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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 3 U 5169/00
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 554 a
BGB § 174
BGB § 554
AGBG § 9
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 8
Leitsatz:

1. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist folgende Klausel unwirksam: "Rechte der Verpächterin insbesondere aus diesem Vertrag gehen der Verpächterin auch dann nicht verloren, falls sie hiervon, obwohl dazu befugt, zunächst keinen Gebrauch macht."

2. Eine außerordentliche Kündigung kann nicht auf Vorfälle gestützt werden, die zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung mehr als ein halbes Jahr zurückliegen.

3. Eine wiederholte verspätete Zahlung von Pachtnebenkostenvorauszahlungen kann ein Grund zu einer fristlosen Kündigung nach § 554a BGB sein, wenn eine Abmahnung erfolgt ist.

4. Abzüge von einer Pachtnebenkostennachzahlung bilden einen Grund zu einer fristlosen Kündigung nach § 554a BGB nur dann, wenn zur Nichtzahlung besondere Umstände hinzutreten, die die Fortsetzung des Pachtverhältnisses für den Verpächter unzumutbar machen.


OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 3 U 5169/00 7 O 1046/00 LG Traunstein

Verkündet am 28. Februar 2001

Die Urkundsbeamtin: Justizangestellte

In dem Rechtsstreit

wegen Räumung

erläßt der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. und die Richter am Oberlandesgericht Dr. und Dr. aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Februar 2001 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 07.09.2000 aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,-- DM abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

V. Der Wert der Beschwer der Kläger im Berufungsverfahren übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Der Beklagte hat von den Klägern diverse Räumlichkeiten gepachtet. Der Pachtvertrag enthielt u.a. ein Optionsrecht für den Beklagten. Außerdem ist im Pachtvertrag in den Allgemeinen Pachtbestimmungen folgendes geregelt:

"Kein Verlust von Rechten. Rechte der Verpächterin insbesondere aus diesem Vertrag gehen der Verpächterin auch dann nicht verloren, falls sie hiervon, obwohl dazu befugt, zunächst keinen Gebrauch macht."

Die Kläger haben das Pachtverhältnis zunächst bereits im Mai 1999 gekündigt. Diese Kündigung wurde mangels Beifügung einer Vollmacht beanstandet. Am 20.10.1999 sprachen die Kläger erneut die fristlose Kündigung und am 07.01.2000 die ordentliche Kündigung aus.

Die Kläger tragen vor, daß sich die Beklagten zahlreicher Vertragsverstöße schuldig gemacht hätten. Auf die Klageschrift (Bl. 1 f. d. A.) und das Kündigungsschreiben vom 20.10.1999 (Anlage K 2 im Konvulut zu Bl. 12) wird Bezug genommen.

Die Beklagten beantragten in erster Instanz zu erkennen wie folgt:

Der Beklagte wird verurteilt, das im folgenden bezeichnete Pachtobjekt zu räumen und an die Kläger herauszugeben:

mit den zum Betrieb gehörenden zwei Gasträumen, Küche, Abstellraum, Flur, Damen- und Herrentoilette im Erdgeschoß, Terrasse, Keller, Garage im Kellergeschoß,

die Wohnung im 1. Obergeschoß, bestehend aus sieben Zimmern, Bad mit WC, Flur, Treppenaufgang,

sowie Hofraum, Garten und Parkplatz, wie in dem diesem Antrag beigefügten Katasterplan des Vermessungsamts vom als "Pachtobjekt" mit der darin aus der Gemarkung eingezeichneten Teilfläche.

Die Beklagten beantragten in erster Instanz

Klageabweisung.

Die Beklagten bestritten die Vorwürfe der Klagepartei und verwiesen bezüglich der ordentlichen Kündigung auf das von ihnen ausgeübte Optionsrecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.

Das Landgericht Traunstein hat der Klage mit Endurteil vom 07.09.2000 stattgegeben. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Der Beklagte greift das Urteil in vollem Umfang an. Er wiederholt im wesentlichen sein Vorbringen erster Instanz und wendet sich vor allem gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts.

Der Beklagte beantragte in der Berufungsinstanz,

unter Aufhebung des am 07.09.200 verkündeten Urteils des Landgerichts Az. die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger wiederholen ihr erstinstanzielles Vorbringen und verteidigen das angefochtene Urteil.

Im übrigen wird wegen des Berufungsvorbringens Bezug genommen auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2001 auf Bedenken gegen die Wirksamkeit der Bestimmung von G 1 der Allgemeinen Pachtbestimmungen hingewiesen. Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 28.2.2001 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig: Insbesondere ist sie rechtzeitig eingelegt. Insoweit wird auf die Begründung des Beschlusse des Senats vom 14.11.2000 (Bl. 183 d. A.) Bezug genommen.

Die Berufung ist auch begründet.

Die fristlose Kündigung vom Mai 1999 ist unwirksam, da der Kündigung eine Vollmachtsurkunde nicht beigelegen hat und die Kündigung deshalb vom Beklagten zurückgewiesen wurde (§ 174 BGB).

Die ordentliche Kündigung vom 07.01.2000 ist unwirksam, da der Beklagte von seinem Optionsrecht wirksam Gebrauch gemacht hat und die Optionsdauer zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen war (§ 564 Abs. 1 BGB).

Auch die Kündigung vom 20.10.1999 ist unwirksam und hat deshalb das Mietverhältnis nicht beendet.

Die Kündigung ist zunächst gestützt auf Vorfälle, die sich am 06.04.1999 und vorher ereignet haben. Diese Kündigungsgründe, auf die das Landgericht sein Urteil gestützt hat, vermögen der Kündigung jedoch nicht zur Wirksamkeit zu verhelfen. Es ist allgemein anerkannt, daß das Kündigungsrecht nach § 554 a BGB verwirkt wird, wenn es über längere Zeit hinweg nicht ausgeübt wird (vgl. BGH, WuM 1988, 125; Schmid/Wetekamp, Miete und Mietprozeß, 2. Aufl., Kapitel 14 Rn. 541 a). Da die Kündigung erst am 20.10.1999 erklärt wurde, liegt zwischen dem letzten dieser Vorfälle und der Kündigungserklärung ein Zeitraum von mehr als einem halben Jahr. Dieser Zeitraum überschreitet bei weitem eine angemessene Überlegungsfrist, ob von einem Kündigungsgrund Gebrauch gemacht werden soll. Die Vorfälle vor dem 07.04.2000 können deshalb zur Stützung der außerordentlichen Kündigung nicht mehr herangezogen werden. Hieran ändert es nichts, daß auch eine Kündigung im Mai 1999 stattgefunden hat Diese Kündigung ist nach § 174 BGB ohne rechtliche Wirkung und kann deshalb auch nicht zu einer Unterbrechung der Frist für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung führen. Davon abgesehen, wurde auch nach Zurückweisung der Kündigung mangels Vollmachtsvorlage von Mai 1999 bis 20.10.1999 keine weitere Kündigung ausgesprochen.

Auf die Regelung in G 1 der allgemeinen Pachtbestimmungen, wo der Verlust von Rechten der Verpächterin ausgeschlossen ist, können sich die Kläger nicht berufen, da diese Regelung nach § 9 AGBG unwirksam ist. Bei den allgemeinen Pachtbedingungen handelt es sich offensichtlich um allgemeine Geschäfsbedingungen. Der Pächter wird durch diese Regelung entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Es widerspricht dem Wesen einer fristlosen Kündigung, die auf eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses gestützt wird, daß die Ausübung des Kündigungsrechts längere Zeit hinweg in der Schwebe bleibt, da der Verpächter durch die Nichtausübung des Kündigungsrechtes zu erkennen gibt, daß er gerade nicht von einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Pachtverhältnisses ausgeht. Darüber hinaus erhielte der Verpächter die Möglichkeit, durch ein zeitliches unbeschränktes Berufen auf zurückliegende Vorfälle, auf den Pächter Druck auszuüben. Schließlich enthält die Bestimmung auch insoweit eine einseitige treuwidrige Belastung des Pächters, als nur die Rechte der Verpächterin erhalten bleiben sollen, nicht aber die Rechte des Pächters.

Die Vorfälle und 11. und 12.10.1999 vermögen eine fristlose Kündigung nicht zu rechtfertigen. Allein das Abstellen von Getränkekisten vor dem Garagenteil der Kläger und die Bezeichnung des Beklagten zu 1) als "primitiv" vermögen eine fristlose Kündigung nicht zu rechtfertigen. Es kann deshalb unterstellt werden, daß der diesbezügliche Vortrag der Klagepartei zutrifft. Bei der fristlosen Kündigung handelt es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in den Wohn- und Geschäftsbereich des Beklagten. Die Vertragsverletzung im Sinne des § 554 a BGB müssen deshalb von erheblichem Gewicht sein. Außerdem wird von der Rechtsprechung eine Abmahnung unter ausdrücklicher Androhung des Kündigungsausspruches gefordert (so z.B. LG Hamburg, WuM 1986, 338). Der Senat folgt dieser Auffassung jedenfalls insoweit, als es sich nicht um Vertragsverstöße handelt, die von so erheblichem Gewicht sind, daß dem Verpächter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses allein aufgrund des inkriminierten Vorfalls nicht mehr zugemutet werden kann. Derartig schwere Vertragsverstöße vermag der Senat weder im Abstellen der Getränkekästen, noch in der Bezeichnung des Klägers zu 1) als "primitiv" zu sehen.

Soweit sich die Kläger zur Wirksamkeit ihrer Kündigung auf verspätete Zahlungen berufen, sind diese verspäteten Zahlungen als Kündigungsgrund jedenfalls insoweit verwirkt, als die Zahlungen vor dem 20.04.1999 fällig geworden wären. Insoweit wird auf obige Ausführungen verwiesen.

Die am 30.06.1999 fällig gewesene Abschlagszahlung auf Mietnebenkosten wurde nach einer Mahnung am 27.7.1999 bezahlt. Die Abschlagszahlung vom 30.9.1999 wurde am 21.12.1999 nach 2 Mahnungen bezahlt. Zwar ist es anerkannt, daß eine ständige unpünktliche Mietzahlung einen Kündigungsgrund im Sinne des § 554 a BGB bilden kann (vgl. z.B. LG Berlin, GE 1986, 909). Zur Mietzahlung gehören auch die Mietnebenkosten (vgl. z.B. OLG Hamburg; ZMR 1995, 32). Dies gilt sowohl für die Nebenkostenvorauszahlungen, als auch für die Nebenkostennachzahlungen (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 5. Aufl., Rn. 1077). Es muß sich jedoch um eine wiederholte verspätete Mietzahlung handeln und es ist eine Abmahnung erforderlich (vgl. Schmid/Wetekamp a. a. O. unter Hinweis auf LG Paderborn, WuM 1992, 191). Vorliegend wird zwar auf Seite 10 der Klageschrift (Bl. 10 d. A.) eine Abmahnung behauptet, wie sich aus den Ausführungen zu 2. und 3. ergibt, handelte es sich jedoch dabei um Mahnungen. Daß eine Abmahnung - unter Kündigungsansdrohung - erfolgt ist, ist nicht vorgetragen.

Die von dem Beklagten gemachten Abzüge von der Nebenkostenabrechnung 1999 vermag dem Räumungsbegehren auch dann nicht zum Erfolg zu verhelfen, wenn man in der Klageschrift eine erneute Kündigung sehen würde. Anders als bei laufenden Mietzahlungen, sind an die Nichtzahlung einer Nebenkostenabrechnung als Kündigungsgrund strenge Voraussetzungen zu stellen. Dem Pächter ist es grundsätzlich unbenommen, die Richtigkeit der Nebenkostenabrechnung zu bestreiten und hiervon Abzüge zu machen. Eventuelle Streitigkeiten hieraus sind grundsätzlich in einem Prozeß über die Berechtigung der Nebenkostennachforderung auszutragen. Nur wenn darüber hinausgehende Umstände vorliegen würden, die gerade die Nichtzahlung eines Teilbetrags der Nebenkostenabrechnung als schwere, für den Verpächter unzumutbare Vertragsverletzung erscheinen lassen würden, könnte hierdurch eine fristlose Kündigung nach § 554 a BGB gerechtfertigt sein. Solche Umstände sind jedoch nach dem Vortrag der Klagepartei nicht ersichtlich. Es ist auch nicht vorgetragen, daß unter Heranziehung der Nebenkostenabrechnung 1999 ein Mietrückstand in Höhe des von § 554 BGB geforderten Betrages entstanden wäre Es kann deshalb dahinstehen, ob der Auffassung des OLG Koblenz (ZMR 1984, 351) zu folgen ist, wonach Nachforderungen aus einer Nebenkostenabrechnung nicht Mietzins im Sinne von § 554 BGB sind. Dahinstehen kann auch, ob bezüglich der Nebenkostenschuld der Sachvortrag der Klagepartei hinreichend substantiiert ist.

Kostenentscheidung: § 91 ZPO.

Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 10, § 711, § 8 ZPO.

Ende der Entscheidung

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