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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 19.10.2006
Aktenzeichen: 31 Wx 92/05
Rechtsgebiete: SpruchG, AktG


Vorschriften:

SpruchG § 12 Abs. 1
AktG § 304
AktG § 305
1. Für die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde im Spruchverfahren ist es nicht erforderlich, dass diese innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen auch begründet wird.

2. Zur Berechnung des Ertragswertes und Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes

3. Bei der Bemessung der Barabfindung in Spruchverfahren kommt Vorzugsaktien mit Mehrstimmrechten nicht in jedem Fall ein höherer Anteil am Unternehmenswert zu.


Gründe:

I.

Gegenstand des Verfahrens sind der angemessene Ausgleich und die angemessene Abfindung für die außenstehenden Aktionäre aufgrund eines 2001 abgeschlossenen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages.

Die Antragsteller waren Aktionäre der F-AG, die 2002 nach Ausschluss der Minderheitsaktionäre mit der Antragsgegnerin verschmolzen wurde. Das Stammkapital der F-AG von insgesamt 58.510.296 € war in 2.250.000 Stammstückaktien (58.500.000 €) und 396 Vorzugsstückaktien (10.296 €) aufgeteilt, so dass der rechnerische Nennwert jeder Aktie 26 € betrug. Auf jede Vorzugsaktie entfielen 3.200 Stimmen sowie eine Dividende von 1,50 €. Sämtliche Vorzugsaktien wurden von der T-AG gehalten und nicht an der Börse gehandelt, auf sie entfielen rund 36 % aller Stimmen.

Die F-AG hat mit der Antragsgegnerin am 9.4.2001 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen, dem die Hauptversammlung der F-AG am 29.5.2001 zugestimmt hat. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 1.8.2001, die Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 28.8.2001.

Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag vom 9.4.2001 sieht eine Abfindung in Höhe von 165 € je Stammstückaktie sowie 10.950 € je Vorzugsstückaktie vor und einen Ausgleich von 8,80 € je Stammaktie und 1,50 € je Vorzugsaktie. Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs in den letzten drei Monaten vor der Hauptversammlung betrug 156,46 € je Stammstückaktie. Das Landgericht hat auf Antrag der F-AG mit Beschluss vom 16.2.2001 einen Vertragsprüfer bestellt, der die vorgeschlagene Abfindung und den vorgeschlagenen Ausgleich als angemessen bewertet hat.

Die Antragsteller haben beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung und einen höheren Ausgleich festzusetzen. Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2003 den Vertragsprüfer zur Bewertung angehört. Dieser hat außerdem eine schriftliche Stellungnahme vom 11.11.2003 abgegeben, die insbesondere Planung, Finanzergebnis und Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens erörtert, sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 19.12.2003.

Mit Beschluss vom 26.10.2005 hat das Landgericht die angemessene Barabfindung für jede Stammstückaktie auf 202,04 € festgesetzt, den angemessenen Ausgleich auf 10,01 € brutto je Stammstückaktie abzüglich Körperschaftsteuerbelastung und Solidaritätszuschlag. Dabei ging das Landgericht abweichend von der Bewertung durch Unternehmen und Vertragsprüfer von einem Basiszinssatz von 5,5 % (statt 6 %), einem Unternehmerrisikozuschlag von 2 % (statt 2,5 %) und einem Wachstumsabschlag für die Phase II von 1 % (statt 0,5 %) aus und legte unter Berücksichtigung der typisierten Steuer von 35 % einen Kapitalisierungszinssatz für die Phase I von 4,875 % und für die Phase II von 3,875 % zugrunde. Ferner nahm das Landgericht eine Anhebung der für 2006 ff. angenommenen, mit 2005 identischen Umsatzerlöse und des Material- und Personalaufwands um 1 % vor, da die dynamische Entwicklung in der Vergangenheit auch in der Prognosephase zu berücksichtigen sei. Für noch nicht realisierte Ersatzansprüche wegen eines 1995/1996 vorgefallenen Betruges mit einer Schadenssumme von rund 183 Mio. DM stellte das Landgericht einen Sonderwert von 10 Mio. DM werterhöhend ein, zusätzlich zu dem nach Angaben der Antragsgegnerin bei "sonstigen Erträgen" bereits berücksichtigten, jedoch von ihr nicht bezifferten Erwartungswert. Ferner hielt das Landgericht eine unterschiedliche Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien nicht für gerechtfertigt, da ein besonderer Wert der Mehrstimmrechte nicht sicher feststellbar sei. Weiteren Beanstandungen bezüglich der Bewertung folgte das Landgericht hingegen nicht. Insbesondere hielt es eine Aufschlüsselung des Wertpapiersondervermögens, der Beteiligungswerte und der Positionen "übrige Aufwendungen/Erträge" und "Beteiligungs- und Zinsergebnis" sowie die Vorlage eines Grundstücksverzeichnisses nicht für erforderlich, ebenso wenig eine Erläuterung der im Bericht für den 2002 durchgeführten Squeeze-Out erwähnten Bereinigungen. Die Bewertung einer zwar nicht betriebsnotwendigen, aber wegen der nachteiligen steuerlichen Folgen nicht zu veräußernden Beteiligung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren sah das Landgericht als zulässig an, ebenso den Abzug latenter Steuerlasten bei der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 3, 5, 7 und 8, mit denen sie eine weitere Erhöhung von Barabfindung und Ausgleich verlangen. Die Antragsgegnerin hat Anschlussbeschwerde eingelegt. Der Senat hat am 25.9.2006 mündlich verhandelt und die Vertragsprüfer angehört.

II.

A) Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 3, 5, 7 und 8 und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin sind zulässig. Insbesondere sind die Beschwerden form- und fristgerecht eingelegt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 17 Abs. 2 SpruchG). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist es nicht erforderlich, dass innerhalb der Frist von zwei Wochen auch eine Begründung des Rechtsmittels erfolgt; eine derartige Zulässigkeitsvoraussetzung ergibt sich weder aus § 12 Abs. 1 SpruchG noch aus § 21 FGG i.V.m. § 17 Abs. 1 SpruchG (so auch OLG Zweibrücken ZIP 2004, 1666; Hüffer AktG 7. Aufl. § 12 SpruchG Rn. 5; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 4. Aufl. § 12 SpruchG Rn. 7; MünchKommAktG/Volhard 2. Aufl. § 12 SpruchG Rn. 8). Eine Übertragung der nach § 4 Abs. 2 SpruchG geltenden Anforderungen an den Antrag auf gerichtliche Entscheidung auf die Beschwerdeschrift kommt nicht in Betracht, da Form- und Fristvorschriften sich sofort, eindeutig und klar aus dem Gesetzestext ergeben müssen und nicht erst durch ausdehnende Auslegung gefunden werden dürfen (BVerfGE 4, 37; Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. Einl. Rn. 94 m.w.N.). Es verbietet sich deshalb, etwa aus "Sinn und Zweck des Spruchverfahrensgesetzes und der gesetzgeberischen Intention" (so KK-SpruchG/ Wilske § 12 Rn. 31) eine (fristgebundene) Begründungspflicht als zusätzliche, im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Zulässigkeitsvoraussetzung für die sofortige Beschwerde herzuleiten.

B) Die Rechtsmittel der Antragsteller sind nicht begründet, soweit sie eine Erhöhung der erstinstanzlich festgesetzten Barabfindung anstreben. Vielmehr führt die Anschlussbeschwerde zur Herabsetzung der Barabfindung auf 182,50 € je Stammstückaktie.

1. Ein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag muss gemäß § 305 Abs. 1 AktG die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Die angemessene Barabfindung (§ 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG) muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG).

Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht (BVerfGE 14, 263/284; 100, 289/304 f.; BGH AG 2003, 627/628; BayObLG NJW-RR 1996, 1125/1126; Hüffer § 305 Rn. 18; MünchKommAktG/Bilda § 305 Rn. 59). Zu ermitteln ist der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (BGHZ 138, 136/140).

a) Gutachter und Vertragsprüfer haben bei der Ermittlung des Unternehmenswerts in nicht zu beanstandender Weise die Ertragswertmethode angewendet (vgl. BGH AG 2003, 627/628; BayObLGZ 1998, 231/235; OLG Düsseldorf AG 2001, 189/190 m.w.N.), wobei der so ermittelte Anteilswert gegebenenfalls einer Korrektur anhand des Börsenkurses bedarf (vgl. BVerfGE 100, 289/307). Nach dieser Methode bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; er wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen (neutralen) Vermögens, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird (BayObLGZ 1998, 231/235). Der Ertragswert eines Unternehmens wird durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse gewonnen, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet werden (vgl. IDW S1 Tz. 7.2.1.).

Zu berücksichtigen ist bei der Bewertung der vorliegenden Gutachten allerdings, dass sie nach ihren zugrunde liegenden Erkenntnismöglichkeiten nicht in der Lage sein können, mathematisch einen exakten oder "wahren" Unternehmenswert am Stichtag festzustellen. Dem Gericht kommt somit die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert, der Grundlage für die Abfindung ist, im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (BGH ZIP 2001,734/736; OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714; BayObLG AG 2006, 41).

b) Der Prüfungsbericht des gerichtlich bestellten Vertragsprüfers, die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten zusätzlichen schriftlichen Stellungnahmen und die Ausführungen im Rahmen der Anhörungen vor dem Landgericht und dem Senat sind geeignet und ausreichend, über die entscheidungserheblichen Bewertungsfragen zu befinden und den Unternehmenswert zu schätzen (§ 287 Abs. 2 ZPO). Insbesondere ist die Einholung eines weiteren Gutachtens eines anderen Sachverständigen zum Unternehmenswert nicht erforderlich.

(1) Der Schutz der Minderheitsaktionäre erfordert es nicht, im Spruchverfahren grundsätzlich neben dem gerichtlich bestellten Vertragsprüfer einen weiteren Sachverständigen heranzuziehen. Die Einschaltung eines vom Gericht bestellten Vertragsprüfers soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner dienen, indem der Vertragsbericht einer sachkundigen Plausibilitätskontrolle unterworfen wird. Gerade die Angemessenheit der Abfindung und des Ausgleichs sind Gegenstand dieses präventiven Aktionärsschutzes. Das Gutachten des Vertragsprüfers kann deshalb im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden (OLG Düsseldorf BB 2000, 1108). Im Übrigen haftet der Vertragsprüfer nach § 293 d Abs. 2 AktG auch gegenüber den Anteilsinhabern. Dass seine Prüfung regelmäßig gleichzeitig mit dem Erstellen des Vertragsberichts erfolgt, ändert nichts daran, dass es sich um eine unabhängige Prüfung handelt, und begründet für sich genommen auch keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vom Gericht bestellten Prüfers (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2003, 2363; OLG Hamburg ZIP 2004, 2288).

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen zu 5 und 8 ist insoweit eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SpruchG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG nicht veranlasst. Der Senat weicht in dieser Frage weder von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts noch von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab. Die von den Antragsgegnerinnen zu 5 und 8 herangezogenen Entscheidungen befassen sich nicht mit dem Erfordernis eines weiteren gerichtlichen Sachverständigen in Spruchverfahren, sondern mit der Vereinbarkeit von Beratung in wirtschaftlichen und steuerlichen Angelegenheiten und Durchführung der Abschlussprüfung (BGHZ 135, 260 = AG 1997, 415) bzw. der Verfassungsmäßigkeit der §§ 327a ff. AktG (BGH BB 2005, 2651). In der zuletzt genannten Entscheidung werden im Übrigen ausdrücklich die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich des sachverständigen Prüfers als geeignete Maßnahmen bezeichnet, "um das Interesse des Hauptaktionärs an einer möglichst niedrigen Abfindung nicht zur Geltung kommen zu lassen".

(2) Die Tätigkeit als Abschlussprüfer steht der Bestellung als Vertragsprüfer nicht entgegen (OLG Düsseldorf DB 2006, 1670/1671; Hüffer § 293 d Rn. 3; MünchKommAktG/Altmeppen § 293 d Rn. 5). § 319 Abs. 2 Nr. 5 HGB a.F. (ebenso § 319 Abs. 3 Nr. 3 a HGB n.F.) schließt von der Prüfungstätigkeit denjenigen aus, der bei der Führung der Bücher und der Erstellung des Jahresabschlusses mitgewirkt hat; die Prüfung des Jahresabschlusses ist hingegen kein Ausschlussgrund.

(3) Der Vorwurf der Antragsteller zu 5 und 8, der Prüfungsbericht weise erhebliche fachliche Mängel auf, greift nicht durch. Bei der Bewertung wurde das Ertragswertverfahren angewandt, das in Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist. Die Einwände gegen einzelne Ansätze wurden im Rahmen der Anhörungen und durch die ergänzenden Stellungnahmen nachvollziehbar erläutert. Dies gilt insbesondere für den Umfang der Abschreibungen und die Investitionsplanung, die Gegenstand der schriftlichen Stellungnahme vom 11.11.2003 und der Anhörung vom 20.11.2003 waren. Es kann auch nicht als Mangel des Prüfungsberichts angesehen werden, dass dieser nicht bereits auf alle Fragen eingeht, die sich später im gerichtlichen Verfahren als streitig herausstellen.

2. Der Senat schätzt unter Berücksichtigung der Ausführungen der Vertragsprüfer und des Vorbringens der Beteiligten den Unternehmenswert der Gesellschaft zum Stichtag auf 410.687.000 €.

Dabei übernimmt der Senat im Wesentlichen die Prognoseentscheidungen der Bewertungsgutachter, die von den Vertragsprüfern als sachgerecht angesehen wurden. Die vom Landgericht vorgenommene Anhebung der für 2006 ff. zu erwartenden Umsatzerlöse um 1 % erscheint sachgerecht. Die Planung sieht nach einem Rückgang der Umsatzerlöse von 2001 auf 2002 für die Jahre 2002 bis 2005 Steigerungen zwischen rund 0,5 % und rund 2,5 % vor, so dass eine Stagnation ab 2006 weniger plausibel erscheint. Diese Anhebung ist folgerichtig nicht nur bei Material- und Personalaufwand ebenfalls zu berücksichtigen, sondern auch bei den vom Unternehmen zu entrichtenden Steuern. Eine weitere Anhebung der ohnehin bereits gegenüber 2005 erhöhten Abschreibungen bzw. Reinvestitionen und der sonstigen Aufwendungen und Erträge erscheint hingegen nicht veranlasst.

3. Die Einwände der Antragsteller sind nicht geeignet, die von den Vertragsprüfern gebilligten Ansätze der Bewertungsgutachter als taugliche Grundlage für eine Schätzung zu erschüttern.

a) Die im Rahmen der Vergangenheitsanalyse vorgenommenen Bereinigungen, die für die Jahre 1999 und 2000 jeweils in der Größenordnung der Hälfte des Ergebnisses liegen (vgl. Vertragsbericht S. 53), sind nachvollziehbar damit erläutert worden, dass im Jahr 1999 Rückstellungen für eine geplante Verlustübernahme aufgelöst wurden und im Jahr 2000 eine Lieferantengutschrift erfolgte, die wirtschaftlich den Vorjahren zuzuordnen war. Diese Vorgehensweise entspricht anerkannten Bewertungsgrundsätzen, da einmalige bzw. für die Zukunft nicht aussagekräftige Vorgänge nicht geeignet sind, die Prognose der künftigen Erträge zu plausibiliseren (vgl. IDW S 1 Tz. 78; Ballwieser, Unternehmensbewertung S. 35). Soweit die Antragsteller zu 5 und 8 sich auf die im Bericht zum Squeeze-Out vom 27.3.2002 dargestellten Bereinigungen beziehen, hat das Landgericht zu Recht darauf verwiesen, dass für diesen ein anderer Stichtag maßgeblich ist.

b) Zur Beurteilung der Planungsrechnung haben die Vertragsprüfer in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2003 erläutert, dass neben der Analyse der Vergangenheit und der Planungstreue auch Markteinschätzungen als wesentliche Grundlage dienten, wobei Branchenexperten für den Bereich der Energiewirtschaft herangezogen wurden. Der Senat sieht keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die sachverständige Einschätzung der Vertragsprüfer nicht der wirtschaftlichen Realität entspricht, wie der Antragsteller zu 3 meint. Ebenso fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Erträge aus den Beteiligungen oder die bezahlten Strompreise nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.

Dass zu niedrige Erträge angesetzt wurden, lässt sich entgegen der Auffassung des Antragstellers zu 7 auch nicht aus der Bewertung der T-AG herleiten. Diese brachte im Rahmen einer Kapitalerhöhung im Juli 2000 Anteile an der F-AG von 80,44 % in die Antragsgegnerin ein, die StWN eine Beteiligung an der EWAG von 84,72 %. Der Anteil der T-AG an der Antragsgegnerin blieb bei 39,8 %. Aus dem Wert der Beteiligung der T-AG an der Antragsgegnerin kann schon deshalb kein Rückschluss auf den Wert ihrer Anteile an der F-AG gezogen werden, weil es sich um unterschiedliche Unternehmen handelt; die Antragsgegnerin besteht nicht nur aus dem Anteil an der F-AG. Erst recht nicht kann der für ein konkretes Planjahr angenommene Überschuss aus der Beteiligung der T-AG an der Antragsgegnerin als Grundlage für die Ermittlung der auf Dauer zu erwartenden Überschüsse der F-AG dienen. Darüber hinaus war für die Bewertung der T-AG ein anderer Stichtag maßgeblich, nämlich der 28.11.2003.

c) Die in der Planung berücksichtigten Abschreibungen und Reinvestitionen haben die Vertragsprüfer sowohl in ihrer Stellungnahme vom 11.11.2003 als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingehend erläutert. Danach wurde für die Planungsphase I eine explizite Investitions- und Abschreibungsplanung vorgenommen, aufgegliedert in Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen, wobei für die Abschreibung die steuerlichen Tabellen herangezogen wurden. Für die Phase II wurde als Reinvestitionsrate eine langfristige durchschnittliche Investitionssumme angesetzt, die auf der Basis des Neuwertes der technischen Anlagen und deren technisch-wirtschaftlicher Nutzungsdauer ermittelt wurde. Die Planungen wurden ferner anhand der in der Vergangenheit erfolgten Abschreibungen und Investitionen überprüft und für plausibel und sachgerecht befunden. Der Senat hält ebenso wie das Landgericht die diesbezüglichen Ausführungen der Vertragsprüfer für nachvollziehbar und überzeugend.

4. Der Kapitalisierungszinssatz kann aus den Elementen Basiszinssatz, Risikozuschlag und Wachstumsabschlag unter Berücksichtigung der pauschalierten persönlichen Steuern der Anteilseigner abgeleitet werden (vgl. BayObLG AG 2006, 41/42; OLG Karlsruhe AG 2005; 45/47; OLG Düsseldorf NZG 2000, 693/695 f.; IDW S. 1 Tz. 91 ff, 122).

a) Der Senat hält den vom Landgericht angenommenen Basiszinssatz von 5,5 % allerdings nicht für geeignet, eine angemessene Abfindung zu ermitteln. In Abweichung dazu halten die Vertragsprüfer einen Basiszinssatz von 6 % für sachgerecht. Dem folgt der Senat. Der Basiszinssatz muss so bemessen sein, dass er eine taugliche Schätzgrundlage (§ 287 Abs. 2 ZPO) für die Angemessenheit der Barabfindung darstellt. Hierfür kann auf die langfristige Effektivverzinsung inländischer öffentlicher Anleihen zurückgegriffen werden (vgl. IDW S 1 Tz. 126). Zur Prognose der langfristigen Zinsentwicklung darf nicht bestimmend darauf abgestellt werden, ob zum Zeitpunkt des Stichtags und unmittelbar danach eine Niedrigzinsphase herrscht, sondern es ist eine Gesamtschau unter Berücksichtigung der Zinsentwicklung der Vergangenheit anzustellen (vgl. OLG München ZIP 2006, 1722/1725; BayObLG NZG 2001, 1033/ 1035; OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/716). Diesen Anforderungen werden die Darlegungen im gemeinsamen Vertragsbericht und im Prüfungsbericht gerecht. Ein Basiszinssatz von 6 % entspricht für den maßgeblichen Stichtag im Übrigen auch den Empfehlungen des IDW und der Bestimmung anhand von Zinsstrukturkurven. Das Landgericht hat der Zinssituation zum Stichtag zu großes Gewicht beigemessen, indem es für die Bemessung des Basiszinssatzes allein auf die zum Stichtag erzielten Renditen börsennotierter Bundeswertpapiere mit Laufzeiten zwischen 3 und 30 Jahren abgestellt hat, die sich zwischen 4,68 % (für 3 bis 5 Jahre) und 5,74 % (für 16 bis 30 Jahre) bewegten. Bei der Festlegung der Elemente des Kapitalisierungszinssatzes ist darauf zu achten, dass sie laufzeitäquivalent sein müssen. Greift man auf öffentliche Anlagen mit begrenzter Laufzeit zurück, ist auch die dann erforderliche Wiederanlage zu berücksichtigen, da eine unbegrenzte Lebensdauer des Unternehmens angenommen wird (vgl. OLG München ZIP 2006, 1722/1725).

b) Der vom Landgericht angesetzte Risikozuschlag von 2 % ist für die Ermittlung einer angemessenen Abfindung geeignet. Ein solcher Zuschlag kann bei der Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes angesetzt werden, wenn nicht schon ein entsprechender Abschlag bei den prognostizierten Erträgen gemacht worden ist. Der Zuschlag soll nach dieser Konzeption sowohl das operative Risiko aus der betrieblichen Tätigkeit als auch das vom Verschuldungsgrad beeinflusste Finanzierungsrisiko abdecken. Der Ansatz eines Risikozuschlags ist zwar nicht unumstritten (vgl. Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung 4. Aufl. S. 125f. m.w.N.), aber weitgehend anerkannt (vgl. BayObLG AG 2006, 41/43; DB 2002, 36/37; OLG Düsseldorf AG 2004, 324/329; NZG 2000, 693/696). Die Festlegung des Risikozuschlags erfolgte bislang eher pauschal aufgrund von Erfahrungswerten und unterliegt deshalb in hohem Maße subjektiver Beurteilung. Sie wurde gleichwohl in der Vergangenheit von der Rechtsprechung als geeignet angesehen, zu einer angemessenen Abfindung zu gelangen. Auch die Ermittlung der Marktrisikoprämie nach dem CAPM (Capital Asset Pricing Model) lässt aber erhebliche Ermessensspielräume und kann nicht zu einer mathematisch exakten Bemessung der Risikoprämie führen (vgl. BayObLG AG 2006, 41/43). Sonach folgt der Senat der Entscheidung erster Instanz und nicht den Vertragsprüfern. Er schließt sich der Rechtsprechung des BayObLG an, wonach Abweichungen von dem regelmäßig für sachgerecht erachteten Wert eines Risikozuschlags von 2 % einer besonderen Begründung bedürfen (vgl. BayObLG AG 2006, 41/44).

Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Weder die Unternehmensstruktur noch das Geschäftsfeld der regionalen Energieversorgung weisen nach Auffassung des Senats deutlich über- oder unterdurchschnittliche Risiken auf, so dass ein Risikozuschlag von 2 % angemessen erscheint. Das gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich die Energiewirtschaft aufgrund der Deregulierung zum Stichtag in einer Umbruchsituation befand und für die Zukunft mit verstärktem Wettbewerbsdruck rechnen musste. Damit befinden sich die im Energiebereich tätigen Unternehmen in keiner wesentlich anderen wettbewerblichen Situation als Unternehmen anderer Branchen. Im Übrigen wurden die mit der Liberalisierung der Energiemärkte verbundenen Veränderungen auch in den Planungsrechnungen berücksichtigt (vgl. Vertragsbericht S. 54 f.).

c) Zur Ermittlung einer angemessenen Abfindung geeignet ist auch die Berücksichtigung eines Wachstumsabschlags in der Phase II, da davon auszugehen ist, dass die Gesellschaft in dieser Phase in gewissem Umfang Preissteigerungen wird weitergeben können (vgl. Großfeld, aaO S.144). Diesen bemisst der Senat wie das Landgericht im Hinblick auf das relativ sichere Marktumfeld eines regionalen Energieversorgers mit 1 %. Auch unter Berücksichtigung der Liberalisierung auf dem Energiesektor und des dadurch möglichen Wettbewerbs erscheint dem Senat ein Wachstumsabschlag von 0,5 % zu gering. Einen ausgeprägten Wettbewerbsdruck, der geeignet wäre, die Überwälzung steigender Kosten auf die Kunden weitgehend auszuschließen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf (AG 2004, 324), auf die sich die Antragsgegnerin stützt, betrifft ein in der Herstellung und Vermietung von Eisenbahntransportmitteln tätiges Unternehmen, dessen Wettbewerbssituation mit der eines regionalen Energieversorgers nicht vergleichbar ist.

Ein Wachstumsabschlag von mehr als 1 % kommt hier nicht in Betracht. Es mag sein, dass - wie die Antragsteller hervorheben - steigende Energiepreise in erheblichem Umfang zur Inflation beitragen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass auch die F-AG inflationsbedingte Preissteigerungen in vollem Umfang an die Kunden wird weitergeben können. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Unternehmens nicht die Erzeugung von Energie ist, sondern - regional begrenzt - Verteilung und Vertrieb. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass bei steigenden Erzeugerpreisen auch in gleichem Umfang die dem Verteiler verbleibende Vertriebsmarge erhöht werden könnte. Das Netznutzungsentgelt kann nicht beliebig erhöht werden, da es behördlicher Kontrolle unterliegt. Schließlich ist das Wachstumspotential des Unternehmens wegen seiner regionalen Ausrichtung begrenzt. Aus dem Umstand, dass in gerichtlichen Entscheidungen auch höhere Wachstumsabschläge berücksichtigt wurden (etwa BayObLG AG 1996, 127 "Paulaner" - 2,5 % bei Stichtag 26.5.1982; vgl. aber BayObLG DB 2002, 36/37 - 1 %), lässt sich für den vorliegenden Fall nichts herleiten, weil sowohl die unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als auch die zu bewertenden Unternehmen nicht vergleichbar sind.

d) Keine Einwände bestehen gegen die vom Landgericht vorgenommene Kürzung des Kapitalisierungszinssatzes um die persönlichen Ertragsteuern. Da die finanziellen Überschüsse aus der alternativ am Kapitalmarkt zu tätigenden Anlage der persönlichen Ertragsbesteuerung der Unternehmenseigner unterliegen, ist der Kapitalisierungszinssatz unter Berücksichtigung der persönlichen Steuerbelastung zu ermitteln (vgl. IDW S 1 Tz. 101). Die für Unternehmensbewertungen allgemein angenommene pauschalierte Steuerbelastung von 35 % begegnet keinen grundlegenden methodischen Einwänden (vgl. IDW S 1 Tz. 53). Individuelle steuerliche Besonderheiten der Anteilseigner bleiben grundsätzlich außer Betracht (Peemöller/Piltz S. 787 Rn. 1937). Denn es ist zu berücksichtigen, dass die angemessene Barabfindung niemals ein exakter Wert sein kann, sondern im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO unter Berücksichtigung aller einschlägigen Parameter festgelegt werden muss (vgl. BayObLG AG 2006, 41/42; OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714). Es besteht deshalb keine Notwendigkeit, einen gesonderten Abfindungsbetrag für juristische und natürliche Personen getrennt auszuweisen. Hier hat das Landgericht zugunsten der Minderheitsaktionäre für die Ermittlung des Unternehmenswertes einen persönlichen Steuersatz von 17,5 % angenommen, hingegen den Kapitalisierungszinssatz mit dem pauschalierten Steuersatz von 35 % gekürzt. Eine solche Vorgehensweise ist für die Minderheitsaktionäre nicht nachteilig.

e) Der Kapitalisierungszinssatz berechnet sich damit wie folgt:

 Basiszinssatz6 %
zuzüglich Risikozuschlag2 %
 8 %
abzüglich pauschalierte Steuer 35 %2,8 %
Kapitalisierungszinssatz für Phase I:5,2 %
abzüglich Wachstumsabschlag1 %
Zinssatz für Phase II4,2 %

5. Zum Ertragswert ist der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens hinzuzurechnen. Hinsichtlich der Grundstückswerte, des Wertpapiersondervermögens und der MIBRAG-Beteiligung folgt der Senat ebenso wie das Landgericht den Wertansätzen im Vertragsbericht.

a) Für die Bewertung der Grundstücke wurde der Verkehrswert zum Stichtag zugrunde gelegt. Dieser wurde für die einzelnen Grundstücke unter Heranziehung der vom Gutachterausschuss des Landkreises festgelegten Werte ermittelt, soweit solche vorhanden waren, im Übrigen durch einen Vergleich mit tatsächlichen Veräußerungsvorgängen. Den Vertragsprüfern standen die erforderlichen Unterlagen über Lage und Qualität der Grundstücke zur Verfügung, wie sie insbesondere im Rahmen der Anhörung vor dem Landgericht erläutert haben. Die von ihnen angesetzten Werte sind als Grundlage für die Schätzung des Unternehmenswertes geeignet und auch ausreichend; der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Bewertung jedes einzelnen Grundstückes bedarf es nicht.

Nicht zu beanstanden ist die Berücksichtigung der steuerlichen Folgen einer fiktiven Veräußerung. Die lange streitige Frage, ob bei der Ermittlung des Liquidationswerts eine latente Steuerlast zu berücksichtigen ist, wird inzwischen in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur nahezu einhellig bejaht und auch von den zum Stichtag geltenden Bewertungsrichtlinien empfohlen (vgl. BGH NJW 2005, 153, 155; Großfeld S. 172; Emmerich/Habersack § 305 Rn. 73b; GroßkommAktG/ Hirte/Hasselbach 4. Aufl. § 305 Rn. 232; Ernst/ Schneider/Thielen, Unternehmensbewertungen erstellen und verstehen S. 115; IDW S 1 Tz. 66).

b) Das Wertpapiersondervermögen wurde nach dem Börsenkurs bewertet, wie bereits im Vertragsbericht festgehalten und in der Stellungnahme der Vertragsprüfer vom 11.11.2003 eingehend erläutert wurde. Gesonderter Ausführungen im Prüfungsbericht, deren Fehlen die Antragsteller beanstanden, bedurfte es angesichts der unschwierigen Wertfeststellung nicht, ebenso wenig einer Auflistung der Wertpapiere im Einzelnen. Der Vertragsbericht und die Ausführungen des Vertragsprüfers sollen eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen, nicht aber sicherstellen, dass alle Einzelheiten der Berechnung nachvollzogen werden können (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 541/544).

c) Der Wert der MIBRAG-Beteiligung wurde nach einem vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelt. Die Vertragsprüfer haben der ergänzenden Stellungnahme vom 21.7.2006 die Wahl dieses Verfahrens nachvollziehbar begründet und zudem schlüssig dargelegt, dass im Fall einer Veräußerung kein höherer Preis zu erzielen wäre.

6. Etwaige Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem 1995/1996 erlittenen Betrugsschaden in Höhe von 183,2 Mio. DM sind in angemessenem Umfang in die Unternehmensbewertung eingeflossen.

a) Aus der Sicht zum Stichtag 29.5.2001 war das Vorgehen gegen die Haupttäter und die von ihnen geführte Gesellschaft weitgehend abgeschlossen und weitere Zahlungen erheblichen Umfangs nicht mehr zu erwarten. Es bestanden konkrete Chancen und Risiken im Wesentlichen noch bezüglich zweier Komplexe: Zum einen war eine Schadensersatzforderung in Höhe von rund 156 Mio. DM gegen die Bank gerichtlich geltend gemacht, die an dem überwiegenden Teil der Pensionsgeschäfte mit gefälschten, mehrfach abgetretenen kommunalen Schuldverschreibungen beteiligt war. In diesem Verfahren war 2001 noch keine gerichtliche Entscheidung ergangen. Zum anderen war eine gerichtliche Auseinandersetzung mit einem Minderheitsgesellschafter der GGK in der Berufungsinstanz anhängig. Gegen diesen hatte die F-AG zunächst wegen behaupteter Schadensersatzansprüche Arrestpfändungen in Höhe von rund 80 Mio. DM erwirkt, die 1999 nach einem klagabweisenden Urteil erster Instanz aufgehoben wurden. Wegen des Arrestes waren 1998 Schadensersatzansprüche gegen die F-AG in Höhe von rund 127 Mio. DM angedroht worden.

b) Die Vertragsprüfer haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Vorgehensweise bei der Bewertung dieser ungewissen Forderungen eingehend erläutert. Danach wurde unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Verfahrensdauer und der Chancen und Risiken beider Verfahrenskomplexe von Zuflüssen in Höhe von 3 Mio. DM im Jahr 2002 und in Höhe von 50 Mio. DM im Jahr 2008 ausgegangen. Der Barwert dieser Beträge zum Stichtag wurde mit 28,582 Mio. DM berechnet, wobei ein Zinssatz von 8,5 % (Basiszins 6 % zuzüglich Risikozuschlag 2,5 %) entsprechend den Eigenkapitalkosten des Unternehmens angenommen wurde. Mit demselben Zinssatz wurde eine Annuität von 2,429 Mio. DM errechnet, die - gerundet auf 2,450 Mio. DM - unter "sonstige Erträge und Aufwendungen" in jedem Planjahr eingestellt wurde. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und wurde von den Antragstellern nach den ausführlichen Erläuterungen auch nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Eine Korrektur der im Rahmen der Bewertung vorgenommenen Berechnungen hält der Senat lediglich insoweit für erforderlich, als die im Verfahren gegen die Bank anfallenden Prozesszinsen in Höhe von 4 % jährlich nicht gesondert berücksichtigt wurden. Nachdem der Senat von einem Risikozuschlag von nur 2 % ausgeht, ist folgerichtig ein Zinssatz für Abzinsung und Annuitäten in Höhe von 8 % zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die anfallenden Prozesszinsen hält der Senat es für angemessen, den für das Jahr 2008 erwarteten Zufluss lediglich mit 4 % abzuzinsen, so dass sich ein Barwert von 36,11 Mio. DM ergibt. Hinzu kommt ein Betrag von 2,57 Mio. DM für den Zufluss im Jahr 2002. Aus dem Gesamtbetrag von 39,11 Mio. DM errechnet sich bei einem Zinssatz von 8 % eine Annuität von 3,129 Mio. DM, mithin ein Mehrbetrag von 700 TDM, auf den zusätzliche Steuern in Höhe von 273 TDM entfallen.

7. Die Herleitung des Unternehmenswertes ergibt sich nach alledem aus nachstehender Tabelle:

 Kalenderjahre20012002200320042005 2006 ff.
Jahr 0 = Jahr vor Stichtag123456
Stichtag = 29.05.2001      
Umsatzerlöse in TDM578.992573.794576.922589.204603.287609.320
./. Materialaufwand-347.495-340.574-340.984-346.919-356.207-359.769
./. Personalaufwand-88.799-91.203-93.646-95.523-97.442-98.416
./. Abschreibungen/Reinvestition-58.236-54.773-52.281-50.040-50.430-51.000
Übrige Aufwendungen/Erträge-48.550-53.359-54.290-59.657-62.773-64.198
       
       
Betriebsergebnis35.91233.88535.72137.06536.43535.937
Finanzergebnis (Zins/Beteiliggen)16.69916.58716.58916.02820.91521.386
Ergebnis der gew. Geschäftstkt.52.61150.47252.31053.09357.35057.323
./. Steuern von Einkom./Ertrag-19.653-19.841-21.432-19.731-20.175-19.080
Jahresüberschuß32.95830.63130.87833.36237.17538.243
Steuer 35% aus 1/2 Jahresüberschuß-5.768-5.360-5.404-5.838-6.506-6.692
zu kapital. Ergebnis 27.19025.27125.47427.52430.66931.550
Kapitalisierungszins in %5,200%5,200%5,200%5,200%5,200%4,200%
Barwertfaktor0,9505700,9035840,8589200,8164640,77610618,478725
Barwert2584622834218802247223803583006
       
Ertragswert zum 31.12.2000 (DM)699.841.777     
zzgl. ni betr.notw. Verm.86.696.000     
 786.537.777     
Aufzinsungsbetrag16.696.150     
    Abfindungin DMin EURO
Unternehmenswert Stichtag803.233.927  Endg.U-Wert803.233.927410.686.985
    Zahl der Aktien2.250.3962.250.396
    Wert je Aktie 356,93182,50
Berechnung Aufzinsung   Angebot322,71165,00
Wert 1 Jahr aufgezinst827.437.741     
Differenz 40.899.964  Ausgleich   
Datum vorl. Unternehmenswert31.12.2000  Ertragswert z.Stichtag716.537.927
Datum Stichtag29.05.2001  in Euro 366.360.024
Zinstage149  Disk.zins 7 % 25.645.202
Tage im Jahr365  Ausgleich 11,40
    Angebot 8,80

8. Den Anteilswert ermittelt der Senat wie das Landgericht, indem er den Unternehmenswert auf die Zahl aller Aktien verteilt. Der Börsenkurs im Referenzzeitraum liegt unter diesem Betrag. Ein höherer wirtschaftlicher Wert der Vorzugsaktien, wie ihn Bewertungsgutachter und Vertragsprüfer annehmen, im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Mehrstimmrechte ist nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles nicht hinreichend sicher feststellbar.

a) Ob die mit einem Stimmrecht versehenen Aktien grundsätzlich höher zu bewerten sind als Aktien ohne Stimmrecht, ist in der Literatur umstritten (bejahend wohl MünchKommAktG/Bilda § 304 Rn. 88; ablehnend Hering/Olbrich zfbf 2001, 20 ff). Nachdem die Vorzugsaktien an der Börse nicht gehandelt wurden, konnte sich für sie kein Marktpreis bilden. Wie auch im Vertragsbericht eingeräumt wird, existiert kein betriebswirtschaftlich anerkanntes Verfahren zur Bemessung eines Zuschlags für Mehrstimmrechte. Die Bewertungsgutachter haben den von den Vertragsprüfern gebilligten Weg gewählt, aus der Marktbewertung von stimmberechtigten (Stamm-) Aktien und stimmrechtslosen (Vorzugs-) Aktien anderer Gesellschaften Rückschlüsse auf den abstrakten Wert eines Stimmrechts bzw. einen prozentualen Stimmrechtsaufschlag zu ziehen. Sie gelangen zu dem Ergebnis, der prozentuale Kursunterschied betrage pro Stimme 2,5 % bis 4,5% des Wertes der Stammaktie, so dass sich bei einem durchschnittlichen Aufschlag von 3,5 % und einem durchschnittlichen Börsenkurs von 145 € ein Aufschlag von 5,075 € pro Stimme, mithin 16.385 € je Aktie ergebe. Diese sei wegen der Minderdividende um 62 € zu kürzen, ferner sei ein Abschlag wegen der gesellschaftsspezifischen Besonderheiten, insbesondere der Vielzahl von Stimmen je Vorzugsaktie, von 33 % vorzunehmen, so dass der Wert einer Vorzugsaktie 10.396,41 € betrage.

b) Dem Senat erscheint diese Vorgehensweise angesichts der Besonderheiten der Vorzugsaktien des zu bewertenden Unternehmens nicht geeignet, diesen einen höheren Anteil am Unternehmenswert beizumessen als den Stammaktien. Dabei kann dahinstehen, ob aus Marktbeobachtungen überhaupt mit hinreichender Sicherheit die Existenz einer Stimmrechtsprämie abgeleitet werden kann (vgl. BayObLGZ 2002, 250/257). Jedenfalls beziehen sich diese Untersuchungen auf Aktiengattungen, die sich durch ein Stimmrecht unterscheiden. Mit den hier zu beurteilenden Vorzugsaktien, die mit jeweils 3.200 Stimmen ausgestattet sind, sind die untersuchten Aktien nicht vergleichbar; Vorzugsaktien mit tausenden von Stimmrechten sind nahezu einzigartig. Der Versuch, der Vielzahl der Stimmrechten pro Aktie durch einen pauschalen Abschlag von dem zunächst ermittelten Wert Rechnung zu tragen, ändert nichts daran, dass es an verlässlichen Grundlagen für eine vergleichende Wertermittlung gerade fehlt.

Auch im Übrigen fehlen Anhaltspunkte, die die Annahme eines höheren Verkehrswertes der Vorzugsaktien gegenüber den Stammaktien rechtfertigen könnten. Insbesondere lässt der von der Antragsgegnerin im Rahmen der Vorbereitung des Squeeze-Out entrichtete Preis für die Vorzugsaktien keinen Rückschluss auf den tatsächlichen Wert dieser Aktien zu, zumal sämtliche 396 Vorzugsaktien sich im Besitz der T-AG befunden haben, die schon ihre übrigen (Stamm)Aktien an der F-AG bei der Gründung der Antragsgegnerin in diese eingebracht hatte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass bei der Ausgabe der Vorzugsaktien eine finanzielle Gegenleistung für die Stimmrechte entrichtet worden wäre. Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Aktionäre, der nun in § 53a AktG ausdrücklich festgelegt ist, gebietet es ebenfalls nicht, ohne hinreichende Anhaltspunkte für einen konkreten und messbaren wirtschaftlichen Wert der Mehrstimmrechte die Vorzugsaktien anders zu bewerten als die Stammaktien. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei der Schaffung der unterschiedlichen Aktiengattungen diese als gleichwertig betrachtet wurden und die Minderdividende ein angemessenes Gegengewicht zu dem höheren Stimmrecht bilden sollte (vgl. OLG Karlsruhe AG 2006, 463; Peemöller/Wiechers S. 465 Rn. 224). Einen Vermögensmehrwert der Vorzugsaktien vermag der Senat deshalb nicht festzustellen. Die Vorzugsaktien mögen ihrem Inhaber bei geringer Kapitalbeteiligung ein die Sperrminorität deutlich überschreitendes Stimmgewicht verschaffen. Die sich daraus ergebenden Einflussmöglichkeiten können jedoch nicht hinreichend verlässlich mit einem bestimmten Geldbetrag beziffert werden.

9. Die Verzinsung der Barabfindung ergibt sich aus dem Gesetz und ist deshalb nicht zwingend in den Tenor aufzunehmen (vgl. OLG Hamburg AG 2002, 89; Hüffer § 305 Rn. 26a a.E.). Die Barabfindung ist nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG ab dem Wirksamwerden des Unternehmensvertrages, also mit dessen Eintragung in das Handelsregister (§ 294 Abs. 2 AktG) zu verzinsen. Die Bedenken des Antragstellers zu 3, der eine Verzinsung vom Tag der Hauptversammlung an fordert, hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung vermag der Senat nicht zu teilen. Der Abfindungsanspruch entsteht erst mit der Wirksamkeit des Unternehmensvertrages. Weshalb aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch bereits vor seiner Entstehung zu verzinsen sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.

C) Begründet sind die Beschwerden, soweit sie auf die Erhöhung des Ausgleichs gerichtet sind. Diesen setzt der Senat auf 11,40 € brutto je Stammstückaktie fest.

1. Gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG muss ein Gewinnabführungsvertrag für die außenstehenden Aktionäre eine angemessene Ausgleichszahlung durch eine auf die Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung vorsehen. Für die Bemessung des festen Ausgleichs ist nach § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG der durchschnittliche, auf die einzelnen Aktionäre zu verteilende Gewinnanteil zu ermitteln, der sich nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten ergibt, die sie als unabhängiges, durch einen Beherrschungsvertrag nicht gebundenes Unternehmen hätte (BGHZ 138, 136/140; 156, 57/60). Der Ausgleichsanspruch tritt an die Stelle der notwendig ausfallenden Dividende (vgl. BGHZ 156, 57/61; BayObLG AG 2002, 390/391). Bei der Bemessung bleibt deshalb das nicht betriebsnotwendige Vermögen außer Betracht.

2. Bei der Berechnung des angemessenen Ausgleichs ist nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Bruttogewinnanteil je Aktie abzustellen. Hiervon ist die Körperschaftsteuerbelastung in der jeweils gesetzlich angegebenen Höhe abzusetzen (BGHZ 156, 57/61). Desgleichen muss die gesetzlich bestimmte Höhe des Solidaritätszuschlags berücksichtigt werden (BayObLG AG 2006, 41/45).

Der Bruttogewinnanteil ist aus dem Ertragswert herzuleiten. Hierbei legt der Senat unter Berücksichtigung von Risiko und Laufzeit den Kapitalisierungszinssatz vor Steuern für die ewige Rente in Höhe von 7 % zugrunde (vgl. BGH AG 2003, 627/629; BayObLG DB 2002, 36/38; OLG Stuttgart AG 2004, 43/47; KKAktG/Koppensteiner § 304 Rn. 67). Damit ergibt sich ein durchschnittlicher Bruttogewinn von 25.645.000 € und ein Anteil je Stammstückaktie von 11,40 €. Der auf die Vorzugsaktien entfallende Betrag von insgesamt 594 € wirkt sich rechnerisch nicht aus.

III.

1. Die Antragsgegner haben kraft Gesetzes die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG); Gründe für eine hiervon abweichende Billigkeitsentscheidung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG) sind nicht gegeben. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller hält der Senat die Anordnung einer Kostenerstattung nicht für veranlasst (§ 15 Abs. 4 SpruchG). Das Beschwerdeverfahren hat nicht zu der begehrten Erhöhung, sondern zu einer Herabsetzung der Barabfindung geführt, lediglich der Ausgleich war geringfügig erhöht festzusetzen. Es erscheint deshalb angemessen, dass jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG zu bestimmen. Maßgeblich ist danach die Differenz zwischen der angebotenen und der vom Gericht festgesetzten Kompensationsleistungen je Aktie, multipliziert mit der Gesamtzahl der außenstehenden Aktien. Bei einer Erhöhung der Barabfindung von rund 17,50 € je Aktie und rund 440.000 ausstehenden Aktien (19,56 % der Aktien) ergibt sich ein Gesamtbetrag von 7,7 Mio. €, so dass der Höchstbetrag von 7,5 Mio. € festzusetzen ist.



Ende der Entscheidung

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