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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: 32 Wx 78/06
Rechtsgebiete: KostO, HRegGebV, Richtlinie 85/303/EWG


Vorschriften:

KostO § 79a
HRegGebV § 2 Abs. 2
Richtlinie 85/303/EWG
Die Anwendung des § 2 Abs. 2 HRegGebV für die Eintragung einer Vielzahl von inhaltsgleichen Tatsachen (hier: Teilgewinnabführungsverträge) verstößt jedenfalls dann nicht gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 geänderten Fassung), wenn das Registergericht nicht nur die formellen, sondern auch die materiellen Eintragungsvoraussetzungen zu prüfen hat.
Gründe:

I.

An der Kostenschuldnerin, einer Aktiengesellschaft, beteiligten sich eine Vielzahl von Personen als atypische stille Gesellschafter: Da die zu Grunde liegenden Gesellschaftsverträge Teilgewinnabführungsverträge darstellten, beantragte die Gesellschaft nach Genehmigung durch die Hauptversammlung die Eintragung im Handelsregister, die auch erfolgte.

Das Registergericht erstellte für die Eintragungen dieser Verträge zunächst 3 Kostenrechnungen über insgesamt 2.777,85 EUR, die unter dem Vorbehalt der endgültigen Abrechnung standen. Nach Erlass der HRegGebV nahm das Registergericht eine Nachbewertung vor. Da in der Vergleichsberechnung nach altem Recht geringere Gebühren als nach der HRegGebV zu erheben sind, berechnete es die Gebühr nach dem alten Recht und stellte am 6.6.2005 mit den verfahrensgegenständlichen Kostenrechnungen insgesamt weitere 65.808,50 EUR in Rechnung. Der seitens der Kostenschuldnerin erhobenen Erinnerung gegen die Kostenbescheide hat der Kostenbeamte wegen eines Rechenfehlers insoweit abgeholfen, als er eine Kostenrechnung (KSB ) über 24.514,77 EUR um 436,35 EUR herabsetzte.

Mit Beschluss vom 29.12.2005 hat das Amtsgericht die Kostenrechnungen aufgehoben, weil sie gegen den Grundsatz verstießen, dass derartige Kosten in einem plausiblen Verhältnis zum Aufwand stehen müssten. Die dagegen vom Freistaat Bayern eingelegte Beschwerde wies das Landgericht am 3.4.2006 mit entsprechender Begründung zurück, ließ aber die weitere Beschwerde zu.

Mit ihrer weiteren Beschwerde verfolgt die Staatskasse die Aufrechterhaltung der Kostenrechnungen weiter.

II.

Die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Der Vorbehalt der Nachforderung in den ursprünglichen Kostenrechnungen sei zulässig. Die Nachforderungen würden aber zwingendem europäischem Recht widersprechen. Die dort ausgewiesenen Kosten überstiegen den tatsächlich entstehenden Aufwand erheblich. Die Eintragungen beträfen nicht eine Vielzahl von individuellen Eintragungen, sondern Anträge mit gleich lautendem Inhalt. Bei solchen Masseneintragungen hätte in die HRegGebV eine entsprechende Ermäßigungsvorschrift aufgenommen werden müssen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand (§ 14 Abs. 5 Satz 2 KostO, § 546 ZPO).

a) Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Landgerichts, dass der Vorbehalt in den ursprünglichen Kostenrechnungen zulässig war. Durch den Vorbehalt ging aus der Kostenrechnung hervor, dass ein endgültiger, eine Vertrauensgrundlage schaffender Kostenansatz nach § 14 Abs. 1 KostO noch nicht erfolgen sollte, sondern nur die sicher feststehenden Kosten vorschussweise (§ 8 KostO) erhoben werden sollten.

b) Rechtsfehlerhaft ist aber die Auffassung, dass die Kostenrechnungen gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 geänderten Fassung widersprechen. Die Kosten sind zu Recht nach § 164 Abs. 1 Satz 1 KostO in der nach dem 31.11.2004 geltenden Fassung, § 79 KostO in der vor dem 1.12.2004 geltenden Fassung i. V. m. § 2 Abs. 2 HRegGebV, Nr. 2500, 2502 Gebührenverzeichnis zu § 1 HRegGebV zu erheben.

aa) Der Senat kann über die Rechtsfrage der Vereinbarkeit der HRegGebV mit den oben genannten Richtlinien selbst entscheiden. Denn eine Vorlage gemäß Art. 234 EGV an den Europäischen Gerichtshof ist nicht angezeigt. Eine Vorlagepflicht gemäß Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag besteht dann nicht, wenn das letztinstanzliche nationale Gericht in dem bei ihm schwebenden Verfahren feststellt, dass die betreffende entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig ist, und damit für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982, Rs. 283/81 - C.I.L.F.I.T.-Slg. 1982, 3415, 3430 Rn. 16; vgl. BGHZ 109, 29, 35; BGH, Urt. v. 28. März 2001 - VIII ZR 72/00, WM 2001, 1264, 1265 f; v. 24. Oktober 2003 - V ZR 48/03, WM 2004, 693, 695; v. 10. Oktober 2005 - II ZR 148/03, NJW 2006, 371, 373; BVerfG NJW 1988, 1456).

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 2.12.1997 in der Rechtssache C-188/95 entschieden, dass eine Abgabe mit Gebührencharakter nicht notwendig nach dem Aufwand variieren müsse, der der Verwaltung für die einzelne Eintragung tatsächlich entstanden sei. Ein Mitgliedstaat könne auf der Grundlage der durchschnittlichen voraussichtlichen Eintragungskosten Einheitsabgaben für die Durchführung der Eintragungsförmlichkeiten für Kapitalgesellschaften im Voraus festsetzen. Für die Bemessung dieser Beträge kann ein Mitgliedstaat ferner sämtliche Kosten berücksichtigen, die mit den Eintragungen zusammenhängen, einschließlich des auf diese Vorgänge entfallenden Teils der allgemeinen Kosten.

Diese Grundsätze wurden bei Erlass der HRegGebV gewahrt. Bei Erlass der Vorschrift wurden Erhebungen über den durchschnittlichen Aufwand für Handelsregistereintragungen gemacht und die einzelnen Kostensätze unter Berücksichtigung dieser Erhebung festgesetzt. Bei Errechnung der Einzelgebühren wurde auch der Umstand berücksichtigt, dass für die Eintragung jeder einzelnen Registertatsache nach § 2 Abs. 2 HRegGebV eine gesonderte Gebühr zu erheben ist. Unter Ansatz der von allen Beteiligten nicht in Frage gestellten kostendeckenden Personaldurchschnittskosten von 117,60 EUR je Arbeitsstunde ergibt sich für die Eintragung einer Registertatsache eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von ca. 15 Minuten. Dieser Zeitaufwand ist nicht übersetzt.

bb) Auch die Anwendung des § 2 Abs. 2 HRegGebV bei mehreren inhaltsgleichen Teilgewinnabführungsverträgen aufgrund einer Anmeldung entspricht jedenfalls dann, wenn das Registergericht die Eintragung nur auf Grund formeller und materieller Prüfung durchführen darf, den Grundsätzen der Richtlinie 85/303/EWG. Eine Ermäßigungsregelung musste die HRegGebV entgegen der Ansicht des Landgerichts für die Eintragung einer Vielzahl von gleich lautenden Teilgewinnabführungsverträgen jedenfalls für diese Fälle nicht vorsehen.

Die Eintragung jedes einzelnen Vertrages darf nur auf Grund formeller und materieller Prüfung erfolgen (Hüffer AktG 7. Aufl. § 294 Rn 11; MünchKomm/Altmeppen AktG 2. Aufl. § 294 Rn. 26 m.w.N; Geßler/Hefermehl/Geßler AktG § 294 Rn. 16; vgl. auch BGHZ 112, 9 ff). Die materielle Prüfung erstreckt sich auf die Wirksamkeit des Unternehmensvertrages einschließlich der dafür vorausgesetzten Wirksamkeit des Zustimmungsbeschlusses (Hüffer aaO).

Der nach § 17 Nr. 1 d RPflG zuständige Registerrichter hat in materieller Hinsicht bei jedem einzelnen Vertrag zu prüfen, ob dieser tatsächlich inhaltsgleich mit dem von ihm im Einzelnen auf die materielle Wirksamkeit überprüften Vertrag ist. Allein auf das äußere Bild des Vertrages darf sich der Registerrichter zur Feststellung der Inhaltsgleichheit nicht verlassen, da vor allem bei Massenverträgen unterschiedliche Fassungen von Vertragsformularen in Umlauf bei den Vermittlern sein können. Ferner hat der Registerrichter aufgrund des im Vertrag genannten Geburtsdatums bei jedem einzelnen Vertragspartners die Geschäftsfähigkeit desselben ebenso festzustellen wie den Ablauf einer etwaigen Vertragswiderrufsfrist. Der hierfür erforderliche Zeitaufwand unterschreitet den Zeitaufwand, der für die Überprüfung mehrerer unterschiedlicher Registertatsachen erforderlich ist, nicht wesentlich.

c) Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 KostO sind vor dem 1.12.2004 fällig gewordene Gebühren nach dem bisherigen Recht zu erheben; sie sind jedoch nach oben durch die Gebühren der HRegGebV begrenzt. Die gegenüber den Gebühren nach der HRegGebV niedrigeren Gebühren des § 79 Kost a.F. benachteiligen die Kostenschuldnerin nicht. Aus den oben genannten Gründen führt dies dazu, dass die Gebührenerhebung in der von der Staatskasse berechneten Höhe nicht gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 geänderten Fassung verstößt.

d) Die Kosten waren nach der Berechnung des Bezirksrevisors im Schreiben vom 4.10.2005, auf das in vollem Umfange Bezug genommen wird, zu berechnen. Soweit die Kostenrechnungen nach der Berechnung des Vertreters der Staatskasse ein zu niedriges Ergebnis erbrachten, unterliegt dies nicht der Änderung, da nur über die Erinnerung der Kostenschuldnerin zu entscheiden war. Die Staatskasse hatte gegen die Kostenrechnung keine Erinnerung eingelegt, so dass eine höhere Kostenfestsetzung in diesem Verfahren nicht möglich war (Korintenberg/Lappe KostO 16. Aufl. § 14 Rn. 109; Rohs/Wedewer KostO Stand Dez. 2005 § 14 Rn. 23).



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