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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 25.10.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 107/05
Rechtsgebiete: GBO


Vorschriften:

GBO § 45
Werden in einem Vertrag über die unentgeltliche Übergabe eines Grundstücks zugunsten des Übergebers eintragungsfähige Rechte bestellt, so liegt darin eine stillschweigende Anordnung dahingehend, dass diese Rechte zusammen mit der Eigentumsumschreibung und im Rang vor später vom Erwerber bewilligten Rechten zugunsten Dritter eingetragen werden müssen. Bestellt der Erwerber in einer späteren Urkunde Grundpfandrechte, so kann er nicht wirksam anordnen, dass diese Grundpfandrechte Vorrang vor den Rechten des Übergebers haben sollen.
Tatbestand:

Zu notarieller Urkunde vom 7.11.2001 überließen die Beteiligten zu 1 den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz ihrem Sohn, dem Beteiligten zu 2; die Vertragsparteien erklärten die Auflassung. Der Beteiligte zu 2 räumte als Übernehmer den Beteiligten zu 1 in derselben Urkunde ein Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht ein. Er verpflichtete sich außerdem, den Vertragsbesitz nur mit Zustimmung der Übergeber zu belasten oder zu veräußern. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurde den Übergebern ein Rückforderungsrecht eingeräumt. Dieses Recht sollten die Beteiligten zu 1 auch dann haben, wenn der Beteiligte zu 2 zu Lebzeiten der Eltern verstirbt, ohne dass der Vertragsbesitz auf seine Abkömmlinge oder seinen Ehegatten übergeht.

Zur Sicherung dieses bedingten Rückübertragungsanspruchs bewilligte und beantragte der Beteiligte zu 2 in derselben Urkunde zugunsten der Beteiligten zu 1 die Eintragung einer Eigentumsvormerkung. Zur Sicherung des eingeräumten Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts wurde die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Beteiligten zu 1 und deren Eintragung im Grundbuch "an nächst offener Rangstelle" bewilligt und beantragt. Diese Bestimmungen finden sich in Abschnitt IV der Übergabeurkunde, welcher mit dem Titel "Bedingungen" überschrieben ist. Weiter ist in dieser Urkunde geregelt, dass verschiedene Rechte in Abt. III, die nach Angaben der Beteiligten nicht mehr valutierten, vom Erwerber mitgenommen werden sollten.

Die Urkunde wurde vom Notar nicht sofort zum Vollzug vorgelegt, sondern erst mit einer weiteren Urkunde vom 21.11.2001. In dieser Urkunde bewilligte und beantragte der Beteiligte zu 2 die Eintragung einer Buchgrundschuld zugunsten der Beteiligten zu 3 über 25.000 EUR. Am Ende dieser Urkunde findet sich der (anfangs maschinenschriftliche) Satz:

Die Grundschuld erhält vorerst nächst offenen Rang (nun handschriftlich weiter), jedoch Rang vor den Rechten der Ehegatten ... aus URNr. ...

Nach Vorlage der beiden Urkunden beim Grundbuchamt wurde die in der zweiten Urkunde bezeichnete Grundschuld im Rang vor den Rechten der Beteiligten zu 1 eingetragen.

Die Beteiligten zu 1 beantragten zunächst mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 4.2.2005 wegen Verletzung gesetzlicher Vorschriften die Amtslöschung der Grundschuld zugunsten der Beteiligten zu 3. Diesen Antrag wies das Amtsgericht - Grundbuchamt - mit Beschluss vom 16.2.2005 zurück. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 wurde mit Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 22.8.2005 ebenfalls zurückgewiesen. Gegen diese Zurückweisung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1, die nunmehr das Ziel verfolgt, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen den Vorrang der Grundschuld vor den Rechten der Beteiligten zu 1 anzuweisen. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten, die Beteiligten zu 2 unter Vortrag neuen Sachverhalts. Die nach § 78 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die gleichzeitige Vollziehung der Eigentumseintragung des Beteiligten zu 2 und der Grundschuldeintragung sei nicht zu beanstanden, da in der Grundschuldurkunde eine wirksame Rangbestimmung getroffen sei. Diese entspreche der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO. Der Notar sei auch gemäß § 15 GBO und durch die in der ersten Urkunde enthaltene Vollmacht befugt gewesen, eine solche Rangbestimmung zu treffen.

2. Diese Ausführungen des Landgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand: a. Dem Grundbuchamt ist bei Eintragung der Grundschuld im Rang vor den Rechten der Beteiligten zu 1 eine objektive Gesetzesverletzung im Sinne des § 53 GBO unterlaufen. Nur eine solche ist Voraussetzung bei Eintragung eines Amtswiderspruchs; ein Verschulden ist nicht erforderlich (vgl. Demharter, GBO, 25. Aufl., Rn. 21 zu § 53 GBO m.w.N.) und hier auch nicht ersichtlich. Für die bezeichnete objektive Gesetzesverletzung reicht es, wenn das Grundbuchamt die Eintragungsunterlagen fehlerhaft ausgelegt hat (vgl. Demharter a.a.O.). Dies ist der Fall:

Die Urkunde vom 7.11.2001 enthält nämlich eine stillschweigende Rangbestimmung, die sich sowohl aus der Interessenlage der Beteiligten wie auch aus dem Text der Urkunde selbst ergibt. Bei Übergabeverträgen ist regelmäßig davon auszugehen, dass jedenfalls nach dem Willen des Übergebers die Eintragung der Auflassung nur vollzogen werden darf, wenn gleichzeitig die zur Sicherung seiner Ansprüche vom Übernehmer bewilligten Grundbucheintragungen vorgenommen werden (BayObLGZ 1975, 5; OLG Hamm JR 1949, 226). Der mit der Rückauflassungsvormerkung und dem Wohnrecht vom Übergeber verfolgte Zweck wäre nämlich in Frage gestellt, wenn zunächst lediglich die Auflassung und dann im Rang vor den Rechten der Übergeber die vom Erwerber bestellte Grundschuld eingetragen werden würde.

Für eine derartige Auslegung spricht auch die Aufnahme des Wortes "Bedingung" in die Überschrift des entsprechenden Abschnitts der Urkunde. Dass in der Urkunde selbst die Eintragung der Rechte der Übergeber an "nächst offener Rangstelle" bewilligt und beantragt wurde, bleibt demgegenüber ohne Bedeutung. Die Beteiligten konnten davon ausgehen, dass weitere Belastungen als die, welche sich aus dem Grundbuchauszug ergaben, nicht vorhanden sein würden.

Eine derartige stillschweigende Rangbestimmung ist von der Rechtsprechung gerade für Fälle dieser Art anerkannt (KG JW 1936, 1475; BayObLGZ 1972, 46; 1992, 140). In dem vom Landgericht zitierten Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 7.5.1982 (Rpfleger 1982, 334) fehlte hingegen eine derartige Interessenlage ebenso wie eine Bezugnahme im Text. Somit stand die Rangbestimmung seitens des Erwerbers in der notariellen Urkunde vom 21.11.2001 im Widerspruch zur stillschweigend getroffenen Rangbestimmung in der Urkunde vom 7.11.2001. Es kann nun dahinstehen, ob diese Situation dazu führt, dass die Grundschuld mangels einer Übereinstimmung von Einigung und Eintragung gar nicht entstanden ist (so OLG München MittBayNot 1994, 329). Jedenfalls war für das Grundbuchamt klargestellt, dass die Grundbuchanträge (Eigentumsumschreibung und Eintragung der Rechte der Übergeber) in der Übergabeurkunde nicht trennbar waren. Es musste zwingend vor jeder anderen Eintragung - also insbesondere vor der Eintragung der Grundschuld - zusammen mit der Auflassung die Eintragung der zugunsten der Beteiligten zu 1 bestellten Rechte erfolgen. Dass dies nicht geschah begründet die Feststellung einer Gesetzesverletzung bei der Eintragung.

b. Das Grundbuch ist auch jetzt noch unrichtig, weil - wie dargestellt - das derzeit im Grundbuch verlautbarte Rangverhältnis nicht der materiellen Rechtslage entspricht.

3. Neues tatsächliches Vorbringen des Beteiligten zu 2 war nicht zu berücksichtigen, da die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts für das Gericht der weiteren Beschwerde entsprechend § 559 ZPO grundsätzlich bindend sind (BayObLGZ 1971, 309). Bei der Tatsachenfeststellung des Landgerichts wurden auch die bei den Akten bereits befindlichen Urkunden beachtet.

Ende der Entscheidung

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