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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 31 Wx 53/05
Rechtsgebiete: BGB, PStG


Vorschriften:

BGB § 1592 Nr. 2
BGB § 1594 Abs. 2
PStG § 21
Die Eintragung einer Vaterschaftsanerkennung im Geburtenbuch kann nicht allein aus dem Grund abgelehnt werden, weil die Identität der Mutter des Kindes nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist.
Tatbestand:

Die Beteiligte zu 1 hat am 25.9.2004 in N. einen Sohn zur Welt gebracht. Sie und der Beteiligte zu 2 sind nach eigenen Angaben irakische Staatsangehörige und miteinander verheiratet. Die Identität der Beteiligten zu 1 und die behauptete Eheschließung im Irak sind nicht durch beweiskräftige öffentliche Urkunden nachgewiesen. Auch die Identität des Beteiligten zu 2 ist nicht zweifelsfrei geklärt. Da die Beteiligten zu 1 und 2 ihren Status als Eheleute nicht nachweisen können, hat der Beteiligte zu 2 am 25.10.2004 vor dem Jugendamt der Stadt N. die Vaterschaft anerkannt; die Beteiligte zu 1 hat der Vaterschaftsanerkennung zugestimmt.

Der Standesbeamte hat die Beurkundung der Geburt zunächst zurückgestellt und im Wege der Zweifelsvorlage dem Amtsgericht eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der ungeklärten Identität der Eltern unterbreitet. Mit Beschluss vom 3.2.2005 legte das Amtsgericht im Einzelnen fest, was der Standesbeamte im Rahmen der Beurkundung der Geburt des Kindes zu beachten hat.

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 3 (Standesamtsaufsicht) hob das Landgericht mit Beschluss vom 6.6.2005 den Beschluss des Amtsgerichts teilweise auf (Ziff. I) und wies den Standesbeamten an, die Vaterschaftsanerkennung des Beteiligten zu 2 nicht in das Geburtenbuch einzutragen, solange die Identität der Mutter des Kindes ungeklärt ist (Ziff. II). Im Übrigen wies es die sofortige Beschwerde zurück (Ziff. III), lehnte den Antrag des Beteiligten zu 2 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab (Ziff. IV) und ordnete an, dass die Beteiligte zu 3 die den Beteiligten zu 1 und 2 entstandenen Kosten zu tragen hat, soweit die sofortige Beschwerde zurückgewiesen wurde (Ziff. V). Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde begehrt die Beteiligte zu 3 die obergerichtliche Bestätigung des landgerichtlichen Beschlusses mit Ausnahme der Kostenentscheidung.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 48, 49 PStG, §§ 27, 29 FGG). Als Aufsichtsbehörde des Standesbeamten kann die Beteiligte zu 3 Rechtsmittel ohne Rücksicht darauf einlegen, ob sie beschwert ist (§ 49 Abs. 2 PStG). Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Verwerfung der Erstbeschwerde der Beteiligten zu 3 als unzulässig.

1. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 PStG kann der Standesbeamte in Zweifelsfällen von sich aus die Entscheidung des Amtsgerichts darüber herbeiführen, ob eine Amtshandlung vorzunehmen ist. Mit der Vorlage muss ein zulässiges Verfahrensziel, nämlich die Anordnung oder Ablehnung einer konkreten - noch nicht vollzogenen - Amtshandlung, erstrebt werden. Die Vorlage dient nicht der Klärung abstrakter, vom Fall losgelöster Rechtsfragen (vgl. BayObLG StAZ 1998, 284; Hepting/Gaaz PStG § 45 Rn. 54, 67). Es reicht auch nicht aus, dass irgendein Bezug zur Bearbeitung eines konkreten Vorgangs besteht oder bestanden hat. Die den Verfahrensgegen-stand bildende Zweifelsfrage des Standesbeamten muss eine bestimmte, konkret zu benennende Amtshandlung betreffen, und ihre Beantwortung muss zur Entscheidung darüber, ob diese Amtshandlung vorzunehmen ist, erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn eine Entscheidung über die Amtshandlung nicht mehr zu treffen ist, weil sie bereits vollzogen ist oder sich aus sonstigen Gründen erledigt hat. Eine im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eintretende Erledigung lässt die Voraussetzung für eine Sachentscheidung entfallen; die Vorlage wird unzulässig (vgl. BayObLG StAZ 1976, 135; 2004, 44; Hepting/Gaaz § 45 Rn. 68).

2. Nach diesen Grundsätzen hätte eine Sachentscheidung des Landgerichts nicht mehr ergehen dürfen; denn die Amtshandlung, die den Kern der Vorlage bildet - die Beurkundung der Geburt des Kindes -, wurde während des Beschwerdeverfahrens vorgenommen. Damit wurde dem weiteren Fortgang des gerichtlichen Verfahrens der Boden entzogen (vgl. BayObLGZ 1996, 55; BayObLG StAZ 1999, 236; 2004, 44; Hepting/Gaaz § 45 Rn. 68). Es versteht sich von selbst, dass diese Tatsache dem mit der Sache befassten Landgericht hätte mitgeteilt werden müssen; der Senat kann nur sein Befremden darüber ausdrücken, dass dies wiederum unterblieben ist (vgl. bereits BayObLG StAZ 2004, 44).

a) Am 2.3.2005 wurde die Geburt des Knaben als Kind der Beteiligten zu 1 in das Geburtenbuch eingetragen. Dabei wurden die Angaben über die Mutter dem ihr erteilten Ausweisersatz entnommen und diese Tatsache sowie der Umstand, dass die Richtigkeit der Angaben urkundlich nicht nachgewiesen ist, in einem klarstellenden Zusatz festgehalten. Das entspricht der neueren Rechtsprechung mehrerer Obergerichte (vgl. BayObLG StAZ 2005, 45; OLG Hamm FamRZ 2005, 128); insoweit kann die Rechtslage zwischenzeitlich als obergerichtlich geklärt gelten (vgl. nunmehr auch § 266 Abs. 1a DA).

b) Über den Vater enthält der Geburtseintrag keine Angaben. Gleichwohl liegt nicht etwa nur ein Teilvollzug der verfahrensgegenständlichen Amtshandlung vor, der es erlauben würde, im vorliegenden Verfahren über das Ob und Wie einer Eintragung des Beteiligten zu 2 als Vater des Kindes noch eine Sachentscheidung zu treffen. Denn der Geburtseintrag ist abgeschlossen. Ein Fall zeitlich nachfolgender Vaterschaftsanerkennung, über deren Eintragung im Wege nachträglichen Randvermerks (§ 29 PStG) noch entschieden werden könnte, ist nicht gegeben. Die Vaterschaftsanerkennung des Beteiligten zu 2 lag im Zeitpunkt der Geburtsbeurkundung bereits vor; sie hätte daher - ihre Wirksamkeit unterstellt - bei der Beurkundung nach § 21 PStG berücksichtigt werden müssen. Insoweit kommt nur noch eine Berichtigung des abgeschlossenen Geburtseintrags nach § 47 PStG in Betracht. Das aber ist ein anderer Verfahrensgegenstand, der nicht erstmals in der Beschwerdeinstanz an die Stelle der gegenstandslos gewordenen Zweifelsvorlage treten kann (vgl. Hepting/-Gaaz § 47 Rn. 20); im Übrigen ist ein Berichtigungsantrag bisher auch nicht gestellt.

3. Die Aufsichtsbehörde als Vertreterin des öffentlichen Interesses wird allerdings zu prüfen haben, ob sie beim Amtsgericht einen entsprechenden Berichtigungsantrag stellt. Denn an der Richtigkeit des Geburtseintrags vom 2.3.2005 bestehen - vorbehaltlich des Ergebnisses weiterer Ermittlungen durch den Standesbeamten - ernsthafte Zweifel.

a) Der Umstand, dass die Identität des Mannes, der die Vaterschaft anerkannt hat, nicht durch öffentliche Urkunden nachgewiesen ist, steht - nach erfolgloser Durchführung entsprechender auf die Klärung der Identität gerichteter Ermittlungen - einer Eintragung dieses Mannes als Vater des Kindes grundsätzlich nicht entgegen; in einem klarstellenden Zusatz ist der fehlende urkundliche Nachweis festzuhalten. Auch dies ist inzwischen obergerichtlich entschieden (BayObLGZ 2004, 326 = StAZ 2005, 45; BayObLGZ 2004, 331 = StAZ 2005, 104; vgl. jetzt auch § 285 Abs. 2 Satz 3 DA).

b) Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts, dass eine Eintragung des Beteiligten zu 2 als Vater des Kindes allein schon deshalb zu unterbleiben habe, weil wegen der ungeklärten Identität der Mutter nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese mit einem anderen Mann verheiratet sei, der - nach dem insoweit anwendbaren deutschen Recht (§ 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) - Vater im Rechtssinne wäre (§ 1592 Nr. 1 BGB), mit der Folge, dass die Vaterschaftsanerkennung durch den Beteiligten zu 2 (zumindest schwebend) unwirksam sei (§ 1594 Abs. 2 BGB). Konkrete Anhaltspunkte oder auch nur Verdachtsmomente für eine derartige Fallkonstellation sind hier nicht festgestellt. Die rein theoretische Möglichkeit eines solchen Sachverhalts wird sich, insbesondere bei einer Herkunft der betroffenen Personen aus Ländern mit weniger gut funktionierendem Personenstandswesen, kaum jemals (übrigens auch nicht bei geklärter Identität der ausländischen Mutter) mit letzter Sicherheit ausschließen lassen. Das reicht nicht aus, die Rechtswirksamkeit einer den sonstigen Erfordernissen (§§ 1595, 1597 BGB) genügenden Vaterschaftsanerkennung (gewissermaßen vorsorglich) anzuzweifeln und mit dieser Begründung dem Kind die abstammungsrechtliche Zuordnung zum Anerkennenden und diesem die abstammungsrechtliche Zuordnung zum Kind vorzuenthalten. Die Sperrwirkung des § 1594 Abs. 2 BGB soll verhindern, dass das Kind - und sei es auch nur vorübergehend - im Rechtssinne zwei Väter hat. Ohne konkrete Erkenntnisse, dass ein solcher Fall möglicherweise vorliegt, geht es aber nicht an, die Frage der Rechtswirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung als ungeklärt zu behandeln und im Geburtenbuch - womöglich auf Dauer - einen Zustand zu dokumentieren, wonach das Kind im Rechtssinne überhaupt keinen Vater hat.

Etwas Anderes kann gelten, wenn die besonderen Umstände des konkreten Falles zu begründeten Zweifeln an der Wirksamkeit des Anerkenntnisses Anlass geben. Aus den Akten ergibt sich nicht, ob der Standesbeamte in dieser Hinsicht genügende Sachaufklärung betrieben, etwa die ausländerbehördlichen Akten beigezogen und ausgewertet hat. Das wird gegebenenfalls nachzuholen sein.

4. Die den Antrag auf Prozesskostenhilfe ablehnende Entscheidung des Landgerichts ist beim Senat nicht als Verfahrensgegenstand angefallen (vgl. BayObLGZ 2002, 147); dieser Teil des Entscheidungssatzes (Ziffer IV) bleibt deshalb von der Aufhebung der übrigen Teile des landgerichtlichen Beschlusses unberührt.

5. Zu Recht wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die landgerichtliche Kostenentscheidung. Das Landgericht sah die Beschwerde, für die es einen einheitlichen Beschwerdewert festgesetzt hat, teilweise als begründet an. Von diesem Standpunkt aus war kostenrechtlich für die Unterscheidung zwischen begründetem und unbegründetem Teil der Beschwerde und die auf letzteren Teil beschränkte Anwendung des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG kein Raum; vielmehr ist in derartigen Fällen insgesamt eine Ermessensentscheidung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG zu treffen (vgl. Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 13a Rn. 20a). Auch hat das Landgericht übersehen, dass die Beschwerdeführerin, soweit ihre Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen wurde, überwiegend genau dies, nämlich eine Bestätigung des amtsgerichtlichen Beschlusses, angestrebt hat und insoweit den übrigen Beteiligten nicht "im entgegen gesetzten Sinn beteiligt" gegenüberstand, wie § 13a Abs. 1 FGG voraussetzt (vgl. Keidel/Zimmermann § 13a Rn. 6a). Aus diesem Grund sieht der Senat von einer Anordnung der Kostenerstattung nach dem nunmehr für das landgerichtliche Beschwerdeverfahren (wegen Verwerfung der Erstbeschwerde durch den Senat) einschlägigen § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ab; denn auch für dessen Anwendung ist Voraussetzung, dass sich Beteiligte im entgegen gesetzten Sinn gegenüberstehen, was hier jedenfalls teilweise nicht der Fall ist. Entsprechendes gilt für das Verfahren der weiteren Beschwerde.

Ende der Entscheidung

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