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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 19.05.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 58/06
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 43
WEG § 27 Abs. 2 Nr. 5
Wenn ein Verwalter nach dem Wortlaut des Verwaltervertrages nur zur Prozessführung namens der Wohnungseigentümer ermächtigt ist, kann darin auch eine Ermächtigung zur Prozessführung im eigenen Namen zu sehen sein, wenn der Verwalter insgesamt mit umfassenden Befugnissen ausgestattet ist, um seine Verwaltungsaufgaben zu erledigen.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Verwalterin einer Wohnanlage, in der der Antragsgegner Wohnungseigentum hat. Sie macht in Verfahrensstandschaft gegen den Antragsgegner rückständiges Wohngeld für das Jahr 2003 in Höhe von 1.597,47 EUR und für das Jahr 2004 in Höhe von 1.469,79 EUR geltend. Die den jeweiligen Forderungen zugrunde liegenden Genehmigungsbeschlüsse für Einzel- und Gesamtabrechnungen sind bestandskräftig. In den Beschlüssen wurden die Forderungen jeweils zum 28.8.2004 bzw. zum 25.8.2005 fällig gestellt.

Nach § 2.25 des Verwaltervertrages vom 31.7.1995, verlängert durch bestandskräftigen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23.7.2004 bis 31.10.2007, ist die Verwalterin berechtigt, im Namen aller Wohnungseigentümer und mit Wirkung für und gegen sie Ansprüche der Gemeinschaft gegenüber säumigen Eigentümern gerichtlich geltend zu machen. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner zur Zahlung des Wohngeldes für das Abrechnungsjahr 2003 mit Schreiben vom 3.11.2004 unter Fristsetzung bis 15.11.2004 gemahnt. Für den Wohngeldanspruch für das Jahr 2004 ist dem Antragsgegner der Antrag durch das Amtsgericht am 16.9.2005 zugestellt worden.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von 3.067,26 EUR nebst Zinsen von 5 % über dem Basiszinssatz aus 1.597,47 EUR seit 16.11.2004, sowie aus 1.469,79 EUR seit 8.7.2005 zu verpflichten. Mit Beschluss vom 26.9.2005 hat das Amtsgericht dem Antrag im Wesentlichen stattgegeben und nur wegen eines Teilbetrags des Zinsanspruchs abgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt und zusätzlich den Widerantrag gestellt, die Antragstellerin zur Zahlung eines Zwangsgeldes für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Herausgabe der Kopien aller der Jahresabrechnung für 2002 zugrunde liegenden Belege zu verpflichten. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 13.3.2006 die Beschwerde zurückgewiesen und den Widerantrag verworfen. Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt und seinen Widerantrag dahingehend abgeändert, dass die Zwangsgeldanordnung die Herausgabe der Belege für die Jahre 2003 und 2004 betreffen solle.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Verwalterin sei auf Grund des Verwaltervertrages berechtigt, die Wohngeldansprüche gerichtlich geltend zu machen. Die Ansprüche beruhten auf bestandskräftig genehmigten Jahresabrechnungen. Einwände gegen die jeweiligen Beschlussfassungen seien hier nicht mehr zu berücksichtigen, schon gar nicht, soweit es sich um andere Tagesordnungspunkte der Wohnungseigentümerversammlung handle.

Der Gegenantrag sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit zu verwerfen, da der Antragsgegner bereits in einem anderen Beschwerdeverfahren einen identischen Antrag gestellt habe.

2. Die Entscheidung des Landgerichts hält in vollem Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verwalterin zur Geltendmachung der Wohngeldforderungen im eigenen Namen berechtigt ist. Hier ergibt sich die Ermächtigung zur Prozessführung aus dem Verwaltervertrag vom 31.7.1995, der durch bestandskräftigen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23.7.2004 bis einschließlich 31.10.2007 verlängert wurde. Im Verwaltervertrag ist zwar in § 2.25 nur von einer Ermächtigung zur Geltendmachung "im Namen aller Wohnungseigentümer" die Rede. Die Regelung übernimmt damit den Wortlaut der gesetzlichen Regelung aus § 27 Abs. 2 WEG. Diese umfasst sowohl die Möglichkeit der Bevollmächtigung, wie auch die Verfahrensstandschaft des Verwalters, also die Geltendmachung des Anspruchs im eigenen Namen. Was im konkreten Fall gewollt ist, muss also durch Auslegung ermittelt werden (Riecke/Schmid KK-WEG/Abramenko § 27 WEG Rn. 40).

Nach § 2.2 des Verwaltervertrages ist die Verwalterin mit umfassenden Befugnissen ausgestattet, um die genannten Verwaltungsaufgaben - einschließlich der selbständigen Prozessführung - sinnvoll erfüllen zu können. Es entspricht daher dem Sinn und Zweck dieser weit reichenden Ermächtigungen, darin auch eine Befugnis zur Prozessführung im eigenen Namen zu sehen (vgl. BayObLGZ 1969, 209/213). Das notwendige eigene schutzwürdige Interesse, welches im Falle einer gewillkürten Prozessstandschaft gegeben sein muss, folgt aus der Pflicht des Verwalters, die ihm obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß und reibungslos zu erfüllen (BGHZ 73, 302/ 307; 104, 197/199).

An dieser vertraglich wirksam vereinbarten Berechtigung der Verwalterin, Ansprüche der Wohnungseigentümer in Prozessstandschaft geltend zu machen, hat sich auch durch die Anerkennung der Eigentümergemeinschaft als teilrechtsfähig (vgl. BGH NJW 2005, 2061 = ZMR 2005, 547) nichts geändert. Zwar stehen Ansprüche im Rahmen der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums nun nicht mehr den Wohnungseigentümern, sondern dem teilrechtsfähigen Verband zu. Die vertragliche Ermächtigung des Verwalters umfasst aber auch diese Ansprüche (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.12.2005, Az.: 34 Wx 126/05 = NJW-RR 2006, 592).

b) Das Landgericht hat ebenfalls vollkommen zutreffend ausgeführt, dass die Wohngeldansprüche auf bestandskräftig genehmigten Jahresabrechnungen beruhen (§§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 5 WEG). Die Beschlüsse über die Genehmigungen der Jahresabrechnungen begründen originäre Beitragsschulden in dieser Höhe (Bärmann/ Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 28 Rn. 140 und 46 m.w.N.). Eventuelle inhaltliche Fehler der Jahresabrechnungen hätten nur im Wege der Anfechtung der Genehmigungsbeschlüsse geltend gemacht werden können (Bärmann/Pick/Merle aaO Rn. 146). Da eine solche Anfechtung nicht erfolgt ist, sind die Beschlüsse bestandskräftig. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit der Beschlüsse sind nicht ersichtlich.

c) Auch ein Zurückbehaltungsrecht des Antragsgegners ist nicht gegeben. Der Zweck des Wohngeldes liegt in der Bereitstellung von Mitteln, die zur geordneten laufenden Wirtschaftsführung notwendig sind und die entsprechend regelmäßig von den Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt werden müssen. Ein Zurückbehaltungsrecht kann daher allenfalls in eng umschriebenen Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. Niedenführ/Schulze Weg 7. Aufl. § 28 Rn. 45; Bärmann/ Pick/ Merle aaO Rn. 150).

Soweit sich der Antragsgegner darauf beruft, er habe gegen die Verwalterin einen Anspruch auf Erteilung von Kopien der Buchhaltungsbelege, können diese Einwände, unabhängig von der Frage der Begründetheit und der Gegenseitigkeit des Anspruchs, der Wohngeldforderung nicht entgegengehalten werden. Es bedurfte daher auch im Wohnungseigentumsverfahren trotz des hier geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 12 FGG) keiner weiteren Beweiserhebungen durch die Tatsacheninstanzen.

d) Gleiches gilt für den Zeitpunkt des Verzuges. Nachdem in den jeweiligen Genehmigungsbeschlüssen für die Fälligkeit ein kalendarischer Termin bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 BGB), tritt zu diesem Zeitpunkt Verzug ein, ohne dass es auf den Zugang von Mahnung und Antragstellung ankommt (vgl. Niedenführ/Schulze aaO § 28 Rn. 127).

e) Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht den Gegenantrag des Antragsgegners als unzulässig verworfen. Zwar sind in Wohnungseigentumsverfahren analog zur Widerklage Gegenanträge zulässig, wenn die Verfahrensbeteiligten identisch sind und der Gegenantrag mit dem Antrag im Zusammenhang steht (BayObLGZ 1979, 117/ 121). Sie können grundsätzlich auch noch in der Beschwerdeinstanz gestellt werden. Nachdem aber der eindeutig im Hinblick auf die Unterlagen für das Jahr 2002 gestellte Antrag bereits Gegenstand eines anhängigen Wohnungseigentumsverfahrens ist, hatte das Landgericht diesen Umstand von Amts wegen zu beachten (Riecke/Schmidt aaO vor §§ 43 ff. WEG Rn. 43; BayObLG ZBlFG 16, 378).

3. Soweit der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren erstmals einen Gegenantrag bezüglich der Buchungsunterlagen für die Jahre 2003 und 2004 stellt, ist dieser nicht mehr zulässig (BayObLG WuM 1985, 31) und daher abzuweisen.

4. Der Senat hält es nach § 47 WEG für angemessen, dem in allen Instanzen unterlegenen Antragsgegner sowohl die gerichtlichen, als auch die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die Geschäftswertfestsetzung nach § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG erfolgt in Übereinstimmung mit der Vorinstanz, wobei für den in der Rechtsbeschwerdeinstanz neu gestellten Gegenantrag das Interesse des Antragsgegners auf 1.000 EUR geschätzt wurde.



Ende der Entscheidung

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