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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.04.2004
Aktenzeichen: 29 W 1197/04
Rechtsgebiete: MarkenG, BRAGO, GG


Vorschriften:

MarkenG § 140 Abs. 3
BRAGO § 11 Abs. 1 Satz 5
GG Art. 3
1. Gegen § 140 Abs. 3 MarkenG bestehen im Hinblick auf die Ungleichbehandlung, die darin liegt, dass die Mitwirkung eines Patentanwalts in einem Revisionsverfahren in einer Kennzeichenstreitsache mit der erstattungsrechtlichen Folge des § 140 Abs. 3 MarkenG grundsätzlich ohne diesbezügliche Prüfung notwendig ist, während Entsprechendes für die Mitwirkung eines (Instanz-)Rechtsanwalts (neben dem am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten) nicht gilt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Art. 3 GG.

2. In einer Kennzeichenstreitsache sind die Kosten eines im Revisionsverfahren mitwirkenden Patentanwalts gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG und § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO in Höhe einer 20/10-Gebühr erstattungsfähig (Anschluss an OLG München, Beschluss vom 30.01.2004 - 29 W 665/04 = OLG Report München 2004, 133).


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 29 W 1197/04

In dem Verfahren

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle sowie die Richter Cassardt und Dr. Kartzke ohne mündliche Verhandlung am 21.04.2004 beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 17.02.2004 - 7HK O 19080/96 wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten, die im einheitlichen Beschwerdeverfahren betreffend die Aktenzeichen 29 W 982/04 und 29 W 1997/04 entstanden sind, tragen die Klägerin 94 % und die Beklagte 6 %. Die Kostenentscheidung in Nr. 2 des Beschlusses des Senats vom 10.03.2004 - 29 W 982/04 ist hinfällig.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstands des einheitlichen Beschwerdeverfahrens betreffend die Aktenzeichen 29 W 982/04 und 29 W 1197/04 wird auf 39.127,92 € festgesetzt; hiervon entfallen 35.803,92 € auf die Beschwerde der Klägerin und 3.324,-- € auf die Beschwerde der Beklagten. Die Streitwertfestsetzung in Nr. 3 des Beschlusses des Senats vom 10.03.2004 - 29 W 982/04 ist hinfällig.

4. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird hinsichtlich der Beschwerde der Beklagten (Patentanwaltskosten im Revisionsverfahren I ZR 241/01) zugelassen.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 26.07.2001 - 29 U 2361/97 hat der Senat die Beklagte verurteilt, es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, Bekleidungsstücke gemäß im Tenor wiedergegebener Abbildungen anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und/oder einzuführen oder auszuführen sowie zu bewerben, die mit einer Streifenkennzeichnung gemäß den im Tenor wiedergegebenen Abbildungen versehen sind.

Der Beklagten wurden die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens I ZR 21/98 auferlegt. Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil wurde durch Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 02.05.2002 - I ZR 241/01 nicht angenommen.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.10.2003 hat das Landgericht die von der Beklagten an die Klägerin nach dem rechtskräftigen genannten Endurteil des Senats zu erstattenden Kosten einschließlich Gerichtskosten von 19.212,82 € auf 38.495,68 € mit 4 % jährlich verzinslich aus 21.812,73 € seit 09.01.1998 und aus weiteren 16.682,95 € seit 06.08.2001 festgesetzt.

Die Kosten der beiden Meinungsumfragegutachten und der dafür gefertigten Bilder hat das Landgericht für nicht erstattungsfähig erachtet. Des Weiteren hat das Landgericht die Kosten des Patentanwalts im zweiten Revisionsverfahren für nicht erstattungsfähig erachtet.

Auf diesen Beschluss wird Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 03.11.2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Kosten der Umfragegutachten seien im Streitfall ohne Weiteres zu erstatten. Es seien daher weitere Kosten in Höhe von 70.026,39 DM (= 35.803,92 €) festzusetzen. Weiter würden geltend gemacht die Kosten des mitwirkenden Patentanwalts Dr.-Ing. L. für das zweite Revisionsverfahren, die sich auf 3.324,-- € beliefen.

Mit Beschluss vom 17.02.2004 hat das Landgericht der klägerischen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.10.2003 teilweise abgeholfen und den Kostenfestsetzungsbeschluss dahingehend abgeändert, dass die Beklagte an die Klägerin weitere 3.324,-- € nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.06.2002 aus 2.160,60 € und seit 10.12.2003 aus 1.163,40 € zu erstatten hat. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, hinsichtlich der Patentanwaltskosten sei der Beschwerde abzuhelfen.

Hinsichtlich der Kosten der beiden Meinungsumfragen verbleibe es bei den Gründen in dem angefochtenen Beschluss.

Der Senat hat die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 09.10.2003 mit Beschluss vom 10.03.2004 - 29 W 982/04 zurückgewiesen, soweit dieser Beschwerde nicht durch den Beschluss des Landgerichts München I vom 17.02.2004 - 7HK O 19080/96 abgeholfen worden ist. Auf diesen Senatsbeschluss wird Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 01.03.2004 hat die Beklagte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17.02.2004 eingelegt. Zur Begründung hat sie auf die bisherigen Ausführungen im Kostenfestsetzungsverfahren Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 19.04.2004 hat die Beklagte klargestellt, dass mit der sofortigen Beschwerde sowohl die Absetzung der Patentanwaltsgebühr im Revisionsverfahren I ZR 241/01 als auch hilfsweise die Reduzierung auf eine 13/10-Gebühr erstrebt werde.

Die Klägerin beantragt,

die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückzuweisen.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 22.03.2004 nicht abgeholfen. Auf diesen Beschluss wird Bezug genommen.

Der Einzelrichter hat mit Verfügung vom 31.03.2004 das Verfahren betreffend die sofortige Beschwerde der Beklagten dem Senat zur Entscheidung übertragen (§ 568 Satz 2 ZPO) im Hinblick auf den Senatsbeschluss vom 30.01.2004 - 29 W 665/04 = OLG Report München 2004, 133-134, in juris dokumentiert. Mit Verfügung vom 31.03.2004 wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 01.03.2004 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 17.02.2004 - 7HK O 19080/96, die dem Senat am 31.03.2004 vorgelegt wurde, dasselbe Kostenfestsetzungsverfahren betrifft wie die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 03.11.2003 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 09.10.2003 - 7HK O 19080/96, die mit Senatsbeschluss vom 10.03.2004 - 29 W 982/04 zurückgewiesen wurde, soweit dieser Beschwerde nicht durch den genannten Beschluss vom 17.02.2004 abgeholfen wurde. Den Parteien wurde mitgeteilt, dass die genannten sofortigen Beschwerden der Klägerin und der Beklagten ein einheitliches Beschwerdeverfahren betreffen, weshalb beabsichtigt sei, eine einheitliche Kostenentscheidung betreffend beide Beschwerden und eine einheitliche Beschwerdewertentscheidung betreffend beide Beschwerden zu treffen und Nr. 2 (Kostenentscheidung) und Nr. 3 (Beschwerdewertfestsetzung) des Senatsbeschlusses vom 10.03.2004 - 29 W 982/04 für hinfällig zu erklären. Beide Parteien haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.

II.

Für die Entscheidung ist nach § 568 Satz 2 ZPO der Senat zuständig, weil ihm der Einzelrichter das Verfahren zur Entscheidung übertragen hat.

III.

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 17.02.2004 ist zulässig (§ 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569, § 104 Abs. 3 ZPO), aber nicht begründet.

a) Im Streitfall beurteilt sich die Erstattungsfähigkeit der strittigen Patentanwaltskosten nach neuem Recht § 140 Abs. 3 MarkenG (= § 140 Abs. 5 MarkenG a.F. in der seit 01.01.2002 gültigen Fassung), weil es auf den Zeitpunkt der Mitwirkung des Patentanwalts Dr.-Ing. L. im Revisionsverfahren I ZR 241/01, die nach dem 01.01.2002 erfolgte (vgl. Bl. 16, 17 d.A. I ZR 241/01), ankommt (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 140, Rdn. 58).

b) Soweit die Beklagte gegen die Regelung des § 140 Abs. 3 MarkenG (= § 140 Abs. 5 MarkenG a.F. in der seit 01.01.2002 gültigen Fassung) bezüglich der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines im Revisionsverfahren mitwirkenden Patentanwalts unter Bezugnahme auf BPatG GRUR 2000, 331, 333 verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Art. 3 GG geltend macht, teilt der Senat diese Bedenken nicht (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 30.01.2004 - 29 W 665/04 aaO; ferner HansOLG, Beschluss vom 11.03.1998 - 8 W 43/98 = JurBüro 1999, 31-32, in juris dokumentiert). Die Ungleichbehandlung, die darin liegt, dass die Mitwirkung eines Patentanwalts in einem Revisionsverfahren in einer Kennzeichenstreitsache mit der erstattungsrechtlichen Folge des § 140 Abs. 3 MarkenG grundsätzlich ohne diesbezügliche Prüfung notwendig ist, während Entsprechendes für die Mitwirkung eines (Instanz-)Rechtsanwalts (neben dem am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten) nicht gilt (vgl. Ingerl/Rohnke aaO § 140, Rdn. 70), ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Nach der vertretbaren Entscheidung des Gesetzgebers bringt der Patentanwalt in Kennzeichenstreitsachen eine Sachkunde ein, die über die der beauftragten Rechtsanwälte hinausgeht; § 140 Abs. 3 MarkenG knüpft dabei zulässigerweise an die Gebühren des in der jeweiligen Instanz typischerweise vertretenden Rechtsanwalts an (vgl. Ingerl/Rohnke aaO § 140, Rdn. 78).

c) Die Beklagte hat die Kosten des Patentanwalts gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO in Höhe einer 20/10-Gebühr zu erstatten. § 140 Abs. 3 MarkenG verweist auf alle Sätze von § 11 BRAGO. Der Regelungszweck von § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO steht dem, wie der Senat im Beschluss vom 30.01.2004 - 29 W 665/04 aaO ausgeführt hat, nicht entgegen. Das Gesetz zur Änderung des Revisionsrechts in Zivilsachen vom 08.07.1975 (BGBl I S. 1863) sollte zwar den beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten einen Einkommensausgleich dafür geben, dass die Änderung des Revisionsrechts ihre Betätigungsmöglichkeit einschränkte und im Einzelfall Mehrarbeit zur Vermeidung einer Nichtannahme gemäß § 554b ZPO a.F. anfiel; dies verlangt aber nicht, die 20/10-Gebühr ausschließlich für die beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwälte anzusetzen. Auch Patentanwälte können in Folge dieser Regelung an weniger Revisionsverfahren mitwirken und sind als Gehilfen der Rechtsanwälte ebenfalls mit Mehrarbeit belastet (vgl. OLG Karlsruhe GRUR 1980, 331, 332).

2. Die Entscheidung bezüglich der Kosten des einheitlichen Beschwerdeverfahrens betreffend die Aktenzeichen 29 W 982/04 und 29 W 1997/04 beruht auf § 97, § 92 Abs. 1 ZPO. Soweit die Klägerin unterlegen ist (Kosten der Umfragegutachten = 35.803,92 €), sind ihr nach § 97 Abs. 1 ZPO anteilig die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Darüber hinaus sind der Klägerin auch anteilig die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 97 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen, soweit sie die zu erstattenden Patentanwaltskosten erst im Beschwerdeverfahren um 1.163,40 € erhöht hat; im erstinstanzlichen Kostenfestsetzungsverfahren hatte die Klägerin zunächst lediglich eine 13/10-Gebühr in Höhe von 2.160,60 € geltend gemacht (vgl. Schriftsatz vom 13.06.2002); die Mitwirkung von Patentanwalt Dr.-Ing. L. im Revisionsverfahren I ZR 241/01 hatte sie dagegen schon im erstinstanzlichen Kostenfestsetzungsverfahren mit Schriftsatz vom 13.06.2002 durch Bezugnahme auf den Mitwirkungsschriftsatz vom 23.01.2002 (Bl. 17 d.A. I ZR 241/01) hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Eine Differenzierung zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens ist im Streitfall im Hinblick auf den Verfahrensausgang, nämlich Beschwerdezurückweisung auf beiden Seiten, nicht erforderlich.

3. Die Festsetzung des Werts des Beschwerdegegenstands des einheitlichen Beschwerdeverfahrens betreffend die Aktenzeichen 29 W 982/04 und 29 W 1197/04 beruht auf § 14 Abs. 1, § 19 Abs. 2, Abs. 1 Satz 3 GKG.

4. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof war bezüglich der sofortigen Beschwerde der Beklagten zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf die divergierende Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu der Frage, ob für die Mitwirkung eines Patentanwalts in der Revisionsinstanz die erhöhte 20/10-Gebühr des § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO erstattet verlangt werden kann oder nur eine 13/10-Gebühr (Nachweise des Streitstands bei Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl., § 140, Rdn. 43, Fn. 39), zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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