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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 07.06.2005
Aktenzeichen: 32 Wx 32/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 24 Abs. 5
Lässt sich ein Verwalter bei der Leitung einer Eigentümerversammlung von einem Rechtsanwalt vertreten, so sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse keine Nichtbeschlüsse. Ob wegen einer solchen Vertretung Beschlüsse für ungültig erklärt werden können, bleibt offen. Eine Ungültigerklärung ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn feststeht, dass sich die Versammlungsleitung durch den Vertreter auf das Beschlussergebnis nicht ausgewirkt haben kann.
Tatbestand:

Die Antragsteller und der Antragsgegner waren Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Die Antragstellerin und der Antragsteller waren Miteigentümer je zur Hälfte eines Miteigentumsanteils von 1/9. Der Antragsteller war Miteigentümer zu 2/9, der Antragsgegner Miteigentümer zu 6/9. Nach der Teilungserklärung richtet sich das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen.

Die weitere Beteiligte ist Verwalterin der Wohnanlage.

Am 26.4.2001 fand eine Eigentümerversammlung statt. Dort wurden verschiedene Beschlüsse gefasst, wegen deren Inhalt auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen wird.

Die Eigentümerversammlung leitete als Vertreter der weiteren Beteiligten der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners und der weiteren Beteiligten. Dieser vertrat auf der Versammlung auch den Antragsgegner. Die Antragstellerin wurde ebenfalls vertreten. Der Antragsteller war persönlich anwesend.

Die Antragsteller haben beim Amtsgericht die Ungültigerklärung der auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse beantragt. Mit Beschluss vom 22.4.2004 hat das Amtsgericht einen Teil der Beschlüsse für ungültig erklärt und die Anträge im Übrigen abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht am 7.3.2005 die Entscheidung des Amtsgerichts dahin abgeändert, dass sämtliche auf der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt wurden. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners und der weiteren Beteiligten. Das zulässige Rechtsmittel führte zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung.

Gründe:

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Sämtliche Beschlüsse, die auf der Eigentümerversammlung vom 26.4.2001 gefasst worden seien, seien unter Verstoß gegen das Prinzip der Nichtöffentlichkeit zustande gekommen und die Ursächlichkeit des Verstoßes für die Beschlussfassung lasse sich nicht ausschließen. Es stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit dar, wenn anstelle der Verwalterin und des mit Stimmenmehrheit ausgestatteten Miteigentümers in Doppelfunktion ein Rechtsanwalt auftrete. Eine ungestörte Meinungsbildung der Wohnungseigentümer sei von vornherein ausgeschlossen. Außerdem stelle die Vertretung in der Versammlungsleitung einen Verstoß gegen § 24 Abs. 5 WEG dar.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Eigentümerversammlung ist nicht verstoßen worden. Dieser Grundsatz schließt es nämlich nicht aus, dass sich ein zur Teilnahme Befugter vertreten lässt (vgl. z.B. Palandt/Bassenge 64. Aufl. § 24 WEG Rn. 15 und § 25 WEG Rn. 3). Eine abweichende Regelung durch Vereinbarung, insbesondere eine Beschränkung der Vertretungsmöglichkeit, hat das Landgericht nicht festgestellt. Im Hinblick auf § 24 Abs. 5 WEG erscheint es allerdings nicht unbedenklich, dass die Verwalterin die Leitung der Versammlung einem Rechtsanwalt übertragen hat (vgl. LG Berlin WuM 1989, 203; Staudinger/Bub BGB § 25 WEG Rn. 87a). Ob und gegebenenfalls inwieweit eine solche Vertretung zulässig ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine derartige Vertretung unzulässig ist und auch nicht stillschweigend durch die Versammlungsteilnehmer genehmigt wurde, führt dies jedenfalls in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden nicht dazu, dass die gefassten Beschlüsse Nichtbeschlüsse sind. Der gegenteiligen Auffassung von Lüke (Weitnauer Wohnungseigentumsgesetz 9. Aufl. § 24 Rn. 15) vermag der Senat nicht zu folgen. Der Verwalter kann sich nicht nur bei seiner Anwesenheit einer Hilfsperson bedienen (BayObLG NZM 2001, 766), sondern kann die Versammlungsleitung auch auf einen Dritten übertragen, jedenfalls dann, wenn dieser in seinen Geschäftsbetrieb eingegliedert ist (Staudinger/Bub § 24 WEG Rn. 87). Auch für Personengesellschaften und juristische Personen als Verwalter ist anerkannt, dass die Versammlungsleitung nicht von dem vertretungsberechtigten Gesellschafter bzw. Vorstand oder Geschäftsführer wahrgenommen werden muss, sondern auch einem Prokuristen übertragen werden kann (Weitnauer/Lüke § 24 WEG Rn. 16). Das zeigt, dass die Versammlungsleitung durch den Verwalter kein so fundamentaler Grundsatz des Wohnungseigentumsrechts ist, dass bei einem Verstoß hiergegen von Nichtbeschlüssen ausgegangen werden müsste. Unterstrichen wird dies dadurch, dass die Eigentümerversammlung jederzeit einen anderen Versammlungsleiter wählen kann (§ 24 Abs. 5 letzter Halbsatz WEG). Vom Zustandekommen von Beschlüssen ist deshalb jedenfalls dann auszugehen, wenn der Versammlungsleiter seine Befugnis zur Versammlungsleitung vom Verwalter ableiten kann. Ob etwas anderes gelten würde, wenn eine dritte Person ohne oder gegen den Willen des Verwalters oder der Eigentümerversammlung die Versammlungsleitung übernehmen würde, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

Bei Annahme eines Verstoßes gegen § 24 Abs. 5 WEG würde es sich deshalb nur um einen formalen Mangel handeln. Formale Mängel führen aber nicht zur Nichtigkeit von Beschlüssen. Sie können lediglich eine Anfechtung begründen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Beschlussergebnis auf dem Mangel beruht (vgl. z.B. für Einberufungsfehler BayObLG NZM 2002, 346; für die versehentliche Nichteinladung eines Wohnungseigentümers BGH NJW 1999, 3713; für einen Verstoß gegen die Form der Einladung BayObLGZ WE 2001, 492; für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit BayObLG NZM 2004, 388).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann hier ausgeschlossen werden, dass bei einer Versammlungsführung durch die Verwalterin andere Beschlussergebnisse zustande gekommen wären. Das ergibt sich bereits aus der Stimmenmehrheit des Antragsgegners. Dass die weitere Beteiligte durch ihre persönliche Versammlungsleitung in irgendeiner Weise eine andere Beschlussfassung ermöglicht hätte, ist fern liegend. Insbesondere ist nicht dargetan, dass die weitere Beteiligte eine in irgendeiner Weise neutralere Stellung eingenommen hätte, als dies ihr Bevollmächtigter getan hat. Soweit das Landgericht für die Kausalität zugleich auf die Verletzung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit abgestellt hat, kann diesem Gesichtspunkt - wie ausgeführt - keine Bedeutung beigemessen werden, da ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit nicht vorliegt.

c) Die Entscheidung des Landgerichts kann somit mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Da das Landgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent, sich mit der Sache selbst nicht befasst hat, insbesondere keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, ist das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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