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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 16.04.2007
Aktenzeichen: 31 Wx 109/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2110 Abs. 2
BGB § 2150
Verfügt die Erblasserin in Ziffer 4 ihres handschriftlichen Testaments hinsichtlich der unbebauten Grundstücksparzelle, dass diese von der (nicht befreiten) Vorerbin nicht verkauft und nicht bebaut werden darf, stellt der in der gleichen Ziffer angefügte zweite Satz "über das ererbte Haus kann sie verfügen wie sie will" dem Gesamtzusammenhang nach lediglich klar, dass sich die Auflagen hinsichtlich des unbebauten Grundstücks nicht auch auf das Hausgrundstück erstrecken sollen; ein Vorausvermächtnis des Hausgrundstücks (§ 2110 Abs. 2, § 2150 BGB) kann damit nicht begründet werden, vielmehr unterliegt der gesamte Nachlass den Beschränkungen der Nacherbfolge.
Gründe:

I. Die geschiedene, kinderlose Erblasserin ist am 3.8.2005 im Alter von 83 Jahren verstorben. Die Beteiligte zu 1 war seit langem mit ihr befreundet.

Es liegt ein handschriftliches Testament vom 15.2.1998 vor, das auszugsweise wie folgt lautet:

"Testament

Hiermit verfüge ich ... folgendes von Todes wegen.

1. Zu meiner Alleinerbin setze ich ein Frau K. (Beteiligte zu 1)... .

Frau K. ist nicht befreite Vorerbin.

2. Nacherbe ist der Bund für Naturschutz der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.

3. Ersatzerbe für Frau K. ist der Bund für Naturschutz der Landesbund für Vogelschutz in Bayern.

4. Die Vorerbin darf die unbebaute Grundstücksparzelle nicht verkaufen u. nicht bebauen. Über das ererbte Haus kann sie verfügen wie sie es will.

5. Zur Testamentsvollstreckerin bestimme ich ..., ersatzweise ...

6. Ich möchte feuerbestattet werden, und zwar auf dem Friedhof in ..."

Die Erblasserin zog 2001 in ein Wohnstift in D. Mit notarieller Urkunde vom 8.10.2002 verkaufte sie sowohl das zuvor von ihr bewohnte Hausgrundstück als auch das benachbarte etwa gleich große unbebaute Grundstück zum Preis von 540.000 EUR. Der Nachlass besteht aus Bankguthaben in Höhe von rund 665.000 EUR.

Die Beteiligte zu 1 hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als alleinige, nicht befreite Vorerbin ausweist. Sie hat ferner die Auffassung vertreten, dass das Testament hinsichtlich des Hausgrundstücks ein Vorausvermächtnis enthalte und auch der im Nachlass enthaltene Erlös aus dessen Verkauf nicht der Nacherbfolge unterliegen sollte. Der Auslegung des Nachlassgerichts, wonach als alleiniger Nacherbe nur der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (Beteiligter zu 2) eingesetzt sei, stimmte die Beteiligte zu 1 zu. Die als Nacherben in Betracht kommenden Organisationen wurden vom Nachlassgericht nicht beteiligt.

Das Nachlassgericht kündigte mit Beschluss vom 6.6.2006 die Erteilung eines Erbscheins an, der die Beteiligte zu 1 als nicht befreite Vorerbin, den Beteiligten zu 2 als alleinigen Nacherben ausweist und die von der Beteiligten zu 1 angestrebte Einschränkung der Nacherbenrechte nicht enthält. Dagegen legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein mit dem Ziel, das Vorausvermächtnis in den Erbschein aufzunehmen. Das Landgericht gab dem Beteiligten zu 2 Gelegenheit zur Stellungnahme und wies mit Beschluss vom 31.10.2006 die Beschwerde zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde, mit der die Beteiligte zu 1 weiterhin die Aufnahme des Vorausvermächtnisses verfolgt und außerdem geltend macht, Nacherbe sei neben dem Beteiligten zu 2 auch der Bund Naturschutz, dem die Erblasserin die gleiche Sympathie entgegengebracht habe.

II. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Die Beteiligte zu 1 ist als Vorerbin beschwerdebefugt auch hinsichtlich der Angaben über die Nacherben im Erbschein (vgl. Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 20 Rn. 75).

Das Rechtmittel führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Nachlassgericht, weil vor Erlass des Vorbescheids die gebotene Beteiligung der als Nacherben in Betracht kommenden Organisationen unterblieben ist. Das den möglichen Nacherben versagte rechtliche Gehör ist auch nicht vollständig im Beschwerdeverfahren nachgeholt worden. Das Landgericht hat nämlich nur den Beteiligten zu 2 beteiligt, nicht aber den weiteren möglichen Nacherben, den Bund Naturschutz.

Hingegen ist die weitere Beschwerde erfolglos, soweit sie beantragt im Erbschein auszuweisen, dass sich die Nacherbenrechte nicht auf den Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks Flurnummer 3030/7 der Gemarkung H. erstrecken.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die Auslegung der letztwilligen Verfügung führe nicht zu dem von der Beteiligten zu 1 gewünschten Ergebnis, wonach der Erlös aus dem Verkauf des Hausgrundstückes aus der Nacherbregelung ausgeklammert sei. Die Erblasserin habe in Ziffer 1 des Testaments die Beteiligte zu 1 zur Alleinerbin eingesetzt, ihre Erbenstellung aber als die einer nicht befreiten Vorerbin ausgestaltet. Ihr stehe damit die Nutzung des Nachlasses bis zum Eintritt des Nacherbfalles zu, die Substanz sei jedoch dem Nacherben zugeordnet, einem für den Vogelschutz tätigen Verein. Die Formulierung in Ziffer 4 des Testaments, dass die eingesetzte Erbin über das ererbte Haus verfügen könne wie sie wolle, sei im Zusammenhang mit dem vorangehenden Satz zu sehen, der ihr hinsichtlich der unbebauten Parzelle ein Bebauungs- und Veräußerungsverbot auferlege. Diese Beschränkungen habe die Erblasserin nicht auf das bebaute Grundstück erstrecken wollen. Hingegen sei nicht ersichtlich, dass die Erblasserin damit entgegen der Regelung in Ziffer 1 unentgeltliche Verfügungen der Vorerbin, etwa zugunsten von deren Kindern, über dieses Grundstück ermöglichen wollte. Der Erblasserin habe der Vogelschutz am Herzen gelegen. Sie habe als Ersatzerben nicht etwa Familienangehörige der Beteiligten zu 1 eingesetzt, sondern den als Nacherben vorgesehenen Landesbund für Vogelschutz. Im Fall des Vorversterbens der Beteiligten zu 1 wäre somit keine Begünstigung von deren Familie erfolgt. Schließlich habe die Erblasserin nach der Veräußerung der Grundstücke auch keine Änderung ihrer letztwilligen Verfügung vorgenommen.

2. Die Ausführungen des Landgerichts zum Umfang der Nacherbenrechte sind aus Rechtsgründen (§ 27 FGG, § 546 ZPO) nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass in der letztwilligen Verfügung vom 15.2.1998 der Vorerbin das Hausgrundstück nicht als Vorausvermächtnis (§ 2110 Abs. 2, § 2150 BGB) zugewandt ist, sondern der gesamte Nachlass den Beschränkungen durch die Nacherbfolge unterliegt.

a) Die Testamentsauslegung ist Sache des Tatrichters. Die Überprüfung im Wege der weiteren Beschwerde ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG), sich bei der Beurteilung des Beweisstoffes mit allen wesentlichen Umständen auseinandergesetzt (§ 25 FGG) und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften (§ 15 FGG) sowie gegen Denkgesetze und zwingende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen und die Beweisanforderungen zu hoch angesetzt oder vernachlässigt hat (vgl. BGHZ 121, 357/363; BayObLG FamRZ 2002, 269/270; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42; MünchKommBGB/Leipold 4. Aufl. § 2087 Rn. 147 ff.). Dabei müssen die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend sein. Es genügt, wenn sie nur möglich sind (BGH FamRZ 1972, 561/562; BayObLGZ 1979, 215/22).

b) Das Landgericht hat die Verfügung "über das ererbte Haus kann sie verfügen wie sie will" zu Recht als auslegungsbedürftig angesehen. Es hat zunächst neben dem Wortlaut der auslegungsbedürftigen Formulierung den unmittelbaren Zusammenhang sowie den gesamten übrigen Inhalt der letztwilligen Verfügung betrachtet und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Erblasserin mit der Bestimmung "über das ererbte Haus kann sie verfügen wie sie will" nur klarstellen wollte, dass sich die Auflagen hinsichtlich des unbebauten Grundstücks nicht auch auf das Hausgrundstück erstrecken sollten. Wie das Landgericht zu Recht hervorgehoben hat, spricht für diese Annahme insbesondere der Aufbau der letztwilligen Verfügung: In Ziffer 1 des Testaments wird die Einsetzung der Beteiligten zu 1 zur Alleinerbin vorgenommen und zugleich deren Stellung als nicht befreite Vorerbin festgelegt. In Ziffer 2 wird der Nacherbe bestimmt, in Ziffer 3 der (mit dem Nacherben identische) Ersatzerbe. In Ziffer 4 verfügt die Erblasserin Auflagen hinsichtlich der unbebauten Grundstücksparzelle, die von der Vorerbin nicht verkauft und nicht bebaut werden darf. Den in der gleichen Ziffer angefügten zweiten Satz "über das ererbte Haus kann sie verfügen wie sie will" als Klarstellung zu dem vorangegangen Satz zu verstehen, ist nicht nur möglich, sondern naheliegend.

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch die Ersatzerbenbestimmung in Ziffer 3 des Testaments als Anhaltspunkt dafür gewertet, dass die Erblasserin der Beteiligten zu 1 nicht die Möglichkeit einräumen wollte, (teilweise) über die Substanz des Nachlasses etwa durch Schenkungen an Familienangehörige zu verfügen. Die Erblasserin hat ausdrücklich einen Ersatzerben bestimmt, also den möglichen Wegfall der Beteiligten zu 1 bedacht, auch wenn dieser - wie von der weiteren Beschwerde hervorgehoben - wenig wahrscheinlich war. Für diesen Fall hat sie den Landesbund für Vogelschutz als Erben vorgesehen, nicht etwa einen Angehörigen der Beteiligten zu 1. Die vom Landgericht gezogene Schlussfolgerung, die Erblasserin habe lediglich der Beteiligten zu 1 persönlich die Nutznießung am Nachlass, nicht aber die Möglichkeit zu unentgeltlichen Verfügungen über einen Teil der Nachlasssubstanz einräumen wollen, ist jedenfalls möglich.

Die von der Beschwerde hervorgehobenen Umstände außerhalb der Urkunde, insbesondere die Äußerungen gegenüber der Beteiligten zu 1 und die großzügigen Geschenke der Erblasserin zu Gunsten von deren Sohn und Enkel, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei gewürdigt.

Nachdem schon kein Vorausvermächtnis hinsichtlich des Hausgrundstücks angeordnet ist, bedarf es keiner Erörterung, ob ausnahmsweise der Erlös aus dem Verkauf an die Stelle des von der Erblasserin verkauften Grundstücks getreten ist. Nach § 2169 Abs. 1 BGB tritt nämlich im Falle der Veräußerung des vermachten Gegenstandes durch den Erblasser der Erlös grundsätzlich nicht an die Stelle des Vermögensgegenstandes (vgl. BGHZ 31, 13/22; BayObLG FamRZ 2005, 480; Palandt/Edenhofer BGB 66. Aufl. § 2169 Rn. 8).

Mit ihrem Begehren, im Erbschein aufzunehmen, dass sich die Rechte des Nacherben nicht auf den Erlös aus dem Verkauf des Hausgrundstückes erstrecken, kann die Beteiligte zu 1 deshalb nicht durchdringen.

3. Das Landgericht hätte seine Prüfung allerdings nicht auf diese Frage beschränken dürfen, sondern unabhängig vom Beschwerdevorbringen die Richtigkeit des angekündigten Erbscheins unter allen Gesichtspunkten prüfen müssen. Es hätte sich deshalb auch der Frage zuwenden müssen, ob der Beteiligte zu 2 allein oder neben dem ebenfalls im Testament genannten Bund Naturschutz als Nacherbe eingesetzt ist. Im Beschwerdeverfahren hat die Beteiligte zu 1 zwar weiterhin die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der den Beteiligten zu 2 als alleinigen Nacherben ausweist. Unabhängig von den mit der Beschwerde vorgetragenen Beanstandungen war das Landgericht aber gehalten, den mit Vorbescheid angekündigten Erbschein in jeder Hinsicht daraufhin zu überprüfen, ob er der Erbrechtslage entspricht. Auch kommt es bei der Überprüfung eines Vorbescheids nicht darauf an, ob eine etwaige Unrichtigkeit sich auf die Rechtsstellung des Beschwerdeführers auswirkt (vgl. Senatsbeschluss vom 10.10.2006, 31 Wx 29/06, DNotZ 2007, 53; BayObLG FamRZ 2000, 1610, 1611 m.w.N.; Staudinger/Schilken BGB Bearbeitungsstand 2004 § 2353 Rn. 94; MünchKommBGB/J.Mayer 4. Aufl. § 2353 Rn. 131).

In diesem Zusammenhang hätte auch dem Bund Naturschutz, der als weiterer Nacherbe in Betracht kommt, rechtliches Gehör gewährt werden müssen. Nachdem dieser Verfahrensmangel bereits im Verfahren vor dem Nachlassgericht vorgelegen hat, verweist der Senat die Sache an dieses zurück, zumal möglicherweise auf eine Änderung des Erbscheinsantrags hinzuwirken sein wird.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Für die Einsetzung eines einzigen Nacherben mag zwar die Formulierung sprechen "Nacherbe ist", ebenso das von der Beteiligten zu 1 geschilderte besondere Interesse der Erblasserin am Vogelschutz und der Umstand, dass die Erblasserin den Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. durch ihre Mitgliedschaft und regelmäßige Spenden unterstützt hat. Dagegen spricht aber, dass die Erblasserin in der letztwilligen Verfügung beide Organisationen mit ihrer weitgehend vollständigen und korrekten Bezeichnung aufgeführt hat, und zwar räumlich abgesetzt sowohl voneinander als auch von dem Satzteil "Nacherbe ist". In gleicher Weise werden beide Organisationen in Ziffer 3 des Testaments aufgeführt. Die Auslegung, die Erblasserin habe beide zu Nacherben einsetzen wollen, ist deshalb ebenso möglich, wenn nicht nahe liegend. Für sie spricht auch die - allerdings erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragene - Darstellung der Beteiligten zu 1, die Erblasserin habe dem Bund Naturschutz die gleiche Sympathie entgegengebracht wie dem Landesbund für Vogelschutz.

4. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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