Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.05.2009
Aktenzeichen: 31 Wx 33/09
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1617a
EGBGB Art. 10
FGG § 12
Zur Aufklärungspflicht des Tatrichters, wenn zweifelhaft ist, ob bei der gegenüber dem Standesamt abgegebenen Erklärung zur Namensführung eines Kindes auch eine Rechtswahl getroffen wurde.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

Aktenzeichen: 31 Wx 033/09

Der 31. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Rojahn und der Richterinnen am Oberlandesgericht Förth und Klotz

am 12. Mai 2009

in der Personenstandssache

Fortschreibung des Geburtseintrags xxx im Geburtenbuch des Standesamts Regensburg,

betreffend Samuel Archai Sch., geboren am xxx in xxx,

wegen Namenserteilung und Rechtswahl,

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 3. Februar 2009 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

Gründe:

I. 1. Samuel, welcher die deutsche und die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde 2007 als Kind der V. U. und des K. Sch. in R. (Deutschland) geboren. Seine Eltern sind nicht verheiratet; die Kindsmutter (Beteiligte zu 1) ist österreichische Staatsangehörige, sie hat die elterliche Sorge für Samuel seit dessen Geburt alleine inne. Der Kindsvater (Beteiligter zu 2) besitzt ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Am 22.1.2007 erteilte die Beteiligte zu 1 dem Kind mit Einverständnis seines Vaters dessen Familiennamen, in der Folge wurde der Familienname des Kindes in das Geburtenbuch des Standesamts R. mit "Sch." eingetragen. Ob die Mutter im Rahmen der Erklärung zur Namenserteilung auch das deutsche Recht als Namensstatut für das Kind gewählt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

2. Am 19.4.2008 erklärte die Beteiligte zu 1 vor dem Standesamt R. unter Berufung auf Art. 10 Abs. 3 EGBGB, sie wähle das österreichische Recht als Statut für den Familiennamen des Kindes; künftig solle Samuel den Familiennamen der Mutter "U." führen. Das Standesamt hielt diese Rechtswahl an sich für statthaft, insbesondere sei eine solche bislang noch nicht erfolgt, hielt aber im Hinblick auf Art. 23 EGBGB die Zustimmung des Kindsvaters für möglicherweise erforderlich. Nachdem der Vater gegenüber dem Standesamt seine Zustimmung verweigert hatte, legte es den Vorgang gem. § 45 Abs. 2 PStG dem Amtsgericht zur Entscheidung vor. Dieses stellte mit Beschluss vom 24.10.2008 fest, dass die sich aus der Rechtswahlerklärung vom 10.4.2008 ergebende neue Namensführung nicht im Geburtseintrag des Kindes zu vermerken sei. Die Kindsmutter habe bereits im Rahmen ihrer ersten Erklärung zur Namensführung das deutsche Recht gewählt, eine erneute Rechtswahl sei daher nicht statthaft. Die hiergegen von der Standesamtsaufsicht eingelegte Beschwerde wurde durch das Landgericht am 3.2.2009 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren weitere Beschwerde.

II. Die zulässige weitere Beschwerde führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Das Vorliegen einer wirksamen Rechtswahl sei nach deutschem Recht im Wege der Auslegung zu beurteilen. Die Kindsmutter habe am 22.1.2007 im Rahmen der Namenserteilungserklärung zugleich unwiderruflich das deutsche Recht als Namensstatut des Kindes gewählt. Die entsprechende Urkunde enthalte unter der Rubrik "Erklärungen" und "Recht" den Satz, dass für die Namenserteilung das deutsche Recht gelte. Es handele sich hierbei nicht um die bloße Feststellung des kraft Gesetzes geltenden Rechts. Aus dem verwendeten Formular ergäben sich zudem weitere, vom Landgericht im Einzelnen ausgeführte Anhaltspunkte für die von ihm gefundene Auslegung. Da das österreichische Namensrecht nicht vorsehe, dass die unverheiratete Mutter ihrem Kind den Namen des Vaters erteilen kann, sei im Übrigen bereits in der Erteilung des Familiennamens "Sch." zugleich die Wahl des deutschen Rechts enthalten gewesen. Zudem komme es auf den objektiven, nicht auf den subjektiven Erklärungsinhalt an. Bei objektiver Betrachtung enthalte die Erklärung vom 22.1.2007 auch die Wahl des deutschen Namensstatuts.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Zutreffend ging das Landgericht davon aus, dass die allein sorgeberechtigte Mutter durch ihre Erklärung vom 10.4.2008 ihr Wahlrecht aus Art. 10 Abs. 3 EGBGB nur dann wirksam ausüben konnte, wenn sie nicht bereits am 22.1.2007 eine Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts getroffen hat. Dabei kann offen bleiben, ob man mit der herrschenden Meinung eine nachträgliche Rechtswahl voraussetzungslos und in zeitlicher Hinsicht unbeschränkt - bis zur Grenze der Volljährigkeit des Kindes - zulässt (vgl. Palandt/Thorn BGB 68. Aufl. Art. 10 EGBGB Rn. 20; Henrich/Wagenitz/Bornhofen Deutsches Namensrecht Abschnitt C Rn. 96) oder für eine solche nachträgliche Rechtswahl eine Änderung der Lebensverhältnisse oder Anknüpfungstatsachen und einen gewissen zeitlichen Zusammenhang dazu fordert (vgl. Hepting StAZ 1998, 133/140; jetzt auch mit Fristenvorschlägen Staudinger/Hepting BGB Neubearbeitung 2007 Art. 10 Rn 451 ff.). Eine in zeitlichem Zusammenhang zur nachträglichen Rechtswahl stehende Änderung der Lebensverhältnisse könnte hier darin gesehen werden, dass sich die Eltern getrennt haben und der Kindsvater nur noch sporadischen Kontakt zum Kind hat.

b) Die Würdigung des Landgerichts, die Kindsmutter habe am 22.1.2007 als Namensstatut des Kindes das deutsche Recht gewählt, beruht auf ungenügender Sachverhaltsaufklärung (§ 12 FGG) und kann deshalb keinen Bestand haben.

Seitens der Standesamtsaufsicht war vorgetragen worden, dass der im verfahrensgegenständlichen Protokoll enthaltene Satz "Für die Namenserteilung gilt das deutsche Recht" in der Rubrik "Erklärungen/Recht" üblicherweise dann verwendet wird, wenn es sich lediglich um eine Feststellung des kraft Gesetzes für die Namenserteilung des Kindes geltenden Rechts handelt. Bei getroffener Rechtswahl werde der Satz "Ich, die Mutter, bestimme für die Namenserteilung das deutsche Recht" eingetragen. Gleichwohl hat das Landgericht gemeint, allein aus dem Protokoll vom 22.1.2007 schließen zu können, dass die Standesbeamtin eine Rechtswahlerklärung der Kindsmutter entgegengenommen und protokolliert hat, ohne die Kindsmutter, um deren Erklärung es geht, und die Standesbeamtin als Empfängerin einer etwaigen solchen Erklärung und Verfasserin des Protokolls hierzu zu hören. Das begegnet durchgreifenden Bedenken.

Bei der Auslegung von Willenserklärungen darf nicht von vornherein auf den abstrakten Erklärungsinhalt bzw. die abstrakte Verständnismöglichkeit des Erklärungsempfängers abgestellt werden. Vielmehr ist zunächst zu erforschen, ob Erklärender und Erklärungsempfänger gegebenenfalls übereinstimmend der Erklärung einen bestimmten Sinn beigemessen haben. Ist dies der Fall, so gilt das übereinstimmend Gewollte als erklärt (MünchKommBGB/Busche 5. Aufl. § 133 Rn. 14; Staudinger/Roth Bearbeitungsstand 2003 § 157 Rn. 4; Soergel/Hefermehl BGB 13. Aufl. § 133 Rn. 13, je m.w.N.). Nur wenn ein übereinstimmendes Verständnis nicht festgestellt werden kann, ist darauf abzustellen, wie die Erklärung von einem "vernünftigen" Empfänger zu verstehen war. Hierbei ist jedoch, außer in den Fällen, in denen sich eine Erklärung an einen unbestimmten Adressatenkreis richtet, nicht auf einen allgemeinen Empfängerhorizont abzustellen; es sind vielmehr alle relevanten Begleitumstände der Erklärung bzw. ihrer Beurkundung einzubeziehen und insbesondere auch besondere Kenntnisse und Vorverständnisse des Erklärungsempfängers zu berücksichtigen (vgl. auch MünchKommBGB/Busche § 133 Rn. 12; Soergel/Hefermehl § 133 Rn. 17). Der Empfängerhorizont ist also sphärenbezogen zu verstehen.

Vorliegend hätte daher aufgeklärt werden müssen, wie die Standesbeamtin das von ihr im Rahmen der Beurkundung ausgefüllte Formular verwendet und eine Rechtswahl oder, im Unterschied dazu, bei Unterlassen einer Rechtswahl die Feststellung des kraft Gesetzes geltenden Rechts auszudrücken pflegt. Hierzu fehlt bislang jegliche Tatsachenfeststellung.

Dem Landgericht ist einzuräumen, dass die von der Standesamtsaufsicht vorgetragene Übung, sollte sie so gehandhabt worden sein, missverständlich ist und auf den ersten Blick zu der vom Landgericht vorgenommenen Auslegung verleitet. Auch die zwischenzeitliche Änderung des EDV-Programms Autista, wie von der Standesamtsaufsicht vorgetragen, stellt noch keine befriedigende Lösung dar. Danach soll die Feststellung seit Mai 2007 nunmehr zwar mit dem Satz "Für die Namenserteilung gilt kraft Gesetzes das deutsche Recht" klarer gefasst sein. Sie wird aber nach wie vor in die Rubrik "Erklärungen" aufgenommen, obgleich es sich gerade nicht um eine Erklärung des Namenserteilenden, sondern um eine Feststellung des Standesbeamten handelt. Richtigerweise hat diese Feststellung in der Rubrik "Erklärungen" überhaupt nichts zu suchen; es sollte in dem Formblatt eine eigene Rubrik vorgesehen oder zumindest die Bezeichnung der Rubrik "Erklärungen" in "Erklärungen/Feststellungen" umbenannt werden. Das alles ändert jedoch nichts daran, dass für die Auslegung, sofern nicht ohnehin ein übereinstimmender Wille von Erklärendem und Erklärungsempfänger festgestellt werden kann, auf den objektiven Empfängerhorizont eines mit den Gepflogenheiten des Standesbeamten vertrauten Empfängers abzustellen ist, mögen diese Gepflogenheiten von außen betrachtet auch ungereimt erscheinen. Das hat das Landgericht verkannt.

b) Ein weiterer Fehlschluss ist es, wenn das Landgericht daraus, dass bei der hier gegebenen Konstellation nur das deutsche Recht, nicht aber das österreichische Recht die Möglichkeit vorsieht, dem Kind den Namen des Vaters zu erteilen (§ 1617a Abs. 2 BGB), ein Argument für seine Auslegung, es sei deutsches Recht gewählt, herleiten will. Die Frage ist nicht, ob die Kindsmutter am 22. 1.2007 das deutsche oder das österreichische Recht gewählt hat, sondern ob sie überhaupt eine Erklärung zur Rechtswahl abgegeben hat. Die Mutter konnte ihren damaligen Willen, dem Kind den Namen des Vaters zu erteilen, auch ohne jede Rechtswahl erreichen, weil für die Namenserteilung in Deutschland kraft Gesetzes ohnehin das deutsche Recht galt (Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Eine Rechtswahl war überflüssig. Die Rechtslage spricht also gerade gegen und nicht für die Auslegung des Landgerichts.

c) Das Landgericht wird bei erneuter Behandlung die erst im Verfahren der weiteren Beschwerde vorgelegten Erklärungen der Kindsmutter und der Standesbeamtin, die die Namenserteilung vom 22.1.2007 beurkundet hat - diese Erklärungen können als neuer Sachvortrag vom Rechtsbeschwerdegericht nicht berücksichtigt werden -, zu würdigen und in seine Auslegung einzubeziehen haben. Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kindsmutter vor dem 10.4.2008 keine Rechtswahl nach Art. 10 Abs. 3 EGBGB getroffen hat, wird es sich erstmals mit der vom Standesamt aufgeworfenen Frage auseinandersetzen müssen, ob zur Wirksamkeit der verfahrensgegenständlichen Rechtswahl die Zustimmung des Vaters nach Art. 23 EGBGB erforderlich ist. Sollte es weiterhin der Ansicht sein, dass die Kindsmutter am 22.1.2007 eine Rechtswahl getroffen hat, wird es sich damit auseinanderzusetzen haben, ob vorliegend die von der Kindsmutter zwischenzeitlich vorsorglich erklärte Anfechtung nach § 119 BGB die vermeintliche Rechtswahlerklärung rückwirkend beseitigt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück