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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: 31 Wx 99/06
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 305
AktG § 320b Abs. 1
1. Die Frage der Angemessenheit der Abfindung ist Rechtsfrage und unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit.

2. Die Gerichte in Spruchverfahren haben unter Berücksichtigung des Schätzungsermessens die einzelnen Parameter der angemessenen Abfindung zu bestimmen und können es nicht dabei bewenden lassen, die angebotene Abfindung unter Billigkeitsgesichtspunkten zu überprüfen.

3. Es ist nicht verfehlt, bei der Errechnung der Barwerte davon auszugehen, dass die jährlich erwirtschafteten Erträge erst Mitte des Folgejahres ausgeschüttet werden.


Tenor:

I. Die sofortigen Beschwerden und die Anschlussbeschwerde der Verfahrensbeteiligten gegen die vom Landgericht im Beschluss vom 27. Oktober 2006 festgesetzte Abfindung nebst Zinsausspruch werden zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert beider Instanzen wird auf 2.488.590 EUR festgesetzt.

III. Die dem Vertreter der außenstehenden Aktionäre für die erste Instanz zu erstattenden Vergütungen und Auslagen werden einschließlich der gesetzlichen Umsatzsteuer auf 30.000 EUR festgesetzt.

IV. Insoweit werden Ziff. III und IV des Beschlusses des Landgerichts München I vom 27. Oktober 2006 abgeändert.

Gründe:

I. Verfahrensgegenstand ist die Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung für die Eingliederung der F.-AG in eine Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (Hauptgesellschaft). Die Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft stimmte dieser Strukturmaßnahme am 13.7.2000 zu. Deren ausscheidende Aktionäre erhielten u.a. ein Barabfindungsangebot in Höhe von 610 DM je Aktie, welches im Rahmen eines Vergleichs in einem Anfechtungsrechtsstreit auf 695 DM je Aktie erhöht worden ist. Die eingegliederte Gesellschaft wies ein Grundkapital von 262.614.700 DM auf, welches in 5.252.294 Aktien zum Nennbetrag von jeweils 50 DM eingeteilt war. Davon hielt die Hauptgesellschaft etwa 99 %.

Mehrere Antragsteller hielten auch dieses erhöhte Angebot für nicht angemessen und beantragten die Durchführung eines Spruchverfahrens. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 27.10.2006 die Abfindung auf 403,60 EUR für jede Inhaber- oder Namensaktie im Nennbetrag von 50 DM erhöht und die Verzinsung seit dem 24.9.2000 angeordnet.

Gegen diese Entscheidung legten verschiedene Verfahrensbeteiligte sofortige Beschwerde ein:

die Antragstellerin zu 1 am 17.11.2006

der Antragsteller zu 10 am 14.11.2006

der Antragsteller zu 13 am 16.11.2006

die Antragsgegnerin am 20.11.2006.

Die Antragstellerin zu 4 legte Anschlussbeschwerde ein. Die Verfahrensbeteiligten verfolgen mit ihrem Rechtsmittel ihre erstinstanzlichen Verfahrensziele weiter. Darüber hinaus wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Höhe des landgerichtlichen Geschäftswerts und gegen die festgesetzte Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre.

Der Senat hat zu dem weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten in der Rechtsmittelinstanz eine ergänzende Stellungnahme der gerichtlichen Sachverständigen erholt und diese im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.6.2007 angehört.

II. Die zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache keinen Erfolg.

Der Senat hält nach Anhörung der gerichtlichen Sachverständigen die von Landgericht festgesetzte Abfindung von 403,60 EUR je Aktie für angemessen.

1. Die ausgeschiedenen Aktionäre der eingegliederten Gesellschaft haben Anspruch auf angemessene Abfindung (§ 320b Abs. 1 Satz 1 AktG). Werden als Abfindung Aktien der Hauptgesellschaft gewährt, so ist die Abfindung als angemessen anzusehen, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der Hauptgesellschaft zu gewähren wären, wobei Spitzenbeträge durch bare Zuzahlungen ausgeglichen werden können (§ 320b Abs. 1 Satz 4 AktG). Die Barabfindung muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über die Eingliederung berücksichtigen (§ 320b Abs. 1 Satz 5 AktG). Die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses zwischen Aktien der eingegliederten Gesellschaft und der Hauptgesellschaft wird von den Antragstellern in der Rechtsmittelinstanz nicht gerügt. Hierzu enthält auch die Entscheidung des Landgerichts vom 27.10.2006 keinen Ausspruch.

a) Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht (BVerfGE 14, 263/284; 100, 289/304 f.; BayObLG NJW-RR 1996, 25/26; Hüffer AktG 7. Aufl. § 305 Rn. 18; MünchKomm AktG/Bilda 2. Aufl. § 305 Rn. 59). Zu ermitteln ist der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (BGHZ 138, 136/141). Für die nach § 320b AktG zu gewährende Barabfindung gelten keine anderen Grundsätze als die für Unternehmensverträge entwickelten (vgl. KK-AktG/Koppensteiner 3. Aufl. § 320b Rn. 10).

Der gemeinhin verwendete Begriff des Grenzpreises (vgl. BGHZ 138, 136/140) ist, wie die Erörterung in diesem Verfahren gezeigt hat, interpretationsbedürftig. Die gerichtlichen Sachverständigen haben in dem ergänzenden Gutachten für die Rechtsmittelinstanz darauf aufmerksam gemacht, dass es anlässlich einer den Aktionären auferlegten Strukturmaßnahme wie in einer Verkaufssituation sowohl einen Grenzpreis des "Verkäufers" als auch einen solchen des "Käufers" gebe, der gemeinhin höher sei. Denn der "Käufer" erwarte sich von seiner Strukturmaßnahme u.a. Synergieeffekte. Der Grenzpreis des "Käufers" werde in Abfindungsfällen üblicherweise nicht festgestellt, weil der Veranlasser der Strukturmaßnahme seine Erwartungen nicht offenbare. Die Verwendung des Begriffes des Grenzpreises ist insoweit missverständlich, als er nahe legt, dass die Abfindung, welche dem von der Strukturmaßnahme betroffenen Aktionär zusteht, ein Punktwert ist, der sich rechnerisch exakt berechnen lasse. Tatsächlich ist es so, bedingt durch die Besonderheiten der Berechnung über die Festlegung eines Unternehmenswerts zum Stichtag, dass eine Bandbreite von unterschiedlichen Werten als angemessene Abfindung existiert (OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714; BayObLG AG 2006, 41/43; OLG München AG 2007, 411/412).

Bei der Bemessung der angemessenen Abfindung ist darauf Bedacht zu nehmen, dass der Aktionär für den Verlust seiner Rechtsstellung voll zu entschädigen und dabei hinsichtlich der Höhe der Entschädigung nach dem "wahren Wert" seiner Beteiligung zu fragen ist (BVerfG AG 2007, 119/120). Die "volle" Entschädigung darf jedenfalls nicht unter dem Verkehrswert unter Berücksichtigung des Börsenkurses liegen (BVerfGE 100, 289/305; BVerfG AG 2007, 119/120). Diese Untergrenze aus der Bandbreite möglicher Werte ist für die hier zu treffende Entscheidung ohne Einfluss.

Den Gerichten des Spruchverfahrens kommt, wenn der Börsenkurs keinen Wert vorgibt, die Aufgabe zu, aus der Bandbreite möglicher Werte unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände einen Wert hieraus festzusetzen (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714; BayObLG AG 2006, 41/43; OLG München AG 2007, 411/412).

b) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist es nicht die Aufgabe der Gerichte in Spruchverfahren, die Abfindung, welche von dem von der Strukturmaßnahme begünstigten Verfahrensbeteiligten angeboten worden ist, in entsprechender Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB bzw. § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich einer Billigkeitskontrolle zu unterziehen. Vielmehr haben sie zu prüfen, ob die angebotene Abfindung angemessen ist. Die Frage nach der Angemessenheit ist nicht Tat-, sondern Rechtsfrage; dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt (Großkommentar AktG/Hirte/Hasselbach 4. Aufl. § 305 Rn. 62). Somit können es die Gerichte nicht dabei bewenden lassen, das Gutachten, auf welchem das Abfindungsangebot beruht, allein auf seine Vertretbarkeit in Bezug auf seine Einzelpunkte und auf das Gesamtergebnis zu überprüfen. Sachverständigengutachten, die für die Bemessung des Abfindungsangebots eine Rolle spielen, sind nicht wie Schiedsgutachten zu behandeln, die nur bei offenbarer Unrichtigkeit unverbindlich sind (BayObLG BB 1996, 687/688). Somit ist es Aufgabe der Gerichte, die einzelnen Parameter, welche für die Angemessenheit der Abfindung einschlägig sind, unter Anwendung des eröffneten Schätzungsermessens (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714; BayObLG AG 2006, 41/42; OLG München AG 2007, 411/412) rechtlich zu bewerten und festzulegen (vgl. BayObLG AG 1996, 176/178; OLG München Beschluss vom 10.5.2007 - 31 Wx 119/06; KK-SpruchG/Riegger Anh. zu § 11 Rn.1). Dies bedeutet jedoch nicht, dass in jedem Fall eine eigenständige Neubewertung unter Hinzuziehung eines eigenen gerichtlichen Sachverständigen zu erfolgen hat (BayObLG AG 2003, 569; OLG Stuttgart AG 2007, 128/129; OLG München Beschluss vom 10.5.2007 - 31 Wx 119/06).

2. Die Einwendungen der Verfahrensbeteiligten in der Rechtsmittelinstanz und die Erläuterung der gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung des Beschwerdeverfahrens führen nicht zu einem anderen Unternehmenswert, der die Festsetzung einer anderen Abfindung als die vom Landgericht festgesetzte bedingen würde.

a) Das Landgericht hat die Abfindung nach einer Berechnung des Unternehmenswerts vor persönlichen Steuern festgesetzt, weil die gesetzlichen Bestimmungen gegen deren Berücksichtigung sprächen und im Übrigen der neue Standard des IDW, welcher den Ansatz solcher Steuern bei der Unternehmensbewertung vorsieht, zum Stichtag noch nicht anwendbar gewesen sei. Demgegenüber berechnet der Senat den Unternehmenswert gemeinhin nach der derzeit herrschenden Nachsteuerbetrachtung auch in Altfällen (zuletzt: OLG München Beschluss vom 17.7. 2007 - 31 Wx 60/06), wenngleich sich Einwände in der betriebswirtschaftlichen Literatur gegen die Nachsteuerbetrachtung finden (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2007, 530/536 f.). Für eine Abweichung hiervon gibt es in dem zu entscheidenden Fall keinen Anlass, zumal die gerichtlichen Sachverständigen eine nachvollziehbare Nachsteuerberechnung vorgelegt haben. Sie kommen dabei zu dem Ergebnis, dass der Unternehmenswert nach persönlichen Steuern etwa 1,2 % unter dem errechneten Vorsteuerwert liegen. Die von den gerichtlichen Sachverständigen angewendete Berechnungsmethode entspricht zwar nicht zur Gänze derjenigen, welche der Senat üblicherweise anwendet, ist aber in ihren Ansätzen sachlich nachvollziehbar und führt nicht zu unangemessenen Ergebnissen. Es sind insbesondere keine Gründe ersichtlich, die durchgreifend gegen die von den gerichtlichen Sachverständigen angewendete Berechnungsweise sprechen würden. Eine Differenz zwischen dem Vor- und dem Nachsteuerunternehmenswert in Höhe von 1,2 % und eine sich hieraus ergebende rechnerische Abweichung bei der Barabfindung rechtfertigt es allerdings nicht, einen anderen Betrag als das Landgericht als angemessene Abfindung festzusetzen. In einem solchen Fall geringfügiger Abweichung kann nicht festgestellt werden, dass nur der höhere oder der niedere Wert den Anforderungen an die Angemessenheit des Abfindungsbetrages entspricht. Der vom Landgericht festgesetzte Wert bedarf daher keiner Korrektur.

b) Der von dem gerichtlichen Sachverständigen zugrunde gelegte Kapitalisierungszinssatz ist als Schätzgrundlage für eine angemessene Abfindung nicht zu beanstanden.

aa) Das Landgericht geht mit den Sachverständigen von einem Basiszinssatz von 5,7 % aus. Bemessungsgrundlage für diesen Wert war die langfristig erzielbare Rendite von Anleihen öffentlicher Emittenten. Der Senat orientiert sich bei der Festlegung der Höhe dieses Zinssatzes anhand der Zinsstrukturkurve von Null-Coupon-Anleihen (OLG München AG 2007, 411/412). Unter Anwendung der Nelson-Siegel-Svensson-Funktion ergibt sich nach der Methode des IDW zur Berechnung eines internen Zinsfußes für den Stichtag ein Wert von 5,65 %. Dieser so gefundene Wert bietet keinen Anlass für eine Korrektur des von den gerichtlichen Sachverständigen angenommenen Basiszinssatzes.

bb) Auch der in der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegte Risikozuschlag von 2,42 % bedarf keiner Korrektur. Der Senat hat für die eingegliederte Gesellschaft zu einem Stichtag 14.12.1995 einen Risikozuschlag von 2,5 % angenommen (OLG München AG 2007, 411/412). Die Gründe, welche für die Festlegung dieses Wertes bestimmend waren, bestehen fort. Es ist jedoch nicht begründbar, dass der vom Senat in einer vorangegangenen Entscheidung angenommene Wert eine tauglichere Schätzgrundlage für die Bestimmung des Unternehmenswerts ist als der von den gerichtlichen Sachverständigen gefundene und vom Landgericht übernommene Wert. Daher ist unter rechtlichen Gesichtspunkten eine Änderung dieses Werts nicht geboten.

cc) Schließlich ist der vom Landgericht zugrunde gelegte Wert des Wachstumsabschlags von 1 % nicht zu beanstanden. Er entspricht dem Wert, den der Senat in einem vorangegangenen Spruchverfahren für die eingegliederte Gesellschaft für angemessen erachtet hat (OLG München aaO.). Die Darlegungen der gerichtlichen Sachverständigen und der Verfahrensbeteiligten in diesem Verfahren haben keine Anhaltspunkte ergeben, dass der spätere Stichtag eine Korrektur des in der früheren Entscheidung vertretenen Wachstumsabschlags erforderlich machen würde. Vielmehr gehen auch die Sachverständigen für dieses Verfahren von einem Wert von 1 % aus.

c) Die Einwendungen der Verfahrensbeteiligten gegen die von den gerichtlichen Sachverständigen angewandte Methode der Unternehmensbewertung greifen im Ergebnis nicht durch. Aufgabe des Gerichts im Rahmen eines Spruchverfahren ist es, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert zu bestimmen (BGH ZIP 2006, 734/736; OLG Stuttgart ZIP 2004, 712/714; BayObLG AG 2006, 41/43; OLG München AG 2007, 287/288). Dies bedeutet hingegen nicht, dass die Unternehmensbewertung ausschließlich und allein nach den Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland zu erfolgen hat. Die gerichtlichen Sachverständigen führten nachvollziehbar aus, dass sie sich bei der Ermittlung des Unternehmenswertes an dem Stand der betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertungslehre orientiert haben, der zum Bewertungsstichtag galt, der aber in den Standards des IDW noch nicht abgebildet war. Eine derart vorgenommene Bewertung wird den Anforderungen, die an Unternehmensbewertungen im Rahmen eines Spruchverfahrens zu stellen sind, gerecht, wenn die methodische Vorgehensweise im Einzelnen dargelegt wird. Dies haben die gerichtlichen Sachverständigen beachtet. Daher sind gegen deren Darlegungen unter methodischen Gesichtspunkten Einwände nicht zu erheben.

d) Auch die Einwendungen der Antragsgegner zu den von den Sachverständigen korrigierten Planungen haben im Ergebnis keinen Erfolg. Die fehlende angebliche rechnerische Nachvollziehbarkeit des Ertrags aus laufender Unternehmertätigkeit ist bereits beim Landgericht in der ergänzenden Stellungnahme vom 29.9.2005 widerlegt worden. Auch im Übrigen sind die erhobenen Einwendungen nicht geeignet, den im Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen ermittelten Unternehmenswert als taugliche Schätzgrundlage für die Festsetzung einer angemessenen Abfindung in Frage zu stellen. Sie haben nachgewiesen, dass sie bei den versicherungstechnischen Ergebnissen für die ewige Rente aufgrund eigenständiger Beurteilung zu einem geringfügig höheren Verlust als die Planung der eingegliederten Gesellschaft gelangt sind und diese Korrektur somit die Antragsgegner nicht benachteiligt. Ferner gibt es keine Anhaltspunkte, welche dafür sprechen, dass das Rückversicherungsgeschäft für sich genommen zyklisch im strengen Sinne wäre. Stärkere jährliche Schwankungen sind nicht erkennbar konjunkturbedingt, sondern offensichtlich von nicht beeinflussbaren Schadensereignissen abhängig.

e) Schließlich besteht kein Anlass, das von allen Verfahrensbeteiligten angegriffene Kapitalanlageergebnis zu korrigieren. Die gerichtlichen Sachverständigen haben die in dem Planungszeitraum anzusetzenden Kapitalanlagen mit unterschiedlichen Zinssätzen verrentet. Dabei gingen sie für die Ergebnisse aus den verschiedenen Vermögensanlagen von folgenden Zinssätzen aus: Bei Beteiligungen an Unternehmen:

15 %, für solche aus Grundstücksbeteiligungen: 5,7 %, bei festverzinslichen Wertpapieren: zwischen 6,1 % und 6,7 %, sowie bei sonstigen Kapitalanlagen von 3,5 %. Die angesetzten Werte sind nachvollziehbar begründet und entsprechen den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die Vorgehensweise der unterschiedlichen Bewertung der Vermögensanlagen entspricht im Grundsatz derjenigen, welches der gerichtliche Sachverständige im vorangegangenen Spruchverfahren, welche die eingegliederte Gesellschaft betraf, angewendet hatte. Sie ist auch methodisch nachvollziehbar. Angesichts der Verschiedenheit der zu bewertenden Vermögensanlagen ist keine unmittelbare Korrelation zwischen Erträgen aus diesen Kapitalanlagen und dem Kapitalisierungszinssatz ersichtlich. Während die Erträge unternehmensbezogen individuell ermittelt werden müssen, weist der Kapitalisierungszinssatz eine generelle und auch anlegerbezogene Komponente auf (vgl. IDW S1 Tz. 101). Hinzu kommt, dass die Erträge aus den Kapitalanlagen davon abhängen, welches konkrete Portfolio untersucht wird, der Kapitalisierungszinssatz aber nicht anhand der Erträge von vorhandenen Vermögensanlagen des bewerteten Unternehmens ermittelt wird.

Die gerichtlichen Sachverständigen haben des Weiteren die Behauptung der Antragsgegnerin widerlegt, wonach sie von einer Anlagerendite von 47 % ausgegangen wären. Schließlich ist deren Vorgehensweise, entgegen der Planung der Gesellschaft ab 2001 weiterhin Erträge für gehaltene Beteiligungen anzusetzen, betriebswirtschaftlich nicht fehlerhaft, da nicht davon auszugehen ist, dass Beteiligungserträge in einem bestimmten Jahr abrupt enden.

f) Ferner ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragsteller keine Erhöhung des Unternehmenswerts dadurch, dass die eingegliederte Gesellschaft unangemessen Vermögen zurückgehalten hat, welches an die Aktionäre hätte ausgeschüttet werden müssen. Nach § 341g HGB haben Versicherungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle Rückstellungen zu bilden. § 341h HGB zwingt zur Bildung von Schwankungsrückstellungen zum Ausgleich der Schwankungen im Schadensverlauf künftiger Jahre. Diese gesetzlichen Verpflichtungen sind hier bei der Bewertung einer Rückversicherung unabhängig davon zu berücksichtigen, dass das Vorsichtsprinzip generell bei Unternehmensbewertungen für Abfindungsfälle nicht gilt.

Die gerichtlichen Sachverständigen haben in der mündlichen Verhandlung vom 26.6.2007 darüber hinaus überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass in der Planungsrechnung Rückstellungen nicht enthalten waren und sich überdies Rückstellungen in der Höhe des Finanzergebnisses niederschlagen. Die Erträge aus den Rückstellungen sind in den Unternehmenswert eingeflossen, so dass es betriebswirtschaftlich nicht notwendig ist, einen Sonderwert zu bilden, welcher dem Unternehmenswert außerhalb der erfassten Zahlungsströme hinzugerechnet werden müsste.

g) Ein anderer Unternehmenswert muss schließlich nicht deshalb angenommen werden, weil ein abweichender Diskontierungszeitpunkt für die Ausschüttung der erwirtschafteten Erträge zugrunde gelegt werden müsste. Der Antragsteller zu 13 vertritt die Auffassung, dass zutreffender Zeitpunkt der Bilanzstichtag sei, während die gerichtlichen Sachverständigen die Jahresmitte des Folgejahres für die Ausschüttung der Dividenden zugrunde legen. Die von dem Antragsteller zu 13 favorisierte Vorgehensweise würde zu etwas höheren Barwerten führen.

Die gerichtlichen Sachverständigen haben jedoch überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass bei der geforderten zahlungsstromorientierten Vorgehensweise bei der Unternehmensbewertung auch die Zahlungstermine realistisch angesetzt werden müssen. Da der Gewinn des Vorjahres wegen verschiedener Gegebenheiten erst mit zeitlichem Nachlauf ausgeschüttet werden kann, ist es nicht zu beanstanden, wenn die gerichtlichen Sachverständigen für die Diskontierung als Auskehrungszeitpunkt die Jahresmitte des Folgejahres wählen.

h) Zuletzt können auch die Einwendungen der Antragsgegnerin gegen die von den gerichtlichen Sachverständigen angesetzten Sonderwerte nicht durchgreifen.

aa) Mit ihnen ist die Steuerbelastung aus der Diskontierung der Schadensrückstellungen mit einem negativen Wert von 61,6 Mio. DM und nicht mit einem Minderbetrag von 71,2 Mio. DM zu berücksichtigen. Die gerichtlichen Sachverständigen haben darauf hingewiesen, dass sich der betragsmäßige Unterschied durch unterschiedliche Diskontierungszeitpunkte ergibt. Während die Gutachter für die Bemessung des Abfindungsangebots von der Ausschüttung der Erträge zum Bilanzstichtag ausgingen, wählten die gerichtlichen Sachverständigen die Jahresmitte des Folgejahres als zutreffenden Zeitpunkt. Wie zum vorstehenden Gliederungspunkt dargelegt, ist bei einer zahlungsstromorientierten Betrachtungsweise davon auszugehen, dass die Erträge nicht zum Bilanzstichtag für die Ausschüttung zur Verfügung stehen, sondern erst mit geraumem zeitlichem Nachlauf hierzu. Daher ist der von den gerichtlichen Sachverständigen angenommene Zeitpunkt der Jahresmitte des Folgejahres methodisch nicht zu beanstanden.

bb) Die steuerlichen Vorteile aus der Abschreibung eines Anwachsungsverlustes sind bei der Bemessung des Unternehmenswerts für die Berechnung der Abfindung anzusetzen. Zu Recht weisen die gerichtlichen Sachverständigen darauf hin, dass es letztlich nicht darauf ankommt, ob diese steuerlichen Vorteile als unechte Synergien anzusehen sind. Vielmehr ist auf die besondere Art der Abfindung in Eingliederungsfällen wie dem hier vorliegenden abzustellen, welche nach Wahl der ausgeschiedenen Aktionäre entweder in Aktien der Hauptgesellschaft oder in einer angemessenen Barabfindung bestehen kann (§ 320b Abs. 1 Satz 3 AktG). Die beiden Abfindungskategorien müssen wertmäßig gleich sein. Die gerichtlichen Sachverständigen weisen insofern zu Recht auf den Eingliederungsbericht hin, in welchem als Vorteil beschrieben ist, dass den Aktionären, die die Abfindung in Aktien wählen, an den Vorteilen der genannten Umstrukturierung teilhaben. Würde hingegen die Barabfindung die Steuervorteile nicht umfassen, wäre ein Teil der ausscheidenden Aktionäre in verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer Weise wirtschaftlich benachteiligt.

III. 1. Die Gerichtskosten trägt nach § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG die Antragsgegnerin. Für eine abweichende Anordnung des Gerichts hierzu und für eine Abweichung von dem Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, besteht nach dem Verfahrensausgang keine Veranlassung (§ 15 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 SpruchG; vgl. KK-SpruchG/Rosskopf § 15 Rn. 45).

2. Als Geschäftswert der Rechtsmittelinstanz ist der Betrag anzunehmen, der von allen Antragsberechtigten nach der Entscheidung des Gerichts zusätzlich zu dem ursprünglich angebotenen Betrag insgesamt gefordert werden kann (§ 15 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SpruchG). Dem Angebot der Hauptgesellschaft von 355,35 EUR je Aktie steht die Entscheidung des Gerichts einer Abfindung von 403,60 EUR je Aktie gegenüber. Der Differenzbetrag von 48,25 EUR ist mit der Zahl der außenstehenden Aktien von 51.577 zu vervielfachen. Dies führt zur Festsetzung des Geschäftswerts für die Rechtsmittelinstanz in Höhe von 2.488.590 EUR. Nichts anderes kann für den Geschäftswert erster Instanz gelten (vgl. OLG München AG 2007, 411/415), da nach der Konzeption des Spruchverfahrensgesetzes die Geschäftswerte in den Instanzen identisch sind. Die Abweichung des Landgerichts beruhte lediglich auf einem Rechenfehler.

3. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre führt zur Herabsetzung der zu erstattenden Vergütung nebst Auslagen auf brutto 30.000 EUR für die erste Instanz. Diesen Betrag hat der Senat für ein vergleichbares Spruchverfahren für angemessen erachtet, welches die eingegliederte Gesellschaft und die Hauptgesellschaft betroffen hatte (OLG München AG 2007, 411/416). Art und Umfang der Verfahren gebieten keine Abweichung bei der Festsetzung der Höhe der dem Vertreter zuzuerkennenden Vergütungen und Auslagen.

Ende der Entscheidung

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