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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 02.07.2008
Aktenzeichen: 31 AR 112/08
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
GVG § 97
GVG § 102
Ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen der Kammer für Handelssachen und der Zivilkammer ist zunächst durch Ausschöpfen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit zur Verweisung des Rechtstreits von der einen Kammer an die andere zu lösen. Eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht kommt grundsätzlich erst und nur dann in Betracht, wenn trotz Verweisung noch ein Kompetenzkonflikt besteht.
Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage in Anspruch. Er hat Klage zur Kammer für Handelssachen erhoben. Die Beklagten haben die Unzuständigkeit der Kammer für Handelssachen gerügt und Verweisung an die Zivilkammer beantragt. Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen gab die Akten formlos dorthin ab. Die Zivilkammer lehnte die Übernahme ab und gab die Akten zurück. Die Kammer für Handelssachen erklärte sich durch Beschluss für unzuständig und legte die Akten dem Oberlandesgericht München vor.

II.

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO war abzulehnen, da die Voraussetzungen im derzeitigen Verfahrensstadium nicht vorliegen. Die Handelskammer, bei der der Rechtsstreit nach wie vor rechtshängig ist, hat bisher nicht von der ihr für den hier gegebenen Fall, dass sie sich für unzuständig hält, durch § 97 GVG eröffneten Möglichkeit der Verweisung des Rechtsstreits an die Zivilkammer Gebrauch gemacht. Das schließt die Bestimmung durch den Senat aus.

1. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO greift unmittelbar nur dann ein, wenn sich, wie es im Wortlaut heißt, "verschiedene Gerichte" für unzuständig erklärt haben. Dieser Fall ist hier nicht gegeben. Es liegt ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen verschiedenen Spruchkörpern desselben Gerichts vor. In Betracht kommt daher nur eine analoge Anwendung.

2. Die analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Lösung eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen der Zivilkammer und der Kammer für Handelssachen ist, da es sich um einen vom Präsidium nicht lösbaren Fall gesetzlich geregelter Geschäftsverteilung handelt, grundsätzlich anerkannt (vgl. nur Zöller/Gummer ZPO 26. Aufl. § 102 GVG Rn. 3 m.w.N.; st. Rspr. auch des Senats). Sie setzt jedoch voraus, dass trotz Ausschöpfung des in §§ 97 ff. GVG gesetzlich geregelten Instrumentariums zur Lösung der Zuständigkeitsfrage noch ein Bedarf für die Entscheidung des übergeordneten Gerichts besteht. Andernfalls, wenn etwa die Möglichkeit zur Verweisung des Rechtsstreits von der einen Kammer an die andere noch gar nicht genutzt wurde, fehlt es an einer auf andere Weise nicht mehr lösbaren, eine Regelungslücke offenbarenden Konfliktlage, deren Bestehen die analoge Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO überhaupt erst rechtfertigt.

3. So liegt der Fall hier. Auf der Grundlage ihrer Auffassung, dass die vor sie gebrachte Klage nicht vor sie gehört, hatte und hat die Kammer für Handelssachen (auch jetzt noch, nachdem ihr Versuch der formlosen Abgabe fehlgeschlagen ist) die Möglichkeit - und bei Vorliegen eines Antrags von Beklagtenseite, wie hier, die Pflicht - zur Verweisung des Rechtsstreits an die Zivilkammer (§ 97 ZPO). Die Verweisung ist für die Zivilkammer bindend (§ 102 Satz 2 GVG). Damit steht ein ausdrücklich geregelter Lösungsmechanismus zur Verfügung, der den Rückgriff auf das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO entbehrlich und unzulässig macht. Die Kammer für Handelssachen hat zunächst diesen Weg einzuschlagen, der eine verbindliche Festlegung der Zuständigkeit gerade bezweckt und in den meisten Fällen auch erreicht. Erst und nur dann, wenn die Kammer, an die verwiesen wird, gestützt etwa auf den Vorwurf der Willkür oder der Verletzung des rechtlichen Gehörs (vgl. Zöller/Gummer Rn. 6 m.w.N.) die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses in Frage stellt und sich trotz der Verweisung für unzuständig erklärt, ist Raum für eine Bestimmung analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO.

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