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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 05.05.2009
Aktenzeichen: 31 Wx 17/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1767 Abs. 1
Ablehnung einer Volljährigenadoption, bei der das Motiv im Vordergrund steht, den Anzunehmenden, welcher bereits Pflegeleistungen für den Annehmenden erbringt, stärker an sich zu binden (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 19.12.2008, 31 Wx 049/08 = MDR 2009, 333).
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 31 Wx 017/09

Der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Rojahn und der Richterinnen am Oberlandesgericht Förth und Klotz

am 5. Mai 2009

in dem Adoptionsverfahren

wegen Annahme als Kind (Volljährigenadoption),

beschlossen:

Tenor:

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 9. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I. Mit notarieller Urkunde vom 11.3.2008 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 die Annahme des Beteiligten zu 1 (geb. 1953) als Kind durch den Beteiligten zu 2 (geb. 1929). Der Annehmende ist gehbehindert und sitzt im Rollstuhl, er ist ledig und hat keine Kinder. Seit dem Jahre 2004 wird er vom Anzunehmenden - zunächst im Rahmen von dessen Tätigkeit für einen Pflegedienst, seit Oktober 2005 im Rahmen eines privaten Pflegedienstvertrages - betreut. Seit dieser Zeit bewohnt der Anzunehmende mietfrei eine Wohnung im Anwesen des Annehmenden. Für seine Pflegedienste erhält der Anzunehmende vom Annehmenden ein Entgelt in Höhe von 1.750 € netto. Am 1.8.2005 hat der Annehmende eine Betreuungsverfügung und eine Vorsorgevollmacht zugunsten des Anzunehmenden errichtet; am 18.5.2006 hat er seine Schwester zu seiner alleinigen Erbin, den Anzunehmenden zu seinem alleinigen Ersatzerben und die Tochter des Anzunehmenden als weitere Ersatzerbin eingesetzt. Die Schwester des Annehmenden ist zwischenzeitlich verstorben.

Das Amtsgericht hörte die Beteiligten zu 1 und 2 persönlich an. Mit Beschluss vom 25.4.2008 lehnte es die Adoption ab. Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2 Beschwerde ein. Das Landgericht hörte am 18.9.2008 die Beteiligten zu 1 und 2 persönlich an und wies die Beschwerde sodann mit Beschluss vom 9.10.2008 zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die sittliche Rechtfertigung der Adoption sei zu verneinen, da nicht zweifelsfrei feststehe, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 bereits bestehe oder zu erwarten sei. Das Eltern-Kind-Verhältnis unter Erwachsenen werde wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand geprägt, wie ihn sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten. Erforderlich sei ein soziales Familienband, das seinem Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen ähnele und eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand einschließe. Die Adoption sei dann nicht sittlich gerechtfertigt, wenn die Absicht der Beteiligten von nicht familienbezogenen Motiven getragen sei. Solche dürften zwar eine Rolle spielen, dürften jedoch nicht das Hauptmotiv für eine Adoption darstellen. Auch nach Anhörung der Beteiligten zu 1 und 2 bestünden begründete Zweifel daran, dass zwischen diesen ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits begründet oder für die Zukunft zu erwarten sei. Die Beteiligten würden sich erst seit dem Jahre 2004 kennen und seien in der Folge ein dienstvertragliches Verhältnis eingegangen, aufgrund dessen der Anzunehmende den Annehmenden mit Pflegeleistungen versorge. Zwar sei das Verhältnis der Beteiligten zueinander von starker Sympathie getragen, der Annehmende habe bei der persönlichen Anhörung jedoch angegeben, dass er durch die Adoption den Anzunehmenden an sich binden möchte, um sich die bestehende, vom Annehmenden als "Glücksfall" empfundene Pflegesituation für die weitere Zukunft zu sichern und zu erhalten. Auch die Ersparnis der Erbschaftssteuer spiele bei der Entscheidung, die Adoption zu beantragen, eine Rolle, allerdings eine untergeordnete.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Gemäß § 1767 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. § 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB bestimmt, dass die sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen als Kind insbesondere dann anzunehmen ist, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist (vgl. BayObLG FamRZ 2005, 131). Ob die Annahme eines Volljährigen als Kind sittlich gerechtfertigt ist, ist Tat- und Rechtsfrage; die Feststellung der einzelnen Tatumstände ist dem Tatrichter vorbehalten. Ein familienbezogenes Motiv muss entscheidender Anlass für die Annahme sein. Spielen mehrere Motive eine Rolle, so muss das familienbezogene Motiv das Hauptmotiv sein; das Vorliegen weiterer Motive schadet nicht, solange es sich nur um Nebenmotive handelt (vgl. BayObLGZ FamRZ 2005, 546).

Die Voraussetzungen für die Adoption eines Volljährigen müssen positiv festgestellt werden. Wenn nach der Abwägung aller in Betracht kommender Umstände begründete Zweifel verbleiben, ob die beantragte Adoption sittlich gerechtfertigt ist, muss der Adoptionsantrag abgelehnt werden (OLG München MDR 2009, 333; OLG Köln FGPrax 2007, 121; OLG Köln FamRZ 2003, 1870; BayObLG FamRZ 1996, 183).

b) Das Landgericht hat sich mit der Frage des Entstehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 eingehend befasst. Seine Ausführungen hierzu sind von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat ferner erkannt, dass die Anforderungen, die an das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu stellen sind, naturgemäß im Rahmen der Erwachsenenadoption nicht dieselben sein können wie bei einer Minderjährigenadoption (vgl. BayObLGZ 2002, 243/246). Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht angesichts der von ihm aufgezählten Umstände bezweifelt, dass zwischen den Antragstellern tatsächlich ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden bzw. zu erwarten ist. Es durfte der Tatsache, dass der Annehmende mit der Adoption vor allem bezweckt, den Anzunehmenden stärker an sich zu binden, damit er sich auch in Zukunft der - entgeltlichen - Pflegeleistungen des Anzunehmenden sicher sein könne, entscheidendes Gewicht beimessen und zu der Überzeugung gelangen, dass vorliegend die Adoption im Wesentlichen nicht aus familienbezogenen Motiven, sondern aus steuerlichen Erwägungen (der Anzunehmende hat den Annehmenden zum Ersatzerben eingesetzt, der Ersatzerbfall ist bereits eingetreten, da die zur Alleinerbin eingesetzte Schwester der Annehmenden bereits vorverstorben ist) sowie deswegen beantragt wurde, um sich Pflegeleistungen des Anzunehmenden auch für die Zukunft zu sichern. Diese Motive rechtfertigen den Ausspruch der Adoption des Beteiligten zu 1 durch den Beteiligten zu 2 entgegen der Ansicht der Beteiligten jedoch nicht.

c) Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht den Sachverhalt auch ausreichend aufgeklärt (§ 12 FGG). Weitere Ermittlungen waren nicht veranlasst. Die weitere Beschwerde verkennt, dass eine Adoption nur dann ausgesprochen werden kann, wenn das Gericht überzeugt ist, dass sie sittlich gerechtfertigt ist. Das Landgericht hat sich mit den Besonderheiten des Falles und den Angaben der Beteiligten auseinander gesetzt und anerkannt, dass zwischen den Antragstellern, allerdings erst seit dem Jahr 2004, ein von großer Sympathie getragenes, enges Verhältnis besteht. Dennoch konnte es sich aufgrund der Gesamtumstände nicht von der sittlichen Rechtfertigung der Adoption überzeugen. Die Beanstandungen des Rechtsbeschwerdeführers laufen im Wesentlichen darauf hinaus, die eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen. Damit kann er im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben. Soweit die weitere Beschwerde vorträgt, den Antragstellern dürfe das zwischen ihnen bestehende Pflegedienstverhältnis nicht zum Nachteil gereichen, da nur über dieses Dienstverhältnis die gewünschte nahe Beziehung aufrechterhalten werden könne, denn der Annehmende könne nur so seine Pflege und der Anzunehmende seine wirtschaftliche Existenz absichern, spricht dies im Übrigen ebenfalls gegen die Annahme, dass der Adoptionsentschluss im wesentlichen auf familienbezogenen Motiven beruht.

d) Das Beschwerdegericht ist auch nicht lediglich auf eine Missbrauchskontrolle beschränkt, es hat vielmehr die Motive der Beteiligten eingehend selbst zu prüfen und die Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen (Palandt/Diederichsen BGB 67. Aufl. § 1767 Rn. 5). Das Vormundschaftsgericht bzw. das an dessen Stelle tretende Beschwerdegericht hat wegen der vom Gesetzgeber (vgl. BT-Drucks. III/530 S. 20 und II/1586 S. 18) betonten Gefahr des Missbrauchs des Rechtsinstituts der Volljährigenadoption eingehend zu prüfen, aus welchen Gründen das Annahmeverhältnis zu einem Volljährigen begründet werden soll, da die Herstellung familienrechtlicher Beziehungen zwischen Volljährigen durch Adoption gerade nicht der freien Disposition der Beteiligten überlassen bleiben soll (vgl. BT-Drucks. 7/3061 S. 52). Zweifel an der sittlichen Rechtfertigung der Adoption gehen zu Lasten der Antragsteller (vgl. OLG Köln FamRZ 2003, 1870).

3. Die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten ergibt sich aus dem Gesetz. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 2, § 31 Abs. 1 Satz 1 und § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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