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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 10.10.2005
Aktenzeichen: 31 Wx 68/05
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, BGB


Vorschriften:

FGG § 27 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 547 Nr. 5
BGB § 1960
1. In Nachlassverfahren begründet ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit regelmäßig keinen Verfahrensmangel.

2. Zur Aufhebung einer Nachlasspflegschaft genügt die hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Person Erbe geworden ist; letzte Gewissheit ist nicht erforderlich.


Tatbestand:

Der kinderlose Erblasser ist am 20.8.1999 im Alter von 86 Jahren verstorben. Seine erste Ehefrau ist am 20.1.1992 vorverstorben; die Beteiligten zu 2 und 3 sind deren entfernte Verwandte. In zweiter Ehe war der Erblasser seit 25.6.1999 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet.

Es liegt ein gemeinschaftliches Testament des Erblassers und seiner ersten Ehefrau vom 1.12.1986 vor, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Erben und die Beteiligten zu 2 und 3 als Erben des Letztversterbenden eingesetzt haben. Sie haben weiter bestimmt, dass der Überlebende nach dem Tode des Erstversterbenden das Recht haben soll, die Erbeinsetzung nach dem Letztversterbenden nach Belieben zu ändern.

Mit der Beteiligten zu 1 hat der Erblasser am 19.2.1999 einen notariellen Erbvertrag geschlossen, indem er sie, ersatzweise ihre Abkömmlinge, zu Erben eingesetzt hat. Der Vertrag enthält für beide Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Mehrfamilienhaus im Wert von rund 1,05 Mio EUR sowie Bankguthaben und Wertpapieren im Wert von rund 250.000 EUR.

Die Beteiligte zu 1 sieht sich auf Grund des notariellen Erbvertrages vom 19.2.1999 als Alleinerbin an. Einen Erbscheinsantrag hat sie nicht gestellt. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die Testierfähigkeit des Erblassers bei Abschluss des Erbvertrages bezweifelt und am 7.9.1999 Antrag auf einen Erbschein gestellt, der sie als Erben zu je 1/2 aufgrund des gemeinschaftlichen Testamentes vom 1.12.1986 ausweisen sollte. Ferner haben sie geltend gemacht, die Beteiligte zu 1 sei erbunwürdig.

Mit Beschluss vom 10.9.1999 hat das Amtsgericht Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses angeordnet und einen Rechtsanwalt zum Nachlasspfleger bestellt. Den Antrag der Beteiligten zu 1 auf Aufhebung der Nachlasspflegschaft hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.10.1999 zurückgewiesen; die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 blieben erfolglos.

In der Folgezeit hat das Amtsgericht Ermittlungen zur Testierfähigkeit des Erblassers angestellt. Es hat Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und des Notars eingeholt und ein Sachverständigengutachten erstatten lassen. Der Sachverständige Dr. B. kommt zu dem Ergebnis, dass zwar vieles dafür spreche, dass der Erblasser zur Zeit der Errichtung des Erbvertrages stark unter dem Einfluss der Beteiligten zu 1 gestanden habe, sich jedoch Geschäfts- und Testierunfähigkeit auf Grund der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse nicht beweisen lasse. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben daraufhin ihren Erbscheinsantrag vom 7.9.1999 zurückgenommen.

Wegen des Todes des Erblassers, der an einer nicht behandelten Lungenentzündung verstorben ist, wurde ein Strafverfahren gegen die Beteiligte zu 1 geführt, das im Dezember 2003 durch einen rechtskräftigen Freispruch abgeschlossen wurde.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 19.7.2001 und Beschluss vom 12.2.2004 die von der Beteiligten zu 1 beantragte Aufhebung der Nachlasspflegschaft abgelehnt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat insbesondere zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers und der Existenz eines weiteren, nicht auffindbaren gemeinschaftlichen Testaments zugunsten der Beteiligten zu 2 und 3 weitere Ermittlungen angestellt. Es hat die Strafakten beigezogen und am 7.12.2004 und 14.4.2005 die Beteiligten persönlich angehört, mehrere Zeugen vernommen und einen Sachverständigen zur Frage der Testierfähigkeit gehört.

Mit Schriftsatz vom 8.5.2005 haben die Beteiligten zu 2 und 3 erneut beim Nachlassgericht Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gestellt. Sie stützen nun ihr Erbrecht auf ein bisher nicht auffindbares, nach ihrem Vortrag Anfang der 90er Jahre vom Erblasser und seiner ersten Ehefrau errichtetes gemeinschaftliches Testament, in dem sie zu Erben des überlebenden Ehegatten eingesetzt sein sollen, ohne dass letzterem ein Abänderungsrecht eingeräumt worden sein soll. Über diesen Erbscheinsantrag hat das Nachlassgericht bisher nicht entschieden.

Mit Beschluss vom 5.7.2005 hat das Landgericht die Nachlasspflegschaft aufgehoben. Die Entscheidung wurde dem Nachlasspfleger am 5.8.2005 bekannt gegeben.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben die Beteiligten zu 2 und 3 weitere Beschwerde eingelegt und beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen und den Beschluss aufzuheben.

Das Rechtsmittel hatte in der Sache keinen Erfolg.

Gründe:

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 27 Abs. 1 FGG), die Beteiligten zu 2 und 3 sind beschwerdebefugt (§ 57 Abs. 1 Nr. 3, § 63 FGG i.V.m. § 75 FGG) und haben die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde formgerecht zu Protokoll der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts eingelegt. Zwar ist die Nachlasspflegschaft mit Bekanntgabe des landgerichtlichen Beschlusses aufgehoben und kann nicht mit rückwirkender Kraft wiederhergestellt werden. Das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts bleibt jedoch zulässig mit dem Ziel, das Nachlassgericht anzuweisen, die Nachlasspflegschaft erneut zu errichten und einen Nachlasspfleger zu bestellen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 222/224).

2. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Für die Nachlasspflegschaft bestehe kein Bedürfnis mehr. Nach den durchgeführten umfangreichen Ermittlungen bestehe für das Beschwerdegericht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Beteiligte zu 1 aufgrund des notariellen Erbvertrags vom 19.2.1999 Erbin geworden sei. Damit sei die Erbin als bekannt anzusehen. Das gemeinschaftliche Testament von 1986 stehe der Wirksamkeit der Erbeinsetzung nicht entgegen, weil darin ausdrücklich festgelegt worden sei, dass der überlebende Ehegatte die Erbeinsetzung nach Belieben ändern könne. Für die Existenz eines weiteren gemeinschaftlichen Testaments, das bindend festlege, dass jedenfalls die Immobilie im Familienbesitz bleiben solle, seien keine hinreichenden Anhaltspunkte vorhanden. Den entsprechenden Angaben der Zeugin G., die erstmals bei ihrer Vernehmung am 7.12.2004 auf ein derartiges gegenseitiges Versprechen der Eheleute hingewiesen habe, könne die Kammer angesichts der erheblichen Widersprüche keinen Glauben schenken; vielmehr bestehe der Eindruck, dass die Zeugin nicht ausreichend zwischen tatsächlich Erlebtem, eigenen Mutmaßungen und Mutmaßungen Dritter unterscheiden könne. Gegen die Darstellung der Zeugin G. spreche im Übrigen auch, dass der Erblasser selbst am 25.2.1992 vor dem Nachlassgericht anlässlich der Testamentseröffnung nach dem Tod seiner Ehefrau erklärt habe, die letzte und für die Erbfolge nach seiner Ehefrau maßgebliche letztwillige Verfügung sei das gemeinschaftliche Testament vom 1.12.1986. Es sei ferner davon auszugehen, dass der Erblasser bei Abschluss des Erbvertrages unbeschränkt geschäftsfähig gewesen sei. Der Notar habe in seiner Stellungnahme vom 1.9.2000 angegeben, es seien keine Anzeichen geistiger Beeinträchtigung zu erkennen gewesen, vielmehr habe der Erblasser einen überlegten Eindruck gemacht und auch nachvollziehbar geschildert, warum er gedachte, sich an die Beteiligte zu 1 zu binden. Aus den verschiedenen Zeugenaussagen, auch soweit sie in den umfangreichen Strafakten enthalten seien, ergäben sich lediglich schlaglichtartige, sich teilweise auch widersprechende Darstellungen und Eindrücke über den Erblasser aus der Zeit um den Februar 1999. Der Sachverständige Dr. B. habe in seinem schriftlichen Gutachten vom 11.5.2001 festgestellt, dass sich das Vorliegen schwerer psychischer Störungen, die zwingend eine Geschäfts- und Testierunfähigkeit bedingen könnten, nicht beweisen lasse. Der Sachverständige Dr. H. sei unter Einbeziehung der weiteren Erkenntnisse aus den Anhörungs- und Beweisaufnahmeterminen vom 7.12.2004 und 14.4.2005 nicht zu einem anderen Ergebnis gelangt und habe sich außer Stande gesehen, die Geschäftsfähigkeit durchgängig oder insbesondere am 19.2.1999 als beeinträchtigt anzusehen. Auf den Geisteszustand der Beteiligten zu 1 bei Abschluss des Erbvertrages komme es im Ergebnis nicht an. Selbst wenn bei ihr eine psychische Erkrankung vorgelegen hätte, für die im übrigen bei der psychiatrischen Begutachtung im Rahmen des Strafverfahrens kein Anhaltspunkt gefunden worden sei, wäre der Erbvertrag als einseitige letztwillige Verfügung des Erblassers zu Gunsten seiner späteren Ehefrau zu werten. Für eine Sittenwidrigkeit des Erbvertrages gebe es keine Anhaltspunkte. Gründe für eine Erbunwürdigkeit der Beteiligten zu 1 lägen nicht vor, im Übrigen sei Anfechtungsklage nicht erhoben. Schließlich stehe der Aufhebung der Nachlasspflegschaft nicht entgegen, dass die Beteiligten zu 2 und 3 erneut Erbscheinsantrag gestellt hätten. Die Notwendigkeit für eine Nachlasspflegschaft bestehe nur dann, wenn Zweifel bestünden, wer tatsächlich Erbe geworden sei. Stehe der Erbe fest, sei der Verfahrensstand eines Erbscheinsverfahrens unerheblich. Dieser Grundsatz gelte auch dann, wenn der vom Gericht festgestellte Erbe und der Antragsteller im Erbscheinsverfahren nicht personenidentisch seien.

3. Die auf umfassende Ermittlungen gestützte, ausführlich und sorgfältig begründete Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO); sie gibt auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beteiligten zu 2 und 3 im Rechtsbeschwerdeverfahren zu keinen Beanstandungen Anlass.

a) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine Nachlasspflegschaft aufzuheben ist, wenn der Grund für die Anordnung nicht mehr vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn der Erbe nicht mehr unbekannt im Sinne des § 1960 Abs. 1 BGB ist. Bei der Frage, ob der Erbe bekannt ist, ist nicht letzte Gewissheit erforderlich, sondern es genügt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Person Erbe geworden ist (OLG Frankfurt Report 2005, 442; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 222/223; Palandt/Edenhofer BGB 64. Aufl. § 1960 Rn. 7, 8; Soergel/Stein BGB 13. Aufl. § 1960 Rn. 8; insoweit a.A. MünchKommBGB/Leipold 4. Aufl. § 1960 Rn. 79: "sicher festgestellt"). Das Vorliegen eines Erbscheins ist nicht erforderlich (MünchKommBGB/Leipold § 1960 Rn. 10). Die Aufhebung der Nachlasspflegschaft ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein Rechtsstreit vor dem Zivilgericht über das Erbrecht anhängig ist (KG NJW-RR 1999, 157/159); das gilt erst recht, wenn nicht Feststellungsklage erhoben, sondern lediglich ein neuer Erbscheinsantrag gestellt wird. Solange kein rechtskräftiges Urteil (§ 325 ZPO) vorliegt, an das das Nachlassgericht und das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht grundsätzlich gebunden wäre, hat es die bei Anordnung bzw. Aufhebung der Nachlasspflegschaft zu erörternde Vorfrage, ob es einen Beteiligten als Erben ansehen will, nach eigener Überzeugung zu entscheiden (BayObLGZ 1960, 405/407; BayObLG NJW-RR 2002, 1518).

b) Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Es hat sich zu Recht nicht deshalb an der Aufhebung der Nachlasspflegschaft gehindert gesehen, weil die Beteiligten zu 2 und 3 am 7.5.2005 erneut einen Erbscheinsantrag gestellt haben, über den das Nachlassgericht noch nicht entschieden hat. Es hat auf Grund der durchgeführten Ermittlungen unter umfassender Würdigung der gewonnenen Erkenntnisse die Überzeugung gewonnen, dass maßgeblich für die Erbfolge der Erbvertrag vom 19.2.1999 ist und der Erblasser von der Beteiligten zu 1 allein beerbt wird. Seine Beweiswürdigung begegnet keinen rechtlichen Bedenken; weitere Ermittlungen waren entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde weder zur Frage der Geschäftsfähigkeit des Erblassers noch zur Existenz eines weiteren Testaments veranlasst.

(1) Zur Frage der Geschäftsunfähigkeit des Erblassers bei Abschluss des Erbvertrages hat bereits das Amtsgericht schriftliche Auskünfte des Notars und der behandelnden Ärzte sowie ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. B., eines Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Rechtsmedizin, eingeholt, dem auch die Erkenntnisse aus dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zur Verfügung standen. Das Landgericht hat darüber hinaus in Gegenwart des Landgerichtsarztes Dr. H. die Beteiligten angehört und die Zeuginnen G. und R. vernommen. In Übereinstimmung mit den Ausführungen beider Sachverständigen vermochte es sich nicht von der Geschäftsunfähigkeit des Erblassers bei Abschluss des Erbvertrages zu überzeugen. Die Würdigung der gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere der vielfältigen Beobachtungen zahlreicher Kontaktpersonen des Erblassers zu dessen Verhalten und Gesundheitszustand, und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insbesondere konnte das Landgericht der Schilderung des Urkundsnotars erhebliche Bedeutung beimessen, der bei dem längeren Vorgespräch mit dem Erblasser keine Anzeichen geistiger Beeinträchtigungen feststellen konnte, zumal sie im Einklang mit den Mitteilungen der Ärzte Dr. Sch. und Dr. Th. steht, die den Erblasser zeitnah behandelt haben. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens war nicht geboten. Eine solche Maßnahme liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. Angezeigt ist sie nur bei besonderer Schwierigkeit der Fragestellung oder bei groben Mängeln des vorliegenden Gutachtens, oder wenn ein neuer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel verfügt (vgl. zu allem BayObLG FamRZ 1990, 801/802f.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dass die Beschwerdeführerinnen die Bewertung der tatsächlichen Erkenntnisse durch den Sachverständigen und das Gericht nicht teilen, kann der weiteren Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

(2) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass das Testament vom 1.12.1986 nicht durch ein weiteres, nicht auffindbares, "Anfang der 90er" errichtetes gemeinschaftlichen Testaments des Erblassers und seiner ersten Ehefrau abgeändert oder aufgehoben wurde, das im Gegensatz zu dem Testament vom 1.12.1986 keine Befugnis zur Abänderung der Schlusserbeneinsetzung durch den überlebenden Ehegatten enthalten soll. Zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts ist grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen (§§ 2355, 2356 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ist diese jedoch nicht auffindbar, können die Errichtung und der Inhalt eines Testaments auch mit Hilfe aller zulässigen Beweismittel bewiesen werden (BayObLG FamRZ 1986, 1043/1044). An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BayObLG FamRZ 1990, 1162/1163). Grund dafür ist die für die Errichtung eines Testaments gemäß §§ 2231 ff. BGB geltende Formstrenge, die eine erhöhte Sicherheit vor der Verfälschung des Erblasserwillens bieten und die Abgrenzung von bloßen Entwürfen und Vorüberlegungen ermöglichen soll (BayObLGZ 2004, 92/93).

Das Landgericht hat dazu am 14.4.2005 die Zeugin G. eingehend befragt, die seit 1997 mit ihrer Familie eine Wohnung im Haus des Erblassers gemietet und in ihrer Vernehmung am 7.12.2004 erstmals Äußerungen des Erblassers über ein Schriftstück der Eheleute erwähnt hat, nach dem auf jeden Fall das Haus im Besitz der Familie der Ehefrau bleiben sollte. Es hat des Weiteren die Nachlassakten nach der ersten Ehefrau des Erblassers beigezogen. Das Landgericht konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass die Eheleute tatsächlich nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 1.12.1986 ein weiteres Testament errichtet haben. Den Angaben der Zeugin G. hat es wegen der erheblichen Widersprüche und Ungereimtheiten in ihren Angaben keinen Glauben geschenkt, zumal diese im Widerspruch zu der Erklärung des Erblassers vom 25.2.1992 gegenüber dem Nachlassgericht stehen: Nach dem Tod seiner ersten Ehefrau hat der Erblasser ein privatschriftliches Testament seiner Ehefrau vom 26.4.1966 und ein gemeinschaftliches Testament vom 30.4.1969 abgeliefert; das Testament vom 1.12.1986 wurde aus der amtlichen Verwahrung erholt. Der Erblasser hat ausdrücklich erklärt, eine weitere Verfügung von Todes wegen sei nicht vorhanden, maßgeblich sei das Testament vom 1.12.1986.

Das Landgericht war nicht gehalten, weitere Ermittlungen anzustellen. Der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG gebietet nicht, jeden in Betracht kommenden Beweis zu erheben. Die Ermittlungen sind vielmehr nur so weit auszudehnen, wie das Vorbringen der Beteiligten und der schon feststehende Sachverhalt hierzu Anlass geben. Insbesondere von einer Vernehmung der Tochter der Zeugin G. hat das Landgericht zu Recht keine entscheidungserheblichen Erkenntnisse erwartet: Ihr gegenüber soll der Erblasser - so die Zeugin G. - geäußert haben, er könne ihr nichts vererben, sie dürfe aber auf Lebenszeit in seinem Haus wohnen; bezüglich des Wohnrechts habe er auch eine schriftliche Erklärung entworfen und vorgezeigt, die er noch durch einen Notar bestätigen lassen wollte. Es ist nicht ersichtlich, dass die Tochter der Zeugin G. aus eigener Kenntnis entscheidungserhebliche Tatsachen zu weiteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers und seiner ersten Ehefrau beitragen könnte. Aus der Bemerkung, er könne ihr nichts vererben, lässt sich jedenfalls nicht der Nachweis herleiten, es sei ein Testament mit bindender Schlusserbeneinsetzung zugunsten der Beteiligten zu 2 und 3 vorhanden.

4. Das Verfahren vor dem Landgericht leidet auch nicht deshalb an einem Mangel, der zur Aufhebung der Entscheidung führen müsste, weil die Verhandlungen vom 7.12.2004 und 14.4.2004 in öffentlicher Sitzung stattgefunden haben. Das Prinzip der Öffentlichkeit (§ 169 S. 1 GVG) gilt im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit im Gegensatz zu anderen Verfahrensordnungen nicht. Das FGG enthält aber auch keine Bestimmung, wonach Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden müssen. Eine Verletzung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit begründet deshalb regelmäßig keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 547 Nr. 5 ZPO. Dieser Beschwerdegrund kommt grundsätzlich nur in Betracht, soweit Sondervorschriften gelten, etwa in Familiensachen, in denen nichtöffentliche Verhandlung vorgeschrieben ist (Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 39, Vorb. §§ 8-18 Rn. 7a, 7b). In Nachlasssachen ist es grundsätzlich unschädlich, wenn eine Beweisaufnahme in öffentlicher Sitzung stattfindet (BayObLGZ 1974, 258). Allenfalls kann ein Verstoß gegen die Ermittlungspflicht (§ 12 FGG) vorliegen, wenn etwa ein Beteiligter oder Zeuge ausdrücklich erklärt, in öffentlicher Sitzung zu entscheidungserheblichen Fragen keine Angaben machen zu wollen und das Gericht dennoch die Öffentlichkeit nicht ausschließt. Das ist hier nicht der Fall.

5. Dem Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen, konnte schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil die Aufhebung der Nachlasspflegschaft bereits am 5.8.2005, also vor Einlegung der weiteren Beschwerde am 10.8.2005, wirksam geworden war (§ 16 FGG; vgl. KG OLGZ 1971, 201/202; Keidel/Schmidt § 16 Rn. 12). Eine erneute Anordnung der Nachlasspflegschaft im Wege einstweiliger Anordnung kam nicht in Betracht (vgl. BayObLG FamRZ 1988, 423/424).

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