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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 28.09.2001
Aktenzeichen: 29 W 2398/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 93
BGB § 131 Abs. 2
Im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses im Sinne von § 93 ZPO, dem die Beschränkung des Widerspruchs gegen eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung auf die Kosten gleichsteht, liegt keine der Kostentragung entgegenstehende ausreichende Abmahnung vor, wenn diese an einen Minderjährigen adressiert war und die Abmahnung auch dessen gesetzlichen Vertreter nicht zugegangen ist (§ 131 Abs. 2 BGB entsprechend). Für die Kostentragung ist es ohne Bedeutung, ob dem Abmahnenden die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Abgemahnten bekannt war bzw. ob ihm dieser Umstand in vorwerfbarer Weise verborgen geblieben ist.
BESCHLUSS

Aktenzeichen: 29 W 2398/01

In dem Verfahren

hat der 29. Zivilsenat durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Jackson und Retzer ohne mündliche Verhandlung am 28.09.2001

beschlossen

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24.7.2001 - 9 HKO 10125/01 - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Verfahren 1. Instanz wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Landgerichts gemäß Beschluss vom 24.7.2001 für die Zeit bis zur Einlegung des Kostenwiderspruchs auf DM 100.000,- und für die Zeit danach auf bis zu DM 4.000,- festgesetzt.

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu DM 4.000,- festgesetzt.

5. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

A.

Mit Anwaltsschreiben vom 31.5.2001 mahnte die Antragstellerin den 16-jährigen Antragsgegner unter Übersendung einer vorformulierten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und Fristsetzung zum 7.6.2001, 12.00 Uhr ab (Anlagen EVK 4 und 5). In einer e-mail vom 1.6.2001 sowie in einem Schreiben vom selben Tage nahm der Antragsgegner zu dem Vorwurf - Angebot von Computerprogrammen zum "Entsperren" von Prepaid-Mobilfunktelefonen - Stellung. Auf Antrag der Antragstellerin vom 6.6.2001 (Eingang bei Gericht) erging am selben Tag antragsgemäß eine einstweilige Verfügung. Ausweislich der in Fotokopie zu den Akten gereichten Zustellungsurkunde des zuständigen Gerichtsvollziehers wurde die einstweilige Verfügung am 7.6.2001 durch Übergabe an den Antragsgegner persönlich zugestellt.

Am 2.7.2001 (Eingang bei Gericht) legte der Antragsgegner, vertreten durch seine gesetzliche Vertreterin, Kostenwiderspruch ein. Er machte geltend, er habe die verlangte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung per Brief am 5.6.2001 an die anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin abgesandt. Darüberhinaus machte er geltend, dass weder das Aufforderungsschreiben vom 31.5.2001 noch die einstweilige Verfügung wegen seiner Minderjährigkeit wirksam zugestellt worden seien.

Die Antragstellerin hat die Absendung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bestritten. Ein entsprechendes Schreiben sei bei ihren anwaltlichen Vertretern nicht eingegangen. Da der Antragsgegner in der e-mail vom l.6.2001 den Bestand des geltend gemachten Anspruches in Abrede gestellt habe, hätte es sich ohnehin nicht mehr um ein sofortiges Anerkenntnis handeln können. Ihr sei auch die Minderjährigkeit des Antragsgegners nicht bekannt gewesen. Da er die einstweilige Verfügung, vertreten durch seine Mutter, aufgrund der Einlegung des Kostenwiderspruchs anerkannt habe, sei ihm der Einwand der fehlerhaften Zustellung abgeschnitten.

Mit Endurteil vom 24.7.2001, der Antragstellerin zugestellt am 17.8.2001, hat das Landgericht unter Abänderung der Kostenentscheidung in der einstweiligen Verfügung der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt mit der Begründung, der Antragsgegner habe glaubhaft gemacht, dass er die geforderte Unterlassungserklärung am 5.6.2001 mit der Post abgeschickt habe. Er habe davon ausgehen können, dass diese den anwaltlichen Vertretern der Klägerin auch innerhalb der gesetzten Frist bis zum 7.6.2001 zugehen werde. Da die Antragstellerin vor Ablauf dieser Frist bereits den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt habe, müsse sie so behandelt werden, als habe sie überhaupt nicht abgemahnt. In der e-mail vom 1.6.2001 habe der Antragsgegner nicht zum Ausdruck gebracht, dass er die Abgabe der verlangten Unterlassungserklärung ablehne. Der Kostenwiderspruch beinhalte auch ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 7.8.2001 beim Oberlandesgericht eingelegten und am 24.8.2001 begründeten sofortigen Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, die vom Antragsgegner vorgelegte eidesstattliche Versicherung genüge nicht, um den Zugang dieser Erklärung glaubhaft zu machen. Unzutreffend sei auch, wenn das Landgericht darauf abstelle, dass die gesetzte Frist nicht beachtet worden sei. Da es nur auf die Veranlassung zum gerichtlichen Vorgehen ankomme, könne nichts anderes gelten als bei der sogenannten "Schubladenverfügung". Es komme daher nicht mehr darauf an, dass auch dann, wenn die Unterlassungserklärung rechtzeitig abgegeben worden wäre, ein sofortiges Anerkenntnis im Hinblick auf die e-mail vom 1.6.2001 zu verneinen wäre.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils vom 24.7.2001 die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung vom 6.6.2001 zu bestätigen.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er ist der Auffassung, dass es an einer wirksamen Abmahnung fehle. Ebenso sei die einstweilige Verfügung nicht wirksam zugestellt worden. Die Mutter des Antragsgegners habe von dem Schreiben vom 31.5.2001 und der einstweiligen Verfügung zunächst auch keine Kenntnis gehabt. Sie habe das Schreiben erst viel später erhalten. Sie sei mit der Zustellung an den Antragsgegner nicht einverstanden. Sie sei hingegen damit einverstanden, dass der Antragegegner die Unterlassungserklärung abgegeben habe.

Weiter beantragt der Antragsgegner, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... zu bewilligen.

B.

I. Die entsprechend § 99 Abs. 2 ZPO statthafte und, da form- und fristgerecht (§ 577 Abs. 2 ZPO) eingelegt, zulässige sofortige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Der ordnungsgemäß durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin vertretene Antragsgegner (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB) hat den Widerspruch ausdrücklich auf die Kosten beschränkt. Darin liegt ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO.

a. In der Begründung hat er allerdings vorrangig darauf abgestellt, dass er innerhalb der von der Antragstellerin gesetzten Frist die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Da die Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung nach allgemeiner Auffassung zum Wegfall der Wiederholungsgefahr als materiellrechtlicher Anspruchsvoraussetzung für den Unterlassungsanspruch fuhrt, kann dies mit dem auf die Kosten beschränkten Widerspruch nicht geltend gemacht werden. Denn der im Gesetz nicht geregelte Kostenwiderspruch wird in ständiger Rechtsprechung nur deshalb zugelassen, um dem Antragsgegner, gegen den eine Beschlussverfügung ergangen ist, einen Rechtsbehelf zu eröffnen, um der Kostentragung gemäß § 93 ZPO zu entgehen. Der Kostenwiderspruch wird folglich einem prozessualen Anerkenntnis im Sinne von § 307 ZPO gleichbehandelt. Folglich ist der Antragsgegner mit seinem Rechtsbehelf auch auf den Einwand beschränkt, er habe, da er nicht oder nicht wirksam abgemahnt worden sei, für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keine Veranlassung gegeben (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Pastor/Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 55 Rdn. 41; Ulrich, ebenda, Kap. 58 Rdn. 20; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 55 Rdn. 9; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rdn. 199 ff). Dennoch bestand für das Landgericht keine Veranlassung, den - bei zutreffender rechtlicher Einordnung - mit Einwendungen gegen den Unterlassungsanspruch begründeten, ausdrücklich auf die Kosten beschränkten Widerspruch als Vollwiderspruch zu behandeln (vgl. hierzu Berneke a.a.O. Rdn. 200), da dies im Hinblick auf das dann bestehende Kostenrisiko ersichtlich nicht dem Begehren des Antragsgegners entsprach. Dies wird auch in der Beschwerdeerwiderung nicht geltend gemacht.

b. Im Hinblick auf diese Beschränkung des Streitstoffes ist es deshalb ohne Bedeutung - wovon bereits das Landgericht zutreffend ausgegangen ist -, dass die einstweilige Verfügung innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht vollzogen worden ist, weil sie nicht, wie erforderlich (§ 171 Abs. 1, § 51 Abs. 1 ZPO, § 1629 Abs. 1 BGB), der gesetzlichen Vertreterin des Antragsgegners zugestellt wurde.

2. Ob sich die Antragstellerin im Hinblick auf den vor Fristablauf eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung so behandeln lassen muss, als hätte sie überhaupt keine Abmahnung ausgesprochen, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn wenn davon ausgegangen werden muss, dass die Unterlassungserklärung bei den anwaltlichen Vertretern der Antragstellerin überhaupt nicht eingegangen ist - für den Zugang einer Briefsendung gibt es keinen Beweis des ersten Anscheins (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 130 Rdn. 21 m.w.N.), ein sonstiger Nachweis des Zugangs ist nicht erbracht - so ist nicht ersichtlich, wieso die Antragstellerin die Kostenlast aus § 93 ZPO allein deshalb treffen soll, weil sie den Antrag verfrüht eingereicht hat (vgl. hierzu OLG Hamburg GRUR 1991, 80 re. Sp. a.E.; OLG Stuttgart WRP 1982, 365 (LS)). Dies bedarf aber keiner weiteren Erörterung, da die gegenüber dem minderjährigen Antragsgegner ausgesprochene Abmahnung ohne deren Zugang an den gesetzlichen Vertreter in entsprechender Anwendung von § 131 Abs. 2 Satz 1 BGB keine Wirkung entfaltet. Mangels (wirksamer) Abmahnung hat der Antragsgegner keine Veranlassung zur Einreichung des Verfügungsantrages gegeben. In Form des Kostenwiderspruchs liegt auch ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO vor, sodass der Antragstellerin im Ergebnis zu Recht die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden.

a. Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass ein Kläger/Antragsteller zur Vermeidung der Kostennachteile - von hier nicht in Rede stehenden Ausnahmen abgesehen - gehalten ist, vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens den Beklagten/Antragsgegner zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufzufordern. Dabei handelt es sich um eine rein "kostenrechtliche Obliegenheit", nicht um eine prozess- oder materiellrechtliche Anspruchsvoraussetzung (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Pastor/Ahrens/Deutsch a.a.O. Kap. 4 Rdn. 2). Unterschiedliche Auffassungen werden hinsichtlich der Rechtsnatur der Abmahung (rechtsgeschäftsähnliche Handlung, Willenserklärung oder eine einer Prozesshandlung ähnliche Gläubigermaßnahme) vertreten (vgl. hierzu eingehend Groß-komm.UWG/Kreft, Vor § 13, C, Rdn. 68 ff), was in der Rechtsprechung und Literatur vor allem in Bezug auf die Frage der Zugangsbedürftigkeit der Abmahnung (§ 130 BGB) und des Vollmachtsnachweises bereits umfangreich erörtert wurde (vgl. etwa zur Zugangsbedürfigkeit die Rechtsprechungsnachweise bei Teplitzky a.a.O. Kap. 41 Rdn. 4, 5 mit Fußn. 10 und 12, Ulrich, WRP 1998, 124, 125, Kunath, WRP 2001, 238; vgl. weiter Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., Vor § 13 Rdn. 177; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rdn. 536; Deutsch a.a.O. Kap. 6 Rdn. 2; Kreft a.a.O. Rdn. 73 ff; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 792 ff; jeweils m.w.N.).

Dabei wird die (entsprechende) Anwendung der Bestimmungen über Willenserklärungen unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung der Abmahnung auch maßgeblich im Hinblick auf Sinn und Zweck der Abmahnung - Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens - und die hieran geknüpften Folgen (Annahme des meist mit der Abmahnung vorformulierten Angebots auf Abschluss eines Vertragsstrafenvertrages; Begründung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses im Falle einer berechtigten Abmahnung, vgl. BGH NJW 1995, 715 - Kosten bei unbegründeter Abmahnung) befürwortet. Die (entsprechende) Anwendung der Bestimmungen über Willenserklärungen wird jedoch von der (noch) überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung in Bezug auf die Frage der Klageveranlassung im Sinne von § 93 ZPO abgelehnt, da diese "dogmatisch in sich geschlossene und folgerichtige" Beurteilung - insbesondere bezüglich der Zugangsbedürftigkeit im Sinne von § 130 BGB - als "nicht funktionsgerecht praktikabel" angesehen wird (so ausdrücklich Teplitzky a.a.O. Kap. 41 Rdn. 5; ebenso Deutsch a.a.O. Kap. 6 Rdn. 2). Dem liegt die Überlegung zugrunde, den Abmahnenden nicht mit dem Risiko des Nichtzugangs der Abmahnung zu belasten, vor allem aber dem Bestreiten des Zugangs von Seiten des Unterlassungsschuldners zu begegnen. Deshalb wird es für die Abwendung der Kostenfolge aus § 93 ZPO als ausreichend angesehen, dass der Abmahnende das aus seiner Sicht Erforderliche (Absendung der richtig adressierten Abmahnung) getan hat und dies gegebenenfalls nachweisen kann (so auch die Rechtsprechung des OLG München, vgl. WRP 1971, 487 f - zu § 174 BGB; Beschl. v. 12.3.1984 - 6 W 3082/83 und Beschl. v. 9.1.1985 - 6 W 3070/84, zitiert nach Traub, Wettbewerbsrechtliche Verfahrenspraxis, 2. Aufl., S. 310; a.A. Beschl. v. 27.12.2000 - 6 W 3015/00: Erforderlichkeit des Nachweises des Zugangs einer Aufforderung zur Auskunftserteilung gemäß § 10 Abs. 6 SortG). Wie auch in der Literatur betont wird (Melullis a.a.O. Rdn. 793 b), lässt sich diese Nichtanwendung der Vorschriften über Willenserklärungen nur durch im Bereich der Billigkeit angesiedelte Überlegungen rechtfertigen. Von dieser "Risikoverteilung" werden nur dann Ausnahmen gemacht, wenn ein Verhalten des Abmahnenden mitverantlich dafür war, dass die Abmahnung dem Schuldner nicht zugegangen ist (vgl. zur Frage der richtigen Adressierung: OLG Düsseldorf GRUR 1994, 853; WRP 1995, 40; WRP 1996, 1111; OLG Hamm WRP 1984,220, 221; Melullis a.a.O. Rdn. 794).

b. Auf diese Betrachtungsweise stellt offensichtlich auch die Antragstellerin ab, wenn sie unter Hinweis auf die von ihr vorgenommene Qualifizierung der Abmahnung als Realakt die Auffassung vertritt, die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Abgemahnten spiele keine Rolle und dies auch deshalb als sachgerecht ansieht, weil bei wettbewerbswidrigen Handlungen eines Minderjährigen im Internet keine Möglichkeit bestehe, die Minderjährigkeit des Verletzers in Erfahrung zu bringen. Dieser Beurteilung kann auch bei Zugrundelegung der vorstehend dargestellten "Risikoverteilung" zugunsten des Abmahnenden nicht gefolgt werden.

aa. Soweit dem Senat Rechtsprechung bekannt geworden ist, befasst sich das AG Meldorf (NJW 1989, 2548 = CR 1990, 329 mit abl. Anm. Brandi-Dohrn, S. 330) im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Erstattung der für die Abmahnung angefallenen Anwaltskosten mit dieser Frage und bejaht die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 131 Abs. 2 BGB. In der Literatur wird von Köhler (Köhler/Piper a.a.O. Vor § 13 Rdn. 175) nur die Frage der beschränkten Geschäftsfähigkeit des Abmahnenden erörtert. Hefermehl (a.a.O. Einl. Rdn. 536) verlangt für die Wirksamkeit der Abmahnung gegenüber einem nicht voll Geschäftsfähigen den Zugang an den gesetzlichen Vertreter gemäß § 131 Abs. 1 BGB. Die Anwendung des § 131 BGB wird, da die Abmahnung nicht als Willenserklärung qualifiziert wird (a.a.O. Rdn. 530), offensichtlich aus dem Zweck der Abmahnung gefolgert. Melullis (a.a.O. Rdn. 797) hält ebenfalls einen Rückgriff auf die Bestimmungen über Willenserklärungen in Bezug auf den Schutz von Geschäftsunfähigen, denen eine Abmahnung nicht wirksam übermittelt werden kann, für denkbar.

Folgt man der in der Literatur von immer mehr Autoren und auch zwischenzeitlich von mehreren Oberlandesgerichten (KG; Dresden; Düsseldorf (zu § 174 BGB)) vertretenen Auffassung, so wäre die sofortige Beschwerde ohne weiteres zurückzuweisen, da die an den minderjährigen Antragsgegner adressierte Abmahnung nach dem unbestrittenen Vortrag seiner gesetzlichen Vertreterin nicht zugegangen ist (§ 131 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 BGB) und auch keine Ausnahme (lediglich rechtlicher Vorteil, vorherige Einwilligung) eingreift.

bb. Aber auch dann, wenn man die vermehrt befürwortete generelle Anwendung der §§ 104 ff BGB auf die Abmahnung verneint, liegt keine ordnungsgemäße Abmahnung vor.

Wie vorstehend dargetan, werden die Vorschriften über Willenserklärungen auf die Abmahnung im Rahmen des § 93 ZPO deshalb nicht angewandt, um den Abmahnenden nicht einseitig zugunsten des Verletzers unangemessen zu belasten (Teplitzky a.a.O.; Deutsch a.a.O.), insbesondere dem Verletzer den Einwand abzuschneiden, er habe keine Kenntnis von der Beanstandung erlangt. Die daraus hergeleitete "Risikoverteilung" zugunsten des Abmahnenden (so auch Melullis a.a.O. Rdn. 793 a) rechtfertigt es aber nicht mehr, die vom Gesetzgeber zum Schutz von Minderjährigen vorgesehenen Bestimmungen zu vernachlässigen. Deshalb muss auch dann, wenn die Abmahnung nicht als Willenserklärung, sondern nur als rechtsgeschäftsähnliche Handlung angesehen wird, diese an den gesetzlichen Vertreter als Adressaten gerichtet werden (so die überwiegend vertretene Auffassung vgl. RGRK-Krüger-Nieland, § 131 Rdn. 1; Heinrichs a.a.O. § 131 Rdn. 2; jeweils m.w.N.), jedenfalls diesem zugehen. Denn nach dem Normzweck der Regelung in § 131 BGB soll eine Erklärung nicht wirksam werden, wenn sie gegenüber einer Person erfolgt, die hierauf nicht rechtlich wirksam reagieren kann (MünchKomm/Einsele, BGB, 4. Aufl., § 131 Rdn. 1 m.w.N.).

Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass für die Antragstellerin die Minderjährigkeit des Antragsgegners aus der beanstandeten Werbung nicht erkennbar war. Denn hier kann nichts anderes gelten als in den Fällen, in denen der Verletzte "unverschuldet" den Falschen in Anspruch nimmt. Unabhängig davon, dass auch dies keine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, trifft es auch nicht zu, dass für die Antragstellerin keine Möglichkeiten für weitere Ermittlungen in Bezug auf Person des Antragsgegners bestanden. Vielmehr ist sie, nachdem sie aufgrund der Nachfrage bei dem Internet-Auktionshaus den Namen und die Adresse des Antragsgegners in Erfahrung gebracht hatte, offensichtlich davon ausgegangen, dass sie über ausreichende Informationen verfüge, um den Verletzer in Anspruch nehmen zu können. Dass sie bei der Sachlage keine Veranlassung zu weiteren Überprüfungen sah, ist zwar nachvollziehbar, da aber ein irgendwie gearteter Vertrauensschutz in Bezug auf eine unbeschränkte Geschäftsfähigkeit dem Gesetz fremd ist (BGH ZIP 1988, 829, 831; Palandt-Heinrichs a.a.O. Einf. v. § 104 Rdn. 3 m.w.N.), geht dies zu Lasten der Antragstellerin. Es ist daher nicht gerechtfertigt, den Abmahnenden im Rahmen des § 93 ZPO von dem aus den Bestimmungen zur (beschränkten) Geschäftsfähigkeit folgenden "Risiko" zu entlasten.

Ende der Entscheidung

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