Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 31 Wx 71/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2069
BGB § 2270
BGB § 2271
BGB § 2348
BGB § 2352
Das Verbot einer Kumulation der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB mit der des § 2069 BGB ist auch im Anwendungsbereich des § 2352 BGB zu berücksichtigen.
Gründe:

I.

Der Erblasser ist am 25.1.2005 im Alter von 83 Jahren verstorben. Seine erste Ehefrau war vorverstorben. Die Beteiligte zu 1 ist seine zweite Ehefrau. Die Beteiligte zu 2 ist Tochter des Erblassers; der Beteiligte zu 3 ist Sohn des vorverstorbenen Sohnes des Erblassers.

Mit seiner ersten Ehefrau errichtete der Erblasser das gemeinschaftliche Testament vom 12.11.1964. Die beiden Testierenden verfügten dahingehend, dass sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Erben des Letztversterbenden sollten die gemeinsamen Kinder P. und B. (Beteiligte zu 2) unter sich zu gleichen Teilen sein. Das Ehegattentestament enthielt sodann Pflichtteilsstrafklauseln und Anordnungen für bedingte Vermächtnisse im Falle der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten. Anordnungen zu einer Ersatzerbschaft wurden nicht getroffen. Die erste Ehefrau des Erblassers verstarb am 13.3.1978. Am 3.8.1983 schloss der Erblasser mit der Beteiligten zu 2 und seinem vorverstorbenen Sohn P. einen notariellen Vertrag über eine Erbanteilsübertragung, Übertragung einer Kommanditbeteiligung und einen Zuwendungsverzicht. In Ziff. VI dieser Vereinbarung verzichteten die Beteiligte zu 2 und ihr Bruder mit Rücksicht auf die erfolgten Vermögensübertragungen auf alle Zuwendungen aus dem gemeinschaftlichen Testament ihrer Eltern vom 12.11.1964. Auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht nach dem Erblasser verzichteten die beiden Kinder nicht. Zweck dieser Vereinbarung war auch, durch diesen Verzicht die Testierfreiheit des Erblassers wiederherzustellen.

Der Erblasser errichtete am 2.12.1992 ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament. Sein Inhalt lautet auszugsweise wie folgt:

"Testament

Für den Fall meines Todes treffe ich folgende letztwillige Verfügung:

1. Meine Erben sollen - unter Berücksichtigung der eventuellen Nacherbfolge gem. Ziff. 2 sein:

Meine Ehefrau I. B. (Beteiligte zu 1) zu zwei Dritteln und meine Tochter B. B. (Beteiligte zu 2) zu einem Drittel. Eventl. weitere Erbberechtigte haben lediglich Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil, wenn überhaupt ein Anspruch besteht.

Als Ersatzerben bestimme ich: Für den Fall des Wegfalls meiner Ehefrau als Erbin: Meine Tochter B. B. bzw. - sofern meine Tochter B. B. ebenfalls als Erbin wegfallen sollte, deren Abkömmlinge.

Für den Fall des Wegfalls meiner Tochter als Erbin deren etwaige zum Zeitpunkt meines Todes vorhandenen Abkömmlinge. Sofern solche nicht vorhanden sind, soll meine Ehefrau I. Ersatzerbin sein.

2. Als Nacherben setze ich ein:

a) Nacherbin nach dem Tod meiner Ehefrau I. soll meine Tochter B. sein.

b) Nacherben meiner Tochter B. sollen nach deren Tod deren eventl. vorhandenen Abkömmlinge werden. ..."

Der Erblasser testierte ferner, dass die Vorerbinnen jeweils von sämtlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit sein sollten. Das Testament enthielt des Weiteren Vorausvermächtnisse. Unter Ziff. 5 regelte er die Rechtsnachfolge bezüglich der von ihm gehaltenen Komplementärbeteiligung an einer Kommanditgesellschaft. Die gesamte Ziff. 5, die nahezu zwei Textseiten ausmacht, wurde von dem Erblasser zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt mit vier diagonalen Strichen durchgestrichen und mit der unterschriebenen Bemerkung versehen "entfällt - wurde 2001 verkauft" bzw. "entfällt".

Der Erblasser errichtete ferner am 26.9.2000 eine Ergänzung zum Testament mit dem Inhalt, dass, solange seine Frau I. lebt, seine Tochter B. lediglich Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil des Erbes habe. Hiervon seien 300.000 DM abzuziehen, die B. bereits beim Übergang eines Unternehmens zuviel erhalten habe bzw. erhalten möchte.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13.4.2005 beantragte die Beteiligte zu 1 einen Erbschein mit dem Inhalt, dass sie den Erblasser allein beerbt habe. Die Beteiligte zu 2 beantragte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.5.2005 unter Anfechtung des Testaments vom 26.9.2000 einen Erbschein dahingehend, dass der Erblasser von der Beteiligten zu 1 zu 2/3 und von der Beteiligten zu 2 zu 1/3 beerbt worden sei.

Das Nachlassgericht erließ am 13.6.2005 einen Vorbescheid, es werde einen Erbschein erteilen, dass der Erblasser von der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin beerbt worden und Nacherbin die Beteiligte zu 2 sei. Gegen diesen Vorbescheid richtete sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2. Nach Beweisaufnahme vor der Einzelrichterin des Beschwerdegerichts hat dieses mit Beschluss vom 8.6.2006 die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 vom 4.8.2006. Das Nachlassgericht erteilte nach der Beschwerdeentscheidung am 24.7.2006 den angekündigten Erbschein.

II.

1. Die weitere Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung ist zulässig. Das Nachlassgericht hat nach Abschluss des Erstbeschwerdeverfahrens den Erbschein entsprechend dem vom Beschwerdegericht bestätigten Vorbescheid erteilt. Damit ist der Vorbescheid vom 13.6.2005 gegenstandslos geworden. Gleichwohl kann aber die weitere Beschwerde mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins (§ 2361 BGB) fortgesetzt werden (vgl. BayObLGZ 1982, 236/239; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 51; Palandt/Edenhofer BGB 65. Aufl. § 2353 Rn. 26).

Das Rechtsmittel hat in der Sache aber keinen Erfolg.

2. Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Die vorliegenden letztwilligen Verfügungen würden eine testamentarische Miterbenstellung der Beteiligten zu 2 nicht begründen. Sie seien im Bezug auf die Erbeneinsetzung auslegungsbedürftig. Eine verlässliche Feststellung, welche Absichten und Motive der Erblasser bei der Testamentsergänzung vom 26.9.2000 gehabt habe, sei nicht mehr möglich. Welche Willensrichtung der Erblasser bei den im Jahr 2001 oder später durchgeführten Änderungen im Testament vom 2.12.1992 gehabt habe, sei nicht mehr feststellbar. Die Beweisaufnahme habe hierzu keine Aufklärung erbracht. Maßgeblich sei deshalb der mutmaßliche Wille des Erblassers bei der Testamentserrichtung und bei der Testamentsänderung. Es komme in Betracht, dass der Erblasser mit seinen Änderungen, welche er im Jahr 2001 oder später vorgenommen habe, nur klarstellende Veränderungen in Bezug auf den Komplex "Kommanditgesellschaft" vornehmen, im Übrigen aber nichts ändern wollte. In Betracht komme aber auch, dass er ohne inhaltliche Änderung der Urkunde vom 26.9.2000 die geänderte Urkunde als ausschließliche und allein geltende letztwillige Verfügung angesehen habe. Das Beschwerdegericht vertrete die Auffassung, dass die Streichungen nur einer faktischen Veränderung Rechnung tragen, im Übrigen an den rechtsgültig getroffenen Verfügungen nichts ändern wollten.

Die Auslegung der nicht widerrufenen Testamentsergänzung vom 26.9.2000 ergebe auch unter Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 2304 BGB, dass die Beteiligte zu 2 nicht mehr Miterbin sein sollte. Inzident enthalte der Nachtrag die nicht ausdrücklich ausgesprochene Einsetzung der Beteiligten zu 1 zur alleinigen Vorerbin. Aus der Beweisaufnahme ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass die zeitlich zur Testamentsergänzung nachfolgenden Streichungen in dem ursprünglichen Testament vom 2.12.1992 zu dessen gesamtem Wiederaufleben geführt habe. Insbesondere sei festzuhalten, dass sich die Streichungen im Testament vom 2.12.1992 nur auf einen sachlich klar abgrenzbaren Komplex beziehen, der durch die tatsächliche Entwicklung überholt war. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass das vorübergehend gestörte Vater-Tochter-Verhältnis wieder geklärt werden konnte. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der Beteiligten zu 2 als Beschwerdeführerin, da sie die materielle Feststellungslast für das Bestehen einer ihr Erbrecht begründenden letztwilligen Verfügung trage.

Zuletzt sei die Ergänzung vom 26.9.2000 auch nicht durch Anfechtung unwirksam geworden. Die Beweisaufnahme habe keinen Irrtum des Erblassers ergeben. Eine zuverlässige Feststellung der Vorstellungen und Motive des Erblassers sei nicht möglich gewesen. Die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts gehe zu Lasten der Beteiligten zu 2.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand (§ 27 Abs. 1 BGB, § 546 ZPO).

Das Beschwerdegericht ist letztlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Richtigkeit des angegriffenen Vorbescheids und somit die Richtigkeit des zwischenzeitlich erteilten Erbscheins allein nach dem Inhalt der vom Erblasser hinterlassenen letztwilligen Verfügungen vom 2.12.1992 und vom 26.9.2000 zu beurteilen ist.

a) Das Landgericht hat jedoch nicht hinreichend geprüft, ob das Ehegattentestament zwischen dem Erblasser und seiner ersten Ehefrau vom 12.11.1964 noch Wirkungen auf die Erbrechtslage zu begründen vermag.

aa) Die Beteiligte zu 2 und der Vater des Beteiligten zu 3 haben in dem notariellen Vertrag vom 3.8.1983 wirksam auf ihr Schlusserbrecht verzichtet (§ 2352 Satz 1 und 3, § 2348 BGB). Es stellt sich sodann die Frage, ob mit dem Erbverzicht der beiden in dem Ehegattentestament begünstigten Kinder die Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament vom 12.11.1964 noch Wirkungen hervorbringen können. Dies wird bislang nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur dann bejaht, wenn anstelle des Verzichtenden Abkömmlinge als Ersatzerben nachrücken und sei es nur aufgrund der Auslegungsregel des § 2069 BGB (OLG Hamm Rpfleger 1982, 148/149; Erman/Schlüter BGB 11. Aufl. § 2352 Rn. 3; MünchKomm/Strobel BGB 4. Aufl. § 2352 Rn. 14; Palandt/Edenhofer § 2352 Rn. 5; Prütting/Deppenkemper § 2352 Rn. 5; Soergel/Damrau BGB 13. Aufl. § 2349 Rn. 2; a.A. Staudinger/Schotten BGB Bearb. 2004 § 2352 Rn. 32). Eine Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 2069 BGB sei nur dann ausgeschlossen, wenn es nicht dem mutmaßlichen Willen der Eheleute entsprochen hätte, dass bei einem Erbverzicht die Abkömmlinge Ersatzerben würden (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1982, 148/150).

bb) Das gemeinschaftliche Testament vom 12.11.1964 äußert sich mit keinem Wort zu einer Vermögensnachfolge bei Wegfall der bedachten Kinder. Somit käme der Beteiligte zu 3 als Abkömmling seines verzichtenden Vaters als Ersatzerbe in Betracht. Dies ergibt sich aus der Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach bei Wegfall eines bedachten Abkömmlings im Zweifel dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden. Diese sich aus § 2069 BGB ergebende Ersatzerbfolge des Beteiligten zu 3 ist im vorliegenden Fall aber nicht wechselbezüglich.

Die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB ist auf Ersatzerben nämlich nur dann anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf deren Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Ehegatten feststellen lassen, die Ersatzerbeinsetzung also nicht allein auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht (BGHZ 149, 363; BayObLG FGPrax 2001, 248). Bei den Fallgruppen der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB kann nach der zugrundeliegenden Lebenserfahrung angenommen werden, dass die Verfügung des einen die Gegenleistung für die Verfügung des anderen ist. Dies rechtfertigt es, den Verfügungen der Ehegatten im Wege der Auslegungsregel eine Wechselbezüglichkeit auch dann beizulegen, wenn sich ein entsprechender Wille durch individuelle Auslegung nicht feststellen lässt. Bei einer allein aus § 2069 BGB hergeleiteten Ersatzerbenstellung trifft dieser innere Rechtfertigungsgrund des § 2270 Abs. 2 BGB nicht zu. § 2069 BGB sagt nämlich für sich genommen über die Bindungswirkung in einem gemeinschaftlichen Testament nichts aus und hindert somit den überlebenden Ehegatten nicht an einer Änderung der nach dieser Vorschrift berufenen Ersatzerbfolge (BayObLG FamRZ 2004, 1671,1672). Eine Kumulation der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB mit der des § 2069 BGB würde dazu führen, dass ein nicht feststellbarer Wille zur Bindung in Bezug auf eine durch individuelle Auslegung nicht feststellbare Verfügung angenommen wird (BayObLG aaO). Eine solche Gesetzesanwendung lässt sich nicht mehr durch einen allgemeinen Erfahrungssatz rechtfertigen (BGHZ 149, 363/370).

Somit war hier für den Erblasser Raum, die aufgrund des Ehegattentestaments vom 12.11.1964 allein durch § 2069 BGB begründete Ersatzerfolge des Beteiligten zu 3 abzuändern. Selbst wenn man annimmt, dass sich der Verzicht seines Vaters nicht auf den Beteiligten zu 3 erstreckt, so folgt daraus bei der hier gegebenen Fallkonstellation nur, dass eine Ersatzberufung des Beteiligten zu 3 nicht von vornherein ausscheidet, nicht aber, dass sie unabänderbar wäre. Insoweit ist die neuere Rechtsprechung zur Kumulation der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB mit der des § 2069 BGB auch im Anwendungsbereich des § 2352 BGB zu berücksichtigen. Aus dieser Vorschrift ergibt sich nichts Gegenteiliges.

Nachdem der Erblasser ohne Verstoß gegen § 2271 Abs. 2 BGB anderweitig testiert hat, vermag das gemeinschaftliche Testament vom 12.11.1964 keine Auswirkungen mehr auf die Erbfolge zu zeitigen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, wie vom Beteiligten zu 3 beantragt, kommt daher nicht in Betracht.

b) Zu Recht hat das Landgericht die Testamente vom 2.12.1992 und 26.9.2000 als auslegungsbedürftig angesehen, denn sie regeln die Erbfolge nach dem Tod des Erblassers nicht eindeutig.

aa) Die Testamentsauslegung selbst ist Sache der Gerichte der Tatsacheninstanz. Die Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist auf Rechtsfehler beschränkt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze und Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand übersehen wurde oder ob dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGHZ 121, 357/363; BayObLG FamRZ 2002, 269/270; MünchKomm/Leipold BGB § 2084 Rn. 47 ff.). Dabei müssen die Schlussfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend sein. Es genügt, wenn sie nur möglich sind (BGH FamRZ 1972, 561/562; BayObLGZ 1979, 215/222).

bb) Nach diesen Kriterien ist die Auslegung der Testamente des Erblassers durch das Landgericht nicht zu beanstanden.

Die Auffassung des Landgerichts begegnet keinen Bedenken, wonach die im Jahr 2001 oder später vorgenommenen Änderungen in dem Testament vom 2.12.1992 nur klarstellende Änderungen, bezogen auf einen abgegrenzten Themenkreis, sind und nicht zur gänzlichen Wiederherstellung seines gesamten Inhalts führten. Letzteres könnte nur dann angenommen werden, wenn die Durchstreichungen der Ziff. 5 des Testaments vom 2.12.1992, die überschrieben sind mit "entfällt - wurde 2001 verkauft" und mit "entfällt" und jeweils vom Erblasser eigenhändig unterschrieben wurden, für sich genommen oder zusammen mit dem Ausgangstext ein Widerrufstestament darstellen würde, das die vorangehende letztwillige Verfügung vom 26.9.2000 aufhebt bzw. ändert (§ 2258 Abs. 1 BGB).

Nach § 2255 Satz 1 BGB kann ein Testament auch dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Die gesetzliche Vermutung dieser Vorschrift geht sonach dahin, dass sich Veränderungen des Erblassers an einer Testamentsurkunde nur auf diese beziehen, nicht auf weitere letztwillige Verfügungen in anderen Urkunden (vgl. Palandt/Edenhofer § 2255 Rn. 4). Die Veränderungen auf der Testamentsurkunde vom 2.12.1992 könnten nur dann als Aufhebung der weiteren letztwilligen Verfügung vom 26.9.2000 verstanden werden, wenn die Beweisaufnahme ergeben hätte, es sei der ausdrückliche Wille des Erblassers gewesen, durch die Streichungen im ursprünglichen Testament dieses vollinhaltlich - gekürzt durch die nicht mehr aktuellen Bestandteile - wiederherzustellen. Solches hat weder die Einvernahme der Beteiligten noch die Aussage des Zeugen V. vor dem Landgericht ergeben. Es ist insbesondere völlig offen, wann der Erblasser die Streichungen im Testament vom 2.12.1992 und mit welcher Willensrichtung vorgenommen hat. Urkundlich eindeutig ist nur, dass der Erblasser die Regelungen zu Ziff. 5 der letztwilligen Verfügung ändern wollte, da sie wegen der Veräußerung des darin genannten Vermögensgegenstandes nicht mehr aktuell waren. Weiteres ergibt sich aus den dürren Anmerkungen zu den Streichungen nicht.

Der weiteren Beschwerde ist zuzugeben, dass es der Streichungen im Testament vom 2.12.1992 nach der Veräußerung des davon berührten Vermögensgegenstandes nicht bedurft hätte. Es bleibt aber gleichwohl reine Spekulation, weshalb der Erblasser diese Veränderungen vorgenommen hat. Eine Willensrichtung dahingehend, dass er mit den Streichungen eine inhaltliche Wiederherstellung der Regelungen im Übrigen herbeiführen wollte, lässt sich auch unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen V. nicht feststellen, wonach der Erblasser sein Testament ohne großen Schreibaufwand möglichst einfach gestalten wollte.

cc) Etwas anderes lässt sich zugunsten der Beteiligten zu 2 auch nicht aus dem Umstand folgern, dass die Beteiligte zu 1 den Zeugen V. als ihren und des Erblassers Rechtsberater teilweise nicht von der anwaltlichen Schweigepflicht entbunden hat. Eine Beweisvereitelung liegt schon deshalb nicht vor, weil der Zeuge V. in erheblichem Umfang zur Sache ausgesagt hat. Somit könnte allenfalls von einer Beweisbeeinträchtigung die Rede sein. Nach herrschender höchstrichterlicher Rechtsprechung fällt einer Partei bei Nichtbefreiung eines Zeugen von seiner Schweigepflicht keine Beweisvereitelung zur Last, wenn ihr Verhalten nicht vorwerfbar und missbilligenswert ist (BGH NJW 1996, 1534). Für ein solches Verhalten seitens der Beteiligten zu 1 sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich. Keinesfalls führt die teilweise Nichterteilung der Aussagegenehmigung für den Zeugen V. dazu, eine für die Beteiligte zu 2 günstige Aussage zu unterstellen (vgl. Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 383 Rn. 8). Der Aussage des Zeugen V. kommt für die Bestimmung der Erbrechtslage im Übrigen nur eingeschränkte Bedeutung zu, weil die das Erbrecht begründenden Urkunden zur Würdigung vollständig vorliegen.

c) Nachdem die Änderungen im Testament vom 2.12.1992 keinen Widerruf der Testamentsergänzung vom 26.9.2000 ergeben haben, ist auch diese Urkunde für die Bestimmung der Vermögensnachfolge heranzuziehen. Wie die Vorinstanzen zu Recht annehmen, hat die Ergänzung keine Änderung in Bezug auf die Regelung der Nacherbschaft im Testament vom 2.12.1992 vorgenommen, sondern nur die Erbenstellung der Beteiligten zu 2 berührt. Denn durch die Errichtung eines Testaments wird ein früheres Testament nur insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht (§ 2258 Abs. 1 BGB). Deshalb hat das Nachlassgericht der Beteiligten zu 1 zu Recht einen Erbschein mit angeordneter Nacherbfolge und Ersatznacherbfolge erteilt (§ 2363 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die Testamentsergänzung vom 26.9.2000 führt dazu, dass die Beteiligte zu 1 alleinige Vorerbin geworden ist. Insoweit ist die Auslegung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde stellt die Testamentsergänzung vom 26.9.2000 eine Enterbung dar. Abweichend vom Testament vom 2.12.1992 soll die Beteiligte zu 2 nicht mit der Vorerbin, der Beteiligten zu 1, als Miterbin berufen sein, sondern bis zu deren Tod nur vermögensrechtlich einen betragsmäßig geminderten Pflichtteil erhalten. Nach der Auslegungsregel des § 2304 BGB ist die Zuwendung des Pflichtteils im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen. Eine im Verhältnis zum ursprünglichen Testament zugewendete verringerte Erbquote könnte nur angenommen werden, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten unmittelbar Rechte am Nachlass und Mitsprache bei dessen Verwaltung und Verteilung einräumen wollte (Palandt/Edenhofer § 2304 Rn. 2). Die Beweisaufnahme, insbesondere die Aussage des Zeugen V., hat solches nicht erbracht.

Die weitere Beschwerde geht rechtlich fehl in der Annahme, dass die verfügte Kürzung des gesetzlichen Pflichtteils keine Enterbung darstelle, weil eine solche Kürzung des rechtlichen Mindestanspruchs nicht mehr möglich sei. Hier hat die Beteiligte zu 2 derzeit jedoch kein Pflichtteilsrecht, da sie als unbedingt eingesetzte Nacherbin nicht, wie dies § 2303 Abs. 1 BGB fordert, durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen ist (vgl. Prütting/Deppenkemper § 2303 Rn. 5; Bamberger/J. Mayer BGB § 2303 Rn. 12), sondern nur einer Beschränkung unterliegt. Nach § 2306 Abs. 2 BGB ist die Einsetzung eines Pflichtteilsberechtigten als Nacherben eine Beschränkung. Nachdem die überlassene Nacherbenquote hier größer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist, hat die Beteiligte zu 2 die Wahl zwischen der Annahme der Nacherbschaft und der Ausschlagung mit der Folge des Erhalts des Pflichtteils (Bamberger/J. Mayer § 2306 Rn. 25; Palandt/Edenhofer § 2306 Rn. 11).

Die vom Erblasser in der Testamentsergänzung vom 26.9.2000 der Beteiligten zu 2 gemachte Zuwendung kann nach alledem nur als Vermächtnis aufgefasst werden, welches die Beteiligte zu 2 unabhängig von ihrer Stellung als Nacherbin unmittelbar nach dem Tod des Erblassers erhalten soll. Nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB kann in der Zuwendung eines in Höhe betragsmäßig geminderten Pflichtteils keine Einräumung der Stellung als Miterbin neben der Beteiligten zu 1 gesehen werden.

d) Schließlich hat das Landgericht zutreffend eine wirksame Anfechtung der Testamentsergänzung vom 26.9.2000 verneint. Zu Recht hat es die Voraussetzungen für einen Irrtum des Erblassers bei der Abfassung dieses Testaments als nicht nachgewiesen erachtet. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Erblasser über den Inhalt der Testamentsergänzung vom 26.9.2000 geirrt hat oder Erklärungen dieses Inhalts nicht abgeben wollte (§ 2078 Abs. 1 BGB). In Betracht kommt daher allenfalls ein Motivirrtum (§ 2078 Abs. 2 BGB). Im Rahmen des § 2078 Abs. 2 BGB können nur solche Irrtümer die Anfechtung rechtfertigen, die bewegender Grund für den letzten Willen waren (BGH NJW-RR 1987, 1412/1413). Dabei kann die Anfechtung nur auf Vorstellungen und Erwartungen gestützt werden, die der Erblasser bei Errichtung der letztwilligen Verfügung gehabt hat, nicht auf solche, die er bei Kenntnis von damals unbestimmten Umständen gehabt haben würde (BayObLG FamRZ 1984, 1270/1271). Ferner ist zu beachten, dass sich die Anfechtung nicht auf ein Testament als solches bezieht, sondern jeweils nur auf die einzelne in ihm enthaltene letztwillige Verfügung (Palandt/Edenhofer § 2078 Rn. 2). Der Irrtum muss gerade für diese Verfügung ursächlich, d.h. bestimmend oder zumindest derart mitbestimmend sein, dass der Erblasser sie ohne die irrige Vorstellung nicht getroffen hätte (BayObLG FamRZ 1997, 1436/1437). Die Feststellungslast für die anfechtungsbegründenden Tatsachen (Beweggrund und Kausalität) trägt der Anfechtende (BayObLG FamRZ 1997, 772/773). An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Diesen ist die Beteiligte zu 2 nicht gerecht geworden.

Zutreffend hebt das Landgericht hervor, dass die Beweisaufnahme keine eindeutigen Erkenntnisse über die Motive des Erblassers bei der Errichtung der Testamentsergänzung erbracht hat. Die Beteiligte zu 2 konnte die Angaben der Beteiligten zu 1 nicht entkräften, dass die letztwillige Verfügung vom 26.9.2000 maßgeblich darauf zurückzuführen sei, sie vor Schwierigkeiten mit der Anfechtenden im Erbfall zu bewahren. Die von der Beteiligten zu 2 erklärte Anfechtung kann somit keinen Erfolg haben.

e) Der Wegfall der Beteiligten zu 2 als Miterbin nach dem Erblasser führt dazu, dass der im Testament vom 2.12.1992 zu ihren Gunsten verfügte Erbteil der Beteiligten zu 1 anwächst (§ 2094 Abs. 1 BGB).

4. Es ist gesetzlich bestimmt, wer die Gerichtskosten zu tragen hat. Die Erstattungsanordnung beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. Die Festsetzung des Geschäftswerts richtet sich nach § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Abweichend zu der landgerichtlichen Festsetzung ist ein Geschäftswert von 600.000 EUR anzusetzen, da der Beteiligten zu 2 als Nacherbin, die noch nicht ausgeschlagen hat, kein Pflichtteilsrecht zukommt und somit deren wirtschaftliches Interesse in den Beschwerdeverfahren darauf gerichtet war, Erbin zu ein Drittel zu werden. Deshalb bedarf es bei der Festsetzung des Geschäftswerts nicht des Abzugs des Betrages, welcher ihr als Pflichtteilsberechtigten zukommen würde. Infolge dessen ist insoweit auch die landgerichtliche Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren abzuändern.

Ende der Entscheidung

Zurück