen Applikation geben, vielmehr auf Kontrastmittel zurückgreifen, die injiziert oder infundiert werden.

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte für ihre Ansicht, die Frage der Apothekenpflicht dürfe nicht nur am reinen Wortlaut des § 47 AMG gemessen werden, auf die Entscheidung des OLG Köln vom 13.01.1999 (PharmaRecht 2000, S. 21 ff). Dort ging es um eine aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitung im Sinne von § 4 Abs. 2 AMG, die schon nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG vom Pharmaunternehmer unmittelbar an Ärzte abgegeben werden darf. Das Landgericht Köln kam zu dem Ergebnis, dass sich irgendwelche Einschränkungen für diese Vertriebsmöglichkeit dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen lassen. Eine der dort zu beantwortenden Fragen war, ob sich Anhaltspunkte für eine Absicht des Gesetzgebers finden, den Anwendungsbereich des § 47 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus zu beschränken. Das von der Beklagten angesprochene, im Tatbestand wiedergegebene Zitat, wonach die Ausnahmevorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 2 a) AMG nicht die mit § 43 Abs. 1 AMG angestrebten Ziele und auch nicht den Zweck, mit der grundsätzlichen Apothekenpflichtigkeit der Arzneimittel u.a. die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Apotheke zu gewährleisten, gefährde, verneint diese Frage, besagt aber entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs, dass es bei den in § 47 AMG aufgeführten Ausnahmealternativen auf den Gesetzeswortlaut nicht ankomme, wenn durch den Direktvertrieb etwa kein Gefährdungspotential frei werde.

Mit Recht vertritt die Klägerin die Ansicht, dass auch eine teleologische Interpretation gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG spricht. Das Argument der Beklagten, dass ein Direktvertrieb von Gastrolux - entgegen dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG - gerechtfertigt sei, weil das Präparat nur in die Hände von Fachleuten und nicht in die Hände von Patienten gelange, überzeugt nicht, weil dabei der gesetzessystematische Kontext außer Betracht bleibt - wie die Klägerin zutreffend ins Feld führt. Sinn und Zweck des Grundsatzes der Apothekenpflicht ist es, die Apotheken als "Rückgrat der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln" in ihrem wirtschaftlichen. Bestand zu schützen, da nur bei ihnen die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind, die im Interesse des Gesundheitsschutzes gefördert werden müssen (vgl. BVerfG 9/73, 80 f., NJW 1959, 667 ff.). Dazu ist es erforderlich, dass die Abgabe von Arzneimitteln im Einzelhandel im Wesentlichen den Apotheken vorbehalten bleibt. Das Apothekenmonopol statuiert darüber hinaus, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht nur nicht an Patienten unmittelbar abgegeben werden dürfen, sondern regelmäßig auch nicht an Krankenhäuser und Ärzte. Nur wenn die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 AMG ausdrücklich genannten Voraussetzungen vorliegen, soll beispielsweise ein Direktvertrieb von Diagnostika in begrenztem Umfang an Ärzte möglich sein. § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG bestimmt sonach, unter welchen Voraussetzungen verschreibungspflichtige Kontrastmittel ausnahmsweise und unter Übergehung der Apotheken direkt in die Hände von Fachleuten gelangen dürfen. Der Auffassung der Klägerin ist beizutreten, dass bei einer ausnahmsweise zulässigen Abgabe von Arzneimitteln an Ärzte eine Fehlanwendung durch Patienten, wie sich von selbst versteht, nicht zu befürchten ist und folglich das von der Beklagten bemühte Argument, bei einer Abgabe der streitgegenständlichen Diagnostika werde die Patientensicherheit nicht tangiert, eine über den Wortlaut des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG hinausgehende Ausdehnung der Zulässigkeit des Direktvertriebs von Diagnostika nicht zu begründen vermag. Ferner überzeugt auch das Argument nicht, dass eine Verletzung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG deshalb nicht in Betracht komme, weil der Arzt bei der Belieferung mit Röntgenkontrastmitteln keiner Beratung durch den Apotheker bedürfe, denn unstreitig soll durch das Apothekenmonopol nicht nur erreicht werden, dass bei der Auswahl von Arzneimitteln eine sachgerechte Beratung stattfindet, vielmehr soll im Interesse des Gesundheitsschutzes zugleich die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Apothekers gesichert werden (BGH GRUR 2000, 237, 238 r.Sp.). Nach der Intention des Gesetzgebers soll diese wirtschaftliche Absicherung gerade dadurch erreicht werden, dass die Direktabgabe von Arzneimitteln ausschließlich in den von § 47 AMG genannten Ausnahmefällen erfolgen darf. Die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 AMG vom Gesetzgeber enumerativ und abschließend festgelegten Ausnahmen sind sonach restriktiv auszulegen. Die Direktabgabe von Diagnostika an einen Arzt ist nur zulässig, wenn es sich um solche zur Injektion oder Infusion in dem dargestellten engen Sinn handelt.

Schließlich lassen sich aus den Motiven für die Änderungen der einschlägigen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes keine überzeugenden Argumente für eine Ausdehnung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 d) AMG auf oral einzunehmende Röntgenkontrastmittel herleiten.

§ 34 Abs. 1 Nr. 2 des AMG i.d.F. von 1961 sah als Ausnahmen lediglich vor, dass Hersteller, Vertriebsunternehmer und Großhändler Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, ausser an Apotheken an Krankenanstalten und Ärzte nur abgeben dürfen, soweit es sich um menschliches Blut oder Gewebe handelt. Gesetzgeberische Intention für diese Ausnahmen war, der begrenzten Haltbarkeit von Blut und Gewebe Rechnung zu tragen, die den Vertriebsweg über den Großhandel an die Apotheke praktisch ausschloss. Aus den Gesetzesmaterialien für die 1969 vorgenommene Änderung des § 34 Abs. 1 Nr. 2 AMG geht hervor, dass die starke Zunahme der Verwendung von Infusionslösungen und die damit verbundenen Gewichts-, Lagerungs- und Anlieferungsprobleme Anlass zur Freigabe von Infusionslösungen zum Direktvertrieb gegeben haben (BT-Drucksachen V/3836 und V/4526, Antrag zur Gesetzesänderung und schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ). In dem schriftlichen Bericht heißt es, die unmittelbare Belieferung mit Infusionslösungen sei nach § 34 des geltenden Gesetzes nicht gestattet. Es bereite daher oft Schwierigkeiten, wenn die umfangreichen Lieferungen über eine Apotheke abgewickelt werden müssten. Bereits jetzt sei unter Umgehung des Gesetzes ein Direktbezug erfolgt. Der Direktbezug für Infusionslösungen solle nur dann erlaubt werden, wenn sie in Behältnissen mit mindestens 500 ml bezogen werden. Die vorgesehene Ausnahme betraf sonach die in § 34 Abs. 1 Nr. 2 c) AMG und nach der neuerlichen Änderung von 1976 die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 c) AMG übernommene Ausnahmeregelung für Infusionslösungen in größeren Mengen. Die Röntgenkontrastmittel finden am Ende des Berichts Erwähnung. Es heißt dort "Die Einbeziehung der Diagnostika in den Katalog der unmittelbar vom Hersteller zu beziehenden Mittel dient der Klarstellung und soll sicherstellen, dass der durch die derzeitige Freiverkäuflichkeit mögliche Direktbezug für Krankenanstalten und Ärzte erhalten bleibt, weil eine allgemeine Freiverkäuflichkeit in Zukunft nicht mehr gegeben sein soll."

Eine Freiverkäuflichkeit von Diagnostika war damals allerdings gemäß § 31 AMG nur gegeben, wenn es sich um nicht verschreibungspflichtige Mittel gehandelt hat.

Schließlich können auch Zweckmäßigkeitserwägungen im Hinblick auf die eindeutige Intention des Gesetzgebers, lediglich Diagnostika zur Infusion und Injektion von der Apothekenpflicht auszunehmen, die Auffassung der Beklagten nicht stützen. Es kann nicht als zulässig angesehen werden, aus Gründen der Zweckmäßigkeit die grundlegenden Unterschiede zwischen oraler Aufnahme und Infusion zu ignorieren, um hierdurch eine von interessierten Kreisen auf der Hersteller- und Vertreiberseite als wünschenswert angesehene weitere Ausnahme von der Apothekenpflichtigkeit der Arzneimittel zu konstruieren.

Soweit die Beklagte geltend macht, dass die wortlautgemäße Auslegung eine Einbeziehung der oral zu applizierenden Diagnostika unter das Apothekenmonopol nicht rechtfertigen könne, weil hierfür kein sachlicher Grund vorliege, muss eine solche Wertung dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

Die Beklagte verstößt mit der von ihr praktizierten Direktbelieferung von Ärzten auch gegen § 1 UWG, weil es sich bei § 47 Abs. 1 Nr. 2 AMG um eine wertbezogene Norm handelt, die, wie oben ausgeführt, durch die Absicherung des Apothekenmonopols dem Gesundheitsschutz dient (BGH WRP 1997, 460 -Arzneimittelspende). Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG, Rdnr. 614 ff m.w.N.) stellt ein Verstoß gegen wertbezogene Vorschriften, die aus Gründen der Volksgesundheit erlassen sind und die den Schutz der Allgemeinheit bezwecken, automatisch einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, ohne dass es des Hinzutretens weiterer Umstände bedarf.

An dieser Rechtsprechung hat sich durch die von der Beklagten angeführten Entscheidungen, insbesondere durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Giftnotrufbox" (GRUR 2000, 237) im Grundsatz nichts geändert. Nur ausnahmsweise, bei Vorliegen besonderer Umstände besteht nach dieser Entscheidung Anlass zu prüfen, ob das Verhalten des Verletzers im Einzelfall tatsächlich sittenwidrig ist. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Die Direktabgabe von Gastrolux durch die Beklagte ist ersichtlich Teil ihrer Absatzstrategie, um ihren Marktanteil zu Lasten der übrigen Wettbewerber zu erhöhen. Einen Wettbewerbsvorteil verschafft sich die Beklagte auch dann, wenn sie beim Vertrieb über eine Apotheke höhere Gewinne erzielen könnte, denn durch den unzulässigen Direktvertrieb, erlangt sie Lieferaufträge größeren Umfangs, an die sie bei korrektem Verhalten nicht kommen würde. Die Frage, ob das Gesamtverhalten der Beklagten ausnahmsweise im Einklang mit dem sittlich rechtlichen Empfinden der Allgemeinheit steht, stellt sich hier nicht. Das Verhalten der Beklagten ist vielmehr sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.

Davon, dass die Verwaltungspraxis allgemein den Direktvertrieb von oral zu applizierenden Diagnostika duldet, kann aufgrund der von den Parteien vorgelegten Stellungnahmen nicht ausgegangen werden. Der frühere, aber von der Klägerin nicht fortgeführte Direktvertrieb ihres Mittels Telebrix Gastro durch eine Drittfirma steht der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nicht unter dem Gesichtspunkt der "unclean hands" entgegen.

Da die mit der Berufung weiterverfolgte Klage sonach zum Erfolg führen musste, hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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